Heidelberg

Diese alte Universität sollte eigentlich halb reformiert und halb katholisch sein. Sie ist aber jetzt beinahe ganz katholisch. Nur allein in der Theologischen Fakultät sitzen zwei reformierte Professoren. Die andern Lehrstühle sind mit Katholiken besetzt, ausgenommen die neue mit der philosophischen Fakultät gewissermaßen verbundene Cameralistische Aristalt oder Staatswirtschaft Hohe Schule. Die theologischen und philosophischen Lehrstühle, wie auch die Professio juris canonici, waren sonst mit Jesuiten besetzt. Jetzt aber sind sie den aus Frankreich hergerufenen sogenannten Lazaristen, oder wie sie sich auch nennen, der Congregatio Missionis übergeben. Man kann sich leicht vorstellen, wie der Unterricht dieser Männer, die unbekannt mit der deutschen Verfassung, ja selbst größtenteils unbekannt mit der deutschen Sprache sind, beschaffen sein könne. Unter den Beilagen sind zwei gedruckte Schriften, die von ihrer Verfassung nähere Nachricht geben.

Nur wenige der hiesigen katholischen Professoren haben so geläuterte Begriffe, wie viele von den Mainzer Professoren. Ich hospitierte, weil an dem Tage gerade kein andrer Professor las, bei dem Professor juris canonici. 2) Er bewies in dieser Stunde weitläufig, dass die Kirche nicht im Staat, sondern umgekehrt der Staat in der Kirche sei; diese sei weit älter als der Staat; denn der Priester Melchisedech werde in der Bibel weit eher erwähnt, ehe noch von irgend einem Staate die Rede sei u. s. w. Ungefähr derselbe Geist herrscht bei den meisten hiesigen katholischen Professoren, vornehmlich bei den Lazaristen.


1) Am 5. Juli fuhr Gedike (Tagebuch 176) von Darmstadt nach Mannheim, wo er mindestens einen Tag zugebracht hat, so dass er frühestens am 7. Juli in Heidelberg eintraf.

2) 1789 las nach gütiger Mitteilung J. Willes in Heidelberg D. Matthaeus Kübel, Doktor der Theologie und beider Rechte, ss. canonum prof. publicus über das jus ecclesiasticum, publicum et privatum.


Es traf sich unglücklicherweise, dass ich gerade an einem sogenannten dies academicus mich hier aufhielt. So heißt in jeder Woche ein Tag, der zu den Versammlungen des Concilii und andern akademischen Geschäften bestimmt ist. An einem solchen Tage liest in der Regel niemand. Einen Tag länger darum hier zu bleiben, schien mir um so weniger rathsam, da gerade diejenigen Professoren, die ich noch am meisten zu hören wünschte, auch am folgenden Tage nicht lasen. Alles was ich sah und hörte überzeugte mich indessen hinreichend, dass diese Universität von geringer Bedeutung ist. Wie wenig zuweilen bei Besetzung einer erledigten Stelle auf den wahren Vorteil der Universität Rücksicht genommen wird, erhellt unter andern daraus, dass manche schon in Mannheim in Bedienung stehende Männer mit Beibehaltung derselben zugleich zu Professoren in Heidelberg ernannt werden, da sie dann verpflichtet sind, von Mannheim nach Heidelberg hinüber zu reisen, um dort ihre Kollegia zu lesen. Die Entfernung beträgt zwar nur zwei Meilen; es ist indessen doch leicht zu beurtheilen, dass solche in Mannheim wohnende Professoren der Universität von keinem großen Nutzen sein können.

Von den beiden reformierten Professoren der Theologie Heddaeus 1) und Wund 2) scheint der erstere ein nicht ungelehrter Mann zu sein, wiewohl ich ihm wenig Lebhaftigkeit des Vortrags zutraue, noch weniger aber dem zweiten Professor Wund.

1) Dominik Gottlieb Heddaeus 1744-1795.

2) Daniel Ludwig Wundt 1741-1805.


Einen neuen Glanz hat der Universität das 1784 mit ihr vereinigte kameralistische Institut oder die sogenannte Staatswirtschaft Hohe Schule gegeben. Und in der Tat ist dis Institut bei der ganzen Universität die Hauptsache. Nachdem dis Institut zur Bildung geschickter Kameralisten von 1774 an zu Lautem gewesen, fand man es zweckmäßiger, es der Universität und zwar der philosophischen Fakultät einzuverleiben, doch also, dass es ein für sich bestehendes Institut geblieben und seinen eignen Fonds beibehalten. Der eigentliche Direktor ist der in Mannheim wohnhafte Regierungsrat Doktor Medikus, 1) der auch den ersten Plan dazu entworfen. Jeder, der in der Pfalz auf eine Kameral- und Finanzbedienung Anspruch macht, muss bei diesem Institut seinen vollständigen Kursus machen und darüber ein Testimonium beibringen. Es hat daher dieses Institut dem Lande schon sehr reelle Vortheile gestiftet Es hat ein eignes schönes bequemes Gebäude. In demselben ist ein eignes chemisches Laboratorium, ein physikalisches Kabinett, eine Naturaliensammlung, eine Modellkammer, und eine nicht unbeträchtliche Bibliothek über die verschiednen Zweige des kameralistischen Fachs, und hinter dem Gebäude ist ein botanischer und ökonomischer Garten.“ Genauere Nachricht von dieser Staatswirtschaft Hohe Schule geben die unter den Beilagen befindliche Druckschriften. 2) Die bei diesem Institut angestellten Professoren zeichnen sich vorzüglich vor den andern Professoren aus. Der erste Professor ist der Hofrath Suckow, 3) ein in der Physik und Chemie und den damit verwandten Kenntnissen sehr erfahrener und ungemein tätiger Mann. Er steht in allgemeiner und großer Achtung. Sein Vortrag ist gründlich und deutlich, nur fehlt es an Lebhaftigkeit. Der Prof. Gatterer 4) ist zwar etwas kränklich, übrigens aber ein munterer, lebhafter Mann, dessen Vortrag gerühmt wird. Noch mehr wird der Vortrag des Hofrath Erb, 5) der Finanz- und Polizeiwissenschaft lehrt, gerühmt. Der 4. Professor Hofkammerrat Semer 6) soll gar keine Gabe des Vortrags haben.

Die Zahl der bei diesem Institut, das in der Tat sehr viel vorzügliches hat, Studierenden ist doch nur gering. Es waren jetzt nur 16 kameralistische Studenten da.

Die Anzahl der gesammten hier studierenden Jugend soll sich doch an 300 belaufen. Die öffentliche Universitätsbibliothek ist von weniger Bedeutung. Ich lege einige Lektionskataloge, die akademischen Gesetze, ferner ein Paar die Verfassung der Lazaristen betreffende Schriften, wie auch einige Schriften über die Einrichtung der Kameralschule bei.

1) Friedrich Kasimir Medikus 1736-1808.

2) Wohl die bei J. F. Hautz, Gesch. der Universität H., 289 Anm. 29, 290 Anm. 30 zitierten Schriften.

3) Georg Adolf Suckow 1751-1813.

4) Christian Wilhelm Gatterer 1759-1808.

5) Johann Ludwig Erb 1742-1824.

6) Engelbert Martin Semer.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Universitäts-Bereiser