Elftes Kapitel - Der festliche Tag nahte, und noch immer war keine Einladung nach Burgh-Westra gekommen ...

Elftes Kapitel.

Der festliche Tag nahte, und noch immer war keine Einladung nach Burgh-Westra gekommen für denjenigen Gast, ohne den noch vor kurzer Zeit auf der Insel kein Fest hätte begangen werden können. Dagegen war überall von nichts anderm die Rede als von dem Gerücht, daß Kapitän Cleveland bei den Leuten von Burgh-Westra in höchste Gunst gelangt sei: ein Wandel, über den die alte Haushälterin mit dem alten Ranzelmann den Kopf um die Wette schüttelte. Sie sowohl als er gaben Mordaunt durch Winke und Fingerzeige zu verstehen, daß er an diesem Wandel ganz allein schuld trage, da er nicht nötig gehabt hätte, den Fremdling auf Gefahr des eignen Lebens von der Klippe zu retten, von der ihn die nächste Flut doch weggespült hätte ...


»Es hat noch niemand Segen gebracht,« sagte Swertha, »dem Meere wider Willen zu sein; aber,« wandte sie sich an den Ranzelmann, »was sagt Ihr zu dem Kerl, dem Cleveland, der unserm Mordaunt so im Lichte steht? und zu Magnus Troil, der unserm Mordaunt noch am letzten Pfingsttage für die Zierde von Shetland erklärte?«

»Es kann ihm nicht von Vorteil sein, dieser Unbestand,« meinte der Ranzelmann mit weiser Miene; »es kommt mir aber vor, Swertha, daß auch die Klügsten – (und dazu rechne ich mich doch auch) – wie richtige Strohköpfe handeln und Sachen machen, ganz ebenso unnütz und überflüssig, als wenn ich versuchen wollte, über die Spitze vom Sumbourgh zu klettern. Es ist mir selbst im Leben ein paarmal so gegangen – aber was dabei herauskommt, werden wir bald sehen – was Gutes, wie gesagt, wird's schwerlich sein.«

»Nein, nein, was Gutes kann's nicht sein – da habt Ihr recht.«

Diese schlimmen Weissagungen, die sich von Zeit zu Zeit mit ziemlicher Regelmäßigkeit wiederholten, blieben auf Mordaunt nicht ohne Einfluß. Wenn er auch nicht meinte, daß die unliebsame Situation, in der er sich jetzt befand, seinem Liebeswerke unbedingt hätte folgen müssen, so war es ihm doch zu Mute, als ob ein Zauber von ungekannter Art und Macht auf ihm laste, als ob eine Gewalt, der er nicht gebieten könne, auf sein Schicksal in herber Weise einwirke. Trotzdem stand sein Entschluß, zum Johanis-Abend nach Burgh-Westra zu wandern, um so fester, als er die Ueberzeugung hatte, daß sich dort etwas Ungewöhnliches, mit seinen künftigen Aussichten und Lebensplänen in unmittelbarem Zusammenhange Stehendes ereignen müsse.

Da es sich aber traf, daß sein Vater zurzeit von seinen trüben Stimmungen verschont war, mußte Mordaunt ihn von dem Gange, den er nach Burgh-Westra vorhatte, benachrichtigen. Der Vater verlangte den Grund zu wissen, der ihn dazu bestimmte.

»Alles Inselvolk wird dort versammelt sein,« erwiderte der Jüngling.

»Und Du willst bei der Zahl der Narren und Toren nicht fehlen? Nun, dann geh, aber nimm Dich auf dem Wege, den Du vorhast, in acht. Ein Sturz von den Klippen von Fula könnte nicht gefährlicher sein.«

»Darf ich nach dem Grund solcher Warnung fragen?« versetzte Mordaunt, indem er die Schranken der Zurückhaltung durchbrach, die zwischen ihm und seinem sonderbaren Vater lagen.

