Beiträge zu größerer Verständlichkeit des Rückzuges der Franzosen
Napoleon befand sich auf seinem Rückzuge stets unter den Garden; der französische Kaiser lässt, was seine Person betrifft, es nie an der gehörigen Vorsicht fehlen; trotz der treuen, ihn umringenden Garden, fuhr er in der Regel im Wagen des Marschalls Berthier, und ließ den seinigen unter starker Bedeckung in einer gewissen Entfernung leer nachfahren; der Wagen des Marschalls Berthier hatte nur eine sehr geringe, dem Inhalte unangemessene Eskorte und die Glasfenster waren blind gemacht.
Von großen Männern erwähnt man auch der kleinsten Handlungen oder Worte mit Vergnügen, denn sie tragen stets etwas Eigentümliches, den großen Mann Bezeichnendes an sich. Der französische Kaiser hatte, trotz der in seiner unglückseligen Armee täglich sich wiederholenden Szenen des Elends und des Jammers, so wenig seinen guten Humor verloren, dass, als er bei der Schreckenspassage der Beresina über die Brücke fuhr, die auf toten Pferden und Menschen ruhte, und wo rechts und links ganze Scharen von Erstarrenden und Ertrinkenden mit dem Tode rangen, er diese Unglücklichen scherzhafter Weise crapauds*) nannte.
*) Kröten.
Die in Moskau geraubten Gemälde und Kunstsachen, welche den Anteil des Kaisers an der allgemeinen Beute ausmachten, waren auf 9 Wagen geladen und marschierten unter dem prächtigen Namen les trophées an der Spitze der kaiserlichen Train-Kolonne; den Trophäen folgten 28 Wagen mit dem kaiserlichen Schatze, und diesen 80 Wagen, welche die kaiserliche Equipage ausmachten; über das Ganze hatte der General Bernard die Aufsicht. Die Pferde, welche den kaiserlichen Schatz zogen, ermüdeten zuerst, und um ihnen die Last zu erleichtern, wurden mehrere Wagen von dem 16. Bataillon du train zu Hilfe genommen, diese Wagen hießen ihrer besonderen Bauart wegen Comètes. Jeden Abend ward für die kaiserliche Train-Kolonne ein Befehl zur Marschordnung des folgenden Tages ausgegeben. Die besonderen Namen der verschiedenen Wagen-Abtheilungen machten dergleichen Tagesbefehle spaßhaft genug; bald mussten die Trophäen, bald die Kometen voran marschieren; um die und die Zeit, hieß es, brechen die Trophäen auf, oder verfügen sich die Kometen ins Bivouak; wenn zuweilen des Nachts Alarm entstand, dann ging es mit den Trophäen und Kometen über Stock und Stein, und die Trophäenführer waren mehrmals nahe daran, ihren hohen Beruf aus den Augen zu verlieren und die Pferde auszuspannen, um sich auf Kosten der Trophäen in Sicherheit zu setzen. Als nach und nach die große Sterblichkeit unter die Pferde kam, wurden jede Nacht mehrere Wagen von der kaiserlichen Train-Kolonne verbrannt, und zwar geschah die Verbrennung stets in einer gehörigen Entfernung von der Landstraße, um den Anmerkungen vorwitziger Zuschauer aus dem Wege zu gehen. So verkürzte sich diese Kolonne von Tage zu Tage mehr und mehr, und noch hatte sie Wilna nicht erreicht, als bereits sämtliche Equipagen und Trophäen in Rauch aufgegangen waren, zum Zeichen der Vergänglichkeit menschlichen Ruhms. Nur ein geringer Teil des Schatzes ward gerettet; die Trophäen hatten ihre Pferde hergeben müssen, um den Gang der Kometen zu beschleunigen.
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Die Schicksale des Schatzes selbst gehen aus einem Berichte hervor, den der Minister Mollien unter dem 4. Januar neuen Stils an den Grafen Daru macht. In diesem Bericht heißt es, dass von Smolensk bis Wilna an einer Summe von 5.209.245 Fr. 34 Ct. die Summe von 3.209.245 Fr. 34 Ct. verloren gegangen, und dass auf dem Wege von Wilna bis Königsberg an einer Summe von 10.919.455 Fr. die Summe von 6.813.295 Fr. 18 Ct. abhanden gekommen sei; so dass überhaupt von der Totalsumme von 16.128.700 Fr. 34 Ct. nur die Summe von 6.106.159 Fr. gerettet worden. Der Minister Mollien sagt in seinem Bericht, dass der Schatz von französischen Traineurs geplündert worden, und dass er dem General Bernard bereits den Auftrag gegeben, die gehörigen Nachforschungen zu machen, von welchen Armeecorps jene Traineurs gewesen; er sagt ferner, dass er gegründete Hoffnung habe, die Täter zu erforschen, indem an dem Raube so beträchtlicher Summen notwendig eine Menge Individuen Teil genommen haben müssten, und fügt hinzu, dass, wenn der Schatz auch für den Augenblick auf die Wiedererstattung jener Summen Verzicht leisten müsste, dieselben doch in Zukunft den Corps angerechnet werden könnten, von welchen jener Raub begangen worden. — Solche Abzüge würden nicht mehr als billig sein, wenn nicht jene Corps selbst ganz und gar von der Bevölkerung Europas in Abzug zu stellen wären, oder dachte der Minister Mollien vielleicht au den rückständigen Sold und an eine Art Balance zwischen Raub und Schuld? da könnte es freilich leicht sein, dass der Schatz noch im Vorteil wäre.
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Zwischen Smolensk und Krasnoe verbrannte der König von Neapel mit eigner Hand einen Teil seiner Equipagen, wobei er sein ganzes Silberservice den Flammen Preis gab. Der König schürte das Feuer mit einem langen Stocke, und als von allen Seiten die Soldaten nahten, um Einiges vom Untergange zu ihrem Vorteil zu retten, schwang er den brennenden Stock gegen die Zudringlichsten, konnte aber doch nicht verhindern, dass nicht hin und wieder Etwas entwendet ward; unter andern sah man Einige mit schönen Schabracken entweichen, sie um die Schultern hängen, und so warmer gekleidet und schöner geschmückt zufrieden weiter marschieren. Die Schabracken haben indessen später ihre ursprüngliche Bestimmung wieder erreicht; es wird nämlich wieder auf ihnen geritten, obschon nicht von Königen, sondern von Kosaken.
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Ein Beweis, wie allgemein die Pferdefleisch-Diät bei der französischen Armee eingeführt war, ist, dass die Leute des Kaisers selbst diese Kost nicht verschmähten; nach der Einnahme von Wiasma fand man mehrere Häuser, an welchen mit Kreide geschrieben war: Maison de l’Empereur, und in jedem dieser Häuser ein angeschnittenes Pferd, an welchem selbst die weniger schmackhaften Teile ihre Liebhaber gefunden hatten.
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Der französischen Armee waren auf ihrem Eroberungszuge ganze Bataillone von Zimmerleuten, Maurern, Tischlern etc. gefolgt, das deutete auf neue Städte und Dörfer; ferner waren in Deutschland und namentlich in Sachsen viele hundert Gärtner für die große Armee requiriert worden, und man sah schon in Gedanken die Wüsteneien Asiens in Obst- und Küchengärten umgeschaffen; bei dem kurzen Herbstaufenthalte in Moskau konnte sich der französische Kaiser jedoch leider auf neue Städte und Dörfer nicht einlassen, eben so mussten die Wüsteneien schon einstweilen Wüsteneien bleiben. Die Gärtner, statt zu pflanzen und zu säen, plünderten und zerstörten die blühenden Gärten Moskaus und bivouakierten bei brennenden Orangerien, und die Maurer und Zimmerleute mussten, statt zu bauen, an den Minen arbeiten, die die alten ehrwürdigen Mauern des Kremlins in die Luft sprengen sollten. So wunderbar verkehrte sich die ursprüngliche Bestimmung jener Handwerker und Künstler; nicht minder wunderbar verkehrte sich die Bestimmung der ganzen Armee verkehrten sich die Pläne ihres Feldherrn, so dass das ganze Resultat des Feldzuges ein durchaus verkehrtes genannt werden kann. Vielleicht im Vorgefühl eines solchen Ausganges geschah es, dass der Marschall Berthier in einem Briefe an den König von Westphalen unter dem 11. Juli folgende Stelle niederschrieb, die in der Übersetzung also lautet: „da Sie, Sire, alle Instruktionen, die Ihnen gegeben werden, verkehrt verstehen, so kann es nicht fehlen, dass nicht Alles überall verkehrt gehen müsse." Es ist nicht zu leugnen, dass der Marschall wunderbar richtig prophezeihte, und besser in die Zukunft zu lesen verstand als sein Monarch, der in dem geheimnisvollen Gange des Schicksals Russlands Untergang entdeckte, und seine Entdeckung treuherzig dem erstaunten Europa mitteilte.
