Sechste Fortsetzung

Ich habe in Russland im Nischnij Nowgorod'ischen, im Tambov'schen Gouvernement Dörfer mit Namen: Wald und Ofen angetroffen, die diesen Beinamen Wald bloß deshalb führten, weil sie einst mitten in tiefem Walde lagen, wo die Bauern in blühendem Wohlstande lebten. Und wie steht es jetzt? Anstatt dieser beiden Ortschaften findet man eine große Sandsteppe und ein, hölzernes Kreuz an der Stelle, wo dieselben einst blühten.

Viele russische Magnaten haben noch keine Idee von der Wichtigkeit ihrer Wälder; ihre großen Besitzungen erlauben diesen nicht, sie zu bereisen, sie haben daher ihre Wälder nie gesehen, und glauben das allgemeine Wohl ihrer Untertanen zu befördern, wenn sie in ihren Wäldern keine regelmäßige Ordnung und Forstwirtschaft einfuhren und solche ihren Untertanen ganz frei zum willkürlichen Gebrauch überlassen, darin sie tun und machen können, wie und was sie wollen.


Ebenso denkt der russische Bauer ganz fest, dass Gott den Wald für ihn geschaffen und er sein Eigentum ist. Der Gutsbesitzer ruiniert aber leider sich und seine Untertanen durch diese falsche Ansicht. Eine richtige Forstwirtschaft sichert dem Eigentümer des Waldes, sei er groß oder klein, eine jährliche ziemlich, gleiche Revenue, während Feldbau und Viehzucht bei einer Missernte oder Viehseuche den größten Verlust bringen und Tausende von Rubeln und Menschenkräften manches Jahr verloren gehen, und gründet das Wohl seiner Untertanen, weil ihre Bedürfnisse an Holz nachhaltig gedeckt sind und sie nicht den traurigen Folgen der Holznot ausgesetzt werden.

In letzterer Zeit fing man auch in Russland an, die Wichtigkeit und den Nutzen der Wälder einzusehen. Ich habe mich 13 Jahre mit der Vermessung und Einrichtung russischer Privatwälder beschäftigt, und vielen Waldbesitzern bewiesen, welche nachteiligen Folgen ihre bisherige Waldausrottung für sie und ihre Nachfolger, ebenso für ihre Untertanen herbeiruft; habe ihnen den Nutzen erklärt, welchen sie durch Einführung einer regelmäßigen Forstwirtschaft für sich und ihre Untertanen gründen, bin sehr gut honoriert worden, aber predigte mitunter auch tauben Ohren. Meine Projekte blieben auf dem Papier und in der Natur geschah nichts aus dem einfachen Grunde, weil die dortigen Herren Verwalter bei dieser Einrichtung nicht mehr machen konnten was sie wollten, wie sie bis jetzt taten, und dann der Nutzen aus dem Walde dem Waldbesitzer und nicht ihnen zukommen würde.

Bei Moskau richtete ich das Vermögen Suchanowa des früheren Feldmarschalls und Ministers Wolkonski, jetzt dem jungen Fürsten Dimitri Wolkonski angehörig, ein. Dieser edle Fürst begriff richtig den Nutzen des Forstwesens und ich danke demselben noch aus weiter Ferne für die so liebevolle und aufmerksame Aufnahme und Behandlung auf seinem Gute, und die wenigen Tage, welche ich dort verlebte, werden mir als die angenehmsten Tage, die ich in Russland zubrachte, stets zur Erinnerung dienen.

Seine Forste sind geschlossene Birkenbestände, die per Joch jährlich 1 ½ Kubik-Klafter Holzzuwachs geben, und die kurze Entfernung nach Moskau, wo die Klafter Birken-Brennholz von 13 Wiener Zoll Länge und 3 bis 4 Zoll Dicke 8 fl. C. M. kostet, geben schöne jährliche Einkünfte.

Woher kommt es, dass die Holzpreise in Petersburg und Moskau von Jahr zu Jahr steigen und dadurch das Leben in diesen beiden Hauptstädten sich bedeutend verteuert? Woher anders als von der Zerstörung der Wälder. Diese wurden alle schonungslos heruntergehauen, nichts wieder für ihren Anwuchs getan und gingen so ihrem Untergange entgegen.

