Göttingen

Diese mit königlicher Freigebigkeit gestiftete und mit eben dieser Freigebigkeit fortgesetzt unterhaltene Universität ist mehr als irgend eine andere in Deutschland bekannt Auch ist ihre Einrichtung und Verfassung in mehreren Büchern ausführlich beschrieben, besonders in Pütters akademischer Gelehrtengeschichte von Göttingen. 1)

Nirgends fand ich bei den Professoren soviel Vorliebe für ihre Universität als hier. Sie scheinen es als eine ausgemachte Sache vorauszusetzen, dass ihre Universität die erste und vorzüglichste unter allen in Deutschland sei, und sprechen daher häufig mit einer Art Geringschätzung oder Bedauern von andern Universitäten. Alle sind gleichsam trunken von dem stolzen Gefühl ihrer teils wirklichen, teils nur vorgeblichen oder eingebildeten Vorzüge. Mehrere Professoren versicherten mich sehr zuversichtlich, dass die berühmtesten Gelehrten, wenn sie Göttingen mit einem andern Aufenthalt verwechselten, einen sehr beträchtlichen Teil nicht nur von ihrer Celebrität, sondern selbst von ihrer Brauchbarkeit verlören (wie dis z. B. von den jetzt in Marburg angestellten ehemaligen Göttingischen Professoren von Selchow und Baldinger 2) der Fall sei), dagegen der unberühmte Gelehrte, wenn er in Göttingen Professor werde, bloß dadurch einen großen Namen und Werth erlange, indem aus der Glorie, mit der sie sich stets die Universität selbst umgeben denken, einige Straßen auf das Haupt jedes einzelnen zurückfallen. Man kann sich freilich öfters kaum des Lächelns enthalten, wenn man manche Göttingische Gelehrte aus einem solchen enthusiastischen Ton sprechen hört, als sei außer den Ringmauern von Göttingen kein Licht und keine Gelehrsamkeit zu finden. Indessen hat dieser Universitätsstolz hier seine sehr guten Wirkungen. Er bewirkt einen gewissen Esprit de corps, den ich nirgends in dem Maße und in der Art fand. Jeder Professor sieht nicht nur die Ehre der Universität als seine eigne, sondern auch umgekehrt seine eigne und seiner Kollegen Ehre als die Ehre der Universität an. Daher findet man hier jene Ausbrüche der Kabale, des Neides, der Verkleinerungs- oder Verleumdungssucht, die so oft auf andern Universitäten soviel Verdruss und Erbitterung machen, ungleich seltener, wenigstens fallen sie weniger ins Auge. Man spricht hier mit mehrer Schonung von den Schwächen seiner Kollegen, als auf andern Universitäten üblich. Man ist hier mehr als anderswo geneigt zu loben und zu entschuldigen, was sich nur irgend loben oder entschuldigen lässt. Brotneid fehlt zwar auch hier nicht, aber er äußert sich hier nicht leicht auf eine so plumpe, niedrige, verächtliche Art wie auf vielen andren Universitäten. Eben darum hält es hier auch schwerer als anderswo, über alles, was man zu wissen wünscht, von den Professoren selbst ganz zuverlässige Auskunft zu bekommen. Alle sind sehr beredt über die Vorzüge ihrer Universität, aber auch in gleichem Maß stumm und geheimnisvoll über die Mängel derselben. — Es wäre, dünkt mich in der Tat, zu wünschen, dass dieser Esprit de corps, der die Göttingischen Professoren beseelt, und ihnen die Ehre der Universität zum Brennpunkt aller ihrer Wünsche und Bestrebungen macht, auch auf unseren Preußischen Universitäten herrschend sein möchte. Eben dieser Esprit de corps bewog mich auch über manche Umstände und Verhältnisse lieber bei verständigen und gut unterrichteten Studenten Nachricht einzuziehen, als bei den Professoren, weil ich befürchten mußte, dass letztere aus zu ängstlicher Zärtlichkeit für die Ehre der Universität mir keine vollständige Auskunft geben würden.


1) Versuch einer akademischen Gelehrtengeschichte von der Georg-Augustus-Universität zu G. 1765. 2. Teil 1788. Rechnet man zwei Reisetage für die 16 Meilen von Helmstädt nach Göttingen, so wird sich Gedike etwa vom 22. bis 25. Juni in G. aufgehalten haben.

2) Siehe unter Marburg.


Alle vier Fakultäten sind und werden mit mehreren Professoren besetzt, als sie eigentlich nach der ursprünglichen Stiftung haben sollten. Indessen nehmen natürlich die überzähligen Professores ordinarii keinen Anteil an den Emolumenten der Fakultät. Doch hat in dieser Rücksicht die juristische Fakultät eine besondere Einrichtung. Die eigentliche juristische Fakultät, sofern das Dekanat jährlich unter den Mitgliedern wechselt, und sofern sie die Promotion und andere unmittelbar auf die Universität sich beziehende Geschäfte besorgt, besteht aus vier Professoren (gegenwärtig Böhmer, Pütter, Möckert, Runde). Weil indessen dieses Spruchkollegium sehr viele Akten zur Bearbeitung bekömmt, so hat es mehrere außerordentliche Beisitzer, wozu nicht nur die übrigen Professores ordinarii, sondern auch extraordinarii, ja selbst manche bloße doctores juris ernannt werden. Auch genießen diese außerordentlichen Beisitzer jetzt (anfänglich freilich nicht eben so wie die ordentlichen Mitglieder) das Honorarium für ihre Arbeit, welches ein jeder selbst festsetzt. Doch bekömmt der Ordinarius, als beständiger Direktor, welchen Posten das jedesmalige erste ordentliche Mitglied bekleidet, für die Revision den sechsten Theil des allenfalls von ihm noch moderirten oder erhöhten Honorariums. Insofern man die juristische Fakultät in der weitesten Bedeutung nimmt, und darunter alle juristische Professoren versteht, so ist sie allerdings sehr beträchtlich. Denn sie besteht jetzt aus zehn ordentlichen und zwei außerordentlichen Professoren. Dazu kommen noch mehrere juristische Privatdozenten, die jedoch gegen die große Zahl der Professoren nicht aufkommen können, und daher selten eigentliche Kollegien zu Stande bringen, desto mehr aber sich als Repetenten und mit privatissimis beschäftigen, wozu bei der beträchtlichen Anzahl reicher junger Leute viel Gelegenheit ist Eben darum konnte ich, so sehr ich es auch wünschte, keine Gelegenheit erhalten, von diesen juristischen Privatdozenten einen oder mehrere zu hören.

Die theologische Fakultät ist zu drei ordentlichen Stellen fundiert, und sie hat auch seit mehreren Jahren nicht mehr als drei gehabt, obwohl sie, solange der sei. Prof. Walch lebte, aus 4 ordentlichen Mitgliedern bestand. Gegenwärtig sind noch zwei außerordentliche Professoren der Theologie. Der Professor der orientalischen Sprachen ist, wie auch auf den meisten andern Universitäten gewöhnlich, kein Mitglied der theologischen, sondern der philosophischen Fakultät. Die medizinische Fakultät ist eigentlich nur auf drei Mitglieder fundiert, und noch jetzt wechselt das Dekanat nur unter den drei ersten Professoren. Es sind aber jetzt noch außerdem vier, also zusammen sieben ordentliche Professoren der Medizin.

Die philosophische Fakultät sollte ursprünglich aus 8 ordentlichen Mitgliedern bestehen. Es gehören aber jetzt 15 ordentliche Professoren dazu, wozu noch 6 außerordentliche kommen. Überdies ist die Zahl der zu dieser Fakultät gehörigen Privatdozenten beträchtlich.