»Magnus Troil hat zwei Töchter. Junge Leute Deines Alters betrachten solch flatterhafte Beigabe zum menschlichen Leben im selben Verhältnis der Neigung wie der Verwünschung in spätern Tagen. Ich sage Dir, nimm Dich in acht vor ihnen. So gewiß, wie Sünde und Tod durch das Weib in die Welt kamen, so gewiß sind auch ihre süßen Worte und ihre noch süßeren Blicke das Verderben und der Untergang derjenigen, die darauf bauen.«

Der Widerwille des Vaters gegen das weibliche Geschlecht war für Mordaunt nichts Neues; aber noch nie bisher hatte er den Vater auf solche bestimmte, kräftige Weise sich darüber äußern hören. Er sagte drauf, »daß Magnus Troils Töchter ihm nicht mehr gälten als alle übrigen Frauenzimmer auf den Inseln, zumal sie ohne alle Ursache die Freundschaft mit ihm abgebrochen hätten.«

»Und um sie wieder anzuknüpfen, gehst Du hin?« fragte der Vater. »Unbedachte Mücke, Du hast einmal die Kerze umschwärmt, ohne Dir die Flügel zu verbrennen, und bist nicht zufrieden? fühlst Dich nicht wohl in diesem gefahrlosen Dunkel? sondern mußt zur Flamme zurück, damit sie Dich doch verzehre? ... Aber wozu Worte verlieren? Das Schicksal ist unabwendlich. Also geh, wohin es ruft!«

Am andern Tage, dem nächsten vor dem Feste, machte Mordaunt sich auf den Weg, im Geiste bald mit dem Rate der greisen Norna, bald mit den Warnungen des Vaters, bald mit den bösen Weissagungen Swerthas und Ronaldsons befaßt – und außer stande, sich des Trübsinns zu erwehren, mit dem die Zusammenwirkung dieser drei Faktoren ihn zu umnachten drohte.

Es war ein recht schönes, ruhiges Wetter. Mordaunt setzte seine Wanderung mit einer körperlichen Leichtigkeit und Frische fort, die zu seiner seelischen Mühsal in einem höchst auffälligen Gegensatz stand – in einem auffälligeren aber noch zu den schlimmen Strapazen seiner letzten Wanderung in umgekehrter Richtung zwischen den beiden Oertlichkeiten – nichtsdestoweniger fiel der Vergleich nicht zu Gunsten der jetzigen aus.

»Letztmals,« sagte er zu sich selbst, »war meine Brust dem Winde bloßgestellt, das Herz darin war aber heiter und glücklich. Wie glücklich wollte ich sein, wenn ich jetzt dasselbe unbefangene Gefühl wieder hätte! was früge ich nach einem neuen Kampf mit dem Sturme?«

Gegen Mittag langte er in Hafra an, der Wohnung, wie sich der Leser erinnern wird, des geistreichen Triptolemus Yellowley. Diesmal hatte Mordaunt sich so eingerichtet, daß er die Gastfreundschaft dort – um derentwillen das Haus auf der ganzen Insel nicht wenig berüchtigt war, nicht in Anspruch zu nehmen brauchte. Um aber der Höflichkeit Genüge zu tun, vielleicht auch, um sich auf andere Gedanken zu bringen, sprach Mordaunt in dem Hause vor und fand es zu seiner nicht geringen Verwunderung in der lebhaftesten Aufregung. Triptolemus polterte in großen Reiterstiefeln die Treppe auf und ab und schrie seiner Schwester und seiner Magd Tronda Fragen zu, die von den beiden Frauen mit lautem Gekreisch beantwortet wurden. Endlich erschien Jungfer Baby selbst, in ein weites Gewand gehüllt, das man als »Josephskittel« zu nennen liebte, und das einst grün gewesen war, jetzt aber durch Flecken und Flicken dem Kittel des Patriarchen, in welchem er als Knabe von seinen Brüdern nach Aegypten verschachert wurde, so ähnlich geworden war wie ein Ei dem andern. Dazu trug sie einen Hut mit kirchturmartigem Deckel auf dem Kopfe – wahrscheinlich vor langen Jahren in einem Augenblicke gekauft, als Eitelkeit den Sieg über die Habsucht davontrug, – mit einer Feder drauf, die soviel Wind und Regen ausgehalten zu haben schien, als hätte sie einer Seemöwe als Fittich gehört, – vollendete ihren Anzug, wozu noch eine mit Silber beschlagene altmodische Peitsche kam, die sie in der Hand trug. Der Anzug und eine beispiellose Aufregung in Haltung und Wesen verrieten die Absicht zu einer Reise oder Ortsveränderung ...

