Siebzehntes Kapitel - Gewöhnlich mangelt dem Morgen nach einer Festlichkeit, wie wir sie soeben beschrieben haben, ...

Siebzehntes Kapitel.

Gewöhnlich mangelt dem Morgen nach einer Festlichkeit, wie wir sie soeben beschrieben haben, etwas von der Würze, die den Jubel des verwichenen Abschieds erhöhte. In den sogenannten feinen Zirkeln werden diese langsam hinschleichenden Momente von den Gästen gemeinhin auf ihren Zimmern verlebt. Daß auf Burgh-Westra keine solche Verkehrspause stattfand; daß vielmehr schon drei Stunden, nachdem man auseinandergegangen war, die Mädchen mit ihren etwas bleichern Wangen, der ältere Teil der weiblichen Gesellschaft aber gähnend und sich die Augen reibend, aufgefordert wurden, sich wieder in den Kreis der Manner zu mischen, die sämtlich etwas wie einen Brummschädel sich geholt hatten, wird man uns wohl ohne besondere Versicherung glauben.


Erik Scambester hatte alles getan, was nur ein Mann tun konnte, die Langeweile des Morgenmahls zu verscheuchen. Die Tafel seufzte fast unter der Last des nach shetländischer Weise zubereiteten Rauchfleisches, – zu dem sich Pasteten und allerhand Gebackenes, desgleichen Fische, auf jede erdenkliche Art zugerichtet, gesellten; ja selbst an ausländischen Delikatessen, wie Tee, Kaffee, Schokolade fehlte es nicht; denn durch ihre Lage waren die Inseln, wie wir bereits anderswo erwähnten, frühzeitig mit allerhand fremden Luxusartikeln bekannt geworden, von denen man damals kaum in Schottland etwas wußte. Auch an allerhand geistigen Getränken herrschte kein Mangel: Da war der starke irländische Usquebaugh, der echte Nautz, veritabler Schiedam, Aquavit von Chaitneß und Goldwasser von Danzig; Rum von ehrwürdigem Alter, nebst Herzstärkungen von den westindischen Inseln, des selbstgebrauten Ale, der deutschen Mumme und des Braunbiers gar nicht zu erwähnen.

Daß aber der Anblick all dieser guten Dinge den Appetit der ermüdeten Gäste reizte und ihren Geist auffrischte, wird kaum als Wunder gelten.

Die jungen Männer begannen sogleich ihre Gefährtinnen vom vorigen Abend aufzusuchen und die leichte Unterhaltung wieder aufzunehmen, bei welcher die Nacht so schnell geschwunden war; während Magnus von seinen rüstigen alten norwegischen Verwandten unterstützt, den ältern und ernstern Teil der Gäste durch Wort und Beispiel aufforderte, mit all den guten Dingen, die vor ihnen die Tafel füllten, gehörig aufzuräumen und selbst mit dem besten Beispiel voranging. Aber trotz allem blieb bis zum Mittagessen noch eine große Zeitspanne, denn selbst das längste Frühstück kann doch nicht gut länger als eine Stunde währen, und es war zu befürchten, daß Claud Halcro bemüht sein möchte, die Leere des Vormittags mit einem poetischen Vortrage auszufüllen. Der Zufall befreite jedoch die Gäste von Burgh-Westra von dieser drohenden Gefahr, indem er ihnen einen Stoff zu ihrer Unterhaltung sandte, völlig für ihren Geschmack und ihre Sitten geeignet. Mit Eilschritten nämlich und funkelnden Augen schien jetzt Erik Scambester, mit einer Harpune in der Hand, und verkündete der Gesellschaft, daß ein Walfisch am Ufer sei. Allgemeiner Jubel erschallte, und im Nu waren die mutigen Söhne von Thule auf den Beinen, dem Ungeheuer, das ihnen die See zu so gelegner Zeit Zur Unterhaltung gesandt hatte, »den Wind abzufangen.«

Die zahlreichen Vorratskammern von Burgh-Westra wurden eilig nach Harpunen, Säbeln, Piken und Hellebarden durchwühlt; andere mußten sich mit Heugabeln, Spießen oder was sonst an spitzen und scharfen Dingen vorhanden war, begnügen. So in aller Schnelligkeit bewaffnet, eilte eine Schar unter dem Befehl des Kapitäns Cleveland, die in dem kleinen Hafen liegenden Boote zu bemannen, während die übrigen zu Lande nach dem Kriegsschauplatz strömten.

