Dritte Fortsetzung

Der große, weltberühmte Forstmann Cotta sagt in seinem Grundriss der Forstwissenschaft: „Die Wälder sind viel wichtiger, als die meisten Menschen glauben; sie nützen uns nicht bloß durch das Material, welches sie zu Feuerung, zum Bauen und zu den Gewerben liefern, sondern schützen auch gegen die sengende Glut der Sonnenstrahlen, hauchen erfrischende Dünste für Menschen, Tiere und Pflanzen aus und tragen soviel zur malerischen Schönheit des Landes bei. Bei zu wenig Wald wird die Luft trocken und zu scharf, der Regen fällt seltener, die Quellen versiegen, der Boden wird immer mehr und mehr unfruchtbarer und das Land kahl.“

Ebenso wahr spricht der alte Forstmann Arndt: „Wer den Ländern die Wälder auszieht und besonders wer die Berge und Höhen entwaldet, der beraubt den Menschen an seinem köstlichsten e! Wehe dem Volke, welches mit frevelndem Leichtsinn diese kostbaren Güter zerstört; ihn trifft Unfruchtbarkeit des Landes, Armut und Krankheiten.“


Derselbe Forstmann sagt in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift „der Wächter“ in der Abhandlung:

„Ein Wort über die Pflege und Erhaltung der Forste und der Bauern im Sinne einer höheren, d. h. menschlichen Gesetzgebung.“

„Ich bin durch das, was ich äußerlich erfahren, d. h. durch die Geschichte und durch Menschen gelernt habe, und durch das, was ich täglich und stündlich äußerlich sehe, innig überzeugt, dass das Ausarten der Länder und Völker beiden gewöhnlich unwillkürlich und unwissend widerfahren ist: Sie sind miteinander schlechter geworden, weil der Mensch mit seiner Natur übel haushielt und sein Land nicht so verwaltete, dass es schön und fruchtbar bleiben konnte.

Mich deucht, es wäre dem Menschen möglich, aus Erfahrungen vergangener Jahrtausende und aus Winken und Zeichen, die ihm alle Tage gegeben werden, endlich ungefähr inne zu werden, wie er mit seiner Erde umgehen und wie er sie verwalten (ich mochte sagen bewirtschaften) müsse, damit sie ihm eine freundliche, schöne, fruchtbare Mutter bleibe und damit er auch durch sie immer in dem hohen Triebe geweckt und gereizt werde, um als der stolze und erhabene Freund der Gestirne, nicht aber als der Urenkel Kains mit dem Sinne der Unhuld und Verwüstung auf ihr umher zu wandeln. Gewöhnlich ist der Mensch, der Zerstörer oder der Versäumer, schuld, wenn ein früher durch seine Fruchtbarkeit gepriesenes Land später als ein unfruchtbares und schlechtes Land gehalten wird. Der Mensch kann durch seine Unwissenheit oder Ruchlosigkeit den Stürmen oder Sonnenstrahlen zu viele Gewalt geben, er kann den Regen vom Himmel sogar und alle fruchtbaren Dünste ableiten von seinem Lande, ohne dass er seine Torheit inne wird.

Das Land, wo jetzt New-York und Boston liegen, war vor 1.000 Jahren gewiss größtenteils mit Seen, Moorästen, Wäldern, Pflanzen und Moosen bedeckt, die von mancherlei Gewürmen, ungeheuren Schlangen und einer Unendlichkeit von Fischen und Vögeln wimmelten. Zu jener Zeit waren die größten Landtiere jener Gegenden gewiss weichlicher und schwächer, als sie jetzt sind, und auch der Mensch, der einzeln durch die noch ungebändigte und ungeordnete Natur hinschweifte, hatte noch keinen Kern. Vor 200 Jahren hatten die größeren Tiere und der Mensch die Erde schon mehr bezwungen und den Pflanzen und Würmern das Gebiet eingeschränkt; da waren gewiss schon viele derselben vergangen oder kleiner und schwächer geworden, als in früheren Jahrhunderten. Wie ganz anders sieht jetzt wieder das Land aus, als zu den Zeiten der Königin Elisabeth und des Königs Jakob. Wie würden die europäischen Pflanzer erstaunen, wie wenig würden sie das Land kennen, die vor 200 Jahren dort lebten, wenn sie wiederkehren könnten! Schon geht der Pflug, wo damals die Fische scherzten oder ungeheure Schlangen ihre Riesenleiber fortwälzten und dichte und wüste Wälder sind verschwunden und ihre Stelle nehmen anmutige Dörfer oder blühende Städte ein. Noch hat es hie und da ungeheure Lindwürmer in den abgelegenen Sümpfen und Wäldern, aber die Zeit wird kommen, wo der Urenkel über die Geschichten davon wie über Märchen lachen wird. So macht der waltende und bildende Mensch sich von Jahrhundert zu Jahrhundert die Natur mehr fertig; er bereitet sie für sich, er vermenschlicht sie. Auf diese Weise haben viele Urvölker arbeiten müssen, oder solche, die in rohe Länder als Pflanzer gekommen sind. Auch die Pelasger und Hellenen hatten ihre Bestien, Schlangenbändiger und Würger, selbst aus unserer germanischen Vorzeit wurde von ungeheuren Wölfen und Schlangen erzählt, dergleichen wir nun nicht mehr sehen. So ist die ewige Ordnung der Natur, dass das Unedle und Unvollkommene weichen oder untergehen muss, wenn das Edlere und Vollkommene sich bilden und entwickeln soll. Das Gewürm sucht Dunkelheit, Schlamm und Kot, worüber die Sonnenhitze, von keinen Lüften bewegt, brüten kann. Darin gedeihen üppige oder wohl gar giftige Pflanzen am besten und die unedelsten der Tiere. Die edleren Tiere wollen schon mehr auf festen Boden treten, verlangen mehr Luft und. Licht. Der Mensch aber, der vom Himmel stammt, kann des bewegten Äthers und Lichtes nicht entbehren; darum zapft er die Sümpfe ab, damit die faulen Dünste schwinden, und haut die Wälder nieder, damit die Lüfte frei atmen und als Winde spielen, ja als Stürme sausen können! Darum öffnet er sich Hügel und Höhen, damit er das Licht anschauen und schlürfen könne. Bei dieser Arbeit, die Beides für das Äußere und Innere, für die Not des Leibes und für die Weide des Geistes ist, schafft; er sich im Ablauf der Jahrhunderte endlich Beides, Schönheit und Kraft, er bringt die Natur und sich in das Gleichgewicht und die Übereinstimmung, worin die Natur als die schönste erscheint und worin er der stärkste wird.

