Die 200 Meilen des Rheinstromes

Betrachten wir nun den ganzen 200 Meilen langen Lauf des Rheinstromes, so erkennen wir, dass er dreimal hintereinander die normale Tätigkeit eines einfach geregelten Flusses wiederholt.

In den Alpen liegt sein erstes Flussgebiet; dort trägt sein dichtes Wassernetz die Oberflächen der Berge ab in der Form der Denudation; dort erodiert er in den mittleren Strecken seiner Zuflüsse in tiefen, engen Schluchten und in breiten Tälern das hochaufragende Gebirge; dort hat er ein mächtiges Delta gegen den Bodensee vorgeschoben, und dort erstirbt seine Kraft in dem schwäbischen Meer.


Der zweite Lauf des Rheines beginnt mit seinem Austritt aus dem Bodensee: das Quellgebiet dieses mittleren Abschnittes liegt durch Aare, Reuss und Limmat in den Alpen, durch die weiteren Zuflüsse im Schweizer Jura, im Schwarzwald, in den Vogesen und den übrigen Gebirgen seines Mittellaufes. Seine Erosionstätigkeit übt der Rhein in dieser Strecke aus bei seinem Durchbruch durch das Juragebirge 7 von Konstanz bis Basel, und bekundet sie z. B. in dem berühmten Wasserfall bei Schaffhausen und den Stromschnellen bei Laufenburg.
Der Strom endigt hier in der Rheinebene, die sich von Basel bis Mainz erstreckt: nicht ein Flusstal ist diese oberrheinische Tiefebene, selbst der mächtige Rheinstrom hätte niemals eine solche Fläche von 300 km Länge und 30 km Breite aushöhlen können; vielmehr war diese ganze Ebene einst ein Meeresarm, dann ein See, der nun durch die Anschwemmungen des Rheines, durch sein allmählich nach Norden vorgeschobenes Delta völlig ausgefüllt ist.

Zum dritten Male musste der Rhein sein Werk von neuem beginnen und vollenden in dem letzten Abschnitte seines Laufes: von dem Engpasse des Binger Loches an bis hinaus nach Bonn hat sich der Strom durchgesägt durch das ganze Niederrheinische Schiefergebirge: es ist dieser Flusslauf eine echte Erosionsrinne, tief eingeschnitten in die Berge, mit steilen Felsufern, mit starkem Gefälle und mit Stromschnellen, durch welche die kräftigste Arbeit des Flusses in den Quarzitriffen des Binger Loches, bei Bacharach, Kaub, Oberwesel, am Lorley-Felsen und an vielen andern Stellen sich kundgibt.

Das Quellgebiet dieses dritten Rheinlaufes liegt in dem Quellnetz, welches seine hier einmündenden Zuflüsse, die Mosel, die Ahr, die Maas, die Lahn, die Sieg, die Ruhr, über ihre Berge und Gebirge ausspannen.

Am Niederrhein verliert nun auch diese gewaltige Wassermasse ihre fortreißende Kraft: der Rhein hat ungeheure Mengen von Kies, Sand und Schlick in dem alten, diluvialen Delta abgesetzt und aufgetragen, dessen Oberfläche jetzt die niederrheinische Tiefebene in der Kölner Bucht, in den Niederlanden und in einem Teil von Belgien einnimmt. Seine Mündungen in die Nordsee sind jetzt freilich Trichtermündungen, aber nur, weil die Nordseeküste seit der Diluvialzeit immer tiefer absinkt; das relativ steigende Meer hat immer größere Buchten, wie den Zuider See, den Dollart, den Jahdebusen, eingerissen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Rheinstrom und seine Überschwemmungen
Am Rhein 013 Ruine Rheinfels

Am Rhein 013 Ruine Rheinfels

Am Rhein 014 Sternburg und Liebenstein

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Am Rhein 015 Boppart

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Am Rhein 016 Niederlahnstein und die Marzburg

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