Der Schutzjude von Magdeburg. Band 1 und 2

Historische Erzählung aus dem Mittelalter
Autor: Lamlé, Gustav (?), Erscheinungsjahr: 1866
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mittelalter, Juden, Christen, Ritter, Turnier, Wegelagerer, Raubritter, Schutzjuden
Die interessante Darstellung längst vergangener Zeiten, welche wir unter vorstehendem Titel den Lesern vorführen, ist das letzte Werk eines jungen und talentvollen Schriftstellers, der in Magdeburg vor Kurzem gestorben ist. Durch körperliche Leiden an der dauernden Verfolgung seiner begonnenen Beamten-Laufbahn gehindert und von vielem Missgeschick gequält, suchte er seine Erholung und Existenz zuletzt in der Kunst und Literatur, und würde sich gewiss auf diesem Gebiete bald einer allgemeinen Anerkennung zu erfreuen gehabt haben, wenn ihn nicht der Tod seinen Mühen und Hoffnungen entzogen hätte.

Er hatte hauptsächlich das Studium der sächsischen und speziell der magdeburgischen Geschichte zu seiner Aufgabe gemacht und diesem Studium entsprangen einige in Magdeburger Blättern veröffentlichte geschichtliche Schilderungen, welche sowohl für die gewissenhafte Forschung, als auch für die Darstellungsgabe des Autors ein ehrenvolles Zeugnis ablegen.

Die nachfolgende Erzählung wird ihm durch die Treue des geschichtlichen Kolorits und die Innigkeit der Auffassung bei unseren Lesern gewiss ein dauerndes Andenken sichern.
Die Verlagshandlung.

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Inhaltsverzeichnis
  1. Sanhedrin
  2. Die Burg der Wernigerode
  3. Jüdisches Turnier
  4. Don Gideon Nunez di Peveira
  5. Der Überfall
  6. Die beiden Magdeburger Hänse
  7. Auferstehungsnacht
  8. Zweiter Band
  9. Jude und Erzbischof
  10. Die Gefangene
  11. Die Katastrophe
  12. Pater Ambrosius und Bekehrung
  13. Judenverfolgung
  14. Die Flucht
  15. Schluss
Es war während der Fasten des Jahres 1384. Der Frühling war ungewöhnlich zeitig ins Land gekommen mit seinem Gefolge von Knospen, Blättern und Blüten, Lerchensang und Sonnenschein. Natur und Mensch jubelte über den endlichen Abschied eines überaus harten Winters. Selbst auf den höchsten Berggipfeln des Böhmer- und Thüringerwaldes schmolz der Schnee und machte die Ufer zahlreicher Gebirgsbäche schäumend überfluten. Wild rauschte die Saale dahin, von allen Seiten mit Wassermassen gespeist, rechts durch die Wellen der schwarzen und weißen Elster mit der Pleiße, links durch den Wogenschwall der Ilm, Unstrut, Wippra und Bode.

Auf der großen Landstraße, die von Magdeburg gen Weißenfels immer am linken Ufer der Saale entlang führt und die reichen Auen des Saalkreises in zwei Hälften teilt, zogen zwei Personen dahin, ein Greis und ein junges Mädchen, das auf einem Esel ritt. Trotz der Mittagsstunde war es ziemlich öde auf dem Heerwege. Kaum dass sich hin und wieder ein Karawanenzug von Kaufleuten zeigte, die bis an die Zähne gewaffnet, von Geharnischten zu Fuß und Ross geleitet wurden.

Der Alte hielt das Grautier am Zügel, während er rüstig nebenherschritt, mit scharfem Auge die Gegend nach allen Richtungen durchmusternd. Kleidung, Haltung und Gesichtszüge verrieten, dass er jenem vielverleumdeten und vielverfolgten Volksstamme angehörte, dessen Dasein in jenen Zeitläufen eine fast ununterbrochene Kette von Not und Drangsal, erlittenem und begangenem Unrechte bildete. Seine hohe Gestalt ward von einem langen, bis an die Knöchel reichenden Kaftan von schwarzgrauem Mariendorfer Tuche umschlossen, und um den Leib wand sich ein wollener Hüftstrick. Den Kopf bedeckte eine Art Pelzmütze, deren Deckel an die Polnische erinnerte. Bis auf die Brust herab wallte sein silbergrauer Bart, nicht in wilden Zotten, sondern weiß und glänzend in zwei langen Hälften. Darüber erhob sich eine scharfgeschnittene, energisch geformte Nase und ein Augenpaar, dessen dunkele Sterne feurige Blitze schossen, rastlos sich bewegend, die Nähe und Ferne durchdringend. Alles an dem Manne trug den Nationalstempel, den Urtypus israelitischer Abkunft, aber nicht in jener Verzerrung und Verwilderung, welche die Söhne Abrahams oft zur Schau trugen, sondern mit einer gewissen Hoheit, die ihn über die große Menge seiner Glaubensgenossen erhob. Es war Salomon Levy, genannt Elbtal, im Munde des Volkes schlechtweg „der Schutzjude“ geheißen.