Der Mensch hat gewiss einst in einem viel liebenderen und klareren Verständnisse mit der Natur gestanden, die damals ganz seine Natur war; er hat ihr gewiss Vieles ablauschen und abfragen, ja abfühlen können, wovon einzelne Wahrzeichen und Sagen noch übrig sind, welche die sogenannten Klugen für Albernheiten und Aberglauben erklärten und wovon die, welche daran glauben, meistens sowohl Deutung als Bedeutung verloren haben. Der Inder und Ägypter hat einst gewusst, wo er die Wälder niederhauen, wo er sie schonen und pflegen, wo er die Wässer eindämmen und wo er sie abzapfen, gegen welche Sonnenseite er für sich das Haus und gegen welche für sein Vieh bauen sollte. S-o der Grieche, der Hispanier, der Germanier, jeder in seinem Lande und in seinem Volke.

Wir denken uns Deutschland, unser Vaterland, oder das Germanien der Alten, wie es zuerst in einem rohen und wilden Zustande war, ehe die herrschende und bildende oder zerstörende Menschenhand darin Veränderungen hervorgebracht hatte. Da lag es unter einem ziemlich nördlichen Himmel, mit dichten und zum Teil undurchdringlichen Wäldern bedeckt, wodurch der Ur und das Elenn scheu hinbrausten und worin Bären und Wölfe heulten; das Übrige war mit Moosen und Gesträuchen bedeckte Haiden und Sümpfe; die Ströme und Seen ohne feste Ufer; kurz Alles der eigenen Gewalt oder dem Zufall preisgegeben! Wenn zu dieser Zeit Menschen das Land bewohnten, waren es einzelne armselige und in der Not und Knechtschaft der Natur scheu wie die Tiere des Waldes herumschweifende Jäger und Fischer. Bei diesem Zustande des Landes, wo noch keine denkende, herrschende Macht da war, waren unter solchem Himmelstrich, wie der unseres Vaterlandes ist, die Winter kalt und streng, die Frühlinge und Herbste nass, kalt und neblig, und die Sommer, wo die Sonne so viel Nass zu bebrüten und zu verschlingen hatte, schwül und qualmig, wahrscheinlich wärmer, aber auch kürzer als späterhin. Nun kommen, Gott weiß wie viele Jahrhunderte vor der Geburt unsers Heilandes, die edlen asiatischen Germanen, ein Volk herrlicher Abkunft und erhabenen geistigen Anlagen und begannen die wilde Natur zu bezähmen und allmählich menschlich zu machen. Zu Tacitus Zeiten waren sie mit ihrer Arbeit schon so weit vorgeschritten, manche Unhuld war schon zerstört, manche Tiere und Ungeheuer waren schon vertilgt oder weiterhin gegen die östlichen Wüsten und Sümpfe der Sarmaten, Letten und Fennen getrieben; aber doch herrschten die Wälder, Haiden und Sümpfe und ihre Geschäfte und Gewerbe, Jagd und Viehzucht, noch vor dem Ackerbau, das Feuchte, Trübe und Kalte der Natur herrschte noch vor dem Trockenen, Hellen und Warmen, bis endlich in jenen oben angedeuteten Jahrhunderten das kam, was wir das Stehen im Gleichgewichte der Natur und des Menschen zu einander nennen. Ich will nun in Beispielen zu zeigen suchen, wie der Mensch die Natur verdirbt, die Länder unfruchtbar und sich und seine Enkeln endlich zu schwächlichen und jämmerlichen Halbmenschen macht, wenn er das notwendige Gleichgewicht der Elemente und Kräfte aufhebt. Die Luft kann zu hell und trocken gemacht werden; dann wird sie in einigen Ländern zu scharf und kalt, in andern zu scharf und zu heiß, in jedem Falle aber unfruchtbar, je nach dem Himmelsstrich, unter welchem die Länder liegen. Und nun stehen wir an unserer Überschrift, an den Forsten; wir stehen, wie man sagt, vor dem Walde.

Und ich möchte, dass recht Viele in Liebe und Ehrfurcht still ständen vor dem Walde, dass unseren jetzt Lebenden solche Ehrfurcht vor den Bäumen eingeflößt werden könnte, mit welcher einst Moses und Abraham vor ihren Bäumen anbeteten, mit welcher noch heute der stille und fromme Hindu unter den Palmen seines Indus und Oranges sich lagert, und mit welcher unsere Ahnherren, die alten Germanen, ihre heiligen, von keinem Beile verletzlichen Haine uralter Eichen und Buchen betraten; denn jetzt wird in vielen Ländern Europas die Axt, die an den Baum gelegt wird, zu einer Axt, die an das Volk gelegt wird. Nächst den Sternen, die oft zu hoch über unseren Häuptern glänzen und uns oft zu hehr sind, als dass wir uns mit ihnen besprechen könnten, haben wir Menschen keine freundlichen Boten, die gleichsam zwischen Himmel und Erde hin- und herwanken, als die Bäume. Wer hat je unter ihnen mit stillem Mut gewandelt, dem sie nicht oft alle Sorgen und Eitelkeiten des Lebens hinweggerauscht, den sie nicht mit Liebe und Sehnsucht des Himmels angeweht, dem sie nicht so manche namenlose Gefühle und wundersame Geheimnisse zugeflüstert, so manche unvergessliche Gestalten gezeigt haben. So sind die Bäume die geistigen Gesellen des Menschen auf Erden; aber sie sind auch seine recht lieben irdischen Gesellen, die ihm Nahrung, Stärkung und Segen des Himmels bringen, und deswegen soll er sie auch lieben und ehren. Ich will nicht erinnern, wie nützlich die Bäume dem Menschen auf dem Herde und im Kamine sind, nein, ich will sie bloß in ihrem Leben auf den Stämmen mit ihren Blättern und Zweigen betrachten. Da schirmen sie den Menschen gegen die zu gewaltigen Wirkungen der Stürme und Sonnenstrahlen, da hauchen sie einen nährenden Dunst aus, sammeln um sich einen fruchtbaren, Menschen, Tieren und Pflanzen wohltuenden Dunst und locken befruchtendes Nass und Regen vom Himmel auf die dürstenden Fluren herab.

Es ist sehr wahrscheinlich und lässt sich von manchen Ländern und Gegenden beweisen, dass sie schlechter und unfruchtbarer geworden sind durch die Axt und das Beil. Manche Länder scheinen für immer unbrauchbar für jeden Anbau geworden zu sein, seitdem man sie ganz von Wäldern entblößt hat. Wir lesen in so vielen Reisebeschreibungen, die uns die Steppen um die Wolga und den Don schildern, wo hie und da einzelne Sträucher und schlechtes Gras stehen, dann einzelne trübe Salzquellen gefunden werden, und wo es selten regnet, dass einst herrliche Wälder und fruchtbare Auen dort bestanden haben, die von Quellen und Bächen bewässert waren, dass aber die viele Jahrhunderte nacheinander sich hier folgenden und von Osten nach Westen ziehenden verschiedenen Völkerschwärme das Land endlich kahl gemacht haben. Seit der Zeit ist es an den meisten Stellen dürr und unfruchtbar, und arm an Quellen und Regen geworden. Die Alten haben uns von der Fruchtbarkeit Siziliens und Sardiniens vor 2.200, ja noch vor 1800 Jahren Wunder erzählt, und dass die Ergiebigkeit Siziliens erstaunlich war, können wir aus der Große seiner Städte und der Menge seiner Menschen schließen; jetzt ist das aber Alles anders. Der Grund ist: man hat die Wälder auf den Berghöhen zerstört, die jetzt fast allenthalben mit ihren traurigen, einförmigen Glatzen daliegen; außer die Gegend um den Ätna ist gegenwärtig fast das ganze Land kahl. Die Regen des Himmels kommen viel seltener, weil ihre Anzieher, die Bäume, fehlen; viele Bäche und Quellen sind versiegt, die sonst mit segnender Fruchtbarkeit in die Ebenen hinabrieselten, nur um die Flüsse und in den tiefsten Tälern finden sich noch Spuren jener gepriesenen alten Zeit; viele Felder und Höhen aber, die sonst mit Weizen, Reben und Fruchtbäumen bedeckt waren, werden jetzt nur von einigen mageren Schafherden beweidet. Und damit Alles in Übereinstimmung sei, ist auch der Mensch schlechter und schwächlicher geworden, wie die Natur.

Ähnliches ist manchen Landschaften Spaniens widerfahren, z. B. den beiden Kastilien und Estramadura und einem großen Teile Arragoniens und Granada. Gegenden derselben, wo die Höhen weiland mit Wald bewachsen, die Ebenen mit Getreide, Städten und Dörfern besäet waren, sind jetzt fast nur noch öde und kahle Weiden für Schafe. Der Himmel regnet dort selten und wenig mehr, die Erde bringt nichts hervor als einige Gräser und der Mensch kann kein erfreuliches Dasein haben, wo der Sonnenstrahl und der Wind den Schutzlosen gleich gewaltsam anfallen. Sind die Berghöben einmal kahl und von Bäumen entblößt, ja, sind die Ebenen einmal trocken und ohne Quellen und Bäche, so ist die Hoffnung vergeblich, sie wieder zu bewalden; denn auch der Regen und die nährenden Wolken mit ihrem fruchtbaren Dunste haben sich meistens weggezogen und alle Versuche, Bäume anzupflanzen und fortzubringen, sind in der Regel umsonst. Dies gilt von allen sehr warmen und heißen Ländern fast ohne Ausnahme. Die ganze Atmosphäre ändert sich mit den zerstörten Wäldern und das Land wird dürr und hässlich und stellt wirklich das Bild dar, als wäre es auf ewig ausgebeutet und erschöpft. Wer weiß, ob die große Wüste (Zarah) jenseits des Atlas und die Wüsten Arabiens und Mesopotamiens nicht einst eine Fülle von Hainen, Quellen und Bächen hatten, was Alles verging, als man nach der Zerstörung der Bäume dem Sonnenstrahl eine zu zehrende Gewalt, und dem Himmel eine zu große Trockenheit gab? Auch in gemäßigten und kalten Ländern sind die einmal entlaubten Höhen und Berggipfel sehr schwer und oft gar nicht wieder zu bewalden. Die schneidende Kälte und besonders die unbarmherzigen Winde, die in solchen Himmelsstrichen heftiger sind, hindern den jungen Aufschlag und verwandeln ihn in elendige Krüppel, wenn sie ihn nicht ganz und gar vertilgen. Dazu kommt noch die Sommerdürre, die zur Zeit auch ihren Teil beiträgt, dass auf den kahlen Höhen kein freudiger Wuchs wieder aufgrünen kann."

