Die neue Judenfrage

Freunde, welche die kleine Schrift jahrelang kannten, drängten in mich, sie zu veröffentlichen, weil die Resultate der Arbeit eine weitgehende praktische Einwirkung auf die jüdische und allgemeine Politik ausüben könnten.

Vorausgesetzt der neue Gedanke, der in diesem Buch in allen seinen Konsequenzen zum ersten Mal ausgeführt wird, erweist sich als richtig, so wird er wohl die deutsche Judenheit, die sich bisher als religiöse Gemeinschaft lediglich dazu berufen fühlt, die Erfüllung der Ritualien zu überwachen, veranlassen, eine großzügige Volkspolitik zu treiben, um das zu retten, was zu erhalten ist. Und selbst wenn viele jüdische Gemeinden so kurzsichtig sein werden, trotz all der Anzeichen von dem drohenden Zerfall lieber der Stimme unverbesserlicher Optimisten zu vertrauen und im bequemeren Quietismus zu beruhen als energischen Gegenmaßregeln sich anzuschließen, so wird doch die Idee, erst einmal durch die Blätterwelt und die mündliche Verkündung zum geistigen Gemeingut des Volkes geworden, auf alle möglichen sozialen und politischen Aktionen befruchtend einwirken.


Aber der Radius der Aktionsfähigkeit reicht über die schwarz-weiß-roten Grenzpfähle hinaus. Die Lage großer jüdischer Gemeinschaften in allen möglichen Ländern der Erde, so vor allem in Frankreich, Dänemark, in der Schweiz, in Italien, Australien etc. ist eine solch frappant ähnliche, dass wir mit unserm kleinen Beitrag die Geschichte der zeitgenössischen Kultur-Juden charakterisieren. Bleiben wir bei der Beurteilung unseres Themas nur bei Deutschland, so gehen wir wohl mit der Annahme nicht fehl, dass das Problem des Aussterbens hier die „Judenfrage“ sans phrase bildet. „Sein oder Nichtsein“, darüber hinaus gibt es kein wichtigeres Problem.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Untergang der deutschen Juden.