Kardinal Lavigerie und sein Wirken.

Der eminente Kirchenfürst und Menschenfreund, dessen Name heute in allen fünf Weltteilen widerhallt, ist im Jahre 1825 in Bayonne geboren, In der heiligen Taufe erhielt er die Namen Karl Martial Aliemand. Er ist der Sohn eines früheren Zolleinnehmers. Nach brillanten Studien trat er in das große Seminar von St. Sulpice in Paris und empfing dort die hl. Weihen. Dann erhielt er eine Professur der Kirchengeschichte an der Universität der Sorbonne in Paris. Nachdem 1860 blutige Konflikte zwischen Christen und Mohammedanern in Syrien ausgebrochen, wurde Professor Lavigerie in besonderer Mission dorthin gesandt, wodurch er ins öffentliche Leben und in hohe Beziehungen zum kaiserlichen Hofe trat. 1862 verlieh ihm der Papst auf Vorschlag der Regierung das Bistum Nancy, um ihm bereits vier Jahre später zum Erzbischof von Algier zu ernennen. Gewiss war es eine höhere Eingebung, welche den Marschall Mac Mahon, damals Gouverneur der Algerie bewog, ihn der Kaiser Napoleon für den erledigten erzbischöflichen Sitz vorzuschlagen. Sondiert von dem Marschall, hatte der damalige Bischof von Nancy geantwortet: „Sie schlagen mir eine Mission voller Mühe und Arbeit vor, einen Bischofsitz, der in jeder Beziehung unter dem steht, den ich innehabe, der mich ins Exil schickt und mich zwingt, Alles zu verlassen, was mir teuer ist: Sie glauben, dass ich dort mehr Gutes wirken könnte, als ein Anderer. Ein Bischof, Herr Marschall, kann auf einen solchen Vorschlag nur das Eine erwidern: ich bin bereit zu dem schmerzlichen Opfer, welches man von mir fordert, und wenn der Kaiser an meine Hingebung appelliert, so werde ich nicht zögern, wie viel es mir auch koste.“

Es würde hier zu weit führen all die großen Schöpfungen des überaus tätigen und seeleneifrigen Oberhirten aufzuführen. Sehr bald hatte er einen Kampf mit dem Marschall Mac Mahon zu bestehen, der übrigens nach höheren Instruktionen handelte. Es handelte sich um die Verteidigung des Rechtes, das jeder Bischof, jeder Priester, jeder Christ mit Recht geltend machen kann, das Evangelium denen zu predigen, die es nicht kennen, und das Werk Gottes auf der Erde auszubreiten: er wollte seine Tätigkeit über die Grenzen der französischen Kolonien hinaus erstrecken, wogegen die Regierung sich anfangs sträubte. Der Marschall wurde besiegt, und die katholische Welt spendete dem Bischof Beifall, der so stolz gezeigt hatte, was es heißt, einen Bischof in der Ausübung seiner Gewissenspflichten hindern zu wollen. Dank dem Eifer des neuen Oberhirten wurde die Diözese von Algier erneuert: Erziehungshäuser für den Klerus wie für die Jugend schossen aus der Erde auf, die religiösen Orden blühten auf, die Kongregationen der „weißen Väter“ und der Missionsschwestern sind seine eigenste Schöpfung. Neue Pfarreien wurden in großer Zahl gegründet, und auf den von Lavigerie berufenen Provinzial-Konzilen ertönte das Echo der Traditionen des hl. Cyprian und des hl. Augustinus. Aber das eigenste und fruchtbarste Werk dieses großen Mannes war die Begründung der Missionen in den unter dem Äquator liegenden Teilen Afrikas. Es ist dies vor allen anderen ein Werk, das eine große Zukunft hat. Während die französischen Kolonisten der Algerie in ihrer Gottlosigkeit oder Gleichgültigkeit verharrten, während die Mohammedaner in ihrem Fanatismus verstockt blieben, hörten die armen Schwarzen auf das Wort der weißen Väter, welche den Weg durch die ungeheuren Wüsten nicht scheuen und allen Gefahren trotzen, um ihnen das Reich Christi zu verkündigen. Wer ist nicht gerührt von dem Schauspiel jener feierlichen Audienz gelegentlich des Papst-Jubiläums, in welcher der Kardinal dem Jubilar auf St. Petri Stuhle seine ersten [Schwarzen] aus dem Zentrum Afrikas vorstellte? Eben war die Enzyklika des Papstes gegen den Sklavenhandel erschienen und der Kardinal machte sich zum Dolmetscher der Gefühle seiner [Schwarzen], um ihren Dank auszudrücken für die große Wohltat, dass sie durch Hilfe der Missionare aus ihren Banden befreit wurden, während leider noch hundert Millionen ihrer Stammesgenossen dieser Erlösung harren. Leo XIII. erwähnte seines Aufrufs an die Mächte und an Alle, die im Stande sind, etwas zur Befreiung der [Schwarzen] zu tun; er empfahl den Missionaren, alle ihre Kräfte, ja ihr Leben dafür einzusetzen und so viel Sklaven loszukaufen, als nur eben möglich. „Aber ganz besonders,“ fuhren Se. Heiligkeit fort, zählen Wir auf Sie, Herr Kardinal. Wir kennen Ihren tätigen und verständigen Eifer: Wir wissen, was Sie bis zu diesem Tage geleistet haben und haben das Vertrauen, dass Sie nicht eher nachlassen werden, als bis Sie Ihre großen Unternehmungen zum guten Ende geführt haben.“


1880 wurde Tunis mit den französischen Besitzungen vereinigt und der Metropolitansitz von Karthago wiederhergestellt. Die Kirche hat von Neuem ihre Hand auf jenen Boden gelegt, der ihr gehörte und nur durch brutale Gewalt entrissen ward. 1882 bereits begrüßte Afrika seinen ersten Kardinal. 1886 boten die afrikanischen Missionen dem Himmel die Erstlingsfrüchte ihrer Arbeit dar und die katholische Welt erfuhr mit Freude und Erstaunen, dass die [Schwarzen]stämme von Uganda Blutzeugen aufzuweisen hätten, welche durch die Freudigkeit, mit welcher sie für ihren Glauben Marter und Tod erduldeten, den Märtyrern der ersten christlichen Epoche an die Seite gestellt werden können.

Das ist ein kurzes und nur sehr schwaches Bild von dem Wirken dieses Mannes, der in Wahrheit den Ehrentitel eines Apostels Afrikas verdient. Aber auch er hat es erfahren müssen, verkannt, angefeindet und gehemmt zu werde, und gerade von jener Seite, auf welcher man allen Grund hätte, ihm zu danken und ihn zu unterstützen. In Frankreich ist es sprichwörtlich, dass dieser Bischof mehr zur Ehre und für den Einfluss seines Vaterlandes geleistet hat, als ganze Armee-Corps. Und was war der Lohn? Kürzung seines ohnehin mageren Einkommens, Streichung und Reduzierung der Staatszuschüsse für seine Pflanzschulen des Klerus, wodurch er veranlasst wurde, sich an die Mildtätigkeit zu wenden, um das begonnene Werk fortsetzen zu können. Die herrschende ungläubige priesterhassende Partei gibt leichten Herzens ungezählte Millionen für den Bau des babylonischen Turmes auf der nächsten Weltausstellung, sie verweigert einige hunderttausend Francs dem Manne, dessen Name allein das Prestige seiner Nation auf dem schwarzen Kontinent aufrechterhält.

Bis heute hat Kardinal Lavigerie mit Ruhm und Erfolg für unsere hl. Kirche und seine Nation gearbeitet. Sein neuestes Werk bewegt sich in einem weiteren Nahmen: es gilt der allgemeinen Menschlichkeit, der Erhaltung von Nationen, die noch keiner Macht untertan sind, er arbeitet im Interesse aller zivilisierten Völker, die auf Afrika Anspruch machen: darum hat er ein Recht, über die Grenzen Frankreichs hinaus seine Stimme zu erheben und zur Mitarbeiterschaft Alle aufzurufen, die noch ein fühlendes Herz in der Brust trugen und Sinn für Gerechtigkeit haben. Die Worte Lavigeries, welche wir in diesen Blättern niedergelegt haben, sind kaum eine Andeutung von dem wirklichen schrecklichen Zustande der Dinge. Ader sie erwecken auch die Hoffnung, ja, sie gewähren die Sicherheit, dass Abhilfe noch möglich ist. Es ist vielleicht das letzte, aber sicher auch das schönste Werk, welches zu unternehmen dem edlen Manne vergönnt war, wünschen wir ihm, dass es nicht das erste sein möge, welches ihm misslingt. An ihm liegt es sicher nicht, wenn dieses zur Schmach unseres Jahrhunderts eintreten sollte. Unermüdlich arbeitet er, unverrückt das große Ziel im Auge haltend, obwohl er gerade in diesem humanen Bestreben vielfachen Anfeindungen ausgesetzt ist. Auf den folgenden Seiten bringen wir ein Lob des ehrwürdigen Kirchenfürsten aus dem Munde Leo XIII., wie es schöner nicht gedacht werden kann. Bereits gründen sich auf den Ruf des Kardinals Vereine in Frankreich, Belgien, Deutschland, England, Spanien: Portugal und Italien werden nicht zurückbleiben, und wenn so die christliche Liebe mit vereinten Kräften arbeitet, so ist die friedliche Eroberung Afrikas für die Zivilisation und das Christentum gesichert. Und das wird des Bischofs schönster und wohlverdienter Lohn sein.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel