Siebzehntes Kapitel - Magnus Troils stattliche Brigg hatte, außer ihrem Eigentümer, dessen liebenswürdiges ...

Magnus Troils stattliche Brigg hatte, außer ihrem Eigentümer, dessen liebenswürdiges Töchterpaar und den munteren Claud Halcro an Bord, der aus Freundschaft, und aus der, seinem poetischen Berufe eigentümlichen Liebe zur Schönheit, sie nach der Hauptstadt von Orkney begleitete, wohin sie Norna, um ihnen die volle Deutung ihrer Orakelsprüche zu geben, beschieden hatte. In knapper Entfernung von dem einsamen Endpunkt, die Fair-Insel genannt, die gleich fern von jeder Inselgruppe in dem Orkney von Shetland scheidenden Gewässer liegt, gelangten sie nach kurzem Aufenthalt durch widrige Winde bis zu dem Vorgebirge von Sanda, wo sie eine starke Strömung ziemlich weit von ihrem Kurs drängte, so daß sie sich genötigt sahen, sich an der Ostseite der Insel Stronsa zu halten und nachts im Papa-Sund beizulegen. Erst am andern Morgen setzten sie die Fahrt unter günstigern Aussichten fort und segelten um das Vorgebirge Lambhead auf Kirkwall zu.

Eben hatte sich ihnen die herrliche Bai zwischen Pomona und Shavinsha eröffnet, und die Schwestern bewunderten die massive Kirche St. Magnus, die sich hoch über die andern Gebäude der Stadt erhob, als Magnus und Claud Halcros Blicke plötzlich von einem Gegenstand angezogen wurden, der größeres Interesse für sie hatte: einer bewaffneten Schaluppe, die mit vollen Segeln den Ankerplatz verlassen hatte und mit vollem Winde herantrieb,


»Ein derbes Ding, bei den Gebeinen meiner Vorfahren!« rief der Udaller, »aber was für ein Landsmann es ist, darüber bin ich mir noch nicht klar, denn er zeigt keine Flagge. Spanische Bauart ist's, wie mich dünkt.«

»Ja, ja,« entgegnete Claud Halcro, »so scheint's; die Schaluppe segelt mit dem Winde, gegen den wir kämpfen müssen; der gewöhnliche Lauf der Dinge!«

Von der Schaluppe fielen, statt daß sie die Flagge gezogen oder angerufen hätten, zwei Schüsse, von denen der eine am Vorderteil des shetländischen Schiffes vorbeistrich, während der andere das große Segel traf. Magnus griff nach dem Sprachrohr und rief die Schaluppe an, wer sie sei, und was solcher Angriff zu bedeuten habe ... Als Antwort kam der ernste Befehl herüber: »Nieder mit dem Bramsegel – und mit Eurem großen Segel zum Mast. – Wer wir sind, sollt Ihr bald erfahren.«

Gehorsam zu weigern, den eine volle Ladung im Nu erzwungen hätte, lag außer dem Bereich der Möglichkeit, und unter banger Furcht der Schwestern und des Sängers, unter Zorn und Staunen hingegen des Udallers, legte die Brigg bei, dem Gebote des Kapers gehorchend. Die Schaluppe setzte ein Boot aus, das mit sechs bewaffneten Männern, Bunce an der Spitze, auf die Prise losruderte. Als sie näher kamen, flüsterte Claud Halcro dem Udaller zu: »Wenn es wahr ist, was man von Bukkaniern gehört, so sehen jene Burschen mit den seidenen Westen und Schärpen ihnen ganz ähnlich.«

»Meine Töchter! Ach, meine Töchter!« jammerte Magnus Troil mit aller Angst, die ein Vater zu empfinden vermag. – »Hinab mit euch, ihr Mädchen und verbergt euch, während ich...«