Baby-Barbara war auch die erste, deren Mordaunt ansichtig wurde doch begrüßte sie ihn augenscheinlich mit sehr gemischten Gefühlen ... »Gott steh uns bei!« rief sie, »ist das nicht der muntere Bursch mit der Kette um den Hals, der unsere Gans verschlang wie eine Seelerche?«

Der goldenen Kette, die damals auf ihr Gemüt so tief eingewirkt, galten ihre ersten Worte; dem frühen Hinübergange der Räuchergans die zweite Hälfte ihrer Rede – den Schluß derselben bildete die Bemerkung: »Leben und Seligkeit möcht ich drauf wetten, daß er den gleichen Weg mit uns geht.«

»Ich will nach Burgh-Westra, Jungfer Yellowley,« sagte Mordaunt.

»Uns soll es nur lieb sein, wenn Ihr Euch uns anschließt,« versetzte sie; »zum Essen ist's wohl noch zu früh? Gerstenkuchen und Hausbier könnt Ihr haben. Mit vollem Magen wandern ist zwar nicht gut, – und den Appetit für das Fest, wo doch alles vollauf sein wird, verdirbt man sich durch vorherige Mahlzeit auch.«

Mordaunt holte seinen eigenen Mundvorrat aus seinem Ränzel, versicherte, sie nicht abermals belästigen zu wollen, bat sie vielmehr bei ihm zuzulangen. Der arme Triptolemus, der nur selten ein halb so gutes Mittagessen bekam, als seines Gastes Imbiß war, fiel über die appetitlichen Speisen her, wie Sancho Pansa über den Schaum von Gamachos Kessel, und selbst Barbara konnte der Versuchung, einen Kosthappen zu nehmen, nicht widerstehen; was sie damit zu rechtfertigen suchte, daß sie um der Reise willen und weil man mit Holz in einem so kalten Lande haushälterisch umgehen müßte – es nicht erst für nötig gehalten hätte, Feuer anzumachen, deshalb aber mit Essen »heute« ein wenig knapp dran sei – anderseits doch einmal sehen möchte, ob man im schottischen Norden das Fleisch ebenso pökle wie hier.

Als dieser »Imbiß aus dem Stegreif« verspeist war, drang Triptolemus darauf, die Reise anzutreten, und jetzt wurde es Mordaunt klar, daß die Freundlichkeit, mit der ihn Jungfer Baby begrüßt, nichts weniger als frei von eigennützigen Regungen war; denn weder sie noch ihr gelehrter Bruder mochten sich gern in die Wildnis Shetlands ohne Führer wagen, und dangen sie auch nur einen Taglöhner dazu, so ging dabei – außer dem Trinkgeld, um das sie nicht herumgekommen wären – auch noch ein voller Tagelohn verloren.

Mordaunt kam ihnen mithin höchst gelegen, denn als Spender solchen Imbisses obendrein mußte er so willkommen erscheinen wie nur je ein Gast an ihrer Tür, die sich ja sonst am liebsten jedem verschloß; Herr Yellowley freute sich außerdem darauf, in seinem jungen Begleiter einen willigen Hörer für all die »Melilvrationspläne« zu finden, mit denen er sich in Gedanken trug.

Da Verwalter und Schwester nicht wandern, sondern reiten wollten, galt es nun, auch ihren Führer beritten zu machen, was aber keinerlei Schwierigkeit bot, denn in Shetland laufen der rauhhaarigen Gäule mit kurzen Beinen und langem Rücken genug frei auf den Mooren herum – wie schon einmal bemerkt, frei zu jedermanns Gebrauch – ja die Sache bot um so weniger Schwierigkeiten, als zwei solche Gäule schon für das Geschwisterpaar eingefangen und reisefertig gemacht worden waren. Der eine, dazu ersehen, die süße Bürde von Jungfer Baby zu tragen, hatte einen gewaltigen Quersattel von hohem Alter, eine Masse von Kisten und Polstern, unter der auf allen Seiten eine Schabracke aus alten Teppichen herabhing, die,ursprünglich für ein Pferd von normaler Größe bestimmt, den kleinen Shetland-Klepper von den Ohren bis zum Schweife und vom Widerrist bis zum Hufe bedeckte, so daß nichts frei blieb als der Kopf, der aus diesen Umhüllungen keck hervorblickte, wie der Löwe auf einem Wappen aus einem Busch. Mordaunt hob die schöne Jungfer nach Rittersitte auf den Gaul, und mit einiger Anstrengung gelang es ihm auch, sie wohlbehalten auf den Gipfel des bergartigcn Sattels zu setzen.

Inzwischen hatte ihr Bruder Triptolemus sich auf seinen Gaul, wenn auch nicht geschwungen, so doch hinauf »gekrabbelt« – und da er, des heitern Wetters ungeachtet, einen großen Mantel über seine andern Kleidungsstücke geworfen hatte, war sein Klepper fast noch dichter verhüllt als der seiner Schwester, leider aber so wild und widerspenstig, daß er unter dem Gewicht seines Reiters, in völliger Mißachtung der Yorkshirer Abstammung desselben, Lust bekam zu allerhand Kapriolen und Courbetten, die Triptolemus zu keinem festen Sitze in seinem Sattel kommen ließen; da nun das Pferd selbst nur bei genauem Hinsehen zu entdecken war, konnte man sich in einigem Abstande zu dem Wahn versucht fühlen, seine Sprünge als die freiwilligen Bewegungen des Reiters, die er mit seinen eigenen, ihm von der Natur verliehenen Beinen machte, anzusehen – was aber zusammen mit dem verzweifelten Gesichtsausdruck von dem armen Triptolemus einen so lächerlichen Eindruck gab, als Sancho Panso neben Don Quixote nur je gemacht haben dürfte.

Mordaunt, dem weder zur Klepperwahl noch zur Beschaffung von Reitzeug Zeit blieb, der statt des letztern sich gar mit einem bloßen Stricke begnügen mußte, hielt trotzdem wacker Schritt mit dem würdigen Geschwisterpaar, und Triptolemus Jellowley, außer sich vor Freude, seinen Führer so schnell beritten zu sehen, nahm sich im stillen vor, diesen rohen Gebrauch, Reisenden zu einem Pferde zu verhelfen, ohne dabei den Eigentümer um Erlaubnis zu fragen, nicht eher abzuschaffen, als bis er selbst eine Herde Pferde besäße – und man also an ihm das Recht der Vergeltung ausüben könnte.

Weniger nachsichtig aber bewies sich Triptolemus gegen andere Bräuche auf den Inseln; in der wilden, bergigen Gegend, durch die ihn Mordaunt führte, gab es tatsächlich keinen Platz, der in seiner lebendigen Einbildungskraft nicht Verbesserungsideen geweckt hätte. Bald wollte er durch eine kaum gangbare Schlucht, in der die zuverlässigen Gäule, die sie ritten, kaum einen Fuß vor den andern setzen konnten, eine Fahrstraße legen; an die Stelle der aus Lehm und aus trockenem Gestein errichteten Skios oder Hütten, in denen die Eingeborenen ihre Fische einsalzten, bessere Häuser setzen; bald wollte er das alte Shetländer Hausbier durch gutes Ale ersetzen oder Wälder pflanzen wo nie ein Baum wuchs, oder nach ergiebigen Bergwerken suchen an Stellen, wo ein paar dänische Schildlinge schon als halbes Vermögen galten. Von all diesen Reformen und manch andern mehr sprach er mit dem größten Vertrauen und erhoffte sich das Beste von der Unterstützung und dem Beistande, den er von den höhern Klassen, und namentlich von Magnus Troil, dazu erwartete.

