Siebente Fortsetzung

Dass die früher bestandenen, mit der Forst-Oberaufsicht betrauten politischen Behörden diese Aufgabe nicht in der Weise erfüllten, wie es die Wichtigkeit der Sache erforderte, haben ebenfalls die Erfahrungen der Vorjahre bewiesen. Zwar müssen wir es als Tatsache anerkennen, dass unsere Regierung seit jeher bemüht war, dem Waldwesen durch Gesetze eine bestimmte Richtung zu geben; wir besitzen Normen in allen Zweigen der Forstverwaltung, allein was nützt uns der tote Buchstabe, wo das belebende Organ der Ausführung mangelt?

Daher ist es auch gekommen, dass der gemeine Mann in vielen Gegenden der österreichischen Alpenländer ein Forstgesetz oder eine Waldordnung kaum dem Namen nach kannte, oder dass er sich mit Mühe erinnert, einmal Etwas davon gehört zu haben. Dies rührte offenbar wieder von dem Umstande her, weil derselbe an vielen Orten keine Repräsentanten hatte. Was nützen unter solchen Umständen sowohl die Gesetze der Moral, als des physischen Zwanges, wo das freie Selbstbewusstsein noch nicht zur Erkenntnis dessen gekommen ist, was dem Walde so sehr not tut. Kann dies aber dem gemeinen Manne auf eine andere Weise zugängig werden, als durch Belehrung, Anleitung und Vorstellung über die vielen schädlichen Missgriffe, die oft aus bloßer Unwissenheit getan werden?


Zu allem Diesen konnten uns die politischen Behörden keine Mittel bieten und hatten uns bisher auch keine geboten, obwohl man durch die Übertragung der Forstaufsicht an die ehemaligen Bezirks Obrigkeiten den Zweck zu erreichen glaubte. Bis zum Eintritt der neuen Forstorganisierung in Tirol hatten diese politischen Behörden die Oberaufsicht über die Forste leider nicht mit dem besten Erfolg geführt, sondern sie war der Grund vieler Übel, welche die Wälder heimsuchten, weil sie die ihnen anvertraute Aufsicht nicht in jenem Sinne pflegten, wie sie die gesetzlichen Bestimmungen vorgezeichnet hatten. Ihre Wirksamkeit, wenn sie je eine an den Tag legten, bestand höchstens in Regulierung des äußeren Forstschutzes; die innere Verwaltung blieb ganz dem Ermessen des Waldeigentümers anheimgestellt, wobei man stets dem falschen Grundsatze huldigte; Es könne Jeder mit seinem Eigentume nach Belieben schalten, wie er gerade wolle.

Eine förmliche Aufsicht über die Privat-Forstwirtschaft hatte niemals stattgefunden, denn jene Regierungsmaßregeln, welche die Aufstellung der ehemaligen Kreis- und Distriktförster, Forst-Kommissare etc. zum Zwecke hatte, war damals ein schon von der Geburt verunglücktes Institut, welches auch bald aus Mangel an Lebensfähigkeit einging, weil sie in ihrem Wirkungskreise nicht jene Unterstützung fanden, die zur Ausübung eines nur halbwegs rationellen Forstbetriebes notwendig ist.

Einen weiteren Mangel hatte diese Maßregel in der geringen Anzahl, der aufgestellten Beaufsichtigungs- und Inspektions-Organe und in der oft äußerst spärlichen wissenschaftlichen Fachbildung derselben.

Wenden wir unsern Blick in fremde Länder, so werden wir finden, dass kaum irgendwo die Regierung die Waldeigentümer bei der Nutzung ihrer Wälder weniger beschränkt, als gerade in Österreich, wobei dieselbe ganz offenbar den Zweck verfolgt: es werden die Waldeigentümer das liebevolle System derselben nicht verkennen und sich innerhalb der gesetzlich vorgezeichneten Schranken bewegen. Leider misskannten, die Waldeigentümer die Liberalität der Regierung und die in den Forstgesetzen ausgedrückte weise Absicht derselben, während die politischen Behörden als gleichzeitige dominieren, es in den seltensten Fällen in ihrem Interesse fanden, gegen ihre eigenen oder benachbarten Untertanen einzuschreiten; daher datiert sich auch der Verfall sämtlicher Privat-Forstwirtschaften, besonders in Österreichs ausgedehnten Alpenländern, und die immer näher rückenden traurigen Folgen der Elementar Verheerungen und des jetzt schon fühlbaren Holzmangels.

Diese wahre Schilderung der Verhältnisse von Südtirol habe ich als Bezirksförster von Mezzolombardo seit meinem Dienst-Antritt vielfältig Gelegenheit gehabt zu beobachten, und nur durch das neue Forstgesetz und durch tüchtige Forstmänner, als Organe der Landes-Forstdirektion, kann diese Aufgabe zur Beruhigung der Gesamtbevölkerung gelöst werden.

Allein soll ein Bezirksförster, dem eine Waldfläche von 30.000 Joch Wald, meistens im Hochgebirge, zur Bewirtschaftung übergeben ist, diese Waldflächen regelmäßig bewirtschaften und die Forstgesetze genau zum allgemeinen Wohle handhaben, so muss er Anfangs fest täglich in seinen ausgedehnten Wäldern herumkommen, weil vom Kanzleitische aus, wo keine Karten bestehen und Lokalkenntnisse fehlen, die Mängel und Gefahren, welche dem Walde hier allgemein drohen, nicht zweckmäßig abgewandt werden können. Der richtige forstmännische Blick ersieht gleich den mangelhaften Zustand an Ort und Stelle; durch richtige Anordnung und Belehrung kann der Förster leicht abhelfen und seinem Forstamt von Zeit zu Zeit ein klares Bild von dem Stande der ihm anvertrauten Gemeinde- und Privatwälder entwerfen. Die Bezirksförster sind die ersten Organe, welche durch Fleiß, Kenntnis und Umsicht den Wald von seinem Verfalle retten, das allgemeine Wohl der Menschheit gründen, die nachteiligen Folgen einer Walddevastation im Lande abwenden und die kahlen Berge wieder mit ihrem einstigen grünen Kleide schmücken können.

Allein die körperliche Anstrengung, die großen Distanzen verlangen, dass dem Förster ein gutes Reitpferd zu Gebote steht; da er oft ganze Wochen in den Bergen zubringen muss, so bedarf er einer starkem Fußbekleidung und kräftigerer Nahrungsmittel: deshalb müssen ihm ein angemessenes Pauschale zur Erhaltung seines Pferdes und Diäten zu seiner oft sehr kostspieligen Verköstigung angewiesen werden.

Die Wichtigkeit des Waldes und dessen Einfluss auf das allgemeine Wohl der Menschheit finden wir in der „Österreichischen Vierteljahresschrift für Forstwesen“, 1. Band 1. Heft pag. 49, sehr richtig geschildert.

„Die Menschen vermehren sich und mit dieser Vermehrung steigen auch die Bedürfnisse der Ackerbauerzeugnisse. Das Mittel zur Befriedigung dieser gesteigerten Bedürfnisse wird der Mensch — das liegt in seiner Natur — zuerst in der Erweiterung des Ackerbaues suchen. Auf eine intensivere Benützung des Bodens wird er immer erst dann denken, wenn ihm die Möglichkeit weiterer Ausbreitung benommen ist. Die Ausbreitung des Ackerbaues auf immer größere Flächen hat aber das Zusammenschmelzen der Wälder zur natürlichen Folge.

Durch die fortwährende Beschränkung des der Holzproduktion gewidmeten Bodens wird nun Alles, was sich mit dem Waldbau befasst, dahin gedrängt, dem Waldboden den möglichst höchsten Material- und Geldertrag abzuringen.

Dies wird eine fortwährende Steigerung der Forstprodukten-Preise und diese wieder eine allmähliche Beschränkung im Verbrauche der Walderzeugnisse, Erweiterung im Verbrauche von Surrogaten u. s. w. zur Folge haben. Es wird aus diesem Anlasse vielleicht ein willkürlicher Holzmangel eintreten, wohl aber ist es wahrscheinlich, dass durch die Wechselwirkungen des an Ausdehnung zunehmenden Ackerbaues, der erhöhten Holzpreise und des verminderten Holzverbrauches der Waldbau endlich bloß auf jene Flächen reduziert werden muss, welchen wir absoluten Waldboden nennen. Dieses vorausgeschickt nehmen wir nun an, der physikalische Einfluss, den wir den Wäldern zuschreiben, sei wirklich in hohem Grade vorhanden und könne durch andere Pflanzenkultur nicht ersetzt werden.

Müssen wir da nicht bloß bei dem Gedanken an das Los schaudern, welches wir unseren Nachkommen durch eine so geartete Zusammenziehung des Waldbaues bereiten würden? — Ist es nämlich wahr, dass eine gewisse Menge Waldes, in angemessener Verteilung, für die Erhaltung eines gedeihlichen Klimas — folglich auch der Bodenfruchtbarkeit — unentbehrlich ist, muss es auch dann nicht wahr sein, dass durch die übermäßige Schmälerung der Waldflächen die Ernährungsfähigkeit unserer Erde in dem Masse herabgestimmt wird, in welchem das zweckdienliche Verhältnis zwischen Wald- und Nichtwaldfläche eine Störung erleidet? Muss es daher nicht ebenso wahr sein, dass als Folge der übermäßigen Ausbreitung des Ackerbaues auf Kosten des Waldbaues statt der angestrebten vermehrten eine verminderte und immer abnehmende Erzeugung von Feldfrüchten, am Ende statt Wohlstand allgemeine Hungersnot herbeiführt und unseren Nachkommen ein Los bereitet wird, welches ihren Fluch auf uns laden muss.

Ein Blick in eine solche Zukunft, deren Bereitung möglicherweise von uns abhängen kann, dürfte genügen, um zu zeigen, dass die Frage: Wie weit reicht die Wichtigkeit der Wälder? Eine Lebensfrage und die allgemeine Aufmerksamkeit auf ihre Lösung zu lenken hoch an der Zeit ist.

Ich glaube daher der Menschheit gegenüber und als Forstmann nur eine Pflicht zu erfüllen, wenn ich die höchsten Staatsbehörden, die ganze Bevölkerung des österreichischen Kaisertums, insbesondere alle Waldbesitzer und Forstmänner auf diesen Gegenstand und auf die mögliche Tragweite sorgloser Wälder-Ausrottungen, auch außer dem Gebirge und außer dem absoluten Waldboden, aufmerksam zu machen suche.

Ich glaube hier auf Istrien, auf einen Teil von Krain, auf Griechenland, auf gewisse Gegenden Frankreichs, ja selbst auf eben von Ägypten etc. hinweisen und die Frage stellen zu sollen, ob diese Landstriche immer in einem so trostlosen Zustande der Unfruchtbarkeit waren, oder wodurch sie wahrscheinlich in einen solchen versetzt worden sind.