Er schleuderte sein Sprachrohr fort und griff nach einer Pike, seine Töchter aber, mehr um ihn als um sich besorgt, hingen sich an ihn und flehten, bloß keinen Widerstand zu leisten. Claud Halcro vereinte seine Bitten mit den ihrigen und fügte hinzu: »daß es besser sei, die Bursche mit guten Worten zu besänftigen. Es könnten ja,« meinte er, »Dünkirchner oder sonst eine freche Kriegsbande sein, die sich einen lustigen Tag mache.«

»Nein, nein!« entgegnete Magnus, »die Schaluppe ist's, von der der Hausierer gesprochen ...«

Es blieb ihm nicht Zeit, zu sagen, was er sonst vorhabe, denn schon sprang Bunce, von seinen Leuten gefolgt, an Bord, schlug mit dem Säbel auf die Kajütenleiter und erklärte das Schiff für seine Prise.

»Und mit welchem Rechte haltet Ihr uns auf offener See an?« fragte Magnus.

»Mit dem Recht unserer Pistolen,« entgegnete Bunce, auf seinen Gürtel zeigend – »sucht Euch eine davon aus, alter Herr, und sie wird Euch sogleich unser Recht demonstrieren.«

»Das heißt, Ihr überfallt uns räuberisch,« erwiderte Magnus; »nun, mag es sein; wir haben keine Mittel, es zu verhindern; betragt Euch wenigstens manierlich gegen die Frauen und nehmt von dem Schiffe, was Euch beliebt. – Viel an Wert ist nicht vorhanden, aber wenn Ihr uns gut behandelt, so kann und will ich ihn mehren.«

»Höflich mit den Frauen?« fiel Fletcher ein, der sich unter der Schar befand; »versteht sich! und freundlich dazu – da schau mal her, Jack Bunce, was für ein kleines nettes Ding das ist! Beim Satan! sie soll einen Kreuzzug mit uns machen, mag aus dem Alten werden, was wolle.«

Mit diesen Worten nahm er Brenda bei der einen Hand und schob frech mit der andern die Kappe des Mantels zurück, in den sie sich gehüllt hatte.

»Hilf, Vater! – hilf, Minna!« rief das Mädchen, im Augenblick völlig vergessend, daß beide unfähig waren, ihr Beistand zu leisten, Magnus hob noch einmal die Pike, aber Bunce faßte seine Hand: »Ruhig, Alter!« gebot er, »oder Ihr brockt Euch eine schlechte Suppe ein. – Und Du, Fletcher, laß das Mädchen los!«

»Und warum, beim Teufel, soll ich sie laufen lassen?« fragte Fletcher.

»Weil Du es mit mir zu tun hast, wenn Du Dich weigerst,« antwortete Bunce. »Und nun, ihr schönen Mädchen, sagt mir, ist etwa eine unter euch, die den heidnischen Namen Minna trägt, für den ich eine gewisse Achtung hege? Zieht eure Kappen von den Gesichtern, ihr Schönen; niemand soll euch hier Leid zufügen. – Mein Seel', zwei herrliche Dirnen! – Hört ihr, Mädchen, welche von euch möchte sich wohl in der Hängematte eines Piraten schaukeln?«

Die erschrockenen Schwestern klammerten sich fest aneinander und wurden blaß ob der frechen Worte des Wüstlings.

»Nun, nun, fürchtet euch nicht,« fuhr Bunce fort, »keine soll unter Altamont dienen, wenn nicht aus freier Wahl. Bei uns Glücksrittern gilt kein Zwang. Schaut mich nicht so scheu an, als spräche ich von Dingen, an die ihr früher nie gedacht hättet. Eine von Euch wenigstens kennt Kapitän Cleveland den Piraten!«

Brenda wurde noch bleicher, der armen Minna aber stieg das Blut in die Wangen, als sie den Namen ihres Geliebten so plötzlich nennen hörte.

»Ich sehe, wie die Sachen stehen,« sagte Bunce mit vertraulichem Kopfnicken; »und werde demgemäß steuern. Ihr braucht nichts zu fürchten, Alter!« fuhr er, zu Magnus gewandt, fort, »habe ich mir gleich von manchem hübschen Mädchen schon Tribut zahlen lassen, so sollen die Euren doch ans Land kommen, ohne Kränkung oder Lösegeld.«

»Wenn Ihr mir das versprecht,« sagte Magnus, »so heiße ich Euch zu dieser Brigg und ihrer Ladung ebenso willkommen, als es mir je ein Mann zu einer Bowle Punsch war.«

»Eine Bowle Punsch ist nicht zu verachten,« rief Bunce, »hätten wir hier nur jemand, ihn zu bereiten.«

»Ich will es in dieser Kunst,« rief Claud Halcro, »mit jedem aufnehmen, der Zitronen quetschte – Erik Scambester, den Punschbrauer von Burgh-Westra, allein ausgenommen.«

»Den könnt ihr herumreichen, Mädchen,« sagte der Udaller, »steigt hinab und schickt uns den Alten mit der Punschbowle.«

»Mit der Punschbowle?« wiederholte Fletcher; »mit dem Punscheimer, wollt Ihr sagen. Von Bowlen sprecht in der Kajüte eines armseligen Kauffahrers, nicht aber zu Piraten.«

»Die Mädchen sollen auf dem Verdeck bleiben und mir die Kanne füllen,« sagte Bunce; »solche Dienstleistung soll mir wenigstens für meine Großmut werden.«

»Und auch mir sollen sie den Krug füllen,« sagte Fletcher, »bis an den Rand, und einen Kuß will ich für jeden Tropfen, den sie verschütten.«

»Daraus wird nichts, soviel sage ich Dir,« entgegnete Bunce, »verdammt will ich sein, wenn irgend jemand Minna küssen soll als ein einziger, – aber von uns beiden ist's keiner, und ihre kleine Gefährtin da soll, der Gesellschaft wegen, auch frei mit durchkommen, bereitwillige Dirnen auf Orkney gibt's doch genug' drum meine ich, wird es besser sein, wenn sich die Mädchen in die Kajüte begeben und einriegeln, während wir den Punsch auf Deck trinken al fresco, wie der alte Herr den Vorschlag machte.«

»Hört, Jack,« fiel Fletcher ein, »seit zwei Jahren bin ich nun Euer Kamerad und habe immer zu Euch gehalten! aber Launen habt Ihr doch wie ein Affe. Womit, zum Henker, sollen wir uns die Zeit vertreiben, wenn Ihr die Dirnen wegschickt?«

»Ei, der Punschbrauer,« antwortete Bunce, »soll Toaste ausbringen und Lieder singen. – An die Segel und Taue jetzt, ihr andern! die Brigg umgelegt – und Du, Steuermann hältst sie unter dem Hinterteil der Schaluppe! Versuchst Du es, uns einen Streich zu spielen, Kerl, so spalte ich Dir den Kopf wie einen Kürbis.«

Das Schiff wurde demgemäß umgelegt und strich langsam hinter der Schaluppe her, die, wie man leicht begreifen wird, nicht zurück nach Kirkwall, sondern zu einem durch ein Vorgebirge einige Stunden östlich von Kirkwall gebildeten trefflichen Ankerplätze, Inganeß-Bai genannt, steuerte, wo die Schiffe sicher vor Anker liegen konnten, während die Räuber mit der Stadtobrigkeit neuerdings unterhandelten.

Unterdes hatte Claud Halcro sein möglichstes getan, einen Eimer voll Punsch für die Piraten zu bereiten, den sie aus großen Kannen tranken, die sowohl das gemeine Volk, als auch Bunce und Fletcher, zurzeit die Seeoffiziere, ohne weitere Umstände in den Eimer tauchten, wenn sie wieder gefüllt werden sollten. Magnus war über die Mengen, die diese Desperados von dem Punsche zu sich nahmen, ohne daß es sie irgendwie zu stören schien, dermaßen erstaunt, daß er nicht umhin konnte, seiner Verwunderung darüber gegen Jack Bunce Ausdruck zu geben, der bei aller Verwegenheit und Wildheit doch am bescheidensten von allen zu sein schien.