Zu den mancherlei Aufmunterungen, die von Seiten der Hannoverschen Regierung den Professoren erteilt werden, gehören (!) vornehmlich die Distinction durch Civil-Charakter. In der theologischen Fakultät bekömmt gewöhnlich einer oder mehrere das Prädikat eines Konsistorialrats. In den andern drei Fakultäten ist das Prädikat eines Hofrats sehr gewöhnlich (5 juristische, 5 medizinische, 10 philosophische Professoren haben dasselbe) und drei Professoren (Böhmer, Pütter und Michaelis) haben das Prädikat eines Geheimen Justizrates. Die Professoren scheinen auf diese, auch auf den meisten andern Universitäten sehr gewöhnliche und bloß auf den beiden sächsischen Universitäten jetzt sehr seltene Aufmunterung ein großes Gewicht zu legen. In Erteilung solcher Prädikate wird hier zwar gewöhnlich auf die Anciennetät gesehen, jedoch trifft es sich öfters und ist auch gegenwärtig bei mehreren hier der Fall, dass einer und der andere übergangen und ein jüngerer Professor in dieser Rücksicht dem altem vorgezogen wird, wiewohl dis auf den anderweitigen akademischen Rang keinen Einfluss hat. Soviel ist gewiss, dass die Hannoversche Regierung sich manche Zulage durch diese wohlfeile Aufmunterung erspart.

Es hält sehr schwer, in Göttingen sichere Auskunft über die Besoldungen der Professoren zu ergalten. Fast alle sind in Ansehung dieses Punktes sehr geheimnisvoll, und meistenteils weiß jeder nur, was er selbst, nicht aber, was sein Kollege an Besoldung erhält. Vornehmlich bleiben die Zulagen, die einer oder der andere nach und nach erhält, mehrenteils unbekannt. Denn die Universitätsrechnungen werden nicht in Göttingen selbst, sondern in Hannover geführt. Diese Verheimlichung hat ihre guten Folgen. Es wird dadurch manchen Ausbrüchen des Neides und manchen Prätensionen vorgebeugt. Man stellt sich indessen die Besoldungen in Göttingen gewöhnlich größer vor, als sie wirklich sind. Auch haben hier viele Professoren nur drei oder vierhundert Thaler. Manche ältere Professoren sind ungleich geringer besoldet, als einige ihrer Jüngern Kollegen. So versicherte mir ein Professor, der es zuverlässig wissen wollte, dass die beiden Geheimräte Böhmer und Pütter jeder nicht mehr als 800 Thaler Besoldung hätte, wiewohl mir dies sehr unwahrscheinlich vorkam. Manche jüngere Professoren haben ungleich mehr. So ist z. B. neuerlich Eichhorn mit 1.200 Thalern von Jena hergerufen worden, wiewohl dieses sein Gehalt den meisten von seinen Kollegen ganz unbekannt ist. Die außerordentlichen Professoren bekommen fast auf allen Universitäten keine Besoldung. Hier aber hat man seit kurzem angefangen, auch verschiedenen derselben eine Besoldung zu geben, wie denn z. B. der Prof. extraord. juris Brandis 400 Thaler und die beiden jüngeren Professoren Hugo und Buhle, die erst kürzlich angestellt worden, 300 Thaler haben.

Ein fleißiger Professor, der Beifall hat, kann hier durch seine Kollegia sehr viel gewinnen. Freigegeben wird hier verhältnismäßig ungleich weniger als auf irgend einer andern Universität. Die Honorarien sind höher als auf den meisten andern Universitäten. Unter 5 Thalern kostet kein Kollegium, aber viele kosten 10 Thaler und mehr. Es werden überdis so manche sogenannte Collegia privatissima gelesen, obwohl sie von 40 bis 50 Zuhörern besucht werden, die dafür jeder drei bis 4 Louisdor bezahlen. Die Einkünfte mancher Professoren werden zu 4 bis fünf tausend Thalern und mehr berechnet, wiewohl es auch hier wie überall Professoren gibt, die aus Mangel des Beifalls darben.

Da ich mich in Göttingen fünfthalb Tage aufgehalten, so habe ich Gelegenheit gehabt, fast alle Professoren (soviel ihrer zugegen waren) persönlich kennen zu lernen, auch die meisten derselben lesen zu hören. Überdies habe ich die öffentlichen Institute, so viel nur immer in dieser Zeit möglich ward, kennen zu lernen gesucht Ich will daher hier in der Kürze von der Anwendung meiner Zeit in Göttingen durch eine kurze Nachricht von meinen Beobachtungen Rechenschaft ablegen.

Mit der theologischen Fakultät ist es wirklich jetzt schlecht bestellt. Kurz vor meiner Ankunft war der Prof. Miller 1) gestorben, der jedoch schon seit einigen Jahren wegen körperlicher Schwachheit wenig mehr leisten konnte. Man ist jetzt sehr in Verlegenheit, einen neuen Professor anzusetzen, der nicht nur literarische Zelebrität besitzt, sondern auch wirklich als Professor zu nützen im Stande ist.

1) Johann Peter Miller 1725 - 1787. Vgl. Pütter II, 118 ff. Archiv für Kulturgeschichte.

Gegenwärtig sind daher nur zwei ordentliche Professoren der Theologie, Leß 1) und Plank. 2) - Der erstere hat einen unangenehmen Vortrag, nicht nur wegen seiner holen und fast heulenden Stimme, sondern auch wegen einer gewissen Weitschweifigkeit, die sich wenigstens bei dem Kollegium über die theologische Moral auch dadurch äußert, dass zuviel gemeine und triviale Dinge mit vorgetragen wurden. Seine Kollegia sind indessen doch zahlreich besetzt, nicht nur weil sein Testimonium in dortigen Gegenden von sehr großem Gewicht ist, sondern vornehmlich weil in Ansehung der meisten Kollegien keine Konkurrenz Statt findet, und die Studenten viele Kollegia nur bei ihm allein hören können. Der Prof. Plank ist ein sehr heller und gelehrter Mann. Vornehmlich liest er die Kirchengeschichte sehr gründlich. Aber ich habe selbst in Tübingen und Stuttgart keinen Professor gehört, dessen schwäbischer Dialekt dem noch ungewohnten Zuhörer soviel Mühe gemacht hätte, als dies bei Plank der Fall ist, dessen Vortrag durch die auffallende Härte seines Schwäbischen Dialekts zuweilen fast unverständlich wird.

Die beiden außerordentlichen Professoren der Theologie Volbort 3) und Schleusner 4) haben wenig Beifall, besonders der erstere, der zugleich Prediger ist, aber als Professor wenig geachtet wird. Der Prof. Schleusner hingegen verdient wirklich mehreren Beifall. Sein Vortrag ist deutlich und freimütig, nur freilich etwas weitschweifig und nicht munter genug.

Unter den juristischen Professoren hat der Geheimrat Böhmer 5) ohngeachtet seines Alters noch immer vielen Beifall. Eben so großen und noch größeren Beifall hat der Geh. Rath Pütter,6) obwohl ich aufrichtig gestehe, dass sein Vortrag mir nicht gefallen. Ich hörte ihn in der juristischen Encyklopädie, wo an 150 Zuhörer zugegen waren. Sein Vortrag war hie und da zu weitschweifig, er verweilte öfters bei unbedeutenden Nebensachen mit einer nahe an Geschwätzigkeit grenzenden Ausführlichkeit, dagegen manches andere einer genauem Erläuterung und gründlichem Erörterung bedurft hätte. Mehrere Studenten versicherten mich, Pütter habe seinen großen Beifall nicht seinem Vortrag, sondern vielmehr dem Einfluss zu danken, den seine Testimonia in dortigen Gegenden und vornehmlich im Reich hätten.

1) Gottfried Leß 1736-1797, ging 1791 als Hofprediger nach Hannover.

2) Gottlieb Jakob Planck aus Nürtingen 1751-1833.

3) Johann Karl Volborth 1748-1796 (Pütter II, 186), ging 1793 als Superintendent nach Gifhorn.

4) Johann Friedrich Schleuser 1759-1831 (Pütter II, 183), 1795 nach Wittenburg gerufen.

5) Georg Ludwig Böhmer 1715-1797.

6) Johann Stephan Pütter 1725-1807.


Der Hofrat Claproth 1) beschäftigt sich fast bloß mit sogenannten Practicis. Ich hatte nicht Gelegenheit ihn zu hören. Doch wollte man seinen Vortrag nicht loben.

Der Hofrath Möckert 2) ward vor einigen Jahren von Rinteln hierher berufen. Man hatte, um sich desto gewisser von der Güte seines Vortrags zu überzeugen, ausdrücklich jemanden nach Rinteln geschickt, um ihn zuvor dort zu hören. Man hoffte nun um so sicherer, eine vorteilhafte Akquisition an ihm zu machen. Allein man sah sich in dieser Hoffnung getäuscht, indem er sehr geringen Beifall in Göttingen hat Auch hörte ich einstimmig seinen Vortrag tadeln.

Den Hofrath Runde 3) hörte ich im jure publico vor einer nur mittelmäßigen Anzahl von Zuhörern. Sein Vortrag ist fließend und deutlich, und, wenngleich nicht eben lebhaft, doch nicht unangenehm.

Den Hofrath von Martens 4) hörte ich über das Völkerrecht vor einer nicht beträchtlichen Anzahl von Zuhörern. Er dozierte französisch mit vieler Geläufigkeit, doch schien mir sein Vortrag zuweilen etwas ängstlich zu sein; wenigstens sprach er nicht immer laut genug, um ohne Mühe verstanden werden zu können.

1) Justus Claproth 1728-1805.

2) Johann Nikolaus Möckert 1732-1792.

3) Justus Friedrich Runde 1741-1807.

4) Georg Friedrich Martens 1756-1821; trat 1808 als Staatsrat des Königreichs Westfalen in die Praxis über.


Der Prof. Meister 1) beschäftigt sich vornehmlich mit dem Kriminalrecht. Sein Vortrag ist deutlich, gründlich, und zweckmäßig, aber zu wenig anziehend. Das monotonische seiner Deklamation ermüdet leicht. Der jüngere Prof. Böhmer 2) wird wenig geachtet. Eben so der Prof. Spangenberg. 3)

Dagegen hat erst seit kurzem der Hofrath Waldek 4) einen sehr großen Beifall in jure civili erhalten. Er hatte diesmal in den Pandekten weit über hundert Zuhörer. Sein Vortrag ist deutlich, gründlich und freimütig, nur etwas eintönig. Auch spricht er etwas zu schnell, und man hat zuweilen Mühe, ihn zu fassen, welches mitunter daher kommt, weil er nicht gehörig in seinem Vortrag absetzt.

Den außerordentlichen Professor Brandis 5) hörte ich über den Reichsprozess. Dis ist sein Hauptkollegium. Auch kann er dieses Kollegium um so gründlicher lesen, da er, nachdem er schon zum Professor ernannt war, sich noch eine geraume Zeit sowohl in Wetzlar als Wien aufhielt, wobei er von der Hannoverschen Regierung unterstützt ward. Sein Vortrag ist sehr lebhaft, aber gar zu schnell, daher er sich zuweilen verwirrt. Ich glaube indessen, dass er bei mehrerer Übung ein sehr guter Dozent werden kann.

Den erst kürzlich angestellten Prof. Hugo 6) hörte ich über die Institutionen. Dieser junge Mann studierte noch vor wenigen Jahren in Göttingen, und hat seine frühe Anstellung vornehmlich dem von ihm als Student gewonnenen Preise über eine der juristischen Preisaufgaben zu danken, die nach einer neuen Einrichtung jährlich bekannt gemacht werden. Er ist in der Tat ein heller Kopf, und besitzt vornehmlich gute humanistische Kenntnisse. Man tadelt aber fast durchgängig an ihm einen zu raschen und zu weit um sich greifenden Reformatorgeist. Er hat sich nichts geringeres als eine gänzliche Reformation des juristischen Studiums vorgesetzt, und will daher überall seinen eignen Gang gehen. Aber eben darum haben die Studenten, denen es mehr darum zu thun ist, das Gewöhnliche und liebliche kennen zu lernen, als sich in neue Hypothesen hineinzustudieren, bis jetzt noch wenig Zutrauen zu ihm. Sein Vortrag hat überdies etwas eintöniges und raues und ist noch nicht fließend genug. Vornehmlich aber fällt der anmaßende entscheidende Ton auf, mit dem er über alles abspricht und seinen Vorgängern zu wenig Gerechtigkeit widerfahren lässt. Er tadelt besonders sehr entscheidend die neue Preußische Justizverbesserung.

1) Georg Jakob Friedrich Meister 1755-1832.

2) Johann Friedrich Eberhard Böhmer 1753-1823.

3) Georg August Spangenberg 1738-1806.

4) Johann Peter Waldeck 1751-1815.

5) Johann Friedrich Brandis 1760-1790.

6) Gustav Hugo 1764-1844. Der Stifter der historischen Rechtsschule.



Die medizinische Fakultät hat mehrere vortreffliche Dozenten. Den größten Beifall unter allen hat der Hofrath Richter. 1) Professoren und Studenten rühmen einstimmig seinen Vortrag als ausgezeichnet vortrefflich. Mehrere Professoren erklären ihn geradezu unter allen Göttingischen Lehrern von allen Fakultäten für den vorzüglichsten Dozenten. Auch der Hofrath Wrisberg 2) hat einen lebhaften angenehmen, nur etwas zu wortreichen Vortrag. Der Hofrath Blumenbach 3) hat vielen Beifall. In der Naturgeschichte waren an 80 Zuhörer. Sein Vortrag ist angenehm, ungezwungen, fließend und deutlich. Die andern medizinischen Professoren hatte ich nicht Gelegenheit zu hören.

Man hatte seit jeher in Göttingen den Grundsatz, dass es bei Besetzung der Lehrstühle in der philosophischen Fakultät noch mehr als bei den andern Fakultäten notwendig sei, auf recht vorzügliche und berühmte Männer zu sehen. Und in der Tat hat vom Anfang der Stiftung der Universität die philosophische Fakultät sich immer besonders durch die Verdienste und den Ruhm ihrer Mitglieder ausgezeichnet Und das ist auch noch jetzt der Fall.

Der Senior der philosophischen Fakultät ist jetzt der Geheime Justiz Rath Michaelis, 4) Professor der orientalischen Sprachen. Sein Alter hat ihn schon ziemlich stumpf gemacht, besonders ist sein Gedächtnis merklich schwach geworden. Man fand daher im vorigen Jahre notwendig, um das durch ihn bisher so rühmlich und glücklich betriebene Fach der orientalischen Literatur auf dieser Universität nicht sinken zu lassen, ihm bei seinem Leben einen andern großen Orientalisten zur Seite zu setzen, welches in der Person des Hofrath Eichhorn 5) geschehen.

1) August Gottlob Richter 1742-1812.

2) Heinrich August Wrisberg 1739-1808.

3) Johann Friedrich Blumenbach 1752-1840.

