Achtes Kapitel - Mordaunt hatte den Jarlshof bald erreicht. Hastig trat er ein und schweren Herzens, ...

Achtes Kapitel.

Mordaunt hatte den Jarlshof bald erreicht. Hastig trat er ein und schweren Herzens, denn was er am Morgen am Vater wahrgenommen, konnte die Besorgnis, die Swertha durch ihre Worte wachgerufen, nicht verringern. Er fand den Vater in seiner Stube, erschöpft wohl, aber nicht krank – und bald wußte er, daß Swertha ihn bloß in Angst versetzt hatte, um ihn loszuwerden.


»Wo ist der Schiffbrüchige, an dessen Rettung Du Dein Leben wagtest?« fragte der Vater.

»Norna hat ihn in Obhut, Vater,« antwortete Mordaunt; »sie weiß Bescheid in solchen Fällen und mit solchen Kranken.«

»Also Quacksalberin und Hexe zugleich?« sagte der Vater; »desto besser! da brauchen sich andere nicht zu bemühen; Swertha sagte, der Mensch habe alle Glieder gebrochen – drum ging ich heim, um Verbandzeug zu holen.«

Mordaunt wußte, daß der Vater den Gegenstand nicht weiter verfolgen werde, und da es weder nützlich noch rätlich war, es mit Swertha zu verderben, oder dem Vater neuen Grund zu einer seiner trüben Stimmungen zu schaffen, nahm er sich vor, reinen Mund zu halten, der Haushälterin aber unter vier Augen strenge Vorhaltungen zu machen.

Es war schon spät, als Swertha, ein großes Bündel schleppend, das ihren Beuteteil bergen mochte, stark ermüdet heimkam, Mordaunt suchte sie sogleich auf, um sie wegen der falschen Mitteilungen zu schelten, mit denen sie den Vater und ihn hintergangen, allein die würdige Alte blieb ihm die Antwort nicht schuldig, »Das Verbandzeug,« sagte sie, »hätte sie nicht für den Schiffbrüchigen, sondern für den jungen Herrn selbst vom Herrn Vater holen lassen; es sei ihr ganz grün und blau vor Augen geworden, als sie ihn wie eine wilde Katze an den Klippen habe klimmen sehen – es wäre ihr nicht anders gewesen, als daß sie ihn schon mit zerschmetterten Gliedern am Strande hätte liegen sehen – und daß der Vater seinerseits nicht wohl gewesen und kreideweiß ausgesehen habe, lasse sich doch auch jetzt noch nicht in Abrede stellen.«

»Aber, Swertha,« sagte Mordaunt, sobald sie ihn zu Worte kommen ließ, »wie kamst Du heute morgen zu den Erichs-Stufen? Du solltest doch daheim am Spinnrade sitzen! Und doch machst Du Dir um meinen Vater und mich alle diese unnötige Mühe? Was ist denn in dem Bündel, Swertha? Du hast gewiß wider das Gesetz gesündigt und bist an den Strand gelaufen, um aus dem Schiffbruche Beute zu holen?«

»Der Himmel behüte Euer Antlitz, und der Segen des heiligen Ronald sei mit Euch!« sagte Swertha in einem Tone, halb schmeichelnd, halb mutwillig: »Ihr werdet einem armen Geschöpfe doch nicht verargen, wenn es sich was Gutes antun kann – werdet auch nicht haben wollen, daß soviel Gut auf dem Sande vermodern soll? ... Was hab ich denn groß für meine Mühe? Ein paar Ellen Kammertuch und ein Paar Stück grobes Zeug – die Starken und Dreisten nehmen ja immer in der Welt das meiste und beste für sich!«

»Freilich, Swertha,« sagte Mordaunt, »und für Dich ist's insofern noch schlimmer, als Du in dieser ebensogut wie in jener Welt Deine Strafe dafür bekommst, daß Du arme Seeleute geplündert, statt ihnen zu helfen!«

»Wer wird denn aber ein altes Weib, wie mich, um ein paar Lumpen willen strafen? Vom Grafen Patrick ist viel Böses gesagt worden, aber das Strandrecht hat er streng geschützt und scharfe Gesetze dagegen erlassen, daß Schiffern, die in die Brandung gerieten, Beistand und Hilfe geleistet werde. Seevolk verliert doch, – wie Bryce, der Hausierer, sagt – alles Recht von dem Augenblick an, da ihr Kiel den Sand streift; außerdem sind sie mausetot, die armen Leute, und haben keinen Anteil mehr an irdischem Hab und Gut – nicht mehr, fürwahr, als die Grafen und Könige des Meeres zu den Zeiten der Norweger, die ihre Schätze in Gräbern und Grabstätten verscharrten. Habe ich Euch schon von Olaf Trygarson erzählt, der fünf goldene Kronen mit ins Grab nahm?«

»Nein, Swertha,« sagte Mordaunt, dem es jetzt zur Freude gereichte, die verschlagene alte Diebin zu quälen; »davon hast Du mir noch kein Wort erzählt; aber ich sage dagegen Dir, daß der Fremde, den Norna mit ins Dorf genommen hat, morgen wohl frisch genug sein dürfte sich nach seinem Schiffsgut umzusehen.«

»Wer wird ihm dann sagen, Kind, wohin es gekommen?« erwiderte Swertha, ihm schlau ins Gesicht sehend – »ich habe noch – wie ich Euch sagen will – ein schönes Stück Seidenzeug übrig, aus dem sich für die Festlichkeit, die Ihr vorhabt, eine schöne Weste schneidern läßt.« Mordaunt konnte sich des Lachens über die List nicht länger enthalten, mit der die Alte ihn zu ködern suchte; er hieß sie das Mittagessen herrichten und begab sich zum Vater zurück, den er noch auf demselben Platze fast in derselben Stellung, wie er ihn verlassen, fand. Sobald sie gegessen hatten, sagte Mordaunt, »er wolle ins Dorf gehen, um sich nach dem Schiffbrüchigen zu erkundigen.«

Der Vater nickte beifällig.

»Er mag es kaum bequem dort unten haben, Vater,« meinte Mordaunt – und der Vater erwiderte mit nichts darauf, außer daß er zum zweitenmal nickte. – »Dem Aeußern nach,« fuhr Mordaunt fort, »muß es ein Mann von guter Herkunft sein; aber wenn auch die armen Leute unten getan haben werden, was in ihren Kräften steht, so wär's doch bei seinem schwachen Zustande gut, man ...« –

»Ich weiß, was Du sagen willst,« unterbrach ihn der Vater; »Du meinst, wir sollten etwas zu seiner Hilfe tun? Nun, so geh zu ihm und frag' ihn, ob ihm mit Geld gedient sei? Was er fordert, soll er haben; aber den Fremden in mein Haus nehmen und Verkehr mit ihm pflegen, das kann ich nicht und mag ich nicht. Wozu habe ich mich auf die äußerste Grenze der britischen Inseln geflüchtet? weil ich keine Menschen mehr sehen will, weil mich kein Mensch mehr belästigen soll weder mit seinem Glück noch mit seinem Unglück. So, und nun geh, – warum bleibst Du noch? Sorge, daß der Mann aus der Gegend kommt; ich will niemand um mich sehen als die Gesichter dieser Bagage hier, von der ich recht gut weiß, daß und wie sie mich betrügt – was ich aber hinnehme als ein Uebel, das zu klein ist, um mich darüber zu ärgern.« Mit diesen Worten warf er dem Sohne seine Börse hin und winkte ihm, sich schnell zu entfernen.

Mordaunt war bald unten im Dorfe und in der düstern Hütte Neil Ronaldsons, des Ranzelmanns, wo er den Schiffbrüchigen auf derselben Kiste, die des frommen Hausierers Raubgier wachgerufen, sitzen sah. Der Ranzelmann selbst war nicht zu Hause, sondern wieder am Strande, die Beute gerecht unter die Bewohnerschaft zu verteilen – wobei es natürlich Klagen über Klagen ob ungleicher Verteilung setzte, zu deren Schlichtung die weise, wohlbedächtige Magistratsperson all ihre Umsicht aufbieten mußte.

Margery Bimbister, des Ranzelmannes würdige Ehehälfte, führte Mordaunt zu ihrem Gaste.