Der Holzhandel liegt in den Händen der russischen reichen Holzspekulanten, die sich Millionen dadurch erwerben, während diese Millionen die dortigen Waldbesitzer selbst einstecken könnten, wenn sie dem Walde mehr Aufmerksamkeit schenken würden, sachkundige Forstmänner anstellen wollten, die das Holz durch ihre Untertanen fällen und flössen ließen, in den Hauptstädten Holzhöfe anlegten, wodurch den Bauern reichlicher Verdienst erhalten, die Stadtbewohner vor Holzteuerung und Steigen der Holzpreise geschützt würden, und so das allgemeine Wohl der Menschheit, aber auch der Nutzen der Waldbesitzer, befördert würde.

Wir wundern uns, dass in allen Ländern das Leben immer teurer wird und die armen Beamten der niederen Klassen mit ihren Besoldungen kaum mehr ihre Familien ernähren können, während sie vor Zeiten mit den gleichen Gagen anständig leben konnten, und der richtige Grund ist die Zerstörung der Wälder. Mit dem Verfalle der Wälder steigen die Holzpreise und natürlich alle Preise der Handwerker; er muss auf seine Arbeit das zuschlagen, was er für Holz mehr bezahlt, die Wohnungen und Mietzinse steigen, weil der Hausbesitzer für das Bauholz höhere Preise zahlen muss, die Kaufleute schlagen auf die Waren diese vermehrten Zinsen wieder auf, alle Produkte des Holzes steigen und äußern ihre Folgen auf alle Menschen. Ich war vor 22 Jahren in Trient in Tirol und genoss für 20 Kreuzer das Gleiche, was ich jetzt für einen Gulden genieße. So wie mit dem Steigen der Holzpreise sich das allgemeine Leben verteuert, ebenso werden mit dem Fallen der Holzpreise die Bedürfnisse des Lebens wieder wohlfeiler und Zufriedenheit eintreten. Allein dieses Fallen der Holzpreise kann bloß durch eine umsichtsvolle forstliche Bewirtschaftung aller Privat- und Gemeinde-Wälder, richtige Verjüngung derselben und durch eine strenge Forstpolizei geschehen. Sobald die Wälder wieder in gutem Zustande sein werden, können auch daraus größere Holzquantitäten gewonnen werden; es entsteht eine größere Konkurrenz im Handel und die Preise fallen in dem Maße als die richtige Bewirtschaftung der Wälder zunimmt.

Schon aus diesem einzigen Grunde soll jeder Mensch auf die Erhaltung der Wälder als ein allgemeines Nationalgut auf das sorgfältigste bedacht sein.

Der Zeitgeist schreitet vorwärts — der Bau von Eisenbahnen, Kanälen und Dampfschiffen drohet mit Holzteuerung und Holznot und ihre Folgen wirken schon auf die entferntesten Wald- und Gebirgsgegenden.

Was helfen aber einem Lande alle diese Erleichterungen des Verkehres, diese vielen Eisenbahnen und Dampfschifffahrten? Sie allein gründen nicht das allgemeine Wohl, wenn es an Landesprodukten und Fabrikaten fehlt, und woher sollen diese in ausreichender Menge entstehen, wenn der Boden immer mehr und mehr durch die Ausrottung der Wälder verschlechtert wird, und anstatt mit jedem Jahre immer reichlichere Holz- und Feldfrüchte, die wahren Grundstoffe des Handels und der Gewerbe, zu erzeugen, häufige Missernten eintreten?

Ich erlaube mir hier aus den „Mitteilungen des Forstvereins der österreichischen Alpenländer", Nro. 18 vom Jahre 1852, die Ansichten des Herrn von Wimmer, in Bezug auf den Einfluss des Waldes auf das allgemeine Wohl der Menschheit, wörtlich anzuführen.