Triptolemus wurde hierdurch in einem Angriffsplane unterbrochen, den auch er auf die Geduld der Shetländer entworfen hatte, und der in einer Vorlesung über Ackerbau und die Bodenbeschaffenheit der Inseln bestehen sollte: daß er nur sehr geringen Anteil an der Lustbarkeit nahm, die seinen gelehrten Vortrag so plötzlich störte, wird man sich denken können, und er hätte sich selbst nicht einmal dazu verstanden, dem Vorgänge zuzuschauen, wäre er nicht dazu von seiner Schwester Baby angetrieben worden.

»Ei, so troll Dich doch, Faulpelz!« rief die alle Vorteile berechnende Person, – »wer weiß, ob das Fett nicht frisch ganz gut schmeckt, und ob man so nicht die Butter sparen kann?«

Ob die Aussicht, frischen Walfischtran statt Butter zu genießen, den Eifer des gelehrten Triptolemus spornte, wissen wir nicht; da es nun aber einmal nicht anders sein konnte, schwang er seine ländliche Waffe und schritt dem Ufer zu, um auch an dem Kampfe mit dem Walfische teilzunehmen.

Die Lage, in die sein Mißgeschick den ungetümen Herrn gebracht, war für das Unternehmen der Inselbewohner vorzüglich günstig. Eine Flut von ungewöhnlicher Höhe hatte den Wal über eine breite Sandbank in die Bucht getragen, in der er jetzt lag. So wie das Wasser flacher zu werden begann, hatte er allerhand verzweiflungsvolle Experimente gemacht, über die seichte Stelle hinweg tieferes Wasser zu gewinnen; aber seine Lage war durch dieses Bemühen eher schlimmer als besser geworden. In diesem Augenblick nahte sich ihm der Feind. Die ersten Glieder bestanden aus den jungen, kühnen, auf mannigfaltige Weise bewaffneten Männern, während, ihren kühnen Mut anzuspornen, die jungen Mädchen und ältern Personen beider Geschlechter ihre Plätze zwischen den Felsen nahmen, die über den »Kriegsschauplatz« hinaushingen.

Da die Boote ein kleines Vorgebirge zu umschiffen hatten, bevor sie an die Mündung der Bucht herankommen konnten, lag denen, die zu Lande marschierten, die Aufgabe ob, Stärke und Lage des Feindes, dem man zugleich zur See und zu Lande an den Leib gehen wollte, zu rekognoszieren.

Dieses Amt wollte der mutige, erfahrene General keinem andern überlassen; auch machten ihn äußere Erscheinung und Klugheit zu diesem Ehrenposten vorzüglich geeignet. Statt des goldumtreßten Hutes trug er jetzt eine Mütze von Bärenfell, den blauen Rock, mit rotem Futter und Borden und Troddeln besetzt, hatte er mit einem Wams aus rotem Flanell, an dem sich Knöpfe von schwarzem Horn befanden, vertauscht; darüber trug er eine Art Hemd aus Seehundsfellen, wie sie bei den Eskimos, und zuweilen auch bei den grönländischen Walfischjägern gebräuchlich sind. Wasserstiefel von gewaltigem Umfange vollendeten seinen Anzug; ein mächtiges Walfischmesser schwang er in der Hand, und doch mußte er sich bei näherer Untersuchung sagen, daß die Jagd, zu der er seine Freunde geführt, in so großem Einklange sie auch mit dem Umfange seiner Gastfreiheit stehen mochte, dennoch leicht von besonderen Gefahren und Schwierigkeiten begleitet sein könne.

Das Tier, mehr als sechzig Fuß lang, hatte sich in eine Vertiefung der Bucht hineingewälzt, worin es die Rückkehr der Flut abzuwarten schien, die ihm wahrscheinlich sein Instinkt verbürgte. Erfahrene Haupunierer hielten einen Kriegsrat, worin beschlossen wurde, ihm ein Tau um den Schwanz zu befestigen, wodurch man hoffen durfte, seine Flucht, wenn die Flut eher wiederkehren sollte, als man mit ihm fertig geworden, zu verhindern. Drei Boote wurden zu diesem nicht eben leichten Stück Arbeit bestimmt; eins wollte der alte Udallar selbst befehligen, während Cleveland und Mertoun die beiden andern führen sollten. Alles eilte nun zum Strande, die Ankunft der Boote erwartend. Während dieser Pause hatte Triptolemus Yellowley den ungeheuren Umfang des Walfischs mit scharfem Auge taxiert ... Nach seiner Meinung, sagte er, könnte kein Gespann von sechs oder wenn man die kleinen Tiere dieser Insel nähme, von sechzig Ochsen solche gewaltige Masse ans Ufer ziehen.

So unbedeutend wie diese Betrachtung an sich erscheinen mag, lag doch etwas darin, was das Blut des alten Udallars in Bewegung setzte. Er warf einen jähzornigen Blick auf Triptolemus und fragte: »Was zum Teufel kommt's drauf an, und wenn hundert Ochsen das Tier nicht ans Land schaffen könnten?«

Herrn Yellowley gefiel freilich der Ton nicht, in welchem die Frage gestellt wurde; dennoch meinte er, es seiner Würde und seinem Nutzen schuldig zu sein, die folgende Antwort darauf zu geben: – »Ei, wißt Ihr doch ebensogut wie ich selbst, Herr Magnus Troil, und wie jedermann, der auch nur das Geringste von solchen Dingen versteht, daß ein Wal, den man mit sechs Ochsen nicht ans Land ziehen kann, ein Eigentum des Admirals wird? und daß diese Würde sich eben jetzt in den Händen jenes edlen Lords befindet, der auch zugleich Lord-Kämmerer dieser Inseln ist, dürftet Ihr wohl ebensogut wissen wie ich!«

»Und ich sage Euch, Herr Triptolemus Yellowley!« erwiderte der Udallar, – »wie ich es Eurem Herrn sagen würde, wenn er zur Stelle wäre, – daß jedermann, der sein Leben wagt, den Fisch ans Ufer zu bringen, gleichen Anteil bei der Teilung haben soll, wie es unsere alten und löblichen norwegischen Gebräuche wollen; ja selbst, wenn nur ein Weib das Tau berührt, soll es teil daran haben, und was mehr ist, ihr ungebornes Kind, wenn sie anders sich zu einem solchen bekennt.«

Dieser strenge Grundsatz von Unparteilichkeit verursachte unter den Männern ein lautes Gelächter, unter den Weibern leichte Verlegenheit. Der Verwalter hielt es aber unvereinbar mit seiner Würde, sich sogleich gefangen zu geben ...» Suum cuique tribuito, ich muß auf Mylords und meine eigenen Rechte sehen,« sagte er.

»So, müßt Ihr das?« entgegnete Magnus. »Nun denn, bei den Gebeinen des Märtyrers, hier soll kein anderes Teilungsgesetz gelten als das von Gott und St.Olav eingesetzte, das hier herrschte, lange bevor wir von Admiral, Kämmerer oder dergleichen zu hören bekamen. Jedermann soll teil haben, der Hand anlegt, sonst niemand! – Also auch Ihr, Herr Verwalter, sollt arbeiten wie andre, und Euch glücklich schätzen, mit den andern zu teilen . . . Hinein ins Boot mit Euch!« (denn die bemannten Boote hatten jetzt das Vorgebirge umschifft) – »und ihr, junge Burschen da vorn, macht Platz für den Verwalter, – er soll, beim Himmel, den ersten Speerwurf tun!«

