Dritte Fortsetzung

Die französische Armee war ebenfalls den 4. November in Krasnoe eingetroffen; am 5. kam es zur Schlacht. Napoleon leitete anfangs selbst das Gefecht, er hatte einen Teil der Garden auf der Straße nach Orscha vorausgeschickt, um die defilierende Bagage zu schützen, das 1. und 4. Corps, so wie den andern Teil der Garden hatte er in einer Linie vor Krasnoe aufgestellt und machte damit anfangs eine drohende Bewegung vorwärts, wahrscheinlich in der Meinung, nur eine geringe Infanterie-Abteilung vor sich zu haben, diese drohende Bewegung vorwärts verkehrte sich indessen schnell genug in eine gezwungene rückwärts, und Napoleon, sobald er als Kenner über den Ausgang des Gefechts nicht mehr zweifelhaft war, verließ in Begleitung einiger Marschälle das Schlachtfeld und begab sich mit verhängten Zügeln nach Liady, wo seine Garden über das mit Schaum bedeckte Pferd ihre eigenen Betrachtungen anstellten. Unterdessen waren die Franzosen durch die russischen Grenadiere bis gegen die Stadt getrieben worden; eine umgehende Bewegung der russischen Garden verwandelte den schon unordentlichen Rückzug des Feindes in Verwirrung und Flucht, und einige glänzende Kavallerie-Angriffe vollendeten die Niederlage. 25 Kanonen, die Hälfte des der Armee noch übrig gebliebenen Geschützes, und mehrere tausend Gefangene fielen den Siegern in die Hände, viele Fahnen und Adler wurden erbeutet, so auch der Marschallsstab des Generals Davoust.

Das 3. Corps unter Marschall Ney, ungefähr 15.000 Mann stark, welches seit Wiasma die Arrieregarde der Armee bildete, war noch einen Marsch zurück; der Marsch der russischen Armee auf Krasnoe war, wie schon gesagt, Napoleon und seinen Generalen unbekannt geblieben, demnach glaubte der General Ney, als er bei Krasnoe den 6. ankam, dass die, welche ihm den Weg verstellten, nur abgesandte Streifpartien wären, und nahm es sehr übel, als man ihn aufforderte, sich zu ergeben; er werde sich schon Platz machen, sagte er zu dem an ihn geschickten Parlamentär, und griff auch sogleich dreist genug an. Die Sache war geschwind entschieden: in weniger als einer Stunde war das ganze Corps zerstreut, einige tausend Tote und Verwundete lagen auf dem Platze, gegen 11.000 ergaben sich nach und nach in mehreren Abteilungen, und der Marschall Ney selbst flüchtete sich mit einigen hundert Mann rückwärts über den Dnieper. Dieses Corps führte nicht mehr als 20 Kanonen und hatte nicht einen Mann Kavallerie.


Unter den eroberten Trophäen befanden sich mehrere Ehrenfahnen, auf denen ein prachtvolles Register gewonnener und nicht gewonnener Schlachten zu lesen war; der Fürst Kutusow begab sich am nämlichen Abend, wo sie genommen, ins Lager der Garden, und dort ließ er vor jedem Regimente jene stolzen Fahnen tief zur Erde neigen, um die Sieger von Krasnoe zu ehren, und zum Zeichen, dass jene prahlenden Namen seit dem Tage von Krasnoe ihre Bedeutung verloren hätten. Eine unermessliche Beute ward an dem Tage gemacht; der Raub von Moskau, der nicht freiwillig verbrannt worden, war großenteils schon wieder in den Händen der, Russen.

Der Rückzug der Franzosen lässt sich überhaupt in drei Perioden teilen, die, ungeachtet einer fortwährenden Steigerung, jede einen besonderen Charakter tragen, und wovon die erste sich bei Krasnoe endigt. Die Resultate dieser Periode waren mehr als 40.000 Gefangene, worunter 27 Generale, gegen 500 Kanonen, 31 Fahnen und Beute ohne Maaß. Die sogenannte große französische Armee war zusammengeschmolzen bis auf einige 30.000 Mann, unter welchen kaum 10.000 Wehrhafte, 25 Kanonen waren der Rest der ganzen Artillerie, von Kavallerie war schon längst nicht mehr die Rede; die russische Armee dagegen zählte noch gegen 70.000 Mann, worunter über 16.000 Mann Kavallerie, und führte gegen 600 Stück Geschütz mit sich.

Während Ungemach und Elend aller Art die französische Armee täglich mehr und mehr zu Grunde richtete, und Trauer über die Schmach einer so langen Flucht in der Brust eines jeden Soldaten war, zeigten die französischen Bulletins noch einen sehr heitern Sinn, und sprachen von dem ganzen Ereignis; mit einer merkwürdigen Unbefangenheit; sie führten Briefe aus Moskau an vom 8. Oktober a. St. (Moskau war am 6. geräumt worden), nach welchen Napoleon mit seinen Garden ruhig und zufrieden fortdauernd in Moskau sich befinde, während abgeschickte Corps sich bereits nach leichtem Widerstande der Städte Twer, Tula und Kaluga bemächtigt hätten. Von dem Treffen bei Tarutino ward gesagt, dass der König von Neapel den Russen eine derbe Lektion gegeben habe, wobei die französische Kavallerie einige ganz außerordentlich schöne Angriffe gemacht hätte; in Hinsicht der Lektion, so wusste der König nur zu gut, wer sie gegeben und wer sie bekommen, und was die schönen Kavallerie-Angriffe betrifft, so reduzierten sie sich darauf, dass die französischen Kürassiere und Dragoner von den Kosaken unverschämter Weise übergeritten worden waren. Als endlich vom Rückzuge selbst denn doch die Rede sein musste, so erfuhren alle Freunde der Franzosen mit Vergnügen aus dem 25. Bulletin, dass Napoleon seine Armee in die wohlverdienten Winterquartiere nach dem Gouvernement Smolensk führe, dass die Russen den mit der größten Ordnung ausgeführten Marsch gar nicht wagten ernsthaft zu beunruhigen, dass die Armee in der besten Stimmung von der Welt sei und Überfluss an Allem habe, dass das Wetter die Armee wunderbar begünstige, und dass der Kaiser den Marsch in die Winterquartiere so glücklich und meisterhaft kombiniert habe, dass man ihn eigentlich wie eine offensive Operation gegen Petersburg betrachten könne, indem Smolensk weniger entfernt von Petersburg sei, als Moskau, In solchem Grade hat wohl noch nie ein Bulletin der Wahrheit Gewalt angetan, die fürchterlichste Zerrüttung müsste denn für Ordnung gelten und Verzweiflung eine heitere, fröhliche Stimmung sein; der Hungertod müsste aus dem Überfluss entstehen und der Zorn des Himmels eine Begünstigung genannt werden: 10.000 Erfrorene und vor Hunger Gestorbene bewiesen hier etwas anderes als Begünstigung! Die französischen Soldaten würden, trotz ihres Elends, gelächelt haben, hätten sie erfahren, dass ihr unglückseliger Marsch für eine drohende Bewegung gegen Petersburg ausgegeben werde; der einzige, der Wahrheit gemäße Ausdruck war vielleicht die Benennung wohlverdiente Winterquartiere, denn alle die Gräuel, welche über die Armee zusammenbrachen, waren mit Gräueltaten genugsam verdient.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rückzug der Franzosen aus Russland.