Der Wald Haushalt der Natur und der Menschen

Vortrag gehalten den 17. März 1870 auf dem Rathaus in Zürich.
Autor: Landolt, Elias (1821-1896) Schweizer Forstwissenschaftler Oberforstmeister und Professor in Zürich., Erscheinungsjahr: 1870

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wald, Wälder, Baum, Bäume, Natur, Umwelt, Klima, Bauholz, Nutzholz, Brennholz, Früchte, Beeren, Jagd, Haustiere, Holzvorrat, Bodenwert, Ertrag, Äcker, Weiden, Wiesen, Kapital, Zinsen, Holzerlös, Temperatur, Niederschläge, Klima, Entwaldung, Aufforstung,
"Hoffen wir daher, der ernste Mahn- und Weckruf, der in den letzten Überschwemmungen liegt, verhalle nicht ungehört am Ohr des Volkes und der Behörden, sondern veranlasse beide, mit allen Kräften und voller Energie die Hand ans Werk zu legen und sie nicht mehr von demselben abzuziehen, bis die Aufgabe, soweit sie durch die Intelligenz und Tatkraft der Menschen gelöst werden kann, wirklich gelöst ist. Jetzt ist es noch Zeit, jede Verzögerung erschwert aber die Lösung der Aufgabe und ein langes Hinausschieben würde sie an vielen Orten unmöglich machen."

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In einem früher an dieser Stelle gehaltenen Vortrage hatte ich die Ehre, einen kurzen Abriss der Geschichte des Waldes zu geben und am Schluss desselben auf die mannigfachen Beziehungen der Wälder zum Haushalt der Natur und der Menschen hinzuweisen. Heute will ich es versuchen, die letzteren etwas näher zu bezeichnen und Ihnen ein möglichst gedrängtes Bild vom Einfluss des Waldes auf das Wohl und Weh der Menschen zu entwerfen.

Wenn man im alltäglichen Leben vom Wald spricht oder an denselben denkt, so fasst man nur seine Erzeugnisse ins Auge. — Je nach dem Standpunkt, den der Einzelne einnimmt, oder je nach der Umgebung und den Verhältnissen, die eben am meisten auf ihn einwirken, freut er sich über das Vorhandensein der Wälder, weil sie das nötige Bau-, Nutz- und Brennholz liefern, weil sie schmackhafte Beeren und Früchte erzeugen, weil sie die beste Gelegenheit bieten, die Jagdlust zu befriedigen oder weil die auf die Weide getriebenen Haustiere in demselben Nahrung und Schutz finden und die abgefallenen Blätter eine trockene, warme Streu für dieselben und Dünger zur Verbesserung armer Felder geben.

Der Baulustige sucht nach Wäldern mit starken alten Bäumen, weil diese sein Bedürfnis zu befriedigen im Stande sind; dem Kind und der Beerensammlerin dagegen erscheinen die ganz jungen, den Boden noch nicht vollständig deckenden und beschattenden Bestände wertvoller, weil in diesen die schmackhaftesten Beeren wachsen. Dem Frierenden, der sich am warmen Ofen oder am hell aufflackernden Kaminfeuer wärmt, ist jeder Wald recht, der gutes und wohlfeiles Brennholz gibt; dem Jäger machen die Wälder die größte Freude, welche die meisten jagdbaren Tiere bergen, und dem Viehzüchter und Bebauer magerer Äcker gefällt der Wald am besten, der die meisten Haustiere ernährt oder die größte Streumasse erzeugt.

Alle schätzen den Wald, weil er Material zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse liefert, Allen sollte daher auch die Sorge für dessen Erhaltung am Herzen liegen. In der Wirklichkeit ist das aber nur so lange der Fall, als der Wald nicht anderweitige, scheinbar oder wirklich höher stehende Interessen gefährdet; so bald aber derartige Konflikte eintreten, so erscheint er bei einseitiger Würdigung der von ihm gebotenen materiellen Vorteile mehr als ein notwendiges Übel, denn als ein wertvolles Gut. In Folge dessen erwachen Wünsche für dessen Beseitigung und Ersetzung durch wertvollere Güter. Der Eine findet, der Wald nehme Boden in Anspruch, der bei anderweitiger Benutzung größere Erträge geben würde und wünscht dessen Rodung, um, statt Holz, Futter, Getreide, Obst oder Wein pflanzen, den Wald also in Weiden, Wiesen, Äcker oder Weinberge umwandeln zu können; ein Anderer sieht, dass derselbe seine angrenzenden Güter beschattet und deren Ertrag vermindert und tut alles Mögliche, ihn von der Grenze ferne zu halten; ein Dritter findet, das durch den Holzvorrat des Waldes repräsentierte Kapital würde, in Geld verwandelt, größere Zinsen tragen, als durch seinen Materialzuwachs und zur Befriedigung seiner wahren und eingebildeten Bedürfnisse besser geeignet sein, schlägt ihn ab und verkauft das Holz. Der leere Waldboden sollte nun wieder aufgeforstet werden, aber der Spekulant rechnet aus, dass die hierauf zu verwendenden Ausgaben sich nicht reichlich genug verzinsen, weil es gar lange gehe, bis das nachzuziehende Holz nutzbar werde und die auf den Anbau und die Pflege verwendeten Kosten nebst den Zinsen von denselben und vom Bodenwert wieder ersetze; er verzichtet daher auf den Wiederanbau, benutzt den Boden in anderer Weise und freut sich über die nun Jahr für Jahr eingehende doppelte Rente, bestehend im Zins aus dem Holzerlös und im Ertrag des Bodens.

Die Bestrebungen, den Wald zu vermindern, sind indessen nicht nur entschuldbar, sondern gerechtfertigt, so lange derselbe eine größere als die absolut notwendige Ausdehnung besitzt und die Rodungen auf Boden beschränkt bleiben, der ohne den Schutz der Waldbäume dauernd fruchtbar bleibt. So bald aber diese Grenzen überschritten werden, lässt sich der Wunsch nach weiteren Rodungen nicht mehr rechtfertigen und wenn er sich dennoch geltend macht und zur Tat wird, so bleiben die bösen Folgen der Verminderung des Waldes nicht aus. Das mit gar zu geringer Mühe flüssig gemachte Kapital verschwindet häufig eben so rasch, wie es gewonnen wurde; die Weide oder der Acker, der an die Stelle des Waldes getreten ist, wird unfruchtbar, Kapital und Zinsen reduzieren sich auf ein Minimum, und wenn derartige Entwaldungen eine große Ausdehnung erreichen, haben sie über dieses eine Verschlechterung des Klimas und viele andere Übelstände im Gefolge.

Die bloße Rücksicht auf die nutzbaren Erzeugnisse des Waldes reicht demnach nicht aus, die Erhaltung desselben zu sichern, sie wird im Gegenteil gar oft die Hauptveranlassung zu dessen Verminderung und zwar um so häufiger, je mehr die Besitzer über dem Streben, der Gegenwart möglichst große Nutzungen zuzuweisen, die Sorge für die Zukunft vergessen.

Mehr als man gewöhnlich annimmt, leidet der Wald auch unter der ziemlich allgemein herrschenden, historisch nicht ganz unbegründeten Volksanschauung, das Holz sei, so lange es nicht aufgearbeitet oder wenigstens gefällt sei, so lange also keine deutlich erkennbare Handlung zur Besitzergreifung stattgefunden habe, kein wahres Eigentum, die Entwendung von solchem also nicht entehrend und weniger strafbar als der Diebstahl an Erzeugnissen des Feldes oder andern Wertgegenständen.

Endlich lässt sich nicht verkennen, dass auch die durch das Sprichwort: „Holz und Unkraut wächst überall", sehr bezeichnend ausgedrückte Ansicht des Volks über die Holzproduktion nicht geeignet ist, den Wald als ein, besonderen Schutzes und sorgfältiger Pflege wertes Eigentum erscheinen zu lassen und das Wissen und die Kunst seiner Pfleger in ein günstiges Licht zu stellen.

Soll dem Wald beim Volk die Achtung verschafft werden, die ihm gebührt, und ihn allein wirksam und dauernd vor der Zerstörung zu schützen vermag, so darf er nicht nur als Erzeuger ganz oder teilweise durch Surrogate zu ersetzender Lebensbedürfnisse betrachtet werden, sondern es sind auch seine anderweitigen, das Wohl der Menschen nur mittelbar fördernden und daher nicht so leicht zu erkennenden Wirkungen ins Auge zu fassen und so weit immer möglich zur Kenntnis Aller zu bringen. Diese bestehen in seinem Einfluss auf die Bildung, Erhaltung und Fruchtbarkeit des Bodens, auf die Luftströmungen und die Verteilung der wässerigen Niederschläge, auf die Temperatur und das Klima überhaupt, auf die Gesundheit der Menschen, die Schönheit des Landes und den Charakter des Volks.

Fällungsbetrieb Aufarbeitung von Bauholz und Grubenholz

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Fällungsbetrieb im bayrischen Wald 1906

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Fällungsbetrieb Umziehen angerodeter Stämme mittels des Waldteufels

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Espe oder Zitterpappel

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Founiere

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Holzschuhherstellung

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Holzspalter

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Sägen

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Sattelbäune

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Schaufeln

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Holztransport auf der Riese im Bayrischen Wald

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Holztransport auf Schlitten im Bayrischen Wald 2

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Holzfäller im Westen der Vereinigten Staaten

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Holzabfuhr mittels Rückwagen in den Kiefernwaldungen des Südostens der Vereinigten Staaten

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Holztransport auf der Waldbahn

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Erziehung von Laubholzpflanzen im akademischen Forstgarten von Eberswalde

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Dünen-Aufforstung in Japan

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