Waldfläche. — Wirtschaftliche Wichtigkeit des Waldes

Immerhin aber wird der Private, so oft die Staatsforstverwaltung auf falschen Wegen wandelt und nach verkehrten Wirtschaftsprinzipien verfährt, die Folgen sowohl als Staats- wie als Gemeindebürger, somit doppelt merkbar an seinem Geldbeutel empfinden; ist er aber nebenbei auch noch Waldbesitzer, dann kommt ihm das Übel dreifach ins Haus.

Der dritte Umstand, der die hohe Bedeutung einer korrekten Waldwirtschaft für den nationalen Wohlstand bekundet, liegt in der vielfachen Verwendung, welche die Waldprodukte in der Landwirtschaft, sowie in Industrie und Gewerben finden. So bildet z. B. die Weidenutzung in vielen Gegenden, und zwar namentlich in Gebirgsgegenden, geradezu eine Lebensfrage des landwirtschaftlichen Betriebs. Was aber Industrie und Gewerbe betrifft, so ist ihr Bedarf an Bau-, Geschirr-, Werk- und teilweise auch an Brennholz ein so bedeutender und geht in seinem Einfluss auf die Holzpreise so weit, dass er in industriereichen Ländern sogar die gegenteiligen Einwirkungen einer im Überfluss vorhandenen Menge fossiler Brennstoffe vollständig paralysiert. In Sachsen hat sich z. B. in der Zeit von Beginn der fünfziger und bis zu Anfang der siebziger Jahre die Produktion und der Konsum der Steinkohle mehr als verdreifacht. Da nun Sachsen zu den waldreichsten Staaten Deutschlands gehört, so hätte diese rasche Überhandnahme des Steinkohlenkonsums dort die Holzpreise in einem für die Staatsfinanzen wie für den Waldbau höchst bedenklichen Masse herabdrücken können und müssen. Aber Sachsen ist eben zugleich auch der bei weitem industriereichste Staat im ganzen Deutschen Reiche. Es steht in dieser Beziehung sogar hoch über den in industrieller Entwicklung gleichfalls weit vorgeschrittenen preußischen Rheinlanden. Nach der Gewerbezählung vom 1. Dezember 1875 kamen auf einen Quadrat-Kilometer Fläche im ganzen Deutschen Reiche 11,9 erwerbstätige Personen, im Rheinland 26,8, im Königreich Sachsen aber 42,0 *). Die ungemein starke Entwicklung von Industrie und Gewerbe führte natürlich in Sachsen zu einer entsprechenden Steigerung des Bedarfs an Bau-, Nutz- und Werkholz, wodurch dann wieder die Forstverwaltung in den Stand gesetzt wurde, alles Nutzholz, welches die Staatsforste lieferten, vorteilhaft absetzen zu können, und nicht etwa, wie dies anderwärts, z. B. in Bayern, der Fall ist, einen mehr oder minder bedeutenden Bruchteil desselben ins Klaftermaß aufschneiden zu müssen. Der größere Bedarf an Nutzholz ermöglichte also zugleich eine entsprechende Beschränkung der Brennholzproduktion und das Schlussfazit von alledem war, dass der stark steigende Verbrauch des fossilen Brennstoffs, indem er die Entwicklung der Industrie so mächtig förderte, auch das Steigen der Holzpreise und der Waldrente weit mehr begünstigt als gehindert hat. Die sächsischen Staatsforste sind gegenwärtig in Deutschland diejenigen, die dem Staate das höchste Reineinkommen gewähren, wozu freilich auch ihre tüchtige Verwaltung, die sich über den Finanzpunkt keineswegs vornehm hinwegsetzt, sondern im Gegenteil jeder rationellen Reform zugänglich zeigt, wesentlich beiträgt.


*) Zeitschrift des kgl. preuss. Statist. Bureaus 1877.

Man darf aber nicht vergessen, dass zwischen der industriellen Entwicklung und dem Steigen der Holzpreise eine gegenseitige Wechsel Wirkung besteht, und dass in demselben Grade, in welchem erstere letzteres begünstigt auch umgekehrt die Entwicklung und Konkurrenzfähigkeit der Industrie und Gewerbe durch allzu hohe, den lokalen Verhältnissen nicht entsprechende Holzpreise gehemmt und beschränkt werden kann. Wenn daher der Staat, der als größter Waldbesitzer das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Holzmarkte am mächtigsten beeinflusst, eine verkehrte Forstwirtschaft treibt, z. B. übermäßig langen Umtriebszeiten huldigt, oder der Nutzholzproduktion nicht die ganze Berücksichtigung schenkt, die sie verdient, und wenn er noch überdies auch dem Gemeinde- und Privatwaldbesitz seine verkehrten Wirtschaftsprinzipien aufzudrängen sucht, so wird er dem industriellen und gewerblichen Fortschritt nicht minder wie den eigenen Finanzen empfindlichen Nachteil bringen.

Das sind die Gründe, weshalb wir sagen, dass die Art und Weise wie die deutschen Staaten ihre Forsten verwalten, die Aufmerksamkeit der Gebildeten im Allgemeinen und der Volkswirte insbesondere in viel höherem Masse verdient, als sie ihr bis jetzt zu Teil geworden ist. Allerdings muss bei Behandlung dieses Themas so manches Kapitel der Forstwissenschaft zu Hilfe genommen werden. Da es sich aber hier nicht um technische Details, sondern um die Prinzipien und die Haupt- und Grundregeln des Forstbetriebes handelt, so lässt sich der Gegenstand ganz gut in der Art behandeln, dass man den Boden der Wissenschaft nirgends verlässt und dabei doch für jeden Gebildeten verständlich bleibt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Wald im nationalen Wirtschaftsleben.