Der Johannisabend in Granada

Der Johannis-Abend wird seit undenklichen Zeiten in Granada ans eine eigene Weise gefeiert, indem eine alte Sage behauptet, dass alle Mädchen, welche sich an diesem Abend um Mitternacht im Fluss Xenil waschen, während des ganzen Jahrs eine weiße Haut behalten und mit einem Manne beglückt werden. Keine Frau, kein Mädchen, selbst kein Kind ist an diesem Abend zu Hause zurückzuhalten, die ausgelassenste Freude herrscht während der ganzen Nacht; allenthalben wird gescherzt, gesungen, getanzt, ohne dass selbst bei der geringeren Klasse nur im Entfernsten der Anstand verletzt wird; doch mit dem Glockenschlage 12 eilt Alles nach dem Fluss, um sich seine weiße Haut zu sichern. Dies unschuldige, kostenfreie Vergnügen dauert bis zum Tagesanbruch, wo die Scharen mit Castagnetten- und Gitarren- Musik nach ihrer Wohnung ziehen.

Diese Wasserverehrung ist noch ein Überbleibsel aus den maurischen Zeiten, und wenn der Johannistag auch der größte Feiertag in Schweden, der Zahltag der Hausmiete in Deutschland ist, so kann sich der Heilige nicht beklagen, dass man die Ehre ihm zu Teil werden lässt, zur Verheiratung der schönen Andalusierinnen beizutragen. (Ein ähnlicher Volksglaube hat sich in Sachsen von dem sogenannten Oster-Wasser erhalten, das um 12 Uhr Nachts am Oster-Sonnabend geschöpft eben so magische Kräfte besitzt.)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sammler - Band 17