4) Johann David Michaelis 1717-1791.

5) Johann Gottfried Eichhorn 1752-1827.


Seitdem hat sich des alten Michaelis Beifall noch mehr verringert oder vielmehr er ist jetzt beinahe ganz zur Ruhe gesetzt. Auch der Hofrath Kästner 1) ist schon als emeritus zu betrachten, daher man ebenfalls auch schon darauf gedacht, einen neuen Professor der Mathematik anzustellen.

Der Hofrath Gatterer, 2) obgleich auch schon bejahrt, liest noch immer mit Beifall. Sein Vortrag, obwohl etwas weitschweifig, ist fließend und sehr gründlich.

Der Hofrath Heyne 3) ist bekanntlich eine der ersten und wichtigsten Stützen von dem Ruhm dieser Universität. Er hat daher auch bis jetzt von Seiten der Hannoverschen Regierung unter allen Professoren das größte Zutrauen genossen. Man hat ihn am meisten um Rath gefragt, auf seine Vorschläge vorzüglich reflektiert, besonders bei Vakanzen, u.s.w. Er war bisher gewissermaßen Kanzler der Universität, ohne so zu heißen (denn seit Mosheims Tode hat Göttingen keinen eigentlichen Kanzler mehr gehabt). Die Betriebsamkeit und unermüdete Tätigkeit, mit der Heyne für die Ehre der Universität arbeitet, wird allgemein anerkannt. Die humanistischen Studien sind durch ihn in Göttingen außerordentlich emporgekommen. Auf keiner einzigen Universität werden diese Studium (!) mit dem Eifer betrieben als in Göttingen. Keine Universität hat daher auch in neueren Zeiten so viele gelehrte und geschmackvolle Philologen gebildet als Göttingen. Selbst die vornehmsten und reichsten Studenten besuchen Heynens Kollegia. 4) Besonders ist seine Archäologie gewissermaßen ein Modekollegium, obwohl es (als ein Quasi privatissimum) mit drei Louisd'or bezahlt wird. Die drei höheren Fakultäten erkennen einstimmig den großen Einfluss, den Heynens Vorlesungen auf die gründlichere und gelehrtere Ausbildung ihrer Zuhörer hat. Besonders ist der Nutzen bei den Theologen auffallend. Und dennoch ist der dieses vortrefflichen Mannes nichts weniger als glänzend und an ziehend, wiewohl die Fruchtbarkeit seines Vortrags und sein Reichtum an neuen Ideen und neuen Anwendungen alter Ideen den Zuhörer für den Mangel des Angenehmen und Einnehmenden hinreichend entschädigt.

1) Abraham Gotthelf Kästner 1719-1800.

2) Der Historiker Johann Christoph Gatttrer (1727-1799) wirkt in Göttingen seit 1763.

3) Christian Gottlob Heyne 1729-1812, in Göttingcn seit 1763.

4) „Prinzen und Grafen sind hier von gemeinen Hörern geschieden“, heißt es in den Xenien S. 48, Nr. 426 der Ausgabe von E. Schmidt u. B. Suphan. Vgl. ebenda 170 das Zitat aus Herbst, J. H. Voß I. 101. Ein Verzeichnis der Grafen, die seit 1765 in G. studiert haben, bringt Pütter II, 13.


Der Prof. Kulenkamp 1) ist zugleich reformierter Prediger. Er kündigt als Professor ebenfalls immer humanistische Vorlesungen an. Indessen ist es begreiflich, dass in diesem Fache kein andrer Lehrer gegen Heyne aufkommen kann oder sich wenigstens mit einem nur geringen Beifall begnügen muss.

Der Hofrath Feder 2) liest die eigentlichen philosophischen Kollegia mit vielem Beifall. Sein Vortrag ist zwar etwas trocken, aber fließend, freimütig und lebhaft.

Des Hofrath Schlözer 3) Vortrag ist in der Tat sehr lehrreich und gründlich, aber zu eintönig, auch zu voll von Selbstgefälligkeit Wenigstens spricht er in einem sehr entscheidendem (!) Ton.

Der Hofrath Bekmann 4) ist als Kameralist eine vorzügliche Zierde von Göttingen. Ich konnte ihn nicht hören, weil er gerade krank war. Indessen wird er allgemein geschätzt, und seine Vorlesungen werden sogar von mehreren Bürgern und anderen illitteratis mit besucht

Der Hofrath Lichtenberg 5) ist eigentlich Professor der Physik, sowie Kästner Professor der Mathematik, wiewohl auch jener mathematische Kollegia liest. Sein Vortrag ist ganz frei ohne Heft, aber eben darum nicht immer ganz planmäßig. Auch verwickelt er sich zuweilen in seinen Perioden und bringt sie nicht zu Ende. Übrigens aber ist sein Vortrag gerade so natürlich und ungezwungen, wie er im gemeinen Leben spricht, und allerdings sehr lehrreich.

Der Hofrath Meiners 6) doziert etwas ängstlich. Dabei ist sein Vortrag gar zu monotonisch und zu wenig lebhaft.

1) Lüder Kulenkamp 1724-1794.

2) Johann Georg Heinrich Feder 1740-1821, Gegner der kantischen Philosophie, ging 1797 als Direktor des K. Pageninstituts nach Hannover.

3) August Ludwig Schlözer 1735-1809. Die Worte „in der Tat“ zeigen, dass Gedike die wissenschaftliche Bedeutung dieses hervorragenden Historikers nicht unterschätzte

4) Johann Beckmann 1739-1811.

5) Georg Christoph Lichtenberg 1742-1799.

6) Ch. Meiners 1747-1810, in den Xenien (Schmidt-Suphan 431) als Vielschreiber verspottet.


Der Hofrat Spittler 1) hat in seinen historischen Kollegien sehr großen Beifall. In der Tat ist sein Vortrag sehr lichtvoll und angenehm. Besonders weiß er die Zuhörer durch seine eingestreuten feinen Reflexionen über Begebenheiten und Charaktere zu interessieren. Sein Ausdruck ist sehr gewählt, und fast für den mündlichen Vortrag zu gut. Indessen ist er auf jeden Fall einer der vorzüglichsten Dozenten.

Der Hofrat Eichhorn ist erst kürzlich aus Jena mit einem ansehnlichen Gehalt hinberufen worden, um Michaelis Stelle zu ersetzen. Seit langer Zeit hat Göttingen keine so wichtige und vortreffliche Akquisition gemacht. Er liest mit sehr großem Beifall. Ich hörte ihn über das erste Buch Mosis, wo an 150 Zuhörer gegenwärtig waren. Unter der großen Menge von Professoren, die ich auf meiner Reise dozieren gehört, hat keiner mich durch seinen Vortrag so sehr befriedigt, als er. Sein Vortrag ist nicht nur sehr gründlich und scharfsinnig, sondern auch überaus angenehm. Er versteht die schwere Kunst, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer ununterbrochen durch lehrreichen und angenehmen Vortrag zu fesseln. Er liest übrigens nicht nur über orientalische Literatur und über das alte Testament, sondern auch über das neue Testament, ferner auch Literarhistorie. Auch hat er in Jena Universalgeschichte 2) gelesen.

Der Prof. Eyring 3) ist zugleich Rektor des dortigen Gymnasiums. Als Professor hat er sehr geringen Beifall. Auch die Schule soll in Verfall sein, und in dieser Rücksicht mit den Schulen fast aller Universitätsstädte einerlei Schicksal haben.