»Ehe wir einige Stunden älter geworden,« sagte er, »will ich dem Manne meine Ansichten auseinandergesetzt haben, und Ihr sollt sehen, mit welchem Danke er sich gegen einen Mann äußern wird, der den Schatz seiner Kenntnisse dergestalt mehren hilft.«

»Ich würde Euch doch raten, nicht allzufest darauf zu bauen,« sagte Mordaunt; »Magnus Troil geht gern seinen eigenen Weg und zwar auf den hier zu Lande gewohnten Bahnen. Ich meine, ehe Ihr Magnus bewegen könnt, norwegische gegen schottische Sitten zu vertauschen, lehrt Ihr eher ein Pferd wie einen Seehund unter Wasser gehen; und doch ist er vielleicht bei aller Anhänglichkeit an alte Gebräuche in seiner Freundschaft eben so wandelbar wie andre.«

» Heus, tu inepte!« rief der Student von St.-Andrews; »anhänglich oder nicht, was will das sagen? Stehe ich nicht hier an meinem Platze, und habe ich nicht die Gewalt? Möchte sich ein Vogt herausnehmen, mit mir, dem Vertreter des Kämmerlings der Orkney- und Shetlandsinseln, über Gründe zu disputieren?«

»Nichtsdestoweniger,« versetzte Mordaunt, »möchte ich raten, nicht zu rasch gegen die Vorurteile dieses Mannes ins Feld zu rücken; hat doch Magnus Troil von Geburt an bis zu diesem Tage keinen größern Mann als sich, und keinen über sich gesehen! hat auch nie in seinem Leben Geduld gehabt, lange Auseinandersetzungen anzuhören; daher ist es möglich, daß er Euren Reform-Ideen den Krieg erklärt, ehe Ihr Zeit gefunden habt, ihn von ihren Vorteilen zu überzeugen.«

»Wie meint Ihr das, junger Mann?« fragte Triptolemus; – »sollte es wirklich jemand hier geben, verblendet genug, seine Augen gegen die beklagenswerten Mängel des Ackerbaus, wie er hier getrieben wird, zu verschließen? . . . Kann ein Mensch,« fügte er, die Stimme verstärkend, hinzu, »oder auch nur ein Vieh ein Ding ansehen, das die Leute hier Kornmühle nennen, ohne daß einen das Korn erbarmt, das einem so elenden Werkzeuge anheimfällt? Wozu wenigstens fünfzig solcher Mühlen nötig sind, dazu genügte eine einzige schöne, stattliche Mühle, deren Klappern durch das ganze Land gehört würde, und die das Mehl zu Viertelmetzen auf einmal zum Mahlloche herausschüttete.«

»Ja, ja, Bruder,« sagte seine Schwester, »Du redest klug wie immer: Recht viel Kosten, recht viel Ehre, – das sind so Deine Worte! Aber kommt es Dir denn nie in den Sinn, Mensch, daß hier jeder seine Handvoll Mehl mahlt, ohne sich um Wind- und Wasser- und was sonst für Mühlen zu kümmern? Wie oft hast Du mit Leuten über Mahlgroschen und Mahlgedinge herumgestritten, ohne daß Du was erzieltest? – Wie sollen denn die armen Leute hier soviel Geld aufbringen, sich andere Mühlen zu bauen, als sie brauchen?«