Viele, die dies lesen, werden aus der Erfahrung wissen, dass diesem so sei, tüchtige und auf die Natur aufmerksame Forst- und Landleute werden es auch bejahen, und wenn man Länder und Völker und ihre Verschiedenheiten und Veränderungen gesehen, wenn man in der Geschichte und Erdkunde nicht bloß Namen und Zahlen gesucht hat, wird man durch viele bedeutende Zeichen daran erinnert. Wie ganz anders sah unser Vaterland zur Zeit Karls des Großen aus, als zur Zeit des Tacitus! und zwar meistens, weil man in siebenhundert Jahren die Wälder mehr gelichtet und meilenweite Sümpfe und Lachen, worin sich damals die Fische und Seevogel ergötzten, in feste Getreidefelder verwandelt hatte! Und wieder wie anders ist unser Deutschland jetzt in vielen Gegenden, als das Deutschland Friedrichs des Ersten und Friedrichs des Zweiten von Hohenstaufen vor 600 und 700 Jahren war! Man gebe mir die teuflische Freiheit und Lust, dass ich auf dem Riesengebirge, im Harz, im Thüringerwalde und Schwarzwalde und wie viele der Hochberge und Hochwälder im Vaterlande sind, die mörderische Axt an alle Bäume und Büsche legen, und Alles, was zur ganzen Baumfamilie gehört, vertilgen könnte, und ich machte plötzlich ein anderes Klima und bald auch ein anderes, schlechteres, schwächlicheres und ungöttlicheres Volk, als die Deutschen jetzt noch sind. Nämlich weniger Regen und Nass des Himmels macht bald manches Land dürrer und unfruchtbarer; viele Quellen und Bergströme würden in wenig Jahren nicht mehr genannt werden, selbst die herrlichsten Fürsten der Ströme, der Rhein und die Donau, würden mit weniger Wasser brausen, größere Herrschaft der Winde und Stürme und eine schärfere und trockene Luft; die Winter würden sehr bell und streng, die Herbste und Frühlinge viel kälter, früher und häufiger als jetzt mit Nachtfrösten heimgesucht und die Sommer mit einem mehr verschlossenen Himmel dürrer und trostloser sein. Kurz, Deutschland würde ein ganz anderes Land werden.

Es gab eine Zeit, wo zu viel Wald in Germanien war und durch den Wald zu viel Nässe, trübe und nasse Kälte. Damals war unseres Vaterlandes Klima viel unfreundlicher und unleidlicher als es jetzt ist. Ich glaube, seit einigen Jahrhunderten ist die Zeit gekommen, wo in vielen Gegenden Deutschlands des Waldes zu wenig und die Unfreundlichkeit unseres Klimas dadurch vermehrt wurde. Von der Sorge, welche unsere Väter vor 500, ja vor 800 Jahren für die Wälder hatten, besonders für die Hochwälder der Berge, die sie gegen die Alles und auch die Menschen ausdörrenden und verwüstenden Ostwinde und Nordostwinde schützten, finden wir in manchen Chroniken und einzelnen Gesetzen der Ortschaften und Gaue merkwürdige Belege.

Wie der Himmel seinen befeuchtenden und befruchtenden Segen von den nackten Berggipfeln wendet, haben wir oben gehört. O, er wendet auch seine geistigen Augen von solchem Lande und lässt den Menschen in der traurigen Einförmigkeit und Einerleiheit der Natur, die er verdorben und verhässlicht hat, erstarren und verstocken.

Ich bin vor dem Walde still gestanden, ich habe ihn und die Fragen und Rücksichten über ihn und auf ihn in mancherlei Richtungen durchwandert und komme endlich zu dem Schlüsse, nämlich zu meiner Waldordnung, wie ich sie meine. Wenn ich König von Deutschland wäre, oder wenn ich in irgend einem deutschen Lande Fürst oder erster Minister oder nur Oberforstmeister wäre, — versteht sich Oberforstmeister mit einer Macht — würde ich sehr tätig zugreifen und eingreifen in diese höchst wichtige Sache. Nun aber kann ich, ein armer Schreiber, nichts weiter tun, als sie zeigen, und denen, welche sie angeht, sie an die Herzen und Gewissen legen.