Der Professor Reuß 4) besitzt sehr viele literarische Kenntnisse und verwaltet daher seinen Posten als zweiter Bibliothekar (denn Heyne ist Oberbibliothekar) mit großem Beifall und vieler Tätigkeit. Er ist Vor- und Nachmittag auf der Bibliothek gegenwärtig und hat daher keine Zeit zu Kollegien übrig.

Der Prof. Tychßen 5) ist noch ein junger Mann, der im orientalischen Fach viel verspricht Indessen scheint er bis jetzt keinen großen Beifall zu haben, wird auch an Eichhorns Seite in diesem Fache hier schwerlich großes Glück machen. Ich konnte keine Gelegenheit finden, ihn zu hören.

1) Ludwig Timotheus Spittler 1752-1810. Vgl. die Xenien 59 u. 389 bei Schmidt-Supan.

2) Hierin wurde Schiller sein Nachfolger; s. unter Jena.

3) Jeremias Nikolaus Eyring 1739-1809, las über Hebräisch.

4) Jeremias David Reuß 1750-1837, seit 1782 Bibliothekarkustos, las nach Pütter II, 182 über Gelehrtengeschichte.

5) Thomas Christian Tychsen 1758-1834 gehörte zur theologischen Fakultät. Pütter II, 184.


Unter den außerordentlichen Professoren der Philosophie ist der Prof. Mitscherlich 1) zugleich als Custos der Bibliothek, oder eigentlich nur allein dazu angestellt Er kündigt zwar sowie der Prof. Reuß in dem jedesmaligen Lektionskatalog Vorlesungen an. Sie stehen aber beiden nur zur Parade da. Den beiden lassen ihre Geschäfte bei der Bibliothek nicht Zeit zu Vorlesungen.

Den Prof. extraord. Grellmann 2) konnte ich, weil er abwesend war, nicht kennen lernen. Soviel ich indessen hörte, so hat er bis jetzt nur geringen Beifall, welches auch sehr natürlich ist, da das historische Fach, dem er sich gewidmet, hier schon durch Gatterer, Schlözer und Spitler so vortrefflich besetzt ist, und auch Eichhorn will Universalgeschichte lesen.

Den jungen Prof. extraord. Buhle 3) hörte ich über Psychologie lesen. Die Zahl der Zuhörer war freilich gar nicht groß, indem noch fast alles bei dem Hofrath Feder die Philosophie hört Indessen wird der Beifall des Prof. Buhle sich gewiss von einem halben Jahr zum andern vermehren. Sein Vortrag ist deutlich, fließend und munter. Nur schien mir zu wenig Mannigfaltigkeit und Abwechselung darin zu herrschen, das wichtigere ward nicht genug herausgehoben. Beispiele wurden zu selten angeführt u.s.w. In der Rücksicht, dass er erst ein angehender Dozent ist, verdient sein Vortrag schon sehr vielen Beifall.

Den Prof. extraord. Heeren 4) hörte ich über römische Antiquitäten. Auch er ist noch ein sehr junger Mann, und erst kürzlich, nachdem er von einer Reise nach Italien zurückgekommen, zum Professor, jedoch ohne Gehalt, gemacht worden. Sein Vortrag ist nicht unangenehm, aber er spricht gar zu schnell, und etwas ängstlich. Auch schien er mir nicht genug das, was einer ausführlicheren Erörterung bedurfte, von dem schon als bekannt vorauszusetzenden zu unterscheiden.

1) Christoph Wilhelm Mitscherlich 1760-1854. Vgl Pütter II, 192: „In seinen Lernstunden pflegt er Abends um 5 die Grundsätze der Griechischen Sprache . . . und um 6 einen . . . Latein. Dichter zu erklären.“

2) Heinrich Moritz Gottlieb Grellmann 1756-1804, Schüler Schlözers.

3) Johann Gottlieb Gerhard Buhle 1763-1821, wurde 1804 nach Moskau berufen, 1815 an das Carolinum in Braunschweig.

4) Arnold Hermann Ludwig Heeren 1760-1842, begründete seinen Ruhm erst 1793 mit dem ersten Bande der „Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der alten Welt“.


Es werden in Göttingen halbjährig zwei Lektionskataloge gedruckt:

1) ein lateinischer, wo die Professores nach der Anciennetät hinter einander ihre Vorlesungen ankündigen. In diesem Katalog werden aber bloß die Professoren, nicht aber die übrigen Privat-Dozenten aufgeführt.

2) ein deutscher, nach einer wissenschaftlichen systematischen Anordnung. In diesem werden auch alle Privat-Dozenten mit aufgeführt. Indessen stehen die meisten nur zum Schein da. Denn nur selten gelingt es einem Privat-Dozenten, eine beträchtliche Anzahl von Zuhörern zu einem eigentlichen Kollegium zu bekommen. Die mehresten beschäftigen sich daher bloß mit Privatunterricht und mit sogenannten Collegiis privatissimis.

Öffentliche Institute hat Göttingen sowohl im Allgemeinen als bei den einzelnen Fakultäten mehr als irgend eine andre Universität. Ich will sie hier in der Kürze spezifizieren.

I. Allgemeine Anstalten.

1) Oben an steht die Bibliothek. Vielleicht hat nie irgend eine öffentliche Bibliothek soviel geleistet als die Göttingische. Ihr hat die ganze Universität einen großen Teil ihrer Celebrität zu danken. Und wenn Göttingen in neuern Zeiten eine größere Anzahl von eigentlichen Gelehrten gebildet hat, als irgend eine andre Universität, so ist dis weniger ein Verdienst der dortigen Professoren, als eine Wirkung dieser vortrefflichen Bibliothek und des nirgends so sehr als hier erleichterten Gebrauchs derselben. Viele Professoren haben ihren literarischen Ruhm bloß der Bibliothek, die sie mit allen nur zu wünschenden Hilfsmitteln zu ihren gelehrten Arbeiten versorgte, zu danken. Viele junge Gelehrte haben sich hier bloß durch den Gebrauch dieser Bibliothek gebildet. Das Beispiel von Göttingen scheint wirklich zu beweisen, dass zur Aufnahme, zum Flor und zur Celebrität einer Universit?t nichts dienlicher und zweckmäßiger sei, als eine große nach einem überlegten Plan eingerichtete Bibliothek. Die Hannoversche Regierung hat auf dieses Objekt sehr große Summen verwandt. Noch jetzt sollen doch jährlich gegen 3.000 Thaler und oft darüber auf die Bibliothek verwandt werden. Denn es ist kein beständiger Fonds dazu ausgesetzt, sondern die Regierung bestimmt nach Maßgabe der Umstände bald größere bald kleinere Summen zu diesem Behuf. Die Zahl der Bände wird jetzt auf 30.000 geschätzt Die Wahl der anzuschaffenden Bücher ist nicht, wie auf vielen andern Universitäten, der Willkür des Bibliothekarius überlassen, sondern jeder Professor notiert die Bücher seines Fachs, deren Anschaffung er wünscht, und der Oberbibliothekar (Hofrath Heyne) besorgt sogleich die Anschaffung derselben. Dis hat die gute Folge, dass nicht wie auf vielen andern Universitäten für ein Fach zu parteiisch gesorgt wird, und andre Fächer dagegen zurückgesetzt werden, sondern dass alle Fächer nach einem gleichen Maßstabe komplettiert und bereichert werden. Auch ist der Gebrauch der Bibliothek für Lehrende und Lernende nirgends so sehr erleichtert, als hier. Statt dass wie auf andern Universitäten die Bibliothek gewöhnlich nur zweimal in der Woche geöffnet wird, wird sie hier täglich geöffnet. Die Bibliothekare sind zum Teil den ganzen Tag gegenwärtig, um die verlangten Bücher aufzusuchen u.s.w. Für jeden Professor und Privat-Dozenten wird eine eigene Mappe gehalten, in der die Zettel aufbewahrt werden, auf denen er teils für sich selbst Bücher verlangt, teils durch seine Unterschrift die Zettel der ihm bekannten Studenten gültig macht. In allem diesem zur äußeren Ordnung gehörenden Details herrscht die größte Genauigkeit. Besonders werden auch die Katalogen mit vieler Sorgfalt geführt. Es sind drei Hauptkatalogen da, die ununterbrochen fortgesetzt werden.

1) Der alphabetische Katalog in mehr als hundert großen Foliobänden. 2) Der Realkatalog, der aus beinahe 90 Bänden besteht 3) Der Accessionskatalog, in welchen die Bücher nach der Zeit des Ankaufs mit ihren völligen Titeln eingetragen werden. Alle diese drei Kataloge beziehen sich auf einander, und in jedem ist bei jedem Buche die Beziehung auf die andern Kataloge am Rande beigesetzt.

2) Das Museum, das erst vor 16 Jahren angelegt worden. Es entstand aus dem Ankauf der Naturalien Sammlungen des Prof. Büttner, die nachmals teils durch beträchtliche Geschenke, teils durch Ankauf vermehrt worden. Es enthält viele vortreffliche und seltene Stücke aus allen Reichen der Natur, und ist für die kurze Periode seiner Dauer allerdings schon ziemlich ansehnlich.

3) Die Sozietät der Wissenschaften. Nicht alle Professoren sind Mitglieder derselben, indem sie sich nur auf Physik, Mathematik und Historie einschränkt. Alle Monat soll die Sozietät einmal zusammenkommen. Ihr Fonds sind die Einkünfte von den Gelehrten Zeitungen, die unter ihrer Direktion herauskommen, jede Vorlesung wird mit 20 Thalern bezahlt.

4) Die deutsche Gesellschaft existiert mehr dem Namen nach, als in der Tat. Ehedem gab sie mehr Beweise ihres Daseins, jetzt aber ist sie fast ganz entschlummert.

5) Ein gleiches gilt von dem historischen Institut, das eigentlich durch eine Zwistigkeit des Hofrath Gatterer mit der Societät veranlasst ward, aber nunmehr, seit diese Zwistigkeit ausgeglichen worden, nur noch dem Namen nach existirt und mit figurieren hilft

6) Die seit 5 Jahren gemachte Stiftung jährlicher Preisfragen für die Studierenden von allen 4 Fakultäten ist für viele Studierende ein kräftiger Antrieb zum Fleiß. Durch diese Preisfragen, deren jährlich jede Fakultät eine aufgibt, wird mancher gute Kopf ermuntert und findet Gelegenheit sich hervorzutun. Es sind jetzt schon zwei Professoren in Göttingen angestellt, die als Studenten diesen Preis gewonnen, und bloß durch ihre Preisschriften die Aufmerksamkeit der Regierung auf sich gezogen, nämlich der Prof. Hugo und der Prof. Buhle. Der Preis besteht in einer Medaille von 85 Dukaten an Wert. Die Bekanntmachung geschieht öffentlich. Es ist indessen auch nicht zu leugnen, dass diese Stiftung für manche Studierende nachteilig gewesen, indem sie bei ihnen einen zu einseitigen Fleiß veranlasst, und ihnen die Zeit zum zusammenhängenden Studieren geraubt hat.

II. Besondere Anstalten bei den einzelnen Fakultäten.

1) Bei der Theologischen Fakultät.

a) Das theologische Repetentenkollegium. Anfänglich war dis Institut bloß zur Repetition verschiedener theologischen Kollegien bestimmt, und der Repetent mußte sich genau an den Gang und Faden des Professors, dessen Kollegia er öffentlich repetierte, halten. — Jetzt hat man diese alte Einrichtung ganz verlassen, und den Repetenten völlige Freiheit in Ansehung ihrer öffentlichen Vorlesungen gestattet. Die Repetenten sind jetzt nichts anders als theologische Privat-Dozenten, die jedoch unter gewisser Aufsicht der Fakultät stehen, und zu einigen unentgeltlichen exegetischen Vorlesungen verpflichtet sind. Durch dieses Institut sind schon mehrere vortreffliche theologische Dozenten gebildet worden. Jeder Repetent erhält eine Pension von 150 Thalern.

b) Ein sogenanntes Pastoralinstitut zur Beförderung der Vorbereitung auf die wichtigsten Pastoralgeschäfte, besonders zur Übung im Religionsvortrag, zur religiösen Unterhaltung mit Kranken u.s.w. Die ordentlichen Mitglieder dieses Instituts sind verpflichtet, die öffentlichen und Privatreligionsvorträge in den öffentlichen Krankenhäusern zu besorgen.

c) Zu einem ähnlichen Zweck ist das Prediger Seminarium bestimmt — Auch wird den Studenten in dem unter Aufsicht der theologischen Fakultät stehenden Waisenhause Gelegenheit zur. Übung im Katechisiren verschafft.

2) Bei der medizinischen Fakultät.

a) Der botanische Garten ist sehr beträchtlich, und reich an in- und ausländischen Gewächsen.

b) Zur Beförderung des Studiums der Chemie ist ein öffentliches chemisches Laboratorium bestimmt, das sehr bequem eingerichtet und mit einer ansehnlichen Menge von Werkzeugen versehen ist. In demselben Gebäude ist für den jedesmaligen Professor der Chemie eine geräumige Wohnung befindlich.

c) Das anatomische Theater ist ziemlich geräumig und bequem eingerichtet. Die Zahl der Cadaver ist jedoch jetzt lange nicht so groß, als ehedem zu Hallers Zeiten, wie denn überhaupt jetzt das anatomische Studium in Göttingen nicht mit dem Eifer betrieben werden soll als ehedem.

d) Es ist bisher zwar schon immer zur Beförderung des Unterrichts im Accouchement eine öffentliche Anstalt in einem dazu gewidmeten Hospital gewesen. Aber der Raum war zu eingeschränkt, und es konnte nur für wenige Wöchnerinnen gesorgt werden. Jetzt indessen wird an einem neuen, sehr ansehnlichen Gebäude gebaut, das ganz zur Accouchir Anstalt bestimmt und sehr zweckmäßig eingerichtet ist.

e) Ein Krankenhospital, um sowohl in der inneren Heilkunde, als auch in der Wundarzenei den medizinischen studiosis Gelegenheit zur praktischen Vorbereitung zu verschaffen. Die Anstalt ist nur klein, und nur auf 15 Betten eingerichtet. Auch ist der Fonds nur gering. Indessen versicherte mich der Professor Richter, dass eben darum, weil die Anstalt klein wäre, sie für die Bildung des künftigen Arztes mehr leiste, als große Hospitäler, wo der junge Arzt durch die Menge der Kranken zu sehr zerstreut wird. Es wird aber dafür gesorgt, dass in dieses Hospital nicht jeder Kranke ohne Unterschied oder solche Patienten, die mit gewöhnlicheren Krankheiten behaftet sind, aufgenommen werden, sondern vornehmlich solche, deren Krankheiten und Behandlung für die jungen Ärzte besonders lehrreich ist. Die Studiosi bezahlen einen mäßigen Beitrag zur Kasse des Hospitals. Sie wohnen täglich den Krankenbesuchen und gelegentlich vorfallenden Operationen bei, und werden nach und nach angeleitet, selbst Operationen zu verrichten und sowohl Krankheiten zu beurteilen, als Arzneien zu verordnen. Direktor dieses Instituts ist der Hofrath Richter. Außer ihm ist aber noch der Prof. Stromeier als Hospitalarzt angestellt

