Erste Fortsetzung

Ein französischer Architekt, der sich erst seit kurzer Zeit in Wilna befand, bekam Plötzlich Anfangs Oktober Befehl, alle nicht zur Armee gehörigen Zimmerleute, Maurer, Maler etc. zu sammeln und sich mit denselben ohne Verzug nach Moskau zu verfügen. Der Architekt machte seine Anstalten zur Reise mit dem gehörigen Eifer und Gepränge, und sagte Jedem, der es hören wollte, er sei berufen, Moskau wieder aufzubauen. Viele beneideten den Glücklichen seiner hohen Bestimmung wegen, und man muss gestehen, seine Bestimmung hatte wirklich etwas Riesenhaftes. Der Architekt reiste endlich ab, fiel aber schon bei Minsk mit allen seinen Gefährten in die Hände der Kosaken, und hat nun Zeit, recht gründlich über den Plan seines Baues nachzudenken.

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Nachdem der französische Kaiser alle Franzosen, die nicht den Kreuzzug nach Moskau mitgemacht hatten, durch das 29. Bulletin beruhigt, ihnen ein angenehmes Märchen von Sieg und Ruhm und überstandenen Leiden erzählt, und besonders die tiefe Verachtung Europas gegen die Kosaken rege gemacht hatte, reiste er von Molodeczno voraus nach — Paris, vermutlich, weil er weder seinen eigenen Worten noch den Kosaken recht traute. In Oschmiana verweilte er die nächste Nacht, in Gedanken sicher vor jeder Verfolgung des Feindes. Plötzlich dringen Kosaken in das Städtchen und sprengen in die Straße, wo der Kaiser wohnt; auf den ungewohnten Lärm löscht Napoleon sogleich die Lichter aus, die in seinem Zimmer brennen; sein untergehender Glücksstern wirft noch einen letzten Strahl, und die Kosaken reiten dem dunkeln Hause vorüber und fallen in ein anderes erleuchtetes ein, von wo sie sich mit einiger Beute flüchtig, wie sie kamen, entfernen.

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Der Rückzug der Franzosen war, wie man weiß, den Einwohnern Wilnas lange unbekannt geblieben, wenigstens als Rückzug, denn dass die Armee sich gegen Smolensk bewege, um Petersburg näher zu sein, wusste man. Plötzlich hieß es, Napoleon werde in wenigen Stunden eintreffen. Herr von Bignon verfehlte nicht, die Ankunft des Kaisers der Stadt wie eine besondere Gunst anzukündigen, und gab Befehl, seinen Herrn mit dem gewöhnlichen Freudengepränge zu empfangen. Noch war der Magistrat zur Begrüßung nicht geschmückt, noch waren die Fahnen der Gewerke nicht entfaltet, als auf einmal die Nachricht kam, der Kaiser fahre soeben durch die Vorstadt und habe den Weg nach Kowno eingeschlagen; Alles stürzte sogleich der Straße zu, wo der Kaiser gefahren sein sollte, und Niemand wusste so plötzliches Erscheinen und Verschwinden zu deuten; die Verwirrung, der Schrecken war allgemein. Die französischen Behörden sprengten zwar aus, es sei nicht Napoleon, sondern der Herzog von Vicenza gewesen, allein die Täuschung währte nicht lange; es war in der Tat Napoleon gewesen, seine Eskorte hatte in ungefähr 200 Reitern neapolitanischer Garde und polnischer Ulanen bestanden; diese Eskorte konnte ihm jedoch nur bis auf wenige Meilen hinter Wilna folgen; von da aus blieben nur noch einige Offiziere, deren das 29. Bulletin als Mitglieder der heiligen Eskadron erwähnt, um den Kaiser; diese heiligen Überbleibsel setzten sich, da ihre Pferde ermüdeten, auf Bauerschlitten und verloren seitdem den Kaiser aus den Augen.

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Man hat vielfältig dem französischen Kaiser Stolz und Hochmut vorgeworfen, Folgendes beweist wenigstens für Ausnahmen. Den 11. Dezember traf der Kaiser auf seiner geflügelten Rückreise aus Russland in Stawiski, einem Dorfe zwischen Szuczin und Lomza, ein; der Kaiser war ohne alle Begleitung anderer Wagen und also gewiss auf ein strenges Incognito gestellt. Um sein schnelles Fortkommen zu befördern, sprang der Kaiser sogleich selbst aus dem Wagen und ließ sich herab, in eigner Person nach Fuhrwerk zu fragen. Die Umstehenden erkannten ihn und bezeugten ihm die dem Kaiser schuldige Ehrfurcht; der Kaiser ließ sich durch die Erkennung in seinem Geschäft nicht stören, nahm Ehrfurcht und Bewunderung gelegentlich mit, ohne sein leutseliges Betragen zu ändern, und behandelte wiederum in eigner Person einen sich in der Nähe befindenden Schlitten mit zwei Pferden; nach geschlossenem Handel erlaubte der Kaiser einem Juden, sich als Wegweiser neben den Kutscher zu setzen, und so, ging die Reise mit verhängten Zügeln weiter. In Lomza wechselte der französische Kaiser zum ersten mal seit seinen Siegen an der Beresina Wäsche und Kleider, und ließ sie der Stadt zurück zur Schadloshaltung für seine kurze Anwesenheit.

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Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rückzug der Franzosen aus Russland.