Der Landwirt wollte seiner Schwester nochmals allerhand weise Worte über die Mängel und Schwächen der auf Shetland üblichen Mahlmethode sagen, als sein Klepper unruhig zu werden anfing... »Der Teufel muß in dem Biest stecken!« brummte Triptolemus – »das Biest« aber steckte jetzt – vielleicht weil es sich über die geringschätzige Weise verdroß, wie sein Herr sich über die Inseln äußerte – den Kopf zwischen die Beine, warf seinen Reiter in den kleinen Bach, der die von ihm geschmähte kleine Maschine trieb, entwand sich dem Mantel, worin er mit steckte, und rannte mit zornigem Gewieher, und in einem fort ausschlagend, in sein wildes Moor zurück. Mordaunt, über den Unfall herzlich lachend, half dem alten Manne auf die Füße, während ihm seine Schwester spöttisch gratulierte, daß er nur in einen seichten shetlandischen Bach, und in keinen tiefen schottischen Mühlgraben, gefallen sei. Triptolemus, den Spott keiner Antwort würdigend, rief, sobald er wieder auf den Füßen stand, sich geschüttelt und davon überzeugt hatte, daß ihn die Falten seines Mantels in dem wasserarmen Bache vor Nässe geschützt hatten: »Ich will Hengste aus Lanarckshire, Zuchtstuten aus Ayrshire kommen lassen, und nicht eine von diesen verwünschten Mißgeburten soll mir auf den Inseln bleiben, ehrlichen Leuten die Hälse zu brechen; verlaß Dich drauf, Baby, die Inseln säubere ich von diesem Plunderzeug!«

»Gescheiter wär's,« antwortete Baby, »Du wändest das Wasser aus Deinem Mantel!«

Mordaunt gab sich die größte Mühe, aus einer Herde, die in einiger Entfernung graste, ein anderes Pferd zu fangen – zum Glück fand er eins von ruhigerem Temperament als das entwichene. Aus Binsen drehte er schnell einen Strick zusammen, der dem verdutzten Triptolemus als Zügel dienen mußte – dann setzte er Triptolemus auf den langen Rücken seiner neuen, kurzbeinigen Rosinante.

Ein Gutes hatte das Abenteuer aber für Triptolemus gehabt: es hatte niederschlagend auf seinen Geist gewirkt, so daß er auf ganzen fünf Meilen kaum ein Wort sprach, trotzdem seine Schwester Barbara in allen Tonarten über den Verlust des schönen Reitzeugs jammerte, das ganze achtzehn Jahre gehalten habe und nun wohl nie wieder zu sehen sein werde – ja ihm schließlich sogar eine lange Predigt über die Sparsamkeit hielt, zu der sie ihn – um den Schaden wieder hereinzubringen – anhalten wollte.

Mordaunt, – der jetzt, wo er Burgh-Westra immer näher kam, sich mit den beiden Mädchen mehr befaßte als mit den Auseinandersetzungen der alten Jungfer darüber, ob Dünnbier gesünder sei als starkes Ale, und ob, wenn ihr Bruder sich bei seinem Falle den Knöchel verletzt habe, Schwarzwurzel mit Butter wirksamer sei als alle Doktoren-Tropfen der Welt, – unterbrach sie nur selten. Indessen wichen nun die traurigen Moore, über die der Weg bis jetzt geführt, einer lieblichern Szenerie: ein See, oder vielmehr ein weit ins Land hinein laufender Meeresarm, von ebenen, fruchtbaren Getreidefeldern umschlossen, wie sie Triptolemus Vellowley auf Shetland noch nicht gesehen, kam in Sicht, – und inmitten dieses kleinen, shetländischen Eden oder Goschen stand, gegen Norden und Osten durch eine Reihe von mit Heidekraut bedeckten Hügeln wohlgeschützt, das Herrenhaus von Burgh-Westra, von dem aus sich eine prächtige Aussicht auf den See und das Meer, wie auf die Inseln und fernen Berge bot. Dicke Rauchsäulen, die aus dem Schornsteine desselben, wie auch aus denen der Hütten im Dorfe aufstiegen, verrieten, daß die Zurüstungen zu dem Feste im vollsten Gange waren und sich nicht bloß auf Magnus Troils Wohnstätte, sondern auf die ganze Nachbarschaft erstreckten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Pirat. Band 1