3) Bei der philosophischen Fakultät.

a) Das philologische Seminarium, das unter Aufsicht des Hofrath Heyne steht, ist ein überaus nützliches Institut, aus dem nicht nur sehr viele treffliche Humanisten hervorgegangen, die jetzt teils als Universitätslehrer, teils als Schulmänner in und außer den Hannoverschen Landen mit Ruhm arbeiten, sondern in welchem auch manche Studenten, die eigentlich das theologische oder juristische Fach zu ihrem Hauptziel machten, eine vorteilhafte Vorbereitung gefunden. Die eigentliche Seminaristenlektion ist ganz praktisch. Teils werden die Seminaristen im mündlichen Interpretieren geübt, teils müssen sie lateinische Aufsätze aus dem Felde der humanistischen Studien ausarbeiten, die von dem Direktor beurtheilt werden oder durch Disputieren bestritten und verteidigt werden. Ich vermisse bei dieser Anstalt bloß die doch sehr nothwendige Anleitung zum eigentlichen, mündlichen Unterricht, vornehmlich wie er auf Schulen erteilt werden muss. Der ordentlichen Seminaristen sind 9. Jeder erhält jährlich ein Beneficium von 50 Thalern, außerdem auch einen Freitisch. Die Stellen werden von der Königl. Regierung selbst vergeben, an die bei jedesmaliger Vakanz mit Vorschlagung eines oder des andern vorher geprüften Subjekts berichtet wird.

b) Das Observatorium ist zwar in Ansehung des Gebäudes sehr schlecht angelegt, indem dasselbe dunkel, feucht und dumpfig ist, aber es ist mit sehr vielen vortrefflichen Instrumenten versehen. So hat z. B. erst neuerlich der König von England ein vortreffliches Herschelsches Spiegelteleskop hierher geschenkt

c) Ein ökonomischer Garten. Er ist nicht groß, enthält aber doch fast alle gebräuchliche oder vorgeschlagene Futterkräuter, Färbekräuter, Getreidearten, Küchengewächse und andre in ökonomischer Rücksicht nützliche Pflanzen u. s. w.

Ich hatte auch Gelegenheit, einer medizinischen Promotion und Disputation beizuwohnen. Das öffentliche Disputieren wird hier nicht wie auf den Sächsischen Universitäten als wirkliche Probe der Geschicklichkeit, sondern vielmehr als eine bloße, leere Formalität betrachtet. Respondent und Opponent präparieren sich gemeinschaftlich zu dem gelehrten Spiegelgefecht, und Argumente und Antworten werden häufig schon vorher zu Papiere gebracht. Die Opponentes extraordinarii, die auf vielen andern Universitäten gewöhnlich sind und gemeiniglich noch am ersten dem Respondenten Gelegenheit geben, einen sichern Beweis seiner Geschicklichkeit abzulegen, sind hier ganz abgeschafft, und der Respondens darf also hier, wenn er will, nie fürchten, in Verlegenheit zu kommen.

Dass Göttingen nicht nur, gleich andern Universitäten, eine Universitätskirche, sondern auch einen eignen Universitätsprediger hat, ist, wie mich dünkt, eine in mancher Rücksicht vorteilhafte Einrichtung. Auf andern Universitäten ist gewöhnlich einer oder der andre Professor zugleich Universitätsprediger, oder das Predigen geht nach der Reihe herum unter den Professoren; die Folge davon ist, dass einer das Predigen als seine Hauptsache befrachtet, und keiner darauf denkt, den Studiosis Theologiae ein anschauliches Muster eines guten Kanzelvortrags aufzustellen.

Das Prorektorat wechselte hier halbjährig. Es ist aber nichts ungewöhnliches, dass das Prorektorat zuweilen auch auf 2, 3 und 4 Halbjahre verlängert wird.

Bei Besetzung vakanter Stellen pflegt man in Göttin gen nicht immer nach einerlei Grundsätzen zu verfahren. Sehr oft sucht man von auswärtigen Universitäten zu werben. Besonders scheint seit einiger Zeit Tübingen eine Pflanzschule für Göttingen zu werden. Es ist auch nichts ungewöhnliches, dass, um einen Professor nicht bloß nach seinen (!) literarischen Ruf und nach seinen Büchern zu vociren, irgend jemand den Auftrag erhält, nach der fremden Universität hinzureisen, um den Mann zu hören und von seinem Vortrag Bericht zu erstatten. Dis geschah noch vor kurzem mit dem Hofrath Möckert, der vorher in Rinteln stand, ob man gleich nun dennoch, nachdem man ihn gerufen, sich in seinen Erwartungen getäuscht hat. Sehr häufig werden indessen auch in Göttingen ganz junge Männer als Professoren angestellt, die sich daselbst gebildet und ein gutes Vorurteil für sich erweckt haben, wenn sie gleich sonst noch nicht in der gelehrten Well bekannt sind. Man wartet dann einige Jahre ab, ob sie Beifall finden oder nicht, und im letztern Fall trägt man kein Bedenken, ihnen andre, sowohl in Ansehung des Gehalts als auch des Einrückens in die Fakultät, vorzuziehen. Das sicherste und gewöhnlichste Mittel, seine Lage zu verbessern, ist auch hier, wie auf andern Universitäten, ein auswärtiger Ruf, den man bei der Hannoverschen Regierung sehr gut zu nutzen weiß. Und gewöhnlich ist dis hier der einzige Weg, Zulagen zu erhalten.

Ein beträchtlicher Vorteil für die hiesigen Professoren ist die Professoren Witwenkasse. Der erste Fonds dazu sind einige Geschenke der Regierung und Landschaft. Außerdem aber muss jeder besoldete Professor jährlich einen Beitrag von 5 Thalern geben. Ganz neuerlich ist noch dazu ein ansehnliches Vermächtnis der Buchhändler Witwe Vandenhoek von 18.000 Thalern gekommen. Jeder Professor kann daher jetzt ohngefähr auf eine Pension von 120 Thalern für seine Witwe rechnen, die auch außer Landes verzehrt werden kann. Auch die Kinder, wenn keine Witwe da ist, genießen diese Pension, bis das jüngste 18 Jahr alt ist.

Die vortreffliche Bibliothek erspart den Professoren beträchtliche Ausgaben. Es haben zwar mehrere Professoren ansehnliche Privatbibliotheken. Viele indessen kaufen für sich selbst nur wenig Bücher, weil sie alles, was sie brauchen, in der öffentlichen Bibliothek finden, oder es doch nur anzuzeigen brauchen, um es in kurzem angeschafft zu sehen.

Die Zahl der Studenten war in dem Sommer halben Jahr 819.

Darunter waren

1) 235 Theologen
2) 392 Juristen
3) 108 Mediziner
4) 84 solche, die bloß Philosophie oder Mathematik oder Philologie studieren.

Die größte Anzahl ist bisher (1781) 947 gewesen. Die Zahl der Juristen ist immer beträchtlich größer, als die der Theologen gewesen. Die Zahl derer, die eigentlich sich keiner der drei hohem Fakultäten widmeten, hat beinahe von Jahr zu Jahr zugenommen. Auf keiner einzigen Universität ist die Zahl derer, die nicht der eigentlichen Brodkollegien wegen da sind, so beträchtlich. Man kann übrigens die jedesmalige Anzahl der Studierenden hier genauer wissen, als auf irgend einer andern Universität, weil hier die nützliche Einrichtung gemacht ist, dass ein sogenannter Logiskommissarius alle halbe Jahre die jedesmal vorhandenen Studenten nach ihren Wohnungen aufschreibt, und in ein alphabetisches Verzeichnis bringt, vermittelst dessen jeder leicht ausgefragt werden kann.