»Bei den Gebeinen St. Magnus!« rief er, »ich glaubte, bisher auch meine Kanne leeren zu können, wie ein tüchtiger Kerl; gegen euch alle aber komme ich mir vor wie ein Waisenknabe.«

»Doch nun Euer Toast, Freund!« rief Bunce zu Halcro gewandt, »oder vielmehr Euer Lied ohne Toast, – ich habe so meinen eigenen; gut Glück allen Räuberklingen, und Trotz allen ehrlichen Leuten!« »Ich würde, wenn ich es verweigern könnte, solchen Toast um keinen Preis mittrinken,« sagte Magnus Troil.

»Wie? Ihr rechnet Euch wohl gar zu den ehrlichen Leuten,« rief Bunce – »nennt mir Euer Gewerbe, und ich will Euch sagen, was ich davon denke. In Eurem Punschbrauer habe ich auf den ersten Blick einen Schneider erkannt, der also keine Ansprüche darauf hat, als ehrlich zu gelten; Euch aber halte ich für einen holländischen Schiffer, der in Japan das Kreuz mit Füßen tritt und seine Religion für ein Tagelohn verleugnet.«

»Ihr irrt,« antwortete der Udaller, »ich bin ein alter Edelmann aus Shetland.«

»Ei,« rief Bunce, »so seid Ihr aus dem gelobten Lande, wo die Flasche Wacholder nur vier Heller kostet und wo es nimmer Nacht wird.«

»Zu Diensten, Kapitän,« entgegnete der Udaller, die Lust, den gegen sein Vaterland gerichteten Spott zu ahnden, mühsam bekämpfend.

»Zu meinen Diensten!« wiederholte Bunce, »ja, liefe von einem Wrack ein Tau ans Land, da würdet Ihr zu meinen Diensten sein und es kappen, um das Strandrecht geltend zu machen, wenn Ihr mir nicht vielleicht gar den Schädel mit einer Axt einschlüget ... und das nennt Ihr ehrlich? Aber macht nichts, hier gilt mein Toast! – und Ihr, Meister Zwirn, singt mir ein Lied, doch sorgt, daß es an Güte Eurem Punsch gleiche.«

»Mädchen, schön wie Sommerrose,
Lausche meinem Versgekose,«

stimmte Halcro an, zu seinem Genossen Arion flehend, daß er ihm helfe, das Gemüt des Piraten zu besänftigen.

»Ich will weder von Mädchen noch von Rosen hören,« unterbrach ihn Bunee, »denn das erinnert mich an die Ladung, die wir an Bord haben, und ich will, beim Gottseibeiuns! Kameraden und Kapitän treu bleiben, so lange ich es kann, – drum will ich auch heut nicht mehr Punsch trinken – die letzte Kanne stieg mir schon zu Kopf, und ich habe nicht Lust, heute nacht den Cassio zu spielen, – trinke ich aber nicht mehr, so soll auch sonst niemand mehr trinken.«

Mit diesen Worten stieß er den noch halbvollen Punscheimer um, sprang von seinem Sitze auf, schüttelte sich, rückte den Hut aufs Ohr und gab, gravitätisch auf und ab schreitend, durch Worte und Zeichen den Befehl, die Schiffe vor Anker zu legen. Der Udaller besprach sich unterdessen mit Claud Halcro über ihre Lage.

»Die Sache steht schlimm genug,« begann der alte Normann, »das sind heillose Gesellen, aber ich würde sie dennoch nicht fürchten, wäre es nicht der Mädchen wegen. Der junge Luftikus, der das Kommando führt, scheint mir aber kein eingefleischter Teufel zusein.«

»Er hat seltsame Launen,« meinte Claud Halcro, »und ich wollte, wir wären erst wieder aus seinen Händen. Einen Eimer halbvoll des besten Punsches, der je gebraut wurde, umzustoßen und mich in dem besten Liede zu unterbrechen, das je gedichtet wurde; – wahrlich, ich kann mir nicht denken, was er jetzt noch beginnen wird – ein solches Benehmen grenzt ja an Wahnsinn.«

