Aus dem Tagebuche einer Missions-Station Kibanga. 4. Dezember 1887.

Gott sei gelobt! Die Nacht war ruhig, die Wachen hatten nichts zu melden, kein Alarm ist eingetreten. Wir lesen früh unsere eiligen Messen, dann, gegen 7 Uhr, begeben sich der Pater Provikar und Pater Byucke in eines der gestern verlassenen Dörfer zu dem Anführer der Räuber. Dieser Lieutenant Mohammeds ist ein Mulatte von kleiner Gestalt, zwischen 25 und 30 Jahren, mit kleinem schwarzen Barte und stark bronziertem Teint. Kaum hineingeführt in die Hütte, fragt ihn unser Pater Provikar, ob er so die Befehle des Sultans von Zanzibar ausführe, dass er fast bis unter unsere Mauern das Land verwüste. Der Andere ergeht sich in Entschuldigungen, er sagt, er habe seinen Leuten befohlen, nicht bei uns zu plündern und unsere Kinder nicht zu verfolgen . . . . seine undisziplinierten Ruga-Rugas hätten wahrscheinlich das Land von Pora mit dem unsrigen verwechselt, ganz gegen seinen Willen. Der Pater verlangte nun, dass man die unseren Neugetauften geraubten beiden Kinder herausgebe, was denn auch geschah. Genug, man verständigte sich, Dank der Festigkeit des Paters, in Güte, und der Anführer verbot seinen Leuten, etwas auf unserem Boden anzurühren, wie er auch unsere Leute aufforderte, alle Marodeure zu verjagen.

Beim Abschied der Patres versprach Bwana Masudi einen Gegenbesuch für den Nachmittag. Er kommt wirklich mit seinem Gefolge, einem Dutzend Briganten: wir lassen aus Vorsicht diese aber nicht mit eintreten. Der arme Häuptling hat zu dieser Veranlassung seine Parade-Uniform angelegt, eine lange rote Weste, wie sie wohl die Lakaien oder Schweizer der großen Herren in Europa tragen. Er schwätzt viel und antwortet auf unsere zahlreichen Fragen nach den Gegenden, die er verwüstet hat, nach dem Ruando des Nordens, nach den Seen Kiro und Kangaro, dem Mauvema, dem Unvabemba, dem Ubudjwe usw. Er bettelt wie alle Leute seiner Rasse: wir verweigern ihm in höflichster Form die erbetenen Patronen und gewähren ihm ein paar Pantoffeln, alte Schuhe und eine leere Flasche, welch' letztere ihm besondere Freude macht.


Aber am Abend erleben wir von unserem Hügel herab das traurige Schauspiel einer Sklaven-Razzia in den uns umgebenden Gegenden: überall flammen die Dörfer, überall fliehen die Verfolgten nach dem See. Die Banditen kehren zurück, beladen mit Hühnern, Ziegen, Paketen mit Fischen, Mutana usw. Ein Trupp von etwa dreißig Räubern durchstreift unter unseren Augen die Hügel und Niederungen am Fluss Maongolo, wo sich die armen Flüchtlinge verborgen haben, sie kehren zurück, Frauen und Kinder gefesselt vor sich hertreibend! Es ist ein schrecklicher Anblick! Man möchte diese herzlosen Banditen niederschießen, aber das wäre offener Krieg, und die Mission würde verloren sein. Ach, wann wird doch irgendeine europäische Macht sich entschließen, diesen verfluchten Sklavenhandel mit allem daraus entspringenden Elend zu vernichten? Ein Detachement von hundert gut bewaffneten und an das Klima gewöhnten europäischen Soldaten würde in Zeit von vierzehn Tagen mit dieser ganzen gräulichen Horde (ein Haufen von 200 bis 300 Briganten), welche ihren Schrecken über alle Länder von Tabora über Onjiji bis nach Manyema und am ganzen Tanganika bis zum Albert-Ryanza verbreitet, aufgeräumt haben. Aber was können wir armen Missionare tun, was anders als zu Gott beten für die armen Schwarzen und deren schlimmste Feinde, die Araber und Mulatten! Am Abend dieses traurigen Sonntags, den wir nie vergessen werden, sandte der Pater Superior den Pater Byncke in das Araberlager, um zu verlangen, dass man mit diesen Schandtaten schleunigst ein Ende mache, und dass; man die Truppe so rasch wie möglich abziehen lasse, damit unsere christlichen [Schwarzen] in ihre Ortschaften, wo fast Alles zerstört war, zurückkehren könnten. Der Anführer, welcher unfähig ist, Ordnung in den Reihen seiner Schurken zu halten, versprach, am andern Morgen früh abzumarschieren, und stellte uns anheim, von den Opfern der heutigen Jagd so viele Frauen und Kinder loszukaufen, als wir bezahlen konnten. Alles, was wir besaßen, wurde dazu verwendet. Stellet Euch die Freude der Auserwählten vor, die an ihren Herd zurückkehren dürfen, aber auch die Verzweiflung der armen Unglücklichen, denen keine Befreiung zu Teil wird und die mit Gewalt, laut schreiend, gefesselt fortgeschleppt werden. O, warum besitzen wir nicht Geld genug, um sie alle befreien zu können!
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sklavenhandel in Afrika und seine Gräuel