„Der Einfluss der Wälder auf die ganze menschliche Gesellschaft sowohl in physischer als klimatischer Beziehung ist allbekannt. Es sei mir erlassen alle die Nachteile aufzuzählen, welche die Entwaldung ganzer Landstriche schon hervorgebracht hat. Man sorgt im Allgemeinen in den österreichischen Alpenländern hinlänglich, dass unsere Forste durch die herrschende Missverwaltung in ihrem Ertrage herabgebracht und so uns und unsern Nachkommen ein Übel bereitet wird, das die Existenz vieler Industriezweige und die Wohlbehäbigkeit der Landesbevölkerung zerstören kann.

Die Wälder, als die Quellen eines blühenden Wohlstandes und als Hauptbedürfnis der Länder, mögen sie Eigentum des Staates sein oder sich in den Händen der Private befinden, sind bestimmt, großen Anforderungen der Landesbewohner, der Industrie und des Bergwesens zu genügen, um uns ihre Schätze nachhaltig zu liefern.

Betrachtet man daher die Wälder von dem Standpunkte des Forstwirtes aus, so wird man dieselben in Beziehung zum Staate stets als Stammkapital und Gemeingut sämtlicher Untertanen ansehen und den Waldeigentümer nur als Nutznießer derselben betrachten, der gegenüber den andern Untertanen schon durch die Deckung seiner eigenen Bedürfnisse und die Verwertung des allenfalls erzielten Überschusses in bedeutendem Vorteil steht. Dieser eben aufgestellte Grundsatz, dessen Richtigkeit allgemein anerkannt ist, bürdet zwar dem Waldbesitzer das Recht eines andern — nämlich das Recht der gesamten Untertanen auf das Stammkapital des Waldes auf. Vom nationalökonomischen Standpunkte aus beurteilt, sind sie daher ein beschränktes Eigentum, wovon der Besitzer nur die natürlichen Zinsen seines Kapitals, nie aber dieses, nämlich die Waldsubstanz selbst, angreifen darf.

Die Regierung ist berufen, für die Wohlfahrt aller Untertanen Sorge zu tragen und die Rechte derselben zu bewahren; sie hat demnach das Recht, sämtliche Wälder unter ihre Kontrolle zu stellen und die nachhaltige Nutzung des Stammkapitals für alle Zeiten zu sichern.

Zur Rechtfertigung des oben Gesagten verweise ich auf jene Länder, wo die Regierung den wahren Staatszweck aus dem Auge ließ und der Wälder-Devastation keine Schranken setzte. Dadurch sind viele Landstriche in unwirtbare Steppen und, vom fruchtbaren Erdreich entblößt, in Steinwüsten verwandelt worden. Aber, warum sollen wir in fremden Ländern Belege suchen, da uns die jüngsten Ereignisse im eigenen Vaterlande eine Auswahl von Erscheinungen vorführten, wovon jede einzelne geeignet ist das vorne Angeführte zu bestätigen.

Im Angesichte solcher Tatsachen wird wohl jeder Forstmann die Frage aufwerfen, ob es denn bei einer kräftig gehandhabten Staatsforstpolizei wohl so weit gekommen wäre, wie es leider gekommen ist?

Ich meines Teils und viele meiner Fachbrüder mit mir werden diese Frage aufrichtig mit Nein beantworten.

Wer unter solchen Umständen eine Beaufsichtigung der Wälder durch Organe der Staatsverwaltung für überflüssig hält, der wolle sich an Ort und Stelle, wo diese Verheerungen Statt hatten, begeben und den Ursachen derselben nachforschen; er wird in Kürze eines Andern belehrt werden. Ich bin der unvorgreiflichen Meinung, dass wenn die Regierung das Recht der Kuratelverhängung über Personen bei erwiesener Verschwendung zusteht, sie auch berechtigt ist, ein gleiches Verfahren bei Waldverschwendungen in Anwendung zu bringen, wo, wenn diese im ausgedehnten Maßstabe vorkommen, ungleich mehr Untertanen darunter und oft schmerzlicher leiden als im' ersten Falle. Die Regierung kann aber auch nur durch eine zweckmäßig eingerichtete Forst-Oberaufsicht zur Kenntnis alles dessen gelangen, was den Wäldern gefahrdrohend ist, oder sie tatsächlich schon beschädigt hat, um dann ihre Gegenanstalten zur Verhütung großen Unheils zu treffen.