Die laute gebieterische Stimme des alten Udallars litt keinen Widerspruch, und Triptolemus, obgleich ihm die Geschichte so jählings auf den Hals kam, sah ein, daß er sich werde fügen müssen; noch immer aber versuchte er mit einer Stimme, aus der man den durch Furcht gedämpften Verdruß heraushörte, die Sache ins Lächerliche zu ziehen, als ihm die Schwester ins Ohr tuschelte: – »Wie? Du willst den Anteil fahren lassen, da der lange shetländische Winter vor der Tür ist, wo der hellste Tag im Dezember nicht so klar ist als eine mondlose Nacht in den Mearns?«

Diese wirtschaftliche Weisheit, im Verein mit der Scheu vor der Gefahr, sich ins Licht eines Feiglings zu setzen, brachte den Ackerbauer in Hitze, so daß er seine Mistgabel schwang und mit einem Satze ins Boot sprang, an Neptun mit dem Dreizack erinnernd.

Die drei zu diesem gefährlichen Dienst bestimmten Boote, nahten sich jetzt der schwarzen Masse, die sich ohne jedes Lebenszeichen wie eine kleine Insel in einer Vertiefung der Bucht emporhob. Schweigend und mit aller Vorsicht, die das gefährliche Abenteuer forderte, gelang es den mutigen Jägern nach ein paar mißlungenen Versuchen, das Kabeltau um den Körper des noch immer betäubt scheinenden Ungeheuers zu schlingen und die Enden ans Ufer zu schaffen, wo hundert Hände bereit waren, dieselben in Sicherheit zu bringen. Aber noch ehe diese Arbeit vollbracht war, begann die Flut zu steigen, und der Udallar rief: »Ans Werk, ans Werk! sonst macht die Wassertiefe den Wal flott und führt ihn in offene See – der Verwalter soll die Ehre des ersten Wurfes haben.«

Der tapfere Triptolemus, dem die Geduld, mit der sich der Wal das Tau um den Schweif werfen ließ, keine sonderlich große Meinung von seiner Stärke und Gefährlichkeit beigebracht, erlaubte sich die Rede, »der Wicht besitze nicht mehr Griebs und wohl auch nicht mehr Behendigkeit als eine schwarze Ackerschnecke,« und meinte auf gar kein ferneres Angriffssignal warten zu sollen, sondern schleuderte seine Mistgabel mit aller Kraft nach dem unglücklichen Tier, von dem sich die Boote noch nicht so weit entfernt hatten, als zu ihrer Sicherheit nötig war.

Magnus Troil, der nur mit dem Verwalter gescherzt, aber die Absicht hatte, den ersten Wurf einer geschickten Hand anzuvertrauen, hatte kaum Zeit zu rufen: »Rührt euch, Jungens, oder wir werden alle fortgespült!« als das Ungeheuer, von dem Wurfe des Verwalters aus seiner Untätigkeit aufgejagt, mit einem Getöse ähnlich dem Geräusch einer Dampfmaschine einen gewaltigen Wasserstrom in die Luft blies und die Wellen mit seinem Schwanze zu peitschen begann. Das Boot, worin Magnus saß, wurde von einem Regenschauer von Seewasser überschüttet, und Triptolemus, der seinen vollen Anteil davon bekam, wurde von den Folgen seiner Heldentat so in Staunen und Schrecken versetzt, daß er rücklings unter die Füße der Bootsmannschaft purzelte. Mehrere Minuten lag er unter den Füßen seiner Gefährten, bis diese endlich ihre Ruder beilegten, um das Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Hierauf gebot er ihnen, ans Land zu steuern und den unbedachten Menschen, der die ganze Jagd in solche zweifelhafte Bedingungen gestürzt, ans Land zu setzen.