Aber auch Bunce und Fletcher bereiten über die Botschaft, die sie den Philistern zu Kirkwall senden wollten, und sie kamen über den folgenden Wortlaut überein:

»Dem Stadtoberhaupt und der übrigen Obrigkeit von Kirkwall! Da ihr Herren, eurem gegebenen Versprechen entgegen, uns die Geißel nicht gesandt habt, die für die Sicherheit unseres am Lande zurückgebliebenen Kapitäns bürgen sollte, diene euch zur Nachricht, daß wir so nicht mit uns spielen lassen. Wir haben bereits eine Brigg in Besitz genommen, auf der sich als Eigentümer und Passagiere eine vornehme Familie von eurer Insel befindet; und so wie ihr mit unserm Kapitän verfahrt, werden auch wir in allen Hinsichten diese Familie behandeln. Doch soll dies nicht der letzte Tort sein, den wir eurer Stadt und eurem Handel spielen, sofern ihr nicht unverzüglich unsern Kapitän uns an Bord sendet und der Uebereinkunft gemäß uns mit Proviant versorgt.

Gegeben am Bord der Brigg »Die Meergans« von Burgh-Westra, vor Anker in der Inganeßbai, und mit unserer Handschrift unterzeichnet.«

Er unterschrieb Federigo Altamont und reichte den Brief dem Kameraden, der Bunces Unterschrift mühsam entzifferte und, von Bewunderung erfüllt für den wohllautenden Namen darauf schwor, daß er fortan auch einen andern Namen führen wolle, denn Fletcher klinge ganz abscheulich. Er unterschrieb demnach »Timotheus Tugmutton.«

»Wollt Ihr nicht ein paar Zeilen hinzufügen für die Philister?« fragte Bunce, zu Magnus gewandt.

»Nein!« antwortete der Udaller, selbst in so dringender Not unwandelbar in seinen Begriffen von Recht und Unrecht. »Der Stadthauptmann von Kirkwall wird seine Pflicht kennen, und wäre ich an seiner Stelle –« aber die Erinnerung, daß seine Töchter sich in der Gewalt der Räuber befänden, milderte den Trotz in seinen Blicken wie seinen Redefluß.

»Hört, alter Herr,« rief Bunce, leicht begreifend, was in der Seele seines Gefangenen vorging, »Ihr habt da eine Halsstarrigkeit an Euch, für die manch anderer von meinem Gewerbe Euch die Ohren abschnitte und mit Paprika zum Mittagfraße röstete. Aber so grausam mag ich nicht sein. Widerfährt Euch aber oder den Mädchen schlechte Behandlung, so trifft die Schuld die Kirkwaller und nicht mich. Deshalb wär's gescheit von Euch, sie von Eurer Lage und Euren Verhältnissen zu unterrichten.«

Magnus griff nun zur Feder, versuchte auch zu schreiben, aber die Hand versagte ihm den Dienst. »Ich kann's nicht,« rief er, »ich kann keinen Brief zustande bringen, und wenn unser aller Leben davon abhinge.«

Zum Glück war Claud Halcro imstande, das Geschäft zu verrichten, zu dem sein Patron unfähig war. Er nahm die Feder und stellte mit wenigen Worten die Lage dar, in der sie sich befanden.

Bunce überlas das Schreiben, das zum Glück seinen Beifall fand; als er aber den Namen Claud Halcro las, rief er voll Erstaunen: »Wie, Ihr wärt der kleine Kerl, der bei der Truppe des alten Gadabout zu Hogs-Norton die Geige strich? Ist mir doch Eure Redensart vom alten ruhmgekrönten John noch immer im Gedächtnis.«

Augenblicklich erinnerte sich Claud Halcro, den die Entdeckung einer Goldmine nicht mehr beglückt hätte als dieses Wiedererkennen des jungen hoffnungsvollen Schauspielers, der als Don Sebastian in dem Stücke auftrat, worin er als erster (und, wie er hätte beifügen sollen, einziger) Geiger gewirkt hatte.

