Wie die Sachsen die Thüringer und Franken zugleich schlugen

Sachsenchronik, her. v. Dresser. S. 9.

Zu derselben Zeit, wo die Sachsen mit den Thüringern kriegten, war der fränkische König Dieterich auch der Thüringer Feind und wohnte in dem Lande damals geheißen Austrasien, worin die Stadt und das Stift Metz liegt. Sie kriegten aber um das Land, welches der thüringer König Hermanfried von der Schwester Dieterichs (Amalberga) her hatte, denn er behauptete, das Land Franken gehöre ihm, weil Dieterich ein Bastard sei. Darüber ward König Dieterich gewaltig zornig, sammelte ein Heer und fiel in Thüringen ein, die Thüringer aber zogen ihm entgegen und erst, nachdem sie zwei Tage unentschieden bei Rumberg gestritten, flohen sie mit ihrem König am dritten Tage auf eine Burg, genannt Scheidungen an der Unstrut, Dieterich aber ließ die Sachsen auffordern, sie möchten, weil sie mit den Thüringern in Feindschaft wären, ihm den König Hermanfried vertreiben helfen, und wenn sie das täten, sollten sie das Land für ewige Zeiten zu eigen behalten. Die Sachsen waren auch damit einverstanden und sandten ihnen 9.000 Reisige und vieles andere Fußvolk, und setzten zum Kriegsobersten einen Ritter Hatwigo, den man seiner Tugend halber den Vater der Väter nannte, und der führte der Sachsen Panier, darin stand ein fliegender Adler, ein Drache und ein Löwe. Wie aber die Franken die Sachsen sahen, da verwunderten sie sich sehr über sie, was sie für große starke, wohlgerüstete Männer wären, und rieten ihrem König ab, ihnen zu trauen, weil, wenn man sie ins Land ließe, es sich zutragen könne, dass sie dereinst das fränkische Reich selber zerstörten. Das achtete aber der König Dieterich nicht, weil ihm das Sachsenvolk nötig war, und so bat er sie, sie möchten die Burg, worin Hermanfried lag, stürmen; dies taten die Sachsen auch, liefen Sturm und warfen Feuer hinein, und die Thüringer, wie sie sahen, dass sie die Feste nicht halten konnten, machten einen Ausfall und schlugen eine blutige Schlacht, in der an die sechstausend Sachsen erschlagen wurden, dann aber ward eine Waffenruhe. König Hermanfried schickte nun aber einen seiner Ritter, Jrung, mit einem großen Schatze an König Dieterich und ließ ihn um Frieden bitten, versprach auch, er wolle sein Vasall werden und das Land von ihm zum Lehn nehmen, und Dieterich, der da meinte, es sei besser, seinen Schwager zu Gnaden anzunehmen, als dieses fremde wilde Volk im Lande zu behalten, gab ihm seine Bereitwilligkeit zu erkennen. Während der Waffenruhe ritt aber ein Thüringer mit einem Falken an das Wasser und warf ihn in die Höhe, der aber flog hinüber und hier ergriff ihn ein Sachse, und als dieser sich weigerte, ihn seinem Herrn wiederzugeben, so versprach der Thüringer, dass, wo er denselben wieder bekäme, so wolle er ihm etwas mitteilen, was ihm und allen Sachsen von Nutzen sein werde. Der Sachse versprach ihm unter dieser Bedingung seinen Falken wiedergeben zu wollen, und der Thüringer verriet ihm nun, wie sich die beiden Fürsten mit einander verglichen hätten, und dass, wo man die Sachsen am andern Morgen in ihren Herbergen greifen würde, da sollten sie alle erschlagen und gefangen werden. Hierauf ging der Thüringer mit seinem Falken auf und davon und der Sachse meldete das Gehörte seinen Brüdern, die daran ganz irre wurden. Hatwigo der alte Ritter aber nahm das Panier mit dem fliegenden Adler, Löwen und roten Drachen zur Hand, ermahnte sein Volk und sprach: Ich habe noch nie einen Sachsen fliehen sehen, jene sind jetzt des Friedens halber sicher und schlafen, lasst uns sie deswegen sogleich angreifen. Dies taten die Sachsen auch und fingen Alles, was da war, Weib und Kind, also, dass der Franken und Thüringer viele tot blieben. Man findet auch geschrieben, dass dieser Jrung, der Friede mit den Königen gemacht hatte, da er solchen großen Verlust gesehen, beide Könige getötet und des Hermanfried Leichnam auf Hug Dieterichen geworfen und gesagt habe: Konntest Du ihn im Leben nicht überwinden, so überwinde ihn nun im Tode. Doch steht in den fränkischen Chroniken, wie als Hermanfried mit seiner Gemahlin und Kindern wunderbarlicher Weise entkommen, Ritter Jrung, als er die Niederlage gesehen, darauf gedacht habe, wie er Gnade bei König Dieterich finden möchte. Der König Dieterich hat ihm aber vorgeschlagen, er solle den König Hermanfried zu bewegen suchen, auf dem Berge Subach mit ihm zu einer Besprechung zusammenzutreffen, und wie dies nun auch geschehen und beide Könige auf dem Berge mit einander auf und ab gingen, da nimmt der Dieterich den Hermanfried bei einem Arm, schlägt ihm ein Bein unter und stürzt ihn den Berg hinab, heißt auch dem untreuen Ritter Jrung seinen Herrn folgen und ihn vollends erstechen, welches auch geschehen ist. Wie aber der Ritter Jrung nachdem auch den König Dieterich erwürgte, da musste er sich durch die Trabanten und Andere, die zugegen waren, durchschlagen, und von der großen Gasse, die er sich mit seinem Schwerte machte, soll die weiße Strieme am Himmel Jrungsstraße genannt worden sein. Die Sachsen aber, welche der Thüringer so viele erschlagen, dass davon das Wasser der Unstrut gestaut und gleichsam überbrückt ward, dass man auf den Toten darüber gehen konnte, behielten Stadt und Burg und teilten das Land unter sich: weil ihrer aber zu wenig waren, so ließen sie die Thüringer, so ostwärts wohnten, als auch etliche gegen Süden bleiben und besetzten das Land zu Mittag, das ihnen der fränkische König frei ließ, und die Stadt gab er ihnen auch, und sie bauten eine Burg da, so noch die Sachsenburg heißt.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen