Der Tils-Graben. (mündlich)

Aus: Volkssagen, Märchen und Legenden Niedersachsens
Autor: Gesammelt und Herausgegeben von Harrys, Herrmann, Erscheinungsjahr: 1862

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sagen, Märchen, Legenden, Überlieferungen, Geschichten, Dahlum, Bockenem, Bilderlahe, Königsdahlum,
Eine ähnliche Sage hat man vom Tils-Graben, einem Erdfall zwischen Dahlum und dem Flecken Bockenem, im Amte Bilderlahe. Da wo jetzt der Teich ist, stand der Sage nach eine prächtige Burg. Der letzte Besitzer derselben war der wilde Ritter Tils, der so sehr am Weidwerk hing, dass er auch die Feiertage nicht achtete. Der vermaß sich eines Sonntages — es soll am Christfeste gewesen sein — zu sagen: er müsse heute ein Wild erlegen und wenn auch seine Burg darüber untergehen sollte. Aber vergebens jagte er rastlos bis zum späten Abend mit allen seinen Gefährten. Missmutig kehrte er zur Burg zurück, und wie er eben an der üppigen Tafel sein Ungemach vergessen hatte, da stürzte totbleich der Koch in den Saal und verkündete: Der Hahn habe gekräht, dass die Burg noch heute versinken werde. Aber die trunkenen Zecher hörten schon nicht mehr auf diese, noch auf eine zweite und dritte Mahnung. Der Koch entfloh und kaum war er über die Schlossbrücke hinaus, als er die Burg mit Allem, was darin war, versinken sah. Aus dem weiten Erdspalt quoll das Wasser auf und bildete den kleinen See, den sie jetzt den Tils-Graben, auch wohl das Teufelsloch nennen.

Vom Tils-Graben gehen noch mancherlei andere Sagen. Ein Mann aus Bockenem, der sich am Teiche mit Fischen beschäftigt, erzählte, er habe einst einen großen schönen Fisch herausgezogen, womit er fortgegangen sei. Allein je weiter er von dem Graben sich entfernt, desto schwerer sei der Fisch geworden, und endlich habe er vor Erschöpfung rasten müssen. Wie er habe weiter gehen wollen, sei der Fisch noch immer schwerer geworden, so dass er zuletzt aus Furcht sich entschlossen habe, wieder umzukehren. Mit jedem Schritt näher zum Graben, sei auch der Fisch wieder leichter geworden, und wie er ihn wieder ins Wasser geworfen, da habe der Fisch ihm zugerufen: Wenn Du mich nicht wieder zurückgebracht hättest, hätt' ich Dir den Hals umgedreht. *)

*) Vergl. Die fünf Eichen.

Einstmals wurde ein Taucher in den Graben gesendet, der kam in die Tiefe, sah da die versunkenen Häuser mit einer Kirche; in einem großen Saal, vor einem steinernen Tische saß Ritter Tils, alt und grau; sein weißer Bart war durch den Tisch gewachsen.*)

*) Barbarossa im Kyffhäuser.

Es geht auch die Sage, man habe einmal, um die Tiefe des Wassers zu ergründen, an viel lange Stricke einen Stein gebunden, und der Stein sei bei Königsdahlum, über eine Viertelstunde weit, wieder hervorgekommen.

Das Steigen und Fallen des Wassers im Tilsgraben gilt den Bewohnern der Gegend zu gewissen Zeiten als Zeichen guter oder schlechter Ernten.

Dahlum, St. Marienkirche, Niedersachsen

Dahlum, St. Marienkirche, Niedersachsen