»Ja, ja,« entgegnete Bunce, »ich hätte mich auf der Bühne wohl auch ausgezeichnet; aber ich war« (hier stampfte er mit dem Fuße auf das Verdeck) »vom Schicksal ersehen, andere Bretter zu betreten... Nun, alter Freund, ich will etwas für Euch tun – kommt her zu mir, ich will Euch solo haben.« – Sie lehnten sich über das Geländer, und Bunce sprach leise, mit mehr Ernst aber als gewöhnlich, zu dem Poeten: »Ich bin besorgt um die alte ehrliche norwegische Tanne, und nicht minder um seine Töchter, vornehmlich um das Schicksal der einen; und wenn ich auch ein wilder Geselle bin bereitwilligen Dirnen gegenüber, so spiele ich doch bei tugendhaften und unschuldigen Geschöpfen gern immer den Scipio in Numantia oder den Alexander im Zelte des Darius«

Er zitierte die Namen mit solcher Salbung, daß Claud Halcro nachgerade fürchtete, er möge dem Punsche zu stark zugesprochen haben – und den Händedruck seines alten Bekannten deshalb nur sentimental erwiderte, ein nicht minder sentimentales »Ach!« dazu hervorstoßend.

»Ihr habt recht, Freund,« fuhr Bunce fort, »das alles sind nur eitle Phantasiegebilde, und dem unglücklichen Altamont bleibt nichts übrig, als einem alten Bekannten jetzt Lebewohl zu sagen. Aber ich will Euch und die beiden Mädchen unter Fletchers Schutz ans Land setzen lassen: also ruft sie, und macht, daß sie fortkommen, eh' bei mir oder einem andern unserer Leute der Teufel an Bord steigt. Ihr selbst sollt dem Stadtoberhaupte mein Schreiben behändigen, seinen Inhalt mit Eurer Beredsamkeit unterstützen und die wohllöbliche Kirkwaller Obrigkeit zu versichern, daß, wenn sie Cleveland auch nur ein Haar krümmen, der Satan los gehen soll.«

Mit stark erleichtertem Herzen stieg Halcro, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Kajütentreppe hinab, und an die Tür klopfend, konnte er vor Freude kaum Worte finden, seinen Auftrag auszurichten. Die Schwestern vernahmen mit unsäglicher Freude, daß sie ans Land gesetzt werden sollten, hüllten sich in ihre Mäntel und eilten, als sie hörten, daß das Boot bereit liege, auf das Verdeck, wo sie nun, aber zu ihrem großen Schrecken, vernahmen, daß ihr Vater in der Gewalt der Piraten an Bord zurückbleiben sollte.

»Wir wollen auf alle Gefahr hin bei ihm aushalten,« sagte Minna, – »wir können ihm doch einigen Beistand leisten, wenn auch nur auf Augenblicke – leben wollen wir und sterben mit ihm,« –

»Wir werden ihm nützlicher sein,« bemerkte Brenda, ihre Lage besser als ihre Schwester begreifend, »wenn wir die Leute in Kirkwall dazu bestimmen, in die Forderungen dieser Herrn zu willigen.«

»Gesprochen wie ein verständiger und schöner Engel,« fiel Bunce ein; »und nun fort mit Euch, denn Gott verdamm mich, das hier ist ein ärgeres Ding als eine brennende Lunte in der Pulverkammer. Sprecht Ihr noch ein einziges Wort, weiß ich mein Seel' nicht, wie ich es anfangen soll, Euch fortzulassen.«

»Geht in Gottes Namen, meine Töchter,« tröstete Magnus, »ich stehe in Gottes Hand, und wenn ich nur euch in Sicherheit weiß, werde ich meiner selbst wegen nur wenig besorgt sein. – So lange ich aber lebe und denken kann, werde ich sagen, der Herr da sei eines besseren Gewerbes wert! Geht nun, geht, macht, daß ihr fortkommt.«