Ich meine hier bei dieser meiner Waldordnung Deutschland. Es gibt wohl eine allgemeine Waldordnung, die fest für alle Länder anpassend und angemessen wäre; aber jedes Land hat nach seinen Gelegenheiten und Örtlichkeiten wieder besondere Bedürfnisse, die man nie aus den Augen verlieren muss. Außerdem, was die Wälder überhaupt für den Leib und den Geist des Menschen, für das Gedeihen und die Fruchtbarkeit der Felder und Auen Wirksames und Wohltuendes haben, müssen sie in einem heißen Klima Schirm gegen die Wut der Sonne, in einem kalten Klima Schirm gegen die Wut der Kälte und Winde geben! Sie sind des Menschen bester Rock und Mantel und weder aus Fellen noch aus Wollen mag er sich einen machen, der diesen besten ersetzen könnte. In Deutschland haben wir einen gar verderblichen Feind: er heißt Ostwind oder Nordostwind. Dies ist unser Samum oder Scirocco, der im Frühlinge oft fünf, sechs Wochen hintereinander wehet und den Menschen, die seinem Pesthauche ausgesetzt sind, durch Mark und Bein dringt. Dass diese Angabe nur zu wahr ist, das wissen die Ärzte wohl, und das wissen diejenigen wohl, welche Menschen auf kahlen Bergen, ja auch nur auf weiten waldlosen Ebenen diesen verzehrenden Winden preisgegeben gesehen haben. Gegen diesen unsern Erbfeind muss vorzüglich der Schutz der Wälder erhalten und, wo er nicht mehr ist, wo möglich wieder angepflanzt werden. In der Voraussetzung, dass der Mensch und vorzüglich dass die Erzeugung und Erhaltung eines edlen und kräftigen Menschengeschlechtes einmal wieder das Erste, und alles Andere und alle anderen Rücksichten das Zweite und Dritte dünken werden und dünken müssen, nehme ich an, dass die Erde künftig wieder recht in Beziehung auf den Menschen verwaltet werden wird. In dieser Voraussetzung muss jede verständige Regierung dem Menschen sein Notwendiges von Wäldern und Bäumen erhalten oder wieder anschaffen, wo es nicht mehr ist.

In der guten Waldordnung werden zuerst die höchsten Berge, wo das Gebiet der Stürme, Blitze, des Schnees und Eises besonders herrschend sein würde, gleichsam geheiligt wie die alten Götterhaine; sie werden vorzüglich dicht erhalten. Dann folgen in Zwischenräumen die niedrigen Bergkämme, die in ihren einzelnen Abläufen und Absätzen mit Hochwald bedeckt erhalten werden.

Die Schluchten zwischen den Kämmen mögen nach der Örtlichkeit und Gelegenheit in Felder und Wiesen verwandelt werden. So kommen wir zur Ebene, und unsere Ordnung für die Ebenen und Blachfelder wäre folgende.

Wo Wälder auf der Ebene wären, erhielten wir sie, wo keine wären, legten wir sie auf folgende Weise an: Der größte Feind unseres Landes sowohl für den Menschen als für Gewächse und Früchte ist der Wind, der von Osten und Norden her weht. Unsere Wälder würden diesem nach in der Richtung erhalten oder gepflanzt werden müssen, dass der Strich von Osten bis Nordwesten gegen die Winde geschirmt wäre.

Je alle anderthalb deutsche Meilen müsste Wald sein, der wenigstens 1500 Fuß Breite hätte. Die Länge liefe den ganzen angegebenen Windstrich fort. Auf diese Weise wäre für die Erde, für die Fruchtbarkeit und Schönheit des Landes, für den Leib und den Geist des Menschen gesorgt. Man wird auch hiervon sagen, wie denn die Faulheit und Sorglosigkeit auch gegen die unabweislichen Wahrheiten so schreit: Hirngespinnste, unausführbare Vorschläge! Das darf aber den nicht kümmern, der nichts Albernes oder Verwerfliches gesagt hat."

Dies sind die Worte des hochberühmten Forstmannes Arndt, mit welchen er auf eine unübertreffliche Weise den wichtigen Einfluss der Wälder auf die Fruchtbarkeit der Erde und das Wohl der Menschen darstellt und beweist, dass die angemessene Verteilung der Wälder — oder der Bäume im Allgemeinen — höchst nützlich sei; er ist von dieser Wahrheit und von ihrer Wichtigkeit so sehr überzeugt, dass ihm, dem Verständigen, selbst die größten Opfer nicht zu groß dünken, die er der Ausführung seiner Waldverteilung und Waldeinrichtung gebracht wissen will.

Allein, so unbedingt auch seine Idee wahr ist und eine bessere Verteilung der Bäume in Deutschland sehr wohltätig wäre, so ist sie doch schwer ausführbar, weil sie zu tief in die bestehenden Verhältnisse der Bewohner einschneidet, als dass sie gutwillig oder vertragsweise. ausgeführt werden konnte.

Glücklicherweise ist das Wesentlichste von Arndt 's Idee, die richtige Verteilung der Bäume durch die Baumfeldwirtschaft noch besser zu erlangen, als durch die Waldstreifen. Nur Eines scheint dabei zu fehlen, nemlich die Schutzmauer gegen den Wind, welche Arndt durch seine Waldstreifen herzustellen gedenkt Doch verspricht er sich dadurch einen Schutz, den die entfernt von einander liegenden Waldstreifen nicht leisten können, weil der Wind diese Waldstreifen überfliegt und sich hinter jenen bald wieder zur Erde senkt, ohne dass er seine Schärfe verliert, so dass nur der zunächst liegende des, Bodens geschützt wird. Die Luft erlangt ihre Temperatur und Eigenschaft vorzüglich durch die Gegenstände, über welche sie anhaltend hinstreicht ; daher die kalten Winde, wenn sie über Schneegebirge kommen; die heißen, welche über wüste Sandstrecken fahren; die gemäßigte Luft auf den Inseln des Weltmeeres etc.; die Bäume kühlen die zu heiße Luft ab und erwärmen die zu kalte, beides aber vorzüglich, wenn die Luft über größere Wälder hinweg- der zwischen den belaubten Bäumen hindurchzieht.

