Leipzig

Als ich in Leipzig ankam, war die mir von des Herrn Minister von Wöllner Excellenz bewilligte Zeit bereits verlaufen. Dazu kamen dringende häusliche Umstände, 1) die mir nicht erlaubten, mich in Leipzig und Wittenberg länger aufzuhalten, als zu Einziehung allgemeiner Nachrichten von beiden Universitäten nötig war. Überdies glaubte ich, dass es hier am wenigsten notwendig sein dürfte, viele Vorlesungen zu besuchen, da, wenn einmal zum Behuf einer der Preußischen Universitäten auf irgend einen der Leipziger oder Wittenberger Dozenten reflektiert werden sollte, es leicht sein würde, entweder von Halle oder von hier aus jemanden dahin zu senden, um von dem Vortrag desselben durch eignes Anhören sichere Kenntnis zu erlangen. Auch habe ich sowohl in Wittenberg als in Leipzig unter den Professoren solche Bekanntschaften gemacht, die mich jederzeit in den Stand setzen, die etwa nötige Nachrichten von dorther auf eine glaubwürdige Weise herbeizuschaffen. Ungeachtet es nun die Zeit nicht erlauben wollte, in Leipzig 2) und Wittenberg, wie auf den andern Universitäten, Kollegia zu besuchen, so ermangle ich doch nicht, die in der Kürze gesammelten allgemeinen Nachrichten noch hierher zu setzen.

In Leipzig schlägt bei Erledigung einer ordentlichen Professur die jedesmalige Fakultät dem Kurfürsten einige Subjekte vor, aus denen er einen wählt. Jede Fakultät ist für sich schriftfässig, und es ergehen an sie (nicht an die Universität in corpore) die Reskripte durch den Kirchenrat. Bei der Fakultät sucht man um diese Denomination oder Rekommendation an, und wenn man denominirt ist, kömmt man in Dresden ein. Man denominirt aber bloß dasige Professores extraordinarios oder magistros legentes, keinen Auswärtigen. In der Regel wird einer von den denominirten Professor Ordinarius. Doch bisweilen kömmt von Dresden ein Reskript an die Fakultät, dass sie einen denominiren soll, dem man die Professur geben will, und dessen Denomination die (gewöhnlich in solchem Fall sehr geschäftige) Kabale hindert. In Dresden geht die Sache durch den Kirchenrat und das geheime Consilium. Dieser Gang findet indessen nur Statt bei den Professoribus ordinariis antiquae fundationis, deren 33 sind.


1) Die Geburt eines Sohnes am 28. Juli, der aber schon zwei Tage nach Gedikes Rückkehr starb. Tagebuch bei Horn a. a. O. 185 f.

2) Am 31. Juli ging G., ehe er Kollegien besuchte, um 8 Uhr zur Post und reiste bereits um 11 Uhr infolge der vorgefundenen Nachrichten (s. oben) „ohne auch nur einen einzigen Menschen gesprochen zu haben“. Tagebuch a. a. O.


Die Anzahl der Studenten ist hier seit zehn Jahren immer 12 bis 1.300 gewesen, jedoch diejenigen mitgerechnet, welche nicht mehr Collegia besuchen, sondern als Informatores leben. Darunter sind ungefähr nur 60 bis 70 Mediziner, 500 Theologen, der größte Teil Juristen. Es sind meistens Einländer, wenige Ausländer, und noch weniger bemittelte Ausländer studieren hier.

Beneficia und Stipendien sind zahlreich. An 18 Tischen werden im Convictorio täglich Mittags und Abends zusammen 216 Studenten (12 an jedem Tisch) gespeist. Die meisten dieser Freitische sind Kurfürstl. und für Landeskinder, viele aber auch Familienstiftungen. 75 Studenten erhalten Kurfürstl. Stipendia zu 30 Rthlr. jährlich. Überdies bekommen noch viele sogenannte Procuratur Stipendia, die der Kirchenrat vergibt. Diese Stipendiaten müssen viermal jährlich sich examinieren lassen und ein lateinisches Specimen machen, das eingeschickt wird. Viele andre Stipendia, die von Privatpersonen gestiftet worden, werden von den Fakultäten, Collegiis u. s. w. vergeben.

Landeskinder, die beneficia suchen, werden examiniert Jeder inscribendus muss ein Schulzeugnis vorzeigen. Besonders darf kein Schüler der Fürstenschulen ohne ein solches Schulzeugnis inskribiert werden.

Die Justiz verwaltet das concilium perpetuum, welches aus dem Rektor und vier halbjährig aus den 4 Nationen, in welche hier das ganze Personale der Universität geteilt ist, zu wählenden Assessoren nebst einem beständigen Syndicus besteht.

Die Honoraria werden verschiedentlich bezahlt, von 3 bis 8 Thalern. Letzteres ist das höchste für ein Privatkollegium. Gewöhnlich hat wenigstens die Hälfte das Kollegium frei.

Jeder Professor muss wöchentlich vier Stunden publice lesen.

Brodkollegia gehen auch hier am besten. Die humanistischen Kollegia werden jetzt seltner als sonst besucht — Am stärksten sind die exegetica über das Neue Testament bei Rosenmüller besetzt, der darin über 300 Zuhörer hat

Besondre Seminaria gibt es hier nicht. Der Prof. Beck 1) (gewiss einer der vorzüglichsten und nützlichsten dortigen Professoren) hat vor einigen Jahren eine philologische Übungsgesellschaft errichtet, die schon vielen Nutzen gestiftet. Man würde sie zu einem öffentlichen Seminario philologico erheben, wenn nicht alle Einrichtungen, die neue Geldausgaben erfordern, verworfen würden. Ehedem war Leipzig das allgemeine Seminarium philologicum für Deutschland, jetzt ist es Göttingen.

1) Christian Daniel Beck 1757-1832

Die Leipziger Professoren stehen größtenteils sehr gut, vornehmlich die ersten in jeder Fakultät. Die Universität besitzt im Ganzen und jede Fakultät insbesondre Dörfer, Häuser, Holzungen, Kapitalien. Die beiden ersten theologischen und juristischen Professoren haben als Canonici einen beträchtlichen Zuschuss. Am besten stehen die Juristen, die im Spruchcollegium sitzen, weil eine große Menge Akten aus ganz Deutschland hierher geschickt werden. Die Einkünfte von dieser Fakultätsarbeit rechnet man auf jeden jährlich 1.600 Thaler. Der unterste Professor Philos. hat ungefähr 500 Thaler (Mehr hat auch der Prof. Beck nicht). Manche Professoren haben noch besondre, gewöhnlich kleine, Pensionen, die ihnen der Kurfürst aus den zu piis causis gewidmeten Fonds anweist. Dergleichen Pensionen erhalten auch Professores extraordinarii, Doctores und Magistri. Die Besoldungen aus dem akademischen Fonds aber fallen nur an die 23 (!) Professores anfiquae fundationis, die nur allein in dem akademischen Senat und in den Fakultäten Sitz und Stimme haben und das Rektorat bekleiden können. — Die größte Besoldung oder vielmehr Einkünfte hat Ordinarius der Juristenfakultät, doch nicht als Professor, sondern wegen der Aktenarbeit. Die kleinste Pension für extraordinarios und Privat-Dozenten sind 100 Thaler.

Von diesen beiden Gattungen der Besoldungen sind die Collegiaturen (eine Art von Canonicaten) unterschieden, die zum Wohlstande der Universität viel beitragen, indem sie, und auch schon die Hoffnung dazu, viele junge Dozenten in Leipzig fixieren. Es sind nämlich vom Stifter der Universität, Friedrich dem Streitbaren, und seinem Bruder sogenannte Collegia gestiftet worden, die davon den Namen Fürstenkollegia (collegia principum) führen. Diese machen für sich eigne corpora aus. Jede der 4 Nationen hat darin 2 Stellen, und wenn einer der Kollegialen stirbt, so wählt das Kollegium einen neuen, den der Kurfürst confirmirt, und der nach der Reihe Propst wird und lebenslang die Einkünfte genießt. Um zu einer solchen Collegiatur zu gelangen, braucht man nicht eben Professor zu sein, sondern jeder Magister legens kann dazu gelangen. Ein dergleichen Kollegium ist noch besonders für die Schlesier gestiftet, nämlich das Frauenkollegium (beatae Mariae virginis), in welches nur Schlesier und Ein Preuße (aus dem Königreich Preußen) kommen können. Dieses ist eine Privatstiftung Schlesischer Familien. Eine solche Kollegiatur trägt doch gewöhnlich an 200 Thaler.

In den Beilagen habe ich außer den Lektionskatalogen und akademischen Gesetzen noch einige andre die Verfassung der Universität Leipzig betreffende impressa beigelegt.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Universitäts-Bereiser