»Haltet euch nicht lange mit Küssen auf,« rief Bunce, »sonst mochte ich auch meinen Teil fordern. Hinein ins Boot mit euch – doch halt, noch einen Augenblick.« Er zog die drei Gefangenen beiseite – »Welcher wird für die übrigen einstehen; wer aber bürgt uns für ihn? wahrlich ich weiß kein anderes Mittel, als Herrn Halcro hier diese kleine Sicherheitsmaßregel anzuvertrauen.« Damit reichte er dem Poeten ein kleines doppelläufiges Pistol hin, das, wie er sagte, mit zwei Kugeln geladen sei: Minna bemerkte, wie Halcros Hand zitterte. »Mir gebt sie, Herr!« rief sie, die Hand nach der Waffe ausstreckend, »überlaßt es mir, mich und meine Schwester zu verteidigen.«

»Bravo, bravo!« jubelte Bunce, »das ist eine Dirne, wert Clevelands, des Königs der Räuber!«

»Cleveland!« wiederholte Minna, »kennt Ihr denn Cleveland, dessen Namen Ihr schon zweimal nanntet?«

»Ob ich ihn kenne?« fragte Bunce; »lebt wohl ein Mensch, der den rüstigsten Seemann, der je das Verdeck betrat, besser kennte als ich? Wenn er erst wieder frei sein wird, so hoffe ich Euch bald am Bord als die Königin aller Meere zu sehen, die wir durchschneiden werden. – Ohne Zweifel versteht Ihr den kleinen Sicherheitsbürgen zu gebrauchen? Beträgt sich welcher schlecht gegen Euch, dann zieht mit dem Daumen das kleine eiserne Ding da auf, so! – und läßt er trotzdem nicht ab, so braucht Ihr nur mit Eurem hübschen Zeigefinger so zu machen, ... und ich bin um einen meiner besten Gefährten ärmer; aber er verdient auch, beim Teufel! den Tod, wenn er meinen Befehlen nicht Gehorsam leistet. Und nun ins Boot – doch halt, einen Kuß um Clevelands willen!«

Brenda ertrug diese Galanterie mit Todesangst; aber Minna trat mit stolzem Blick zurück und reichte ihm die Hand. Bunce lachte, drückte mit theatralischem Anstände einen Kuß darauf . , . und nun gelangten die Schwestern hinter Halcro her endlich in das Boot, das unter Fletchers Kommando mit ihnen davon ruderte.

Bunce sah ihnen eine Weile schweigend nach, sich an dem Gedanken werdend, daß es doch recht gut sei, auch einmal eine gute Tat ausgeübt zu haben, wäre es auch nur der Seltenheit wegen. Dann, sich zu Magnus wendend, fuhr er fort: »Meiner Sixen, schmücke Dinger sind's, Eure Töchter; die älteste machte selbst auf den Londoner Brettern ihr Glück! Mit welcher Verve sie das Pistol erfaßte! – und dann wieder das andere kleine, scheue, zitternde Wesen! fürwahr, ein treffliches Schauspiel hätten die beiden, Claud Halcro und ich, aufführen können ... ein Tor, daß ich nicht früher daran dachte!«

Inzwischen verfolgte der Udaller, der Worte des Seeräubers nicht achtend, mit dem Fernrohr die Fahrt seiner Töchter zum Strande. Er sah sie landen und, von Halcro und einem andern Manne (vermutlich Fletcher) begleitet, die Höhe hinan die Straße nach Kirkwall einschlagen, ja er bemerkte sogar, daß Minna, die sich ohne Zweifel als Beschützerin ihrer Schwester betrachtete, von den andern sich ein Stück entfernt hielt, vermutlich um ihr wachsames Auge überall zu haben. Endlich, als der Udaller sie schon langsam aus dem Gesichte verlor, nahm er noch zu seiner Freude wahr, wie der Pirat sie nach kurzem Abschiede verließ und langsam zum Strande zurückkehrte. Der Vorsehung hierfür dankend, ergab sich der würdige Udaller demütig in sein Schicksal.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Pirat. Band 2