Weit und breit war der Alte bekannt, nicht nur in Magdeburg selbst, wo er im Judendorfe des erzbischöflichen und städtischen Schutzes genoss, sondern auch im ganzen Elbtale, den Strom hinauf und hinunter von Hamburg bis an die Böhmischen Quellen. Diesem Umstand verdankte er seinen Namen. Er ließ ihn sich stillschweigend gefallen und hat ihn auf seine Nachkommen vererbt. Überall wusste er Schlupfwinkel, in allen Judenvierteln und Judengassen der Städte, in allen Spelunken der Flecken und Dörfer. Er schien allenthalben zu Hause zu sein und hatte weitverzweigte Verbindungen nach Russland und Polen, Frankreich und Belgien, Italien und Spanien hinein. Man sprach davon, er sei vor fünf Jahrzehnten aus Holland eingewandert und hielt ihn für unermesslich reich, obwohl er fast noch dürftiger lebte, als die meisten seiner Stammesgenossen.

Er war das Haupt einer zahlreichen Familie, hatte wie der Patriarch Jacob zwölf Söhne, die er, sobald sie herangewachsen, einen nach dem andern, in die Welt hinaussandte, damit sie sich selbst ihren Wirkungskreis erwürben. Den kleinen Zehrpfennig in der Tasche, das Ränzel auf dem Rücken, hatten sie vom Vater Levy Abschied genommen und die Himmelsgegend durchstrichen, die er ihnen vorgeschrieben. Allen war es geglückt, manche besaßen sogar einflussreiche Stellungen in fernen Ländern, und in Portugal sollte der Älteste öffentlich zum Christentume übergegangen und als „neuer Christ“ zu Macht und Einfluss gelangt sein. Er hatte getan, wie viele andere, die in Lisboa zu adeligem Range, ja selbst zu hohen geistlichen Würden emporsteigen konnten, ohne in ihrem Privatleben etwas anderes zu sein, als Juden, welche die mosaischen Gebräuche gewissenhaft zu beobachten fortfuhren. Die portugiesische Judenschaft ist, wegen ihrer Verbindung mit diesen heimlichen Anhängern, noch heute vorzüglich angesehen und im Besitze bedeutender Ländereien.

So hatte Salomon Levy in seinen Söhnen gleichsam seine zwölf Emissaire in aller Herren Ländern. Er unterhielt mit ihnen regen Verkehr, tätig, umsichtig, behutsam, stets auf das Wohl seiner unglücklichen Glaubensverwandten bedacht.

Aber Eines halte er vor seinem großen Ahnherrn voraus: eine Tochter. Sie war die letzte Frucht einer langen, glücklichen Ehe. Allein Mutter Sara starb, als Recha das Licht der Welt erblickte, und der von Kummer gebeugte Mann widmete sich mit hingebender Liebe der Erziehung des kleinen Wesens. Jetzt war Recha siebenzehn Jahr alt. Aus dem lieblichen Kinde war eine üppige Jungfrau erblüht. Die bescheidene Knospe ward zur prachtvollen Blume. Sie besaß eine Schönheit, wie sie den Frauen des Orients eigen, farbenreich, voll Kraft und Saft, herausfordernd und majestätisch.

Recha war die schönste ihres Geschlechtes. Wenn die jungen Leute, gleichviel, ob Jude, ob Christ, etwas Außergewöhnliches bezeichnen wollten, so sagten sie: „so schön wie Recha.“ Ob das nun auch jedermann wusste, Recha selber schien es nicht zu wissen. Sie blieb so demütig und anspruchslos, wie immer, ein Kind an Herz und Gemüt. Und dieser Ausdruck ahnungsloser Unschuld, der sich in ihrem Antlitz ausprägte, machte ihre Schönheit um so hinreißender. [Aus: Kapitel I. Sanhedrin]

Ein Turnierteilnehmer stellt sich vor

Ein Turnierteilnehmer stellt sich vor

Mittelalterlicher schweizer Söldner

Mittelalterlicher schweizer Söldner

Lanzenstechen

Lanzenstechen

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Begrüßung eines Turnierteilnehmers

Lanzenstechen

Lanzenstechen

Mittelalterliche Burganlage

Mittelalterliche Burganlage

Turnierteilnehmer

Turnierteilnehmer

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen

Beim Lanzenstechen an der Hüfte getroffen

Beim Lanzenstechen an der Hüfte getroffen

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Anreise der Turnierteilnehmer per Schiff

Siegerehrung

Siegerehrung

Beim Lanzenstechen man Oberschenkel getroffen

Beim Lanzenstechen man Oberschenkel getroffen

Huldigung

Huldigung

Angriff auf eine Burg

Angriff auf eine Burg

Rittermahl

Rittermahl

Beide Kämpfer am Boden

Beide Kämpfer am Boden

Beratschlagung

Beratschlagung

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen

Beim Lanzenstechen am Hals getroffen