Abschnitt 2

Friedericke Krüger - Teil 4


Friedrich Rückert, jetzt der Nestor unter Deutschlands Dichtern, hat in heiliger Begeisterung und in der Vollkraft hoher Begabung, als Goethe schwieg, die Erhebung seines Volkes und dessen Thaten besungen. Es sollte keinen Deutschen geben, der nicht seine Vaterlandsgedichte auf dem Bücherbrette und besser noch im Kopfe hätte. In einem der ,,Geharnischten Sonette“ heißt es:


„Nicht mehr das Gold und Silber will ich preisen,
Das Gold und Silber sank herab zum Tande.
Weil würdiglich vom ernsten Vaterlande
Statt Gold und Silber ward erhöht das Eisen.
Wer Kraft im Arm hat, geh', es zu beweisen,
Ein Eisenschwert zu schwingen ohne Schande
Und dafür zu empfah'n ein Kreuz von Eisen.“

Diese Kraft hat hier ein Weib bewiesen und für das zerhauene Schwert nach des Sehers Verheißung ein Kreuz von Eisen empfangen. Deshalb umwindet er ihr in seinem „Kranz der Zeit“ die freie Stirn mit ewig grünem Eichenlaube, auf welches er die Worte schrieb:

Der Unteroffizier Auguste Friederike Krüger.
Dieser Unteroffizier.
Mädchen, wie gefallt er dir?
Seine Farben steh'n ihm gut
Und sein kriegerischer Hut,
Und er schaut so muthig d'rein:
Mädchen, hast ihn Lust zu frei'n?
Mädchen, laß es bleiben!
Dieser Unteroffizier,
Wie ein Mann steht er allhier;
Wenn er seinen Rock zieht aus,
Wird, o weh, ein Mädchen d'raus;
Und wenn Jemand ihn will frei'n.
Darf es selbst kein Mädchen sein.
Das sind Wunder Gottes!
Dieser Unteroffizier,
War ein Mädchen, so wie ihr;
Aber als der Krieg begann,
Macht' es sich zu einem Mann;
Weil's die Schneiderei verstand,
Macht es sich ein Mannsgewand,
Zog als Mann zu Felde.
Dieser Unteroffizier,
Focht mit rechter Mannsbegier,
Hat erfochten Wunden viel
Und ein eisern Kreuz am Ziel,
Andern Brautschatz auch, der klingt,
Den zum Heirathsgut sie bringt
Dem, der sie will freien.
Dieser Unteroffizier.
Wer ihn frei'n will, glaubet mir.
Muß ein tücht'ger Hauptmann sein,
Wenn der Handel soll gedeihen.
Ei, ein Hauptmann bringt ihn schon
Zur Subordination
Trotz dem Kreuz am Halse. 1)

Von ihrem häuslichen Leben weiß ich durch den Sohn, der mit unbeschreiblicher Liebe seiner verklärten Eltern gedenkt, nur das Eine, welches hier genügt, daß sie in wunderbarer Eintracht und gegenseitiger Hochachtung ihre Tage in stiller, glücklicher Häuslichkeit vollbracht haben. Ein hohes Alter haben beide Gatten nicht erreicht; das Mädchen von Friedland Starb am 3l. Mai 1848. 58 Jahre 7 Monate alt, an einer Brustkrankheit; ihr Mann folgte ihr, 60 Jahre alt, am 14. September 1851 in die Ewigkeit.

Sind sie nun gleich nicht, wie Philemon und Baucis, mit langem Leben gesättigt worden, so dürfen wir doch, wenn auch unter andern Verhältnissen, Ovid's Worte auf sie anwenden:

Cura pii dis sunt, et qui coluere, coluntur.

d. h. die Guten sind ein Gegenstand der Fürsorge Gottes, und wer Ihn geehrt hat, der wird wieder geehrt.

Das ward im verflossenen Jahre, als die Erinnerung an die großen Tage der Befreiung im ganzen deutschen Volke mächtig erwachte, auch an unserem Heldenmädchen zur Wahrheit. Am 18. Oktober begab sich Nachmittags im feierlichen Zuge die Bürgerschaft, der Magistrat mit der nur noch kleinen Zahl der Veteranen voran, vom Markte aus zahlreich nach dem Geburtshause unserer Heldin, um eine gußeiserne Gedenktafel, die an demselben schon vorher angebracht war, zu enthüllen. Nachdem von der Schuljugend einige Verse gesungen waren und der zweite Bürgermeister, Hofrath Berlin, Worte der Weihe gesprochen hatte, in denen er aufforderte, das Andenken der längst aus den Kämpfen des Lebens zum ewigen Frieden eingegangenen Landsmännin ,,dankbar zu bewahren“, fiel unter dem Klange der Stadtmusik und unter lautem Zuruf der versammelten Menge die Hülle, und die goldene Inschrift glänzte im Sonnenstrahl. Diese ist aus der Feder ihres vielfach erwähnten Mitbürgers, einfach und schmucklos, unbekümmert um die Ansprüche eines klassischen Lapidarstils wie um diplomatische Genauigkeit der Angaben, und lautet wörtlich so:

Sophia; Dorothea Friederike Krüger

wurde in diesem Hause geboren

am 8. October 1789.

Sie kämpfte in dem Befreiungskriege 1813-l5 für das Vaterland als Unteroffizier in einem pommer'schen Bataillon der preußischen Armee mit und wurde wiederholt auf dem Schlachtfelde verwundet.

Für ihre Tapferkeit erhielt Sie
von Friedrich Wilhelm III., König von Preußen,
das eiserne Kreuz und die Kriegsdenkmünze.
Zu ihrem ehrenden Andenken gewidmet
von ihrer Vaterstadt 1864.

Besser aber als von Erz mit goldenen Buchstaben könnte die Stadt ihr ein Denkmal setzen, wenn sie ihre Dankbarkeit und Hochachtung durch die That bewiese, und dazu hat sie jetzt die schönste Gelegenheit. Der Sohn der Verstorbenen theilt mir mit, daß seine Schwester Georgine sich seit dem Tode der Mutter auskömmlich von Handarbeiten ernährt habe, jetzt aber seien ihre Augen so krank geworden, daß sie fast nichts mehr thun könne. Er sei in seinen beschränkten Verhältnissen nicht im Stande, sie zu ernähren; seine Bemühungen aber, ihr in ihrem Heimathslande eine Unterstützung zu verschaffen, seien bis auf eine geringe, nicht das Nothwendigste beschaffende Hülfe vergeblich gewesen.

So wäre es denn jetzt an euch, ihr Männer Friedlands, zur That zu schreiten und eure Heldin in ihrer Tochter zu ehren. Das Heldenmädchen hat euren dunkeln Ort mit hellem Ruhme bestrahlt; kaum giebt es ein deutsches Geschichtswerk von einigem Umfange, das ihrer nicht erwähnte; einer der ersten deutschen Dichter hat sie besungen, und im vorigen Jahre ist ihr Name in allen Zeitungen genannt und ihr kühner Opfermuth aufs Neue gepriesen worden. Was vermögt ihr denn nun zu thun, ihr Andenken „dankbar zu bewahren?“ Die eherne Tafel allein ist nichts, die That muß hinzukommen. um dieser einen Werth zu geben. Ihr habt ein reich ausgestattetes, wohleingerichtetes Bürger-Hospital. Wohlan, bietet ihrer Tochter eine Freistätte in demselben an. Das wäre eine größere Lobpreisung des Heldenweibes, eine reinere Anerkennung ihrer opferfreudigen Gesinnung, als all' eure Feier. Solche Hochherzigkeit giebt euch Innern Lohn, die Welt erkennt sie an und Gott segnet sie.

Friedland am Jahrestage der Schlacht von Dennewitz 1864.