Erste Fortsetzung

Der Bauer, sowie jedes Familienglied, besitzt einen Schafpelz, den er sich am nächsten Jahrmarkte kauft, die andern Kleidungsstücke spinnt und webt das Weib mit den Kindern und Mägden aus selbstgezogenem Flachs und Hanf. Die Fußbedeckung besteht aus Leinwandlappen, worüber er sich künstliche Schuhe aus Birken- oder Weidenrinde flechtet und mittelst einer Schnur zusammenbindet. Alle Geschirre schnitzt er sich von Holz mittelst der Hacke und des Messers, und alle Töpfe, die er nicht zum Kochen braucht, überzieht er dicht mit Weiden- und Birkenrinde so künstlich, dass sie fast unzerbrechlich werden. Seinen Wagen und Ackergeräte, seine Räder macht er sich selbst, ebenso das Geschirr zu seinen Pferden aus den Häuten der geschlachteten Tiere. Mehl mahlt er sich auf seiner Handmühle, und so genießt er ein sehr gutes, nahrhaftes Kornbrot. Der Wald gibt ihm Heu und Weide für sein Vieh, Schwämme und Beeren für seine Familie als Nahrungsmittel für den Winter, in dem Walde findet er Honig bei den Bienen als Zucker, und sein einziger Luxus-Artikel an den großen Feiertagen ist Tee; allein es muss schon ein reicher Russe sein, welcher ein Samowar besitzt, und wie oft bewunderte ich die Seligkeit dieser Russen, wenn sie beim Samowar sitzen und mit einem kleinen Stücke Zucker, aber von dem feinsten, den sie zwischen den Zähnen halten, je 10 — 12 Gläser des stärksten Tees trinken, und wahrlich, es wird kein Geschäft im bürgerlichen Leben geschlossen, wo das Samowar fehlt. Ihr Getränke ist Kwas, welches aus Gärung des Sauerteiges mit Wasser erzeugt wird, kurz, sein Scharfsinn weiß sich alle seine Bedürfnisse aus dem Walde zu erzeugen. Ist eine Kirche in der Nähe, so fährt er am Sonntage mit seiner Familie dahin, übrigens haben zu Hause alle Familienglieder, sowie die Knechte und Mägde, für das Oberhaupt eine gewisse Achtung und leisten ihm unbedingten Gehorsam; im Hause herrscht Ordnung und Reinlichkeit, und so genießen diese Waldbewohner ein einfaches, aber ruhiges Leben. Im Jahre ein- oder zweimal fährt er zum Jahrmarkt, veräußert seine Produkte, bezahlt mit dem Erlöse seine Kronabgaben und kennt Niemanden als Gott und seinen Kaiser.

Werfen wir einen Blick in die Geschichte der Vorzeit.


Vor 1800 Jahren war noch fast ganz Deutschland Wald. Julius Caesar, der 44 Jahre vor Christi Geburt starb, sowie Seneca und Tacitus, die im ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung lebten, schreiben, sechzig Tagreisen in der Länge und neun Tagreisen in der Breite im Walde gereist zu sein. Damals lebten die Menschen im Walde, nährten sich von der Jagd und Viehzucht, und hatten einen großen, kräftigen Körperbau, kannten wenig von Krankheiten und erreichten ein hohes Alter.

Die alten Germanen schätzten aber auch damals ihre Wälder, und die sieggewohnten Römer mussten es schmerzlich in der berühmten, im Teutoburger Walde gelieferten Hermannsschlacht empfinden, dieselben in ihrem Asyle, dem Walde, angegriffen zu haben.

Im Herzogtum Sachsen, zwischen Schlieben und Malitzendorf, war vor Zeiten der berühmte heilige Hain, ein großer Eichenwald, der den Göttern geweiht und durch Weissagungen der Völker und alter Herkunft aus Ehrfurcht geheiligt war, wo zu bestimmten Zeiten die Gesandten der Völkerschaften der Senonen zusammenkamen, um nach damaliger Sitte und Gebrauch Menschen zu opfern.

Diesem Walde oder heiligen Haine erwies man damals eine solche Achtung und Ehrfurcht, dass Niemand denselben anders als gefesselt betrat, zum Beweise, er halte sich für geringer und erkenne die Macht der Gottheit, und wer durch Zufall hinfiel, durfte weder aufstehen, noch sich aufrichten lassen, sondern wurde auf dem Boden hinausgewälzt.

Allein welchen Unterschied finden wir in den Eichenwäldern der Vorzeit und der Gegenwart! Wohin sind die schönen, einstigen großen Eichenforste verschwunden, ebenso ihre einstigen muskulösen Bewohner? Welche Größe und Glieder zeichneten diese alten Waldbewohner vor allen Nationen aus! Die alten Waffen und Rüstungen liefern den klaren Beweis, wie groß und kräftig diese Menschen meist gewesen sein müssen, um alle die aus grauer Vorzeit rückgelassenen Waffen benützt und bei Sohlachten sich deren bedient zu haben.

Allein wahr spricht das alte Sprichwort:

„Tempora, mutantur et nos mutamur in illis.“
„Die Zeiten ändern sich und wir ändern wir uns mit ihnen.“

In der ,,Russischen Flora“, von J. H. Zigea, ist angeführt, dass in England einstens eine Eiche stand, unter deren Schatten sich 4000 Krieger lagern konnten.

In Kurland, unweit Goldingen, fand man einen Eichenbaum, der einen Fuß über der Erde 42 Fuß 8 Zoll, und elf Fuß über der Erde 28 Fuß im Umfange maß.
Als Peter der Große Kronstadt gründete, fand er dort zwei alte, große Eichen; die eine benützte er mit seinem Gefolge als Schatten vor der Sonne, und ruhte darunter beständig aus, die andere, welche hohl war, verwandte er zur Aufbewahrung seiner Bagage und Mundvorrat.

Im Großherzogtum Oldenburg, im sogenannten Hasbruche, steht noch gegenwärtig eine Eiche, welche über der Wurzel 34 Oldenburger Fuß und auf 25 Fuß Höhe noch 24 Fuß im Umfange misst und noch mit kräftiger Beastung prangt. Es scheint aber auch, so viel ich weiß, der einzige Stamm zu sein, der noch aus grauer Vorzeit zu uns herüberragt.

Die alte romantische Vorzeit Deutschlands, worin die schönen Eichenhaine eine so wichtige Rolle spielten, liegt schon unendlich weit hinter uns. Der Menschen sind mehrere und andere, die Eichen sind seltener geworden, und auch das, was von den letzteren noch vorhanden, erscheint, im Verhältnis zu sonst, als wahres Schattenbild; die vormaligen Rieseneichen sind verschwunden und haben Pygmäen Platz gemacht; allein mit den Eichen ist auch der einstige kräftige Körperbau unserer Voreltern verschwunden, ebenso das einstige hohe Alter der Maischen.

Wo die Berge entwaldet werden, wechselt die Temperatur sehr schnell, springt von der größten Kälte plötzlich auf Tauwetter und ebenso umgekehrt; die gesunden Quellen versiegen und das erste Lebensbedürfnis, welches den Körper gesund erhält, ein reines, frisches Wasser, geht verloren. Anstatt aus Quellen, muss man das Wasser aus Flüssen und ungesunden Teichen nehmen, und deshalb entstehen so viele Krankheiten, die den größten Einfluss auf die Gesundheit und den Körper der Menschen ausüben, und so steht das Erscheinen und Verhalten so vieler Krankheiten in engster Beziehung mit der Bewaldung und Entwaldung eines Landes.