Hat unser Deutschland nur genug Bäume in rechter Verteilung, wenn sie auch keine geschlossenen Wälder bilden, und wird die Baumfeldwirtschaft vielfacher eingeführt, so kann der obige Zweck dadurch vollkommen erreicht werden.

In der „allgemeinen land- und forstwirtschaftlichen Zeitung" vom 10. Dezember 1859, Nro. 36, Pag. 1061, habe ich in einem Aufsatz „forstliche Anordnung in Bayern" den erneuerten Beweis geliefert, welche große Sorgfalt die königlich bayrische Regierung auf Anpflanzung öder Landstrecken mit Bäumen verwendet und wie viele große Gutsbesitzer daselbst diesem schönen Beispiele in verschiedenen Provinzen Bayerns mit Energie gefolgt sind und sogar minder ertragsfähige Felder in Forste umgewandelt haben.

Mein seliger Onkel, der königl. bayer. Ministerialrat und Forstreferent, Herr Joh. Bapt. Waldman, welcher am 16. November 1857, von allen Forstmännern bedauert, zu früh seine irdische Laufbahn beschloss, hat vom Jahre 1840 bis 1845 die Wirtschaftsregeln für die bayrischen Forste mit Hilfe seines ausgezeichneten Personales eingeleitet und dieselben einer sorgsamen Pflege unterzogen. Er wurde aber auch von der Regierung in jeder Hinsicht unterstützt und ihm gelang es vorzugsweise, dem Walde in Bayern bei der Regierung, dem Waldbesitzer und dem Volke jene Stimme, jenen Wert, jene Achtung und Liebe zu erringen und zu bewahren, die er auch durch seine so wesentlichen und vielseitigen Einflüsse auf das Wohl des Staates sowie jedes einzelnen Staatsbürgers einzunehmen verdient.

Diesem Beispiele würden auch unsere österreichischen Grundbesitzer folgen, wenn zur Überwachung und Kultivierung der Gemeinde- und Privatwälder in jedem Kreise ein Kreis-Forstinspektor, in jedem Kronlande eine wirksame Forstdirektion und in Wien eine Central-Forststelle aus gediegenen Forstmännern zusammengesetzt und bei den Förstern in den Kreisen die nötigen Pflanzschulen für Wald- und Obstbäume eingerichtet würden.

Leider habe ich, wie gewiss viele unserer Fachgenossen, diese beiden Sprüche unserer verdienstvollen Forstmänner bewährt gefunden; viele Länder haben ihre frühere Fruchtbarkeit verloren, das Klima hat sich bedeutend verschlechtert, wie die Wälder ausgerottet und zerstört waren, und in vielen Ländern, als man die traurigen Folgen und Nachteile einzusehen gezwungen war, scheute man kein Opfer, diese entwaldeten kahlen Berge wieder mit ihrem früheren grünen Schmucke der Wälder zu zieren, allein weder Kenntnisse noch die bedeutendsten Kosten-Aufwände konnten diesen Fehlgriff verbessern, weil, so wie der Wald abgetrieben war, Wind und Wasser den zu seinem Gedeihen nötigen guten Waldgrund zu entführen pflegt und dadurch die Produktionskraft des unbeschützten Bodens durch unbehinderte atmosphärische Einwirkung fortwährend geschwächt wird.

Auch in Österreich mangelt es nicht an Beispielen, die ich in den späteren Paragraphen deutlicher auseinandersetzen werde und welche die Wahrheit des obigen Ausspruches bewähren. Istrien, das Karstgebiet am adriatischen Meerbusen, das südliche Tirol, ebenso auch mein Bezirk Mezzolonibardo und im kleineren Maßstabe viele Täler der Alpenländer, wo die Wälder der Willkür der Menschen preisgegeben waren, zeigen uns ein Bild der allmählichen Verschlechterung des Klimas und des Bodens. Es geht aus diesen Beispielen hervor, dass die Menschen selbst mittelbar auf die Gestaltung des Klimas, auf die Fruchtbarkeit des Bodens großen Einfluss üben können.

Ein Strich Landes, der von den Übeln der Entwaldung getroffen wird, wird gewissermaßen in seinen Urzustand zurückversetzt, und die Natur muss den Bildungsprozess solcher Flächen von vorne anfangen. Wir hätten nicht Brief und Siegel darüber, dass die gesegneten, fruchtbaren Täler in Österreichs Hochlanden fortwährend die so bewohnbare Stätte der Menschen sein werden, hätte nicht die weise Umsicht unsers allergnädigsten Monarchen das neue Forstgesetz und die neue Forst-Organisierung hervorgerufen und dadurch die Sorge übernommen, die schützende Bewaldung zu erhalten und den Verwüstungen und Ausrottungen der Wälder vorzubeugen; wahrlich, es wäre sonst dahin gekommen, namentlich an Gebirgszügen, am Auslaufe der Waldvegetations-Grenze und an steilen Talabhängen, dass mancher Landstrich auf den Punkt seiner ursprünglichen Rohheit zurück versetzt worden wäre, wo er seine Produktionsfähigkeit verliert, seine Quellen versiegen und die atmosphärischen Niederschläge nicht mehr anzieht, überhaupt ein trauriges Bild der Verödung darbietet.

