Der Ungar in der Wüste.

Aus: Ein Neujahrsgruß aus Mecklenburg an Deutschland. 1853
Autor: anonym, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ungarn, Ungar, Gedicht, Heimat, Ungarland, Wüste
Hinzog ich durch die schreckenvolle Wüste,
Und bange spähte rings mein Aug’ umher;
Nach einem Baum, nach einer grünen Pflanze,
Nach einem Grashalm sucht’ ich — doch umsonst.
So weit das Auge reichte, nichts als Sand,
Als öde, wüste, unfruchtbare Steppe.

********************************
Fast scheitelrecht ob meinem Haupte brannte
Die Sonne, unter meinen Füßen brannte
Der heiße Sand und nirgend, nirgend Schatten! —
Da stille jammernd dacht' ich an die Heimat
Mit ihren frischen Wiesen, schattigen Wäldern,
Mit all dem süßen, unnennbaren Reiz,
Den nur zu würd’gen weiß, wer ihn entbehrt.
Der lieben Heimat dacht ich und mein Auge
Ward nass von Tränen; aus dem Busen rang
Ein stiller, leiser Seufzer sich empor.
Doch auch das leise Seufzen nicht entging
Dem scharfen Ohr des treuen Arabers,
Der durch der Wüste Schrecken mich geleitet.
Er sah mich an, sah, wie in meinen Wimpern
Die Träne zittert’, und teilnehmend späht'
Er nach dem Grund des Kummers. — Als ich nun
In glühenden Farben ihm den Reiz der Heimat,
Der unaussprechlich heiß geliebten, male,
Die tiefe Sehnsucht schildre, die den Sinn
Fort aus der Wüste nach dem Ungarlande,
Nach meiner Heimat zieht, durch das die Teiß,
Von grünen Hügeln ringsum eingefasst,
Die raschen Wogen wälzt, da ich das Heimweh
Nach Wald und Feld und Flur und Berg ihm künde, —
Da blickt’ er stumm erst eine Zeitlang mich
Mit ernstem Aug’ an; dann beginnt er so:
„Ach wohl begreif ich Deines Herzens Sehnen
Nach Deiner schönen Heimat, nach dem Schatten
Der dunkeln Wälder, nach dem duft’gen Grün,
Dem Blühn, dem Farbensprühn, den reifen Trauben
Und all den Wundern, die Dein Mund mir schildert.
Packt mich ja selbst die Sehnsucht, der ich doch
In dieser Wüste immerfort gelebt,
Dem sie vertraut geworden durch den Umgang,
Der jedes Ruheplätzchen in ihr kennt,
Die. wohlverdeckten Brunnen blindlings fände
Und dem die Wüste lieb als seine Heimat —
Auch mich ergreift die Sehnsucht; denn, o Fremdling,
Wie unsre Stammessagen uns verkünden.
Nicht immer war hier dieser Wüstensand.
Einstmals vor langen, langen Jahren war
Es hier auch grün, es blüht' und duftete,
Es wuchs und spross und keimte rings lebendig,
Wo heute Du die tote Wüste schaust.
Auf diesem öden Platze hier — kaum wirst
Du’s glauben — stand ein heil’ger Palmenhain.
Ihn riefen weit und breit die Völker rings;
Der Wandrer, der in seinem Schatten Rast,
Und in den saftigen Früchten Labung fand,
Trug in die weitsten Fernen hin das Lob
Des heiligen Palmenhains und aus der Ferne
Zog mancher fromme Waller in den Hain,
Wo in der Zweige Rauschen ihm vernehmlich
Die Stimme Gottes mild entgegentönte.
So stand der heilige Hain Jahrhunderte,
Von Allen rings verehrt und Allen rings
Das schönste Glück, die süß’te Labe spendend.
Da fuhr einst — so erzählt die Sage weiter —
Mit wild ein Rasseln durch die heilige Stille
Des Hains ein Wagen voller Eisenstangen
Und eine rohe Schar jauchzt hinterdrein.
Und in den heiligen Zweigen rauscht und tönt es.
Vernehmlich klingt der ält’sten Palme Ton:
„Weh! Wehe! dreifach Wehe jenen Frechen,
Die lärmend roh die heilige Still’ entweih’n!
Doch Weh auch uns! Weh diesem heiligen Haine,
Wenn über uns Gewalt die wüsten, rohen
Gesellen je’erlangen; doch wir können —
So will's das Schicksal — selber es verhindern.
Wiss’t, jenes Eisen soll uns einst verderben.
Doch ist ihm über uns nicht Macht verlieh’n.
Wenn ihm von uns, aus unsrer eignen Mitte
Nicht Unterstützung wird, wenn wir ihm nicht
Zu unserm Untergang Handhaben leih’n.
Drum fest und treu lasst uns zusammenhalten.
Uns zu bewahren vor dem herbsten Weh,
Dem Weh, das uns durch eigne Schuld erwächst.“
Und in den Zweigen rauscht es überall.
Als wenn lebendig durch den heiligen Hain
Der Gottheit Weben zöge. — „Treu und fest“ —
So scholl vernehmlich rings der heilige Schwur —
„Treu brüderlich woll’n wir zusammenhalten!“ —
Doch lockend mit verräterischem Glanz
Blinkt das Metall, und weh! es traf sein Blick
Im heiligen Hain auf ein verräterisch
Treuloses Herz, das ihm Gewährung nickt.
Verlockt vom Glanze lässt zu Boden fallen
Es ein’ge Zweige. Aus den Abgefallnen
Wird zu der ersten Art der erste Stiel.
Da legen spottend denn die rohen, wüsten
Gesellen Hand an den heil’gen Hain;
Da fiel, ach, Baum aus Baum. Starr vor Entsetzen
Sehn’s rings die Völker, und nichts bleibt zurück
Vom heiligen Hain; denn auch den Baum, dess’ Abfall
Dem Feind Gewalt gab über unsern Hain,
Auch er fiel unterm Beile, welchem er
Den Stiel dazu erst selbst gegeben hatte.
Und als er fiel, da rauscht’s in seinen Zweigen:
„Weh mir! nun fall’ ich auch; — doch ist mein Fall
Mein tiefstes Weh nicht; tiefer brennt der Schmerz.
Dass ich an meinem und der Brüder Fall
Durch meinen Abfall Schuld bin, dass mit Fluch,
Mit, ach, nur zu gerechtem Fluch die Nachwelt
Noch in den spät’sten Zeiten mein gedenkt.
Werft in die Glut mich, in das heiß’te Feuer,
Es brennt nicht heißer als das Höllenweh,
Das mein, des Abgefallnen, Mark durchglüht.“
Dann ward es still und immer still’ und stiller.
Das Leben rings erstarb zur öden Wildnis;
Zur wüsten unfruchtbaren Steppe ward
Der heilige Hain, — Du siehst der Wüste Graus!
Hör’ nun das Ende! Jene roh’n Gesellen,
Die wild und frech den heiligen Hain gefällt
Und fruchtbar Land zur Wüste umgeschaffen,
Sie hatten selbst der Mittel sich beraubt
Zum Leben; wiss’, sie hungerten und darbten
Bis sie — gerechtes Los! — verhungerten.
So melden unsre heiligen Sagen uns.“ —
So sprach der Araber; aufmerkend lauschte
Ich seinem Wort, da hub er wieder an:
„Fluch, tausendfacher Fluch auf des Verräters
Unselig Haupt, der umschuf uns zur Wüste
Das fruchtbarreiche Land! Fluch ihm und Wehe!“
Er rief’s und hob die Hand empor gen Himmel,
Wild rollten seine Augen, als den Fluch
Ihm von der Lippe riss die heilige Wut. —
Ein gotterfüllter, heil’ger Seher stand
Er dorten mitten in der Wüste Graus,
Begeistert auf dem heiligen Platze, den
Verrat in öde Wüstenei verkehrt.
Ich aber dachte meines Vaterland’s
Und drückte seufzend still ihm seine Rechte.

Marokko. Sultan

Marokko. Sultan

Arabisches Pferd

Arabisches Pferd

Tafel 1. Sinai. Oase von Wâdi Fërân auf der Westseite der Halbinsel. Aufnahme von Larsson.

Tafel 1. Sinai. Oase von Wâdi Fërân auf der Westseite der Halbinsel. Aufnahme von Larsson.

Tafel 11b Unten: Das Tote Meer bei Masada. Aufnahme von Larsson.

Tafel 11b Unten: Das Tote Meer bei Masada. Aufnahme von Larsson.

Eine Nilbarke

Eine Nilbarke