»Hier ist der junge Mertoun,« sagte sie ohne irgendwelche Umstände, »vielleicht nennt Ihr ihm Euren Namen, den Ihr uns so hartnäckig verschwiegt. Uebrigens hätten wir, wäre er nicht gewesen, wohl kaum etwas von Euch gehört.«

Der Fremde stand auf, schüttelte Mordaunt die Hand und sagte, daß er schon gehört habe, daß er ihm Leben und Kiste zu verdanken hätte ... »Das übrige fliegt wohl schon in der weiten Welt herum,« setzte er hinzu, »denn die Jarlshofer Leute sind, wie ich merke, flinker hinter Beute her als der Teufel beim Sturme!«

»Und wozu hat Eure Steuermannskunst Euch genützt, wenn Ihr Euer Schiff nicht vom Sumburgh-Head abhalten konntet?« sagte Margery; »daß Sumburgh-Head zu Euch gekommen wäre, habt Ihr gewiß nicht gerechnet.«

»Laß uns einen Augenblick allein, Margery,« sagte Mordaunt; »ich habe mit dem Herrn zu reden.«

»Herrn!« wiederholte Margery mit eigentümlicher Betonung; »nicht als ob der Mann nicht gut genug aussehe« – fügte sie hinzu, ihn abermals von oben bis unten musternd – »ich sehe blo? nicht viel von einem Herrn an ihm.« –

Mordaunt aber gewann, als er den Fremden jetzt musterte, eine andere Meinung – es war ein Mann von mehr als Mittelgröße und von kräftigem, stattlichem Wuchs, und an seinem kecken, sonnverbrannten schönen Gesichte meinte Mordaunt, – so wenig er auch bislang von der Welt gesehen, – den Seemann zu erkennen, der schon manchen Himmelsstrich befahren ... Mordaunt erkundigte sich nach seinem Befinden, und der Fremde sagte fröhlich und guter Dinge, ein paar Stunden ruhigen Schlafes würden ihn schon wieder herstellen; aber voll Erbitterung sprach er von der Habsucht und Neugier des Ranzelmanns und seiner Ehehälfte.

»Dieses geschwätzige Weib,« sagte er, »hat mich von früh bis spät mit Fragen gequält nach meinem Namen, nach dem Schiffsnamen, und nach was weiß ich sonst noch! Ich dächte, sie könnte zufrieden sein mit dem, was auf sie gekommen. Ich war der eigentliche Herr des gescheiterten Schiffes und habe kaum mehr behalten als meine Kleider. Gibt es denn gar keine Obrigkeit hier in diesem wüsten Lande, die einem beispränge in solcher Not?«

Mordaunt nannte Magnus Troil, den vornehmsten Grundbesitzer, auch Faud, den Bezirksrichter, als die Personen, von denen sich am ehesten Hilfe erwarten ließe – indem er seinerseits bedauerte, daß ihn seine Jugend, seinen Vater aber die Eigenschaft eines in Zurückgezogenheit lebenden Fremden verhindere, ihm zu dem gewünschten Schutz zu helfen.

»Ihr habt mehr als genug getan,« versetzte der Seemann; »hätte ich aber noch fünf von den vierzig handfesten Kerlen, die jetzt den Fischen zur Speise geworden, so sollte mich der Teufel nicht dahin bringen, da um Gerechtigkeit zu betteln, wo ich sie mir durch eigne Kraft verschaffen könnte.«

»Vierzig Mann!« wiederholte Mordaunt; »für ein Schiff von der Größe des Eurigen eine starke Bemannung!«

»Aber doch nicht so stark, wie sie hätte sein sollen! Wir führten zehn Kanonen, die Jagdstücke ungerechnet. Unser Kreuzzug auf dem großen Ozean hatte aber unsere Mannschaft geschwächt und uns mit Gütern überladen. Sechs von unsern Kanonen waren als Ballast am Bord ... Hätte ich noch Leute genug gehabt, so wäre dieses Pech nicht über mich gekommen! So aber war alles durch die Arbeit an den Pumpen erschöpft, stürzte auf die Boote und ließ mich auf dem Schiffe im Stiche; nun, ihren Lohn dafür haben sie schon, und ich brauche ihnen ihre Schlechtigkeit nicht mehr nachzutragen. – Die Boote kippten, und alle ersoffen – mich aber, mich rettete das Schicksal – durch Eure Hand!«