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Von großen Männern erwähnt man auch der kleinsten Handlungen oder Worte mit Vergnügen, denn sie tragen stets etwas Eigentümliches, den großen Mann Bezeichnendes an sich. Der französische Kaiser hatte, trotz der in seiner unglückseligen Armee täglich sich wiederholenden Szenen des Elends und des Jammers, so wenig seinen guten Humor verloren, dass, als er bei der Schreckenspassage der Beresina über die Brücke fuhr, die auf toten Pferden und Menschen ruhte, und wo rechts und links ganze Scharen von Erstarrenden und Ertrinkenden mit dem Tode rangen, er diese Unglücklichen scherzhafter Weise crapauds*) nannte.
*) Kröten.
Die in Moskau geraubten Gemälde und Kunstsachen, welche den Anteil des Kaisers an der allgemeinen Beute ausmachten, waren auf 9 Wagen geladen und marschierten unter dem prächtigen Namen les trophées an der Spitze der kaiserlichen Train-Kolonne; den Trophäen folgten 28 Wagen mit dem kaiserlichen Schatze, und diesen 80 Wagen, welche die kaiserliche Equipage ausmachten; über das Ganze hatte der General Bernard die Aufsicht. Die Pferde, welche den kaiserlichen Schatz zogen, ermüdeten zuerst, und um ihnen die Last zu erleichtern, wurden mehrere Wagen von dem 16. Bataillon du train zu Hilfe genommen, diese Wagen hießen ihrer besonderen Bauart wegen Comètes. Jeden Abend ward für die kaiserliche Train-Kolonne ein Befehl zur Marschordnung des folgenden Tages ausgegeben. Die besonderen Namen der verschiedenen Wagen-Abtheilungen machten dergleichen Tagesbefehle spaßhaft genug; bald mussten die Trophäen, bald die Kometen voran marschieren; um die und die Zeit, hieß es, brechen die Trophäen auf, oder verfügen sich die Kometen ins Bivouak; wenn zuweilen des Nachts Alarm entstand, dann ging es mit den Trophäen und Kometen über Stock und Stein, und die Trophäenführer waren mehrmals nahe daran, ihren hohen Beruf aus den Augen zu verlieren und die Pferde auszuspannen, um sich auf Kosten der Trophäen in Sicherheit zu setzen. Als nach und nach die große Sterblichkeit unter die Pferde kam, wurden jede Nacht mehrere Wagen von der kaiserlichen Train-Kolonne verbrannt, und zwar geschah die Verbrennung stets in einer gehörigen Entfernung von der Landstraße, um den Anmerkungen vorwitziger Zuschauer aus dem Wege zu gehen. So verkürzte sich diese Kolonne von Tage zu Tage mehr und mehr, und noch hatte sie Wilna nicht erreicht, als bereits sämtliche Equipagen und Trophäen in Rauch aufgegangen waren, zum Zeichen der Vergänglichkeit menschlichen Ruhms. Nur ein geringer Teil des Schatzes ward gerettet; die Trophäen hatten ihre Pferde hergeben müssen, um den Gang der Kometen zu beschleunigen.
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Die Schicksale des Schatzes selbst gehen aus einem Berichte hervor, den der Minister Mollien unter dem 4. Januar neuen Stils an den Grafen Daru macht. In diesem Bericht heißt es, dass von Smolensk bis Wilna an einer Summe von 5.209.245 Fr. 34 Ct. die Summe von 3.209.245 Fr. 34 Ct. verloren gegangen, und dass auf dem Wege von Wilna bis Königsberg an einer Summe von 10.919.455 Fr. die Summe von 6.813.295 Fr. 18 Ct. abhanden gekommen sei; so dass überhaupt von der Totalsumme von 16.128.700 Fr. 34 Ct. nur die Summe von 6.106.159 Fr. gerettet worden. Der Minister Mollien sagt in seinem Bericht, dass der Schatz von französischen Traineurs geplündert worden, und dass er dem General Bernard bereits den Auftrag gegeben, die gehörigen Nachforschungen zu machen, von welchen Armeecorps jene Traineurs gewesen; er sagt ferner, dass er gegründete Hoffnung habe, die Täter zu erforschen, indem an dem Raube so beträchtlicher Summen notwendig eine Menge Individuen Teil genommen haben müssten, und fügt hinzu, dass, wenn der Schatz auch für den Augenblick auf die Wiedererstattung jener Summen Verzicht leisten müsste, dieselben doch in Zukunft den Corps angerechnet werden könnten, von welchen jener Raub begangen worden. — Solche Abzüge würden nicht mehr als billig sein, wenn nicht jene Corps selbst ganz und gar von der Bevölkerung Europas in Abzug zu stellen wären, oder dachte der Minister Mollien vielleicht au den rückständigen Sold und an eine Art Balance zwischen Raub und Schuld? da könnte es freilich leicht sein, dass der Schatz noch im Vorteil wäre.
