Der Wald im nationalen Wirtschaftsleben.

Eine Studie aus deutscher Staats- und Volkswirtschaft
Autor: Geyer, Peter Philipp (1773-1847) deutscher Volkswirt, Erscheinungsjahr: 1879

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wald, Wälder, Baum, Bäume, Natur, Umwelt, Klima, Bauholz, Nutzholz, Brennholz, Früchte, Beeren, Jagd, Haustiere, Holzvorrat, Bodenwert, Ertrag, Äcker, Weiden, Wiesen, Kapital, Zinsen, Holzerlös, Temperatur, Niederschläge, Klima, Entwaldung, Aufforstung,
Inhaltsverzeichnis
  1. Waldfläche. — Wirtschaftliche Wichtigkeit des Waldes
  2. Holzpreise. Ein- und Ausfuhr von Holz
  3. Wirtschaftlicher Wert der Holzarten als natürliche Grundlage der Waldrentabilität
  4. Prinzipien der heutigen Forstwirtschaft
  5. Finanzielle und volkswirtschaftliche Konsequenzen der neueren Forstfinanzrechnung
Vorwort.

Der Wald ist bekanntlich in der volkswirtschaftlichen Literatur von jeher sehr stiefmütterlich behandelt worden. Man hat zwar die ökonomische Wichtigkeit dieses Themas niemals verkannt, aber es war schwer, die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes genau festzustellen. Und zwar war dies aus doppeltem Grunde schwer. Einmal deswegen, weil man über den Wald nicht richtig urteilen kann, wenn man nicht Wald und Waldwirtschaft genauer kennt. Der Volkswirt, der dieses Thema in Angriff nimmt, muss also, wenn er überhaupt sachgemäß und wissenschaftlich verfahren will, zunächst in einen ihm bisher fremden Zweig des Wissens einzudringen und sich nicht nur mit den wissenschaftlichen Disziplinen, sondern auch mit den tatsächlichen Leistungen der heutigen Forstwirtschaft vertraut zu machen suchen. Das ist aber eine Aufgabe, die sehr viel Arbeit und sehr viel Zeit in Anspruch nimmt.

Zu dieser ersten Schwierigkeit kam dann noch eine zweite, weit größere, und das war der bisherige, durchaus unfertige, um nicht zu sagen: wissenschaftlich bodenlose Zustand der Forstwirtschaft. Die Forstwissenschaft war bis vor wenigen Dezennien ausschließlich Erfahrungswissenschaft, ja in vielen und wichtigen Punkten war sie nicht einmal dies, sondern lediglich Tradition. Statt mit Wissenschaft hatte man es da meist mit hergebrachten Ansichten und Meinungen zu tun, die wie Axiome vorgetragen und als zweifellose Wahrheiten hingenommen wurden, obgleich sie des wissenschaftlichen Beweises gar dringend bedurften. Selbst heute noch spuken, wie wir sehen werden, in der Forstwirtschaft so manche dieser falschen Axiome und verwirren oder erschweren da das Urteil in bedauerlicher Weise. Ja, die Forstwissenschaft hat sich bis vor wenigen Dezennien noch nicht einmal im Besitz einer richtigen Finanzrechnung befunden! Ihre Art, den Beinertrag, die Waldrente und den Waldwert zu berechnen, war eine total falsche, auf ganz irrigen Prinzipien beruhende.

Wie hätte nun die Volkswirtschaft unter solchen Umständen bei der Forstwirtschaft mit Nutzen in die Lehre gehen können? Wie hätte sie über die verwickelten Fragen, die hier auftauchen, sich klar werden sollen, da es ja nicht einmal einen Maßstab gab, mit welchem die wirtschaftlichen Leistungen der Forstwirtschaft im wichtigsten Punkt im — Finanzpunkt — gemessen werden konnten? Oder wäre es vielleicht möglich, den wirtschaftlichen Wert eines Produktionszweiges oder einer Produktionsweise richtig zu beurteilen, ohne dass man weiß und wissen kann, wie sich in diesem Produktionszweig oder in dieser Produktionsart der Ertrag zu den aufgewandten Kosten verhält?

Glücklicherweise hat die Neuzeit auf diesem wie auf so manchem andern wichtigen Felde der Forstwissenschaft (namentlich in der Chemie und Klimatologie des Waldes) Wandel geschaffen. Prof. M. R. Pressler in Tharand hat die Forstfinanzrechnung auf richtige Prinzipien gestellt und sich dadurch nicht nur um die Forstwirtschaft, sondern auch um die Volkswirtschaft unvergängliche Verdienste erworben. Er hat es den Volkswirten im buchstäblichen Sinne des Wortes erst möglich gemacht, auch den Wald in den Kreis ihrer wissenschaftlichen Betrachtung zu ziehen, und es ist nur zu bedauern, dass die Pressler'sche Rechnungsweise und ihre Konsequenzen von volkswirtschaftlicher Seite gleich anfänglich eine ganz irrige und missverständliche Beurteilung fanden, und dass auch späterhin wenig oder nichts zur besseren Aufklärung geschehen ist.

In vorliegender Schrift soll der Versuch gemacht werden, die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes auf Grund des neuesten Standes der Forstwissenschaft nach jeder Richtung hin einer eingehenden und nüchternen Darlegung zu unterziehen. Ich habe zu dem Zweck keine Mühe gescheut und der sachkundige Leser wird den Umfang der Studien und das Maß der Arbeit, deren Frucht hier vor ihm liegt, wohl zu beurteilen wissen. Von der sonst üblichen Waldschwärmerei wird man allerdings hier nichts entdecken. Diese muss den Dichtern und Schöngeistern überlassen bleiben. Der Volkswirt hat lediglich nach den Tatsachen, nach der realen Wirklichkeit, nach den Ergebnissen der Wissenschaft zu urteilen, nicht nach Phantasiegebilden. Die reale Wirklichkeit spricht aber keineswegs in so überschwänglicher Weise für den Wald, dass man Gefahr liefe, darüber in poetische Ekstase zu verfallen. Denn der Wald ernährt, wie jeder Jäger weiß, nicht einmal das Wild. Noch viel weniger hat er jemals ein menschenwürdiges Dasein geschaffen. Die Forstwirte vom Fach hören es zwar nicht besonders gerne, wenn man sagt, dass der Wald überhaupt, und seine gegenwärtige Bewirtschaftung insbesondere viel eher als Quelle der nationalen Armut, denn als Quelle des nationalen Reichtums betrachtet werden müsse. Doch bin ich weder der Erste, noch der Einzige, der diese Wahrheit vertritt. Dass die Rente, die unsere Staatsforste geben, hinter dem landesüblichen Zinsfuß ungebührlich weit zurückbleibt, ist eine allbekannte, von Niemand bestrittene Tatsache. Aber man hat hier wenigstens den Trost, dass bereits unter den Forstwirten selber eine jüngere Schule existiert, die diesen Übelstand in seiner ganzen Tragweite erkannt hat, und mit aller Kraft bestrebt ist, dem Walde auch in finanzieller und wirtschaftlicher Beziehung eine würdigere Stellung zu geben. Neben der schmalen Rente taucht jedoch am forstlichen Horizont, bereits deutlich erkennbar, ein zweites Wölkchen auf, welches noch viel bedenklicher erscheint, und welches dereinst mit verheerender Wucht niedergehen könnte. Der zur Zeit in unserer Forstwirtschaft übliche schablonenhafte Hochwaldbetrieb ist nämlich eine ganz naturwidrige Erscheinung und geht deshalb mit Unheil schwanger. Nicht nur, dass er Holz von schlechter Qualität produziert, droht er auch die mineralische Bodenkraft zu erschöpfen. Er hindert ferner die Streudecke in ihrem natürlichen Verwesungsprozess und die Waldbäume an der Fruktifikation. Die Folge davon ist eine weitere Verschlechterung des Bodens, sowie eine ungemeine Erschwerung der natürlichen Verjüngung, was nicht nur auf die Waldrente sehr fühlbar zurückwirkt, sondern den Waldbestand überhaupt mit den größten Gefahren bedroht. Es ist dies ein so überaus bedenklicher und für unsere Forstwirtschaft so charakteristischer Punkt, dass ihm in vorliegender Schrift die eingehendste Darlegung in einem umfänglichen Kapitel (s. das Kapitel über „die neuere Forstfinanzrechnung und den Waldbau") gewidmet werden musste. Ich habe mich da bemüht, nicht bloß an der Hand der Wissenschaft, namentlich der Waldchemie und der Forstbotanik, die Imminenz der Gefahr nachzuweisen, sondern ich habe mich dabei auch auf die Erfahrung, soweit sie uns in diesem Punkte bis jetzt zu Gebote steht, sowie endlich auf das Urteil wissenschaftlich gebildeter und praktisch tätiger Forstmänner gestützt, die ganz derselben Besorgnis teilweise schon vor zehn und mehr Jahren in der periodischen Forstliteratur Ausdruck gaben. Es handelt sich also hier gewiss nicht um Hirngespinnste, sondern um sehr reelle und sehr bedenkliche Gefahren. Möge ihnen rechtzeitig vorgebeugt werden!

Zum Schluss noch eine Bemerkung über die Art, in der vorliegende Schrift abgefasst wurde. Meine jetzigen persönlichen Verhältnisse haben mir nicht gestattet, dieselbe sozusagen in Einem Guss auszuarbeiten und die Kapitel in der Ordnung, wie sie hier auf einander folgen, niederzuschreiben. Ich musste mich bei der Ausarbeitung nach dem jeweiligen Zufluss des wissenschaftlichen Hilfsmaterials richten. In Folge dessen findet sich hie und da eine kurze Wiederholung und dergleichen, was aber, wie ich denke, den Leser kaum stören wird
            Pfingsten 1879.
                        Der Verfasser.


                              Inhalt.

1. Waldfläche. — Wirtschaftliche Wichtigkeit des Waldes
2. Holzpreise. Ein- und Ausfuhr von Holz
3. Wirtschaftlicher Wert der Holzarten als natürliche Grundlage der Waldrentabilität
4. Prinzipien der heutigen Forstwirtschaft
5. Finanzielle und volkswirtschaftliche Konsequenzen der neueren Forstfinanzrechnung
6. Die neuere Forstfinanzrechnung und der Waldbau
7. Ist der Wald ein Gegenstand der öffentlichen Nützlichkeit? (Klimatologie des Waldes)
8. Finanzielle Ergebnisse deutscher Staatsforstverwaltungen
                              Anhang A.
Mittelwald- und Plänterwaldformen
                              Anhang B.
Ergebnisse der im Königreich Preußen, im Herzogtum Braunschweig und in den Reichslanden eingerichteten forstlich meteorologischen Stationen

Holztransport auf Schlitten im Bayrischen Wald 2

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Holztransport auf Schlitten im Bayrischen Wald 1

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Holztransport auf der Waldbahn

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Holztransport auf der Riese im Bayrischen Wald

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Holzriese auf der Gräfenalp (Allgäu, Bayern)

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Holzfäller im Westen der Vereinigten Staaten

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Holzausfuhr in den Kiefernforsten des Südostens der Vereinigten Staaten

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Holzabfuhr mittels Rückwagen in den Kiefernwaldungen des Südostens der Vereinigten Staaten

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Harzgewinnung in den Kieferwaldungen des Südostens der Vereinigten Staaten

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Femelschlagverjüngung eines Fichtenwaldes

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Fällungsbetrieb Umziehen angerodeter Stämme mittels des Waldteufels

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Fällungsbetrieb im bayrischen Wald 1906

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Fällungsbetrieb Aufarbeitung von Bauholz und Grubenholz

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Fällung eines fünf Meter starken Stammes von Redwood in Kalifornien

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Erziehung von Laubholzpflanzen im akademischen Forstgarten von Eberswalde

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Erlenbestand im Stadtwald von Eberswalde

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Erlenbestand aus dem Spreewald

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Donoper Teich bei Detmold

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Aufforstung in Turkestan unter Anwendung von Wasserfanggräben

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