Unterdes hatten die andern Boote sich in sichere Position gebracht, und von dort, so wie vom Lande aus, wurden nun auf den ungetümen Bewohner der Tiefe Wurfpfeile, Harpunen und Speere geschleudert, Gewehre abgeschossen und alle möglichen Mittel gebraucht, seine Kräfte in fruchtloser Wut zu erschöpfen. Sobald das Tier merkte, daß es von Untiefen eingeschlossen und das um seinen Körper geschlungene Tau ihn in seinen Bewegungen hemmte, sandte es Ströme über Ströme in die Luft, die aber bereits mit Blut gemischt waren und die Wellen hochrot zu färben begannen. Unterdes verdoppelten die Leute ihre Anstrengungen, dem in seiner Todesangst furchtbaren Ungetüme die tiefste Wunde beizubringen.

Der Kampf schien seinem Ende zu nahen; wohl machte das Tier noch wütende Versuche, sich zu befreien; doch seine Kräfte schienen schon so erschöpft, daß man hoffen durfte, es in Besitz zu bringen, da es auch mit Wahrnehmung der schon bedeutend gestiegenen Flut nicht mehr werde entkommen können. Magnus Troil gab nun das Signal, dem Walfisch zu Leibe zu gehen ... »Drauf nun, ihr Jungens,« rief er, »er ist schon zahm. – Und Ihr, Herr Verwalter, schaut Euch nach dem Wintervorrat für Eure Lampen in Hafra um! – Dichter heran, Bursche!«

Aber schon waren die beiden ersten Boote seinem Willen zuvorgekommen; und Mordaunt, von dem Verlangen beseelt, Cleveland zu übertreffen, hatte mit Aufwand aller Kraft einen Speer in den Körper des Wales gebohrt. Dieser aber, gleich einer Nation, deren Quellen durch allerhand Unglück erschöpft zu sein scheinen, raffte alle ihm übrige Kraft zu einer einzigen furchtbaren Anstrengung zusammen, sandte noch einen starken, mit Blut vermischten Strom in die Luft, sprengte das dicke Tau, das seinen Körper umschlungen hielt, wie einen Faden, warf mit einem Schlage seines Schweifes Mordaunts Boot um, schoß über die von der Flut nun hochbedeckte Sandbank und gewann, mit einem ganzen Walde von Speeren und Harpunen, eine blutige Spur hinter sich ziehend, die hohe See.

»Da geht Euer Oelkrug hin, Yellowley,« rief Magnus; »Ihr müßt nun Hammeltalg brennen oder im Dunkeln zu Bett gehen.«

»Aber wo ist denn Mordaunt?« fragte Halcro mit lauter Stimme; und alsbald sah man, daß der Jüngling, von dem umschlagenden Boote betäubt, nicht wie seine Gefährten das Ufer erreicht hatte, sondern bewegungslos in den Wellen trieb.

Wir haben des seltsamen, unmenschlichen Vorurteils schon Erwähnung getan, das die Shetländer abhielt, Menschen, die sich in Gefahr des Ertrinkens befanden, Beistand zu leisten. Drei Männer waren jedoch über diesen Aberglauben erhaben: Claud Halcro, der sich sogleich von einer niedrigen Klippe hinab in die Wellen stürzte, ohne – wie er späterhin versicherte – daran zu denken, daß er des Schwimmens unkundig sei, und der sich, als ihm dies einfiel, sogleich bemühte, die Klippe wiederzugewinnen, von der er herabgesprungen war, und herzlich froh war, nach einem einzigen Tauchversuch wieder auf trockenem Lande zu sein; – Magnus Troil, aus dessen redlichem Gemüt, als er die Gefahr des Jünglings bemerkte, aller Groll im Nu wich und der sich ebenfalls ins Wasser stürzen wollte, aber von Erich Scambester zurückgehalten wurde...

»Halt, Herr! – halt!« rief der treue Diener, »da hat ihn Kapitän Cleveland beim Kragen; laßt die beiden Fremden sich nur einander helfen, und wartet ruhig das Ende ab! Das Licht dieses Landes soll nicht in Gefahr kommen, für seinesgleichen zu verlöschen. Halt, Herr! sage ich, die See ist keine Punschbowle, aus der man einen Menschen, wie ein Stück geröstetes Brot, mit einem Löffel herausfischen kann.«

Diese Warnung wäre aber bei Magnus vergeblich gewesen, hätte er nicht bemerkt, daß Cleveland tatsächlich aus dem Boote gesprungen war und Mordaunt schon über Wasser hielt. Aber sowie die Gefahr vorüber war, erstarb auch des ehrlichen Udallars Trieb, Hilfe zu leisten; und sich der wirklichen oder vermeintlichen Ursache seiner Kälte gegen Mordaunt wieder erinnernd, machte er sich von seinem Kellermeister los, wandte sich unmutig von dem Ufer und schalt Erik einen alten Narren, daß er glauben könne, es läge ihm was daran, ob der junge Bursche niedersinke oder nicht.

Trotz dieser scheinbaren Gleichgültigkeit aber konnte Magnus doch nicht umhin, einen Blick über die Köpfe des Kreises zu werfen, der sich um Mordaunt, als er ans Ufer gebracht wurde, bildete, emsig bemüht, ihn wieder ins Leben zu rufen; und nicht eher vermochte er den Schein völliger Sorglosigkeit anzunehmen, als bis der Jüngling sich langsam wieder aufrichtete. Nun erst, nachdem er noch diejenigen, die dem Jüngling ein Glas Branntwein gereicht, ausgescholten hatte, schritt er mürrisch von dannen, als sei ihm das Schicksal desselben völlig gleichgültig.

Die Weiber, die wie immer bemüht waren, ihren Empfindungen Luft zu machen, aber auch diejenigen ihrer Genossinnen zu kontrollieren, sahen recht gut, daß Minna Troil bleich war wie der Tod und hörten recht gut, daß Brenda lautes Schreckensgeschrei ausstieß; aber wenn auch mancherlei Winke und Anspielungen fielen, daß alte Freunde nicht so leicht vergessen werden könnten, so herrschte doch allgemein die Meinung unter ihnen, daß weniger als solche Beweise von Teilnahme nicht zu erwarten gewesen seien angesichts der Lebensgefahr, in der sich der Gespiele ihrer Jugend befunden.

Aber auch ihre Teilnahme ließ nach, als sich Mordaunt zu erholen begann und sein Bewußtsein völlig wiedergewonnen hatte, so daß er, als er die Augen aufschlug, bloß Claud Halcro und ein paar andere Mitglieder der Gesellschaft um sich sah. Zehn Schritte von ihm stand Cleveland, Haar und Kleider durchnäßt, mit einem so seltsamen Ausdruck im Gesichte, daß Mordaunts Aufmerksamkeit auf der Stelle rege wurde. Sein Mund verzog sich zu einem unterdrückten Lächeln, und in seinen Augen lag ein stolzer Blick, der zugleich Freude über die Befreiung von einer drückenden Last und ein Gemisch von gesättigtem Haß zu verkünden schien. Claud Halcro unterließ nicht, Mordaunt zu sagen, daß er Cleveland sein Leben verdanke; worauf der Jüngling, alle andern Gefühle erstickend, aufsprang, auf seinen Retter zueilte und als Beweis seiner wärmsten Erkenntlichkeit die Hand ihm entgegenstreckte. Aber erstaunt blieb er stehen, als Cleveland, ein paar Schritte zurücktretend, die Arme übereinanderschlug und ihm seine Hand weigerte. Auch Mordaunt trat jetzt zurück und sah voll Verwunderung auf dieses unziemliche Benehmen und auf die fast beleidigenden Blicke, mit denen der Seemann, der bisher eher eine freimütige Herzlichkeit oder doch wenigstens ein offenes Wesen gezeigt hatte, jetzt, nachdem er ihm einen so wichtigen Dienst leistete, seinen Dank abweisen zu wollen schien.