Die Universität Göttingen hat übrigens den allgemeinen Ruf, dass ihre Studenten gesitteter sind, als auf andern Universitäten. Dies ist in gewisser Rücksicht allerdings sehr wahr, und auch sehr begreiflich, da hier wegen der großem Teuerung verhältnismäßig weit weniger arme Studenten sind, als auf andern Universitäten. Vielmehr hat keine Universität soviel Söhne wohlhabender, vornehmer und reicher Eltern, bei denen man in der Regel eine feinere Erziehung und mehr äußere gute Conduiten voraussetzen kann. Die größere Zahl gibt auf jeder Universität den Ton an. Hier aber ist die Zahl der reichern die größere, wie schon daraus abzunehmen, dass die Zahl der Juristen immer verhältnismäßig weit größer gewesen, als die der Theologen. Jene groben Ausbrüche einer schlechten Erziehung, jene in die Augen fallende Rohheit und Unbändigkeit, die auf vielen andern Universitäten herrscht, wird hier natürlich viel seltener bemerkt. Die Immoralität erscheint hier mehr unter dem Schleier der Verfeinerung. Ob darum die Moralität im Ganzen hier besser steht, ist eine andere Frage. Sind hier gleich grobe Ausschweifungen seltener, als anderswo, so fehlt es doch auch hier nicht an ausschweifenden und verdorbenen jungen Leuten, die durch ihre weniger ins Auge fallenden Unordnungen sich oft ebenso unglücklich und unbrauchbar für die Welt machen, als dis auf andern Universitäten durch grobe Liederlichkeil geschieht. Vielleicht sind die feineren versteckteren Unregelmäßigkeiten gerade darum um so gefährlicher. Der Student besucht hier keine Bierhäuser, aber er berauscht sich desto öfter in Wein auf seinem Zimmer, Ich weiß es aus mehrerer Studenten Munde, dass diese feinere Art der Völlerei hier sehr im Schwange geht. Noch herrschender soll nach ihrer Versicherung die Spielsucht sein. Viele Studenten halten sich hier sogar Mätressen. Alle Unordnungen, zu denen überspannter Luxus verleitet, herrschen hier so gut als anderswo. Schulden machen ist hier sehr leicht und gewöhnlich. Die Nähe von Kassel ist sehr verführerisch. Es fehlt übrigens auch hier nicht an groben Exzessen. Selbst wehrend der wenigen Tage, die ich hier war, ward ein Mädchen von mehreren betrunkenen Studenten anfänglich auf der Straße angegriffen, nachher sogar in ihr Haus verfolgt und so gemein gemisshandelt, dass man an ihrem Leben verzweifelte.

Akademische Orden herrschen hier wie auf andern Universitäten. Doch scheint man hier weniger daraus zu machen, und weniger streng in Ansehung dieses Punktes zu sein, so dass sogar manchen Professoren eine Begünstigung dieses oder jenes Ordens Schuld gegeben wird.

Zu der feineren Lebensart der hiesigen Studenten trägt das vornehmlich viel bei, dass der Student hier leichtern Zutritt zu den Professoren hat, als anderswo. Den Sonntag Vormittag nach der Predigt hat jeder Professor dazu bestimmt, sich mit den ihn besuchenden Studenten zu unterhalten. Indessen artet dis Courmachen, wie sie es nennen, bei den meisten in ein leeres Zeremoniell aus. Dazu kommen die Sonntags Assembleen im Böhmerschen und Pütterschen Hause, der Picknick und Ball, der jeden zweiten Sonntag im Winter unter Direktion des jungen Professor Böhmer angestellt wird, das Winterkonzert u. s. w. Freilich sind die Vergnügungen mit mancherlei Kosten verknüpft, oder erfordern doch mittelbar manchen auf andern Universitäten ungewöhnlichen Aufwand.

Man hatte anfänglich geglaubt, dass der hiesige Aufenthalt der drei Königl. Prinzen, 1) die hier seit einigen Jahren studieren, den Luxus unter den Studenten sehr vermehren würde. Dis ist aber nicht geschehen, weil die Prinzen wirklich sehr einfach leben. Die Königlichen Prinzen haben übrigens durch diesen Aufenthalt in Göttingen sehr gewonnen. Sie waren bei ihrer Ankunft sehr wild, unbändig und mutwillig. Selbst die angesehensten Professoren waren vor ihrem Mutwillen nicht sicher. Aber jetzt empfehlen sie sich sehr durch ihr gesittetes, bescheidenes, humanes Betragen, wie ich selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt. Auch haben sie in ihren Kenntnissen gar sehr gewonnen. Sie genießen jetzt teils den Privatunterricht mehrer akademischer Lehrer, teils besuchen sie auch manche öffentliche Vorlesungen. — Des Mittags werden gewöhnlich einige Professoren und Studenten an ihre Tafel gezogen so wie alle durchreisende Fremde.

Für den ärmeren Teil der Studenten ist hier ebenfalls durch Freitische gesorgt. Es sind 140 Freistellen hier, von denen die Königliche Regierung 62 vergibt. Eine gute Einrichtung ist es, wie mich dünkt, dass die Studenten nicht alle zusammen in einem öffentlichen Convictorium speisen, sondern dass jeder, der eine Freistelle hat, sich das Essen nach Hause holen lassen kann.

Die Hannoveranischen Landeskinder sind doch auch hier an die Landesuniversität gebunden, jedoch nur auf 2 Jahre, wie wohl nach Versicherung der Professoren nicht streng darüber gehalten wird.

1) Ernst August (geb. 1771), August Friedrich (geb. 1773) und Adolf Friedrich geb. 1774) waren seit 10. Juli 1786 immatrikuliert. Pütter II, 16.

In den Beilagen füge ich den doppelten Lektionskatalog, ferner die akademischen Gesetze und die Matrikel bei.

Noch muss ich kürzlich der hier von mir besuchten Industrieschule erwähnen, wozu zuerst der Professor Sextroh den Plan machte, den aber der Pastor Wageman 1) mit unermüdeter Tätigkeit und Unverdrossenheit ausführte. Es werden hier beinahe an 200 Kinder beiderlei Geschlechts in allerlei Arbeiten unterrichtet und geübt, z. B. im Stricken, Nähen, Flachsund Baumwollespinnen und mehreren dergleichen Arbeiten. Einige Kinder trennen alte seidne Zeuge auf, und andre spinnen diese Seide mit Wolle zusammen. Andre verfertigen Fußsocken, Fußtapeten u. s. w. Die Kinder bekommen eine verhältnismäßige Belohnung für ihre Arbeit, vornehmlich an Kleidungsstücken, die sie größtenteils selbst verfertigen. Die ganze Schule ist in zwei Klassen geteilt. Während die eine Klasse arbeitet, genießt die andre den gewöhnlichen Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen u. s. w. Die ganze Anstalt hat viel nachahmungswertes. Vornehmlich kömmt sie der ärmeren Klasse der Einwohner sehr zu Statten, indem ihre Kinder früh zu einer nützlichen Tätigkeit gewöhnt und von der Bettelei zurückgehalten werden. Da die Kinder sogleich etwas dabei verdienen, so ist dis für die Eltern sehr anlockend, und der anfängliche Widerwille gegen diese Anstalt hat sich sehr bald in allgemeinen Beifall verwandelt, so dass jetzt die Zahl der armen Kinder für den Raum schon zu groß ist.

1) Ludwig Gerhard Wagemann, Pastor an der Marienkirche. Pütter II, 358 f.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Universitäts-Bereiser