Achte Fortsetzung

Der Wald braucht wenig Menschenhände, wenn er nur einmal eingerichtet ist; die Natur selbst gibt den besten Fingerzeig, wie er behandelt werden soll, und ein praktischer, tüchtiger Forstmann kann durch richtige Anlegung seiner Schläge den Wald ohne großen Kostenaufwand besser verjüngen, als die Waldaufseher denselben in Russland zu verwüsten verstehen.

Der weise, umsichtige Blick des verstorbenen seligen großen russischen Kaisers Nicolaus beweist, wie richtig er die Wichtigkeit des Waldes, die er auf das allgemeine Wohl ausübt, einsah. Er bemerkte die Zerstörung der Wälder in der Umgegend seiner Residenz Petersburg und Moskau, ließ zur Ersparung des Holzes in allen so zahlreichen Krankenanstalten zweckmäßige Sparherde einführen, Torf- und Steinkohlenlager aufsuchen und Torfheizungen einrichten j unter seiner Regierung hat der um das Forstwesen in Russland so verdienstvolle Minister der Domänen, Herr Graf Cancrin, eine Kommission aus Naturkundigen und Statistikern in Petersburg zur Untersuchung der Gefahren gebildet, welche dem Lande durch Ausrottung und Vernichtung der Wälder in Zukunft erwachsen könnten, und sie lieferten das unzweideutige Resultat, dass bloß die Ausrottung der Wälder die Ursache sei, weshalb die großen Flüsse Russlands mehr oder weniger ein seichteres Flussbett erhalten und von der Schifffahrt nur mit großen Gefahren benützt werden können.


In dem neunten Jahrgang des „Taschenbuches der Natur-, Forst- und Jagdfreunde“ von Schulze finden wir ganz richtig bemerkt, dass in Russland wie in Persien ungeheure Steppen und Sandwüsten sich befinden und sich von Jahr zu Jahr vergrößern. Diese Steppen waren einst Wälder, wie die dort, nach Angabe des Dezember-Heftes der „Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung.“ aufgefundenen versteinerten Eichen und Fichten beweisen.

Die jetzt in Russland lebende Generation bemerkte schon, wie viele kleine Flüsse ausgetrocknet sind, größere seichter geworden, Seen sich in Moraste verwandelt haben und über kurz oder lang festes Land daraus entstanden ist.

Die Wolga, der größte Fluss Europas, spricht als Beweis dafür; sie wird mit jedem Jahre seichter, für die Schifffahrt unzugänglicher, so dass sie nur mit bedeutenden Hindernissen befahren werden kann.

Der greise, hocherfahrene Kosthofer sagt in seinem an die geehrte Versammlung deutscher Forstwirte zu Gratz gerichteten Sendschreiben: „Waldungen, die außer dem Holzertrage noch andere höhere Zwecke zu erfüllen haben, sollen Eigentum des Staates sein."

Zu diesem Schlusse ist er nach fünfzigjährigen Erfahrungen gekommen, nachdem er den größten seines Lebens vergebens bemüht war tauben Ohren zu predigen, und nachdem er noch selbst erlebt hatte, dass ganze Täler von den Elementarverheerungen und von den klimatischen Verschlimmerungen unabwendbar betroffen wurden, die er ihnen als Folgen ihrer Waldverwüstung warnend angekündigt hatte.

Herr Forstmeister Kamptner hat in der zweiten Sitzng des Forstvereines der österreichischen Alpenländer bei der ersten Generalversammlung 1852 zu Klagenfurt über das Thema: „Welche Maßregeln wären zu ergreifen, um eine nachhaltige Forstwirtschaft in den österreichischen Hochgebirgen möglich zu machen?“, folgenden Vortrag gehalten, welchen ich hier anführe, weil er den Wald als allgemeines Gut berührt.

„In der Gesetzgebung bildeten sich seit den frühesten Zeiten jene Materien vollkommener und kräftiger aus, welche den Menschen unmittelbar betreffen, und sie hielten auch mit der Kulturgeschichte der Menschheit gleichen Gang.

Die Wälder lagen zu der Zeit oft nur hemmend im Wege, man bedurfte deren Lichtung; die Sorge für ihre Pflege lag also noch fern und blieb es, so lange man ihren Mangel nicht gefühlt. Daher kommt es, dass bis auf den heutigen Tag die Forste und Wälder noch nicht als solche Objekte des Eigentums und Besitzes zur allgemeinen Geltung gelangt sind, dass die Verletzung derselben als Eingriff in das Recht eines Andern, als eine gegen das Rechts- und Sittlichkeitsgefühl verstoßende Handlung betrachtet und von der Gesellschaft verdammt würden.

Sobald solche Eingriffe einen Wald betreffen, hat die öffentliche Meinung des Landvolkes keinen Tadel dafür, obgleich solche Handlungen, gerade so wie andere Rechtsverletzungen, durch positive Gesetze und Verordnungen verboten sind. Der Wald und seine Produkte sind, ein Gemeingut! dies wird gerne in kommunistischem Sinne gepredigt. Jeder könne daher, gleichwie die Atmosphäre Jedermann zur Benützung freistehe, auch frei und ohne Bebürdung seines Gewissens das zur Befriedigung seines Hausbedarfes benötigte Holz, da er doch Steuern an den Staat zu entrichten habe, aus dem Besitztum eines Andern holen; bedenken aber dagegen nicht, dass selbst die Luft als ein Gemeingut nicht missbraucht, nicht nach Belieben verpestet werden dürfe. Züchtigungen und Strafen wegen Holzdiebereien und Waldfreveln findet das Landvolk nicht entehrend; es hält sich vielmehr dadurch veranlasst, für den vermeintlich erlittenen Schaden für Zeitverlust wegen des Erscheinens vor Gericht und den Folgen der Strafverhandlung durch neuerliche Eingriffe, sei es durch Holzbezug oder Weide u. dgl., bei mehr Behutsamkeit und Umsicht gegen die Gefahr, entdeckt zu werden, sich tunlichst zu entschädigen. Es fehlt sonach vorderhand im Volke die moralische Stütze fast ganz, die auf Erleichterung in dem forstlichen Entwicklungsgange einen wesentlich förderlichen Einfluss üben würde. Es fehlt die richtige Auslegung des erwähnten Begriffes vom Gemeingut der Wälder; das Überwallen der richtigen Begriffsbestimmung aus dem Erkenntnisse Weniger in das Blut des Volkes.

Das staatliche wie das Gemeindeleben fordert allerdings für Erreichung des Staats- wie Gemeindezweckes die Erkenntnis und Würdigung der Wichtigkeit der Bewaldung eines Reiches, eines Landes oder einer Gemeinde, und insofern unterliegt die Landesbewaldung der Obsorge der Regierung, so wie die Gemeindewaldfläche in ihrer Wirtschaftsgebahrung der engeren Fürsorge der Gemeindeverwaltung. Nicht jeder Einzelne im Staate und beziehungsweise in der Gemeinde darf aber ein Recht daraus für sich in Anspruch nehmen, den Wald nach Belieben und nach eigenem individuellen Ermessen auszubeuten.

Für den Staat fordern es wohlfahrtspolizeiliche Rücksichten, dass er die völlig freie Gebarung mit dem Waldvermögen Einzelner, oder der Gemeinden, Stiftungen und Korporationen dort, wo dies für nötig befunden wird, beschränke — für die Gemeinde dagegen in ihrer engeren Wirksamkeit und Abgrenzung mehrenteils ökonomische Gründe, dass mit dem Gemeindewald-Vermögen für Nachhaltigkeit der Nutzung gebart werde. Kein Gemeindeglied ist deswegen, weil es zur Gemeinde gehört, befugt, irgend welche Waldgebarung eigenmächtig vorzunehmen, vielmehr darf eine Nutzung, welch' immer einer Art und Größe, nur über ausdrückliche Bewilligung von Seite der Gemeindeverwaltung von Einzelnen der Gemeinde erfolgen.

Wir sind bereits über die Frage hinaus, ob Länder ohne Bewaldung bewohnbar erhalten werden können; der Mensch kann von allen Gütern der Erde, außer seiner Nahrung, nur das Holz nicht entbehren. Es muss also dahin gebracht werden, dass der unverkennbaren Wichtigkeit der Wälder in der natürlichen Ökonomie, in der Staats- und Volkswirtschaft dadurch Anerkennung werde, dass Eingriffe in dieselben von der Gesellschaft ebenso wie vom Gesetze verpönt werden.