Als warnendes Zeichen stellt sich uns die Herbst-Katastrophe vom Jahre 1851 dar, die urplötzlich aus manchem Talgrunde mit üppigen Wiesen und Äckern ein totes Steinfeld gemacht hat. Doch die Natur ruht nicht! Was unseren Augen in einem Momente der Aufregung der Elemente vorgeführt wurde, das setzt sie im Stillen unbemerkt fort; und in dem Maße wird das Zerstörungswerk Fortschritte machen, wobei unsere Täler von Stufe zu Stufe an Fruchtbarkeit und von einer Spanne Raumes zur andern an frachtbarem Boden verlieren werden. Die Summe dieser Fortschritte, die Verschlechterung des Klimas und der Verlust an fruchtbarem Erdreich — konnten wir das Geschehene eines Zeitraumes von fünfzig Jahren, um es uns zu vergegenwärtigen, auf eine kurze Spanne Zeit zusammendrangen — ist gewiss groß genug, um uns zu ernsten Betrachtungen aufzumahnen, wenn schon der gemeine Mann die Verschlechterung des Klimas in diesem Zeiträume einsieht. Was aber sind fünfzig, was hundert Jahre im Leben der Staaten und Völker, was im Leben der Natur?

Der große Humboldt äußert sich bei wichtigen Verhandlungen über dieses Thema folgendermaßen: „Wie kommen mir doch die Menschen so töricht vor, wenn sie die Wälder rücksichtslos niederschlagen; denn dadurch bringen sie sich um Holz und Wasser.“ Ist nicht in diesen Worten der Zustand der Wüste, der Steppen und Haiden treffend ausgedrückt?

Was ist schuld, dass die Wüste eben wüst, ist, d. h. nach der Wortbedeutung des arabischen Wortes „Sahara“ eine Gegend, die kein fließendes Wasser und keinen Wald hat. — Eben der Entgang, das Entferntsein von Wäldern, somit auch des Wassers, ist die Ursache. Der Boden trägt nicht allein die Schuld, dass Wüstengegenden in der Regel ein Grab der Vegetation sind, denn analoge und gleiche Bodenarten unter gleichen Breitegraden tragen oft verhältnismäßig eine üppige Vegetation, während die Wüste eben wüst ist, weil sie keinen Wald und kein Wasser hat.

Im niederen Grade finden wir den nämlichen physischen Zustand in Steppen, Haidegegenden und auf Landstrichen, wo der Wald, durch die Menschen niedergelegt, im Laufe der Zeit zerstört wurde. Es ist das erste Stadium der Wüste, der Verödung solcher Länder, die um ihren Wald gekommen sind. Solche Länder bieten den Tummelplatz der wild einherbrausenden Windsbraut, die alle Spalten und Ritze humosen Erdreiches kahl ausfegt; ist es eine Gebirgsgegend, so sind Wasserverheerungen an der Tagesordnung, in allen Fällen ist vollkommene Verwilderung des Klimas die Folge der Entwaldung.

Entblößen wir einen größeren Gebirgszug oder einen Strich Landes von seinen Wäldern, so verwildert sich die örtliche Beschaffenheit des Klimas, wenn es früher milde war; die Fruchtbarkeit des Bodens wird verschlechtert, die ganze Vegetation wird eine andere, traurige Gestalt annehmen.

Die Stelle der saftigen Gräser der Wiesmatten werden bald harte Filzgräser einnehmen, die Cerealien werden kein reichliches Gedeihen mehr haben, die ganze Natur wird — wenn auch ein solcher Landstrich unter einem italienischen Himmelsstriche liegt — steril und rau. Selbst die Haltbarkeit des Bodens geht verloren, Bergschutt lost sich ab und wird durch die Regengüsse in die Tiefe getragen, wo er die Äcker und Wiesen der Talsaaten überlagert und sie ihrer Fruchtbarkeit für lange Zeit, wenn nicht für immer, beraubt.

Wie im Kleinen, so wirkt die Natur im Großen, doch treten die Natur-Kräfte, einmal im großen Verhältnisse entfesselt, sodann in ihrer ganzen ursprünglichen, vernichtenden Stärke auf, — kein Mittel gibt es da mehr, die zerstörende Wirkung der entfesselten Elemente zu hemmen, und die Vernichtung der Bedingungen zum Pflanzen- und Tierleben ist eine unmittelbare Folge davon.

Der Wechsel der Fruchtbarkeit zur Sterilität der Länder, als Folge unvernünftigen Gebrauches der Wälder, ist allerdings nicht urplötzlich, sondern schreitet unmerklich, aber um so sicherer vorwärts; die Natur macht keine Sprünge, sondern geht bildend, so wie zerstörend, ihren durch ewige Gesetze vorgezeichneten Weg. Daher kommt es denn auch, dass diese Fortschritte im Zerstörungswerke der Wälder allgemein mit fast gleichgültigen Augen angesehen werden; nur hervorstechende Katastrophen, wie die Wasserverheerungen des Jahres 1851, deren Grund größtenteils in dem Missbrauch der Wälder zu suchen war, lenkten unwillkürlich die Blicke der Bürger und Machthaber dem Zustande der Berge zu, während es in der Pflicht der Selbsterhaltung aller Menschen, insbesondere der öffentlichen Behörden, läge, unausgesetzt darauf zu dringen und darüber zu wachen, dass die Bewaldung der Berge in naturgemäßem Zustande erhalten werden müsste, und nur mit Rücksicht auf den durch sie bedingten höheren Zweck, gemäß welchem sie zum Schutze des Nebenlandes, worauf sich ihr physischer Einfluss erstreckt, zu dienen haben — benützt werden dürften.