»Ihr kommt von Norden? Von Westindien?«

»Ja wohl, das Schiff war »die gute Hoffnung«, von Bristol, ein Kaper, hatte auf dem spanischen Meere Glück sowohl im Handel als bei bei der Kaperei, aber mit dem Schiffe ist auch das Glück futsch! – Mein Name ist Clement Cleveland; ich war Kapitän und, wie schon gesagt, Miteigentümer des Schiffes, bin aus Bristol gebürtig, wo mein Vater auf dem Zollhause eine bekannte Figur war – der alte Wem Cleveland von College-Green.«

Mordaunt, obgleich er aus diesen Auskünften die gewünschte Befriedigung nicht fand, meinte doch zu weiterer Frage kein Recht zu haben – aus dem Benehmen des Fremden sprachen Trotz und Rauheit, wozu ihn freilich die Umstände berechtigten, war er doch von seiten der Inselbewohner stark geschädigt worden; Mordaunt aber hatte ihm das Leben gerettet – und doch schien der Fremde seine Vorwürfe auch gegen ihn zu richten; ungewiß, ob er besser täte, sich zu entfernen, statt ihn wiederholt seines guten Willens zu versichern, saß er schweigend Cleveland gegenüber, der seine Gedanken zu erraten schien, denn er fügte augenblicklich in einem entschuldigenden Tone hinzu: »Ich bin ein schlichter Mann, Mertoun, – denn wie ich höre, ist das Euer Name, – und zugrunde gerichtet obendrein, und so etwas gibt den Menschen eben kein besseres Wesen. Aber Ihr habt freundlich an mir gehandelt, und so will ich Euch, ehe ich gehe, meine Jagdflinte schenken; sie schießt einem Hochländer auf achtzig Schritte hundert Schrotkörner durch die Mütze, und auf hundertundfünfzig Yards hab ich 'mal einen Stier damit niedergeknallt, denn sie läßt sich auch mit Kugeln laden. Ich hab der Flinten noch mehr; drum nehmt diese als Andenken von mir.«

»Das hieße ja, mich am Strandgute bereichern,« meinte Mordaunt lachend.

»Keineswegs!« sagte Cleveland, einen Kasten öffnend, worin mehrere Flinten und Pistolen lagen; »Ihr seht, ich habe meine Gewehrschatulle gerettet, wie meine Kleider; und das habe ich der großen alten Frau in der dunklen Takelage zu danken. Unter uns gesagt,« fügte er mit gedämpfter Stimme, und nachdem er sich vorsichtig umgesehen, hinzu, »dies wiegt alles auf, was ich verloren habe; denn wenn ich in Gegenwart dieser Landgauner von Ruin rede, so ist das nicht buchstäblich zu nehmen. Nein, hier ist noch etwas, womit man mehr tun kann, als Seevögel schießen.« Hierbei zog er einen groben Schrotbeutel hervor, auf dem mit großen Buchstaben die Worte »grobes Schrot« standen, und zeigte Mordaunt, daß er mit spanischen Pistolen und Portugalesen (wie man damals die großen Portugiesischen Goldstücke nannte) bis an den Rand gefüllt war ... »Nein, nein,« fügte er mit schlauem Lächeln hinzu; »ich habe noch Ballast genug, mein Schiff wieder in See zu bringen. Und nun, wollt Ihr das Gewehr nehmen?«

»Da Ihr es mir geben wollt,« erwiderte Mordaunt lachend, »von Herzen gern. Ich wollt Euch gerade in meines Vaters Namen« – fügte er hinzu, die Börse vorweisend, »fragen, ob Ihr von solchem Ballast, wie Ihr sagt, etwas brauchen könnt.«

»Ich danke Euch, aber Ihr seht, ich bin versorgt damit – nehmt meine alte Gefährtin mit dem Wunsche, daß sie Euch so gut diene, wie mir; aber eine so gute Reise, wie ich, werdