Der Tod der Kaiserin von Russland 1880

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 25. 1880
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russland, Zarin, St. Petersburg, Kaiser Alexander, Winterpalast, Peter- und Paul-Festung,
Am 3. Juni 1880 ist die Kaiserin Maria Alexandrowna von Russland (früher Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Maria), geboren am 8. August 1824 als Tochter des Großherzogs Ludwig II. von Hessen, durch den Tod von ihren langen und schweren Leiden erlöst worden. Schon im Jahre 1872 hatte der erste Leibarzt, Professor Botkin, bei der nunmehr Entschlafenen die Lungenschwindsucht konstatiert, und seit länger als Jahresfrist war ihr Zustand als hoffnungslos zu bezeichnen. Die Kaiserin suchte im Laufe des Jahres 1879 Linderung für ihr Leiden in dem wärmeren Klima Süd-Frankreichs, aber vergeblich, und der Wunsch, in der Heimat die letzten ihr noch vergönnten Tage zuzubringen, veranlasste sie, noch mitten im Winter (Ende Januar dieses Jahres) die Rückreise nach St. Petersburg anzutreten. Schwere Gemütserschütterungen, namentlich in Folge des Attentats im Winterpalast, trugen natürlich dazu bei, ihre letzten Kräfte immer mehr auszureiben, und schon seit Monaten konnte sie seitens der Leibärzte Dr. Botkin und Alischewski nur noch durch Anwendung künstlicher Mittel am Leben erhalten werden, bis in der Frühe des obengenannten Tages ein Herzschlag dem schmerzensvollen Dasein der hohen Frau ein Ziel setzte. —

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Nachdem die Sezierung, Einbalsamierung und Einsegnung der Leiche vorgenommen war, wurde dieselbe am Mittag des 5. Juni aus dem Sterbezimmer in die Schlosskirche des Winterpalastes getragen, um dort nach russischer Sitte drei Tage lang zum Handkusse ausgestellt zu bleiben. Am 7. Juni fand alsdann die feierliche Überführung der Hingeschiedenen nach der Peter- und Paul-Festung statt, unter deren Kirche sich die Familiengruft der Romanow (des herrschenden Hauses) befindet. Mittags um 12 Uhr verließ der ungefähr 5.000 Personen starke prunkvolle Trauerzug unter de, Geläute aller Glocken den Winterpalast und bewegte sich längs der Newa-Quais, wo alle Häuser schwarz drapiert und an verschiedenen Stellen Tribünen errichtet waren, uni die herbeigeströmten Massen der Zuschauer auszunehmen. Zu beiden Seiten des Zuges bildeten Truppen Spalier. Der imposante Leichenkondukt selbst umfasste zahlreiche Abteilungen von Truppen und Hofbeamten, jede von einen, Zeremonienmeister geführt, ferner Wappenherolde und Deputationen der Gilden mit Bannern und Fähnchen, mit kostbaren Paradewagen dazwischen, dann die Geistlichkeit in prächtigen Kirchengewändern. Der Trauerwagen wurde von acht schwarzbehangenen Pferden gezogen; das Wagengestell war schwarz mit reichen Silberbeschlägen, unter einen, von der Kaiserkrone überragten Baldachin aus weißer, mit Gold gestickter Seide ruhte der Sarg, neben dem zwei Obersten der Kaiserin-Kürassiere postiert waren, während die Schnüre und Quasten von zu beiden Seiten des Wagens gehenden Kammerherren gehalten wurden und andere Hofchargen mit brennenden Kerzen daneben schritten. Unmittelbar hinter den, Trauerwagen folgte, wie unser Bild auf Seite 588 zeigt, welches den Moment darstellt, wie der Zug die unmittelbar vor der Peter- und Paul-Festung gelegene Troizki-Brücke (deren Laternenpfosten schwarz drapiert waren) passierte, Kaiser Alexander zu Pferde in der Uniform der Kaiserin-Kürassiere, hinter ihm sein Bruder Großfürst Nikolaus, der deutsche Kronprinz und der Großfürst Thronfolger, dann die übrigen Großfürsten und zur Trauerzeremonie eingetroffenen fremden Prinzen. In der Festungskirche trugen der Kaiser, sämtliche Großfürsten, sowie die fürstlichen Gäste den geschlossenen Sarg zu dem inmitten der Kathedrale errichteten Katafalk. Aus diesem wurde die Leiche dann abermals aufgebahrt, indem nunmehr Kammerjunker den Deckel des Sarges abhoben, worauf das Totenamt zelebriert wurde. Am 8. Juni endlich fand unter dem Geläute aller Glocken und Kanonendonner die Schließung des Sarges und die Beisetzung der verstorbenen Kaiserin in der Kaisergruft statt, womit die Trauerfeierlichkeiten beendet waren.

Das Begräbnis der Kaiserin von Russland - Der Trauerzug passiert die Troizki-Brücke_

Das Begräbnis der Kaiserin von Russland - Der Trauerzug passiert die Troizki-Brücke_