Der Untergang des Dampfbootes „American“. (Siehe das Bild auf Seite 561.)

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1880
, Erscheinungsjahr: 1880
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Schifffahrt, Schiffsuntergang, Dampfschiff, Ozeandampfer, Dampfmaschine, Steuerruder, Passagiere, Rettung, Hoffnung, Mannschaft, Segel, Riff, Kapland, Unglück
Der Menge von Unglücksfällen, welche in den letzten Jahren verschiedenen großen Ozeandampfern zugestoßen sind, hat sich in der jüngsten Zeit ein neuer zugesellt, nämlich der Untergang des großen Kap-Postdampfers „American" von der Union-Steam-Company, welcher am 28. April dieses Jahres auf der Fahrt von Southampton nach dem Kap der guten Hoffnung unterging. Dieser kolossale Dampfer, als regelmäßiges Postschiff nach Südafrika im Dienste, war am 23. April gegen fünf Uhr Morgens ungefähr unter 1" 52' nördl. L. und 9° 50' westl. Br. von Greenwich angelangt, als aller Wahrscheinlichkeit nach der Hauptwellbaum der Schraube in der Buchse brach und das Schiff ein so starkes Leck erhielt, dass das Wasser in Menge eindrang. Ein Versuch, den angerichteten Schaden von innen aus zu untersuchen, misslang, weil der Raum sogleich zu hoch voll Wasser stand und dieses bald auch in den Heizraum und zu den Kesseln drang und hier die Feuer verlöschte der dritte Offizier des Schiffes ward nun an einer Leine über den Stern (das Hinterteil) des Schiffes hinuntergelassen und ermittelte nach einer Untersuchung des Schiffskörpers an dieser Stelle, dass die Schraube verdreht und der Hintersteven am Steuerruder verbogen war, so dass weder die Dampfmaschine gangbar gemacht, noch das Steuerruder gebraucht werden konnte.

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Jetzt wurden alle Handpumpen in Gang gesetzt, an deren Handhabung sich die Passagiere freiwillig beteiligten; allein das Wasser drang so massenhaft in den hinteren Raum ein, dass man seiner nicht mehr Herr werden konnte und der Kapitän Maclean Wait Befehl gab, die Boote mit Wasser und Proviant zu versehen und dann auszusetzen. Die Passagiere nahmen darauf eiligst im Salon noch ihr Frühstück ein, und um acht Uhr stand trotz aller Bemühungen das Wasser schon 5 1/2 Meter hoch im Hinterraum. Jetzt gab der Kapitän Befehl, die Passagiere in die Boote zu bringen, was in aller Ruhe und Ordnung geschah. Kohlen und Ladung wurden sodann über Bord geworfen, um das Schiff zu erleichtern, allein Alles war vergebens und das eindringende Wasser nicht mehr zu bewältigen. Um halb zwölf Uhr Mittags ward alle Hoffnung auf Rettung des Schiffes aufgegeben, die Mannschaft bestieg ebenfalls die Boote und der Kapitän selber verließ als Letzter das Schiff. Um 12 Uhr 20 Minuten Mittags ging das mächtige Fahrzeug, mit dem Stern zuerst, unter; dieser Augenblick ist in unserem Holzschnitt auf Seite 561 nach einer Skizze dargestellt, welche von der Hand des dritten Offiziers des „American“, Herrn W. Stevenson, herrührt. Die acht mit Passagieren und Mannschaft besetzten Boot gingen nun unter Segel, um nach dem etwa 200 Seemeilen entfernten Kap Palmas zu steuern, nach welchem der Kapitän zuvor die Richtung gegeben hatte. Eine starke Südwestbrise hatte sich mittlerweile erhoben, welche das Zusammenhalten der Boote erschwerte, und die eintretende Dämmerung trennte sie völlig. Drei von ihnen wurden am 24. und am Morgen des 25. von dem Dampfschiff „Congo“ ausgenommen und 54 Personen am 8. Mai wohlbehalten auf Madeira gelandet. Drei andere begegneten an denselben Tagen dem amerikanischen Barkschiff „Emma F. Herriman“, welches die Mannschaften an Bord nahm und bald darauf dem nach der Kapstadt bestimmten afrikanischen Dampfer „Coanza“ übergab, welcher sie an der Guineaküste landete, von wo sie mit dem auf der Heimfahrt begriffenen Dampfer „Senegal“ nach Europa eingeschifft wurden. Der „Senegal“ stieß jedoch vor Groß-Canaria aus ein Riff und Passagiere und Matrosen mussten sich abermals in den Booten retten, wobei Herr Paterson, Mitglied der gesetzgebenden Versammlung des Kaplandes, ertrank, während die anderen Schiffbrüchigen glücklich Madeira erreichten, von wo aus einige Offiziere und Matrosen des „American“ in der zweiten Maiwoche in Plymouth eintrafen. Von den beiden noch übrigbleibenden Booten ist das eine von dem deutschen Schoner „Moltke“ ausgenommen und die Insassen haben mittlerweile ebenfalls Madeira erreicht; von dem letzten Boote aber, das fünf Leute der Mannschaft enthalten soll, hat man noch keine Spur und die beiden englischen Schiffe „Forrester“ und „Firebrand“ sind auf der Suche nach denselben.

Der Untergang des Dampfschiffes American

Der Untergang des Dampfschiffes American