»Es ist genug,« sagte Cleveland, Mordaunts Ueberraschung gewahrend, »und unnötig wäre es, mehr davon zu reden. Ich habe meine Schuld zurückgezahlt. Wir sind nun quitt.«

»Wir sind nicht quitt, Kapitän,« antwortete Mertoun, »Sie haben Ihr Leben gewagt, um das für mich zu tun, was ich für sie ohne Gefahr unternahm; außerdem«, fuhr er fort, gleichsam in der Absicht, dem Gespräch eine lustigere Wendung zu geben, »habe ich ja Ihre Jagdflinte schon bekommen.«

»Der Feigherzige nur,« antwortete Cleveland, »bringt Gefahr in Anschlag. Mir war sie eine stete Begleiterin im Leben, und oft ist sie mit mir auf schlimmerer Fahrt gewesen; – Gewehre hab ich überdies genug; und wenn Sie wollen, so können Sie sich leicht darüber belehren, wer sie am besten zu gebrauchen versteht!«

In seinem Tone lag etwas, was Murdaunt ungemein auffiel: die Vorbedeutung des Bösen, wie Hamlet sagt. Cleveland nahm sein Erstaunen wahr, trat dicht zu ihm heran und sagte, doch mit leiserer Stimme:

»Auf Deiner Hut, junger Mann! Bei uns Glücksrittern herrscht, wenn wir ein und dasselbe Wild verfolgen und einer dem andern den Wind wegnimmt, der Brauch, sechzig Schritte am Ufer hinzugehen mit einem Paar gezogener Läufe, die immer auf und dabei sind, Streit zu schlichten.«

»Ich verstehe Sie nicht, Kapitän Cleveland,« sagte Mordaunt.

»Das glaube ich gern,« antwortete der Kapitän, indem er ihm mit einem fast spöttischen Lächeln den Rücken kehrte. Mordaunt sah, wie er sich unter die übrigen Gäste mischte, und gleich darauf an Minnas Seite war, die ihm mit heißem Blick für seine mutige Tat zu danken schien, trat. »Wäre es nicht um Brendas willen,« dachte Mordaunt, »so möchte ich fast wünschen, er hätte mich in den Wellen gelassen; denn niemand scheint sich viel darum zu kümmern, ob ich lebe oder tot bin. – Zwei Gewehre sechzig Schritt am Ufer entlang, – wäre es so gemeint? Nun, er soll mich bereit finden, aber nicht an dem Tage, an dem er mein Leben mit Gefahr seines eigenen rettete.«

Während er so dastand und sann, flüsterte Scambester dem Poeten ins Ohr: »Wenn die Burschen einander kein Leid zufügen, gibt es keinen alten Glauben mehr. Mordaunt zog Cleveland aus der Flut, – nun ja! – Cleveland hat zum Dank dafür den ganzen Sonnenschein von Burgh-Westra auf sich gezogen; und denkt einmal, was das heißt, die Gunst in einem Hause zu verlieren, wo der Punschkessel nimmer kalt wird! – Nun aber, da Cleveland wiederum ein solcher Narr war, den Mordaunt aus den Wellen zu ziehen, gebt acht, ob er ihm nicht kleine Schillochs für Stockfisch verkaufen wird ... Na, schaden kann's ihm nicht!«

»Und warum,« fragte Halcro, »wünscht Ihr dem guten, jungen Manne Böses, der fünfzigmal mehr wert ist als der andere?«

»Jeder hat seine Meinung,« erwiderte Erik; »Mordaunt trinkt bloßes Wasser, wie sein Haifisch von Vater; Cleveland aber greift nach seinem Glase wie ein ordentlicher Kerl!«

»Recht geschlossen, nach Deiner Weise,« sagte Halcro, und die Unterredung abbrechend, schritt er dem Herrenhause von Burgh-Westra zu, wohin auch die sämtlichen Gäste jetzt zurückkehrten, die lebhaft diskutierten über die verschiedenen Zufälle der Walfischjagd, denn der Unmut darüber, daß das Tier dennoch ihren Angriffen entgangen, war begreiflicherweise sehr lebhaft.

»Hoffentlich,« sagte Magnus, »erfährt Kapitän Donderdrecht von Rotterdam nie etwas von dieser Geschichte, sonst würde er Donner und Blitz darauf schwören, daß wir nur Flundern zu fischen verstehen.«

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Pirat. Band 1