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Zwischen Smolensk und Krasnoe verbrannte der König von Neapel mit eigner Hand einen Teil seiner Equipagen, wobei er sein ganzes Silberservice den Flammen Preis gab. Der König schürte das Feuer mit einem langen Stocke, und als von allen Seiten die Soldaten nahten, um Einiges vom Untergange zu ihrem Vorteil zu retten, schwang er den brennenden Stock gegen die Zudringlichsten, konnte aber doch nicht verhindern, dass nicht hin und wieder Etwas entwendet ward; unter andern sah man Einige mit schönen Schabracken entweichen, sie um die Schultern hängen, und so warmer gekleidet und schöner geschmückt zufrieden weiter marschieren. Die Schabracken haben indessen später ihre ursprüngliche Bestimmung wieder erreicht; es wird nämlich wieder auf ihnen geritten, obschon nicht von Königen, sondern von Kosaken.
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Ein Beweis, wie allgemein die Pferdefleisch-Diät bei der französischen Armee eingeführt war, ist, dass die Leute des Kaisers selbst diese Kost nicht verschmähten; nach der Einnahme von Wiasma fand man mehrere Häuser, an welchen mit Kreide geschrieben war: Maison de l’Empereur, und in jedem dieser Häuser ein angeschnittenes Pferd, an welchem selbst die weniger schmackhaften Teile ihre Liebhaber gefunden hatten.
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Der französischen Armee waren auf ihrem Eroberungszuge ganze Bataillone von Zimmerleuten, Maurern, Tischlern etc. gefolgt, das deutete auf neue Städte und Dörfer; ferner waren in Deutschland und namentlich in Sachsen viele hundert Gärtner für die große Armee requiriert worden, und man sah schon in Gedanken die Wüsteneien Asiens in Obst- und Küchengärten umgeschaffen; bei dem kurzen Herbstaufenthalte in Moskau konnte sich der französische Kaiser jedoch leider auf neue Städte und Dörfer nicht einlassen, eben so mussten die Wüsteneien schon einstweilen Wüsteneien bleiben. Die Gärtner, statt zu pflanzen und zu säen, plünderten und zerstörten die blühenden Gärten Moskaus und bivouakierten bei brennenden Orangerien, und die Maurer und Zimmerleute mussten, statt zu bauen, an den Minen arbeiten, die die alten ehrwürdigen Mauern des Kremlins in die Luft sprengen sollten. So wunderbar verkehrte sich die ursprüngliche Bestimmung jener Handwerker und Künstler; nicht minder wunderbar verkehrte sich die Bestimmung der ganzen Armee verkehrten sich die Pläne ihres Feldherrn, so dass das ganze Resultat des Feldzuges ein durchaus verkehrtes genannt werden kann. Vielleicht im Vorgefühl eines solchen Ausganges geschah es, dass der Marschall Berthier in einem Briefe an den König von Westphalen unter dem 11. Juli folgende Stelle niederschrieb, die in der Übersetzung also lautet: „da Sie, Sire, alle Instruktionen, die Ihnen gegeben werden, verkehrt verstehen, so kann es nicht fehlen, dass nicht Alles überall verkehrt gehen müsse." Es ist nicht zu leugnen, dass der Marschall wunderbar richtig prophezeihte, und besser in die Zukunft zu lesen verstand als sein Monarch, der in dem geheimnisvollen Gange des Schicksals Russlands Untergang entdeckte, und seine Entdeckung treuherzig dem erstaunten Europa mitteilte.
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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rückzug der Franzosen aus Russland.