Dieser physische Einfluss der Wälder, die Gesamtwirkung derselben auf das dieselben umgebende Nebenland, wenn wir sie bloß getrennt und nicht als ein großes Ganzes in der Natur ins Auge fassen, ist jedoch nicht überall gleich, sondern abhängig von den Breitegraden, unter welchen sie liegen, von der Seehöhe, wo sie vorkommen, von der Form, äußeren Gestalt der Länder, von der Gebirgsart, welche das Hauptgebirge und Nebenland bildet und von dem Umstände, ob ein Landstrich in dem Dunstbereiche stehender oder bedeutend fließender Wässer steht.

Als ein großes Ganzes in dem Haushalte der Natur betrachtet, ist ihre Naturwirkung gleich; die durch Örtlichkeiten bedingten Modifikationen sind eben Ausnahmen.

Der natürliche Standort der Wälder sind die Berge und werden es bleiben. In demselben äußert sich ihre Naturwirkung am entschiedensten, während sie in den gegen die verschiedenen Meere auslaufenden Niederungen durch die Wasserdunste, durch Berge nicht zusammengehalten werden, sondern über die weiten Ebenen entweichen.

Das sogenannte Urgebirge ist wassertätiger als die Gebirgsarten der jüngeren Bildungsperioden, weswegen dasselbe und weil seine äußere Form mehr abgerundet und in der Kegel nicht so steile Abstürze zeigt, auch mehr Konsistenz als Gebirge neuerer Bildungsperioden hat — einen minderen Grad der Bewaldung ertragen kann, als die Kalkberge.

Doch ist auch in den Granit- und Gneisbergen der Zentral-Alpen die Vegetationsgrenze, als Folge der Abholzung der am Auslaufe der Holzvegetation vorhanden gewesenen Wälder gegen die Tiefe vorgerückt, so dass wir gegenwärtig auf Stellen, die über die Gletscher-Region hinausreichen, die Reste einer vorhandenen gewesenen Vegetation finden.

Die Verschiedenheit der örtlichen Waldwirkung auf das umliegende Land und der Umstand, dass die Änderung dieser Wirkung nicht in auffallender Weise, wie man zu sagen pflegt, so geschehen ist, dass man es mit Händen greifen konnte, hat manchen beschränkten Blick, der sich zu den großen Verhältnissen im Gebiete der natürlichen Ökonomie nicht erheben konnte, dazu verleitet, diese Wirkung, wenn nicht gerade zu leugnen, so doch ihre große Bedeutung im Haushalte der Natur in Abrede zu stellen, und ihnen nur eine, den nächst gelegenen Verhältnissen entsprechende Wichtigkeit beizulegen. Dass diese Auffassungsweise unsers Gegenstandes nicht richtig ist und auf Abwege führen muss, ist aber auch unzweifelhaft.

Im Gebiete der natürlichen Ökonomie lassen sich die zum Ganzen gehörenden und ein Ganzes bildenden organischen Wesen nicht trennen; sie müssen in ihrer Gesamtwirkung aufgefasst werden, um ihre große Bedeutung begreifen zu können.

Nicht umsonst hat die Natur die Waldbäume als Schmuck unserer Berge in großen Gesellschaften auftreten lassen, während sie andere Fruchtbäume einzeln in die Ebene versetzte. Dieser Fingerzeig der Natur lehrt uns, dass die Wälder, wenn von ihrem physischen Einflüsse im Raume die Rede ist, nur als ein großes Ganzes gedacht werden können und müssen, dass sich diesem Naturgesetze gemäß auch das Verfahren mit denselben richten, ihre Behandlungsweise im zivilisierten Staate eines in ewiger Wahrheit beruhenden Gesetzes sich vollständig diesem unterordnen müsse.

Wenn wir nun alle diese so wichtigen und allbekanten Einflüsse, die der Wald auf das Klima eines Landes ausübt, berücksichtigen, so lässt sich wohl nicht annehmen, dass ein Waldbesitzer befugt ist, mit dem Civil-Codex in der Hand vor das ganze Volk zu treten und zu sagen: Ich habe das Recht, Euch aller Vorteile zu berauben, mit welchen die Natur bis auf den heutigen Tag Euch so weise, so mütterlich bedacht hat; ich habe das Recht, Eure Berge öde, Eure Täler unbewohnbar zu machen, sobald ich in dieser Veränderung meinen persönlichen vorfinde. — In manchen Landschaften Deutschlands hat man in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren sehen können, wie der heilloseste und ruchloseste Unfug mit den edlen Bäumen und Wäldern getrieben und wie ganze Forste ausgehauen und ganze Bezirke entblößt wurden, weil der einzelne Besitzer mit der Natur auf das willkürlichste schalten und walten konnte. Was kümmert es den, der Geld bedarf und es in 10 Jahren zu verbrauchen gedenkt, wovon seine Urenkel noch zehren sollen, ob er eine öde und den Menschen künftig wenig erfreuliche, ja oft kaum brauchbare Erde hinterlässt. Er will leben, und sie mögen auch zusehen, wie sie es machen. Dies ist der jetzige allgemeine-Ausspruch, womit die meisten Jetztlebenden die unbequemen Fragen ihres Gewissens abweisen, das sie noch zuweilen an eine Zukunft erinnert, die sein soll, wie an eine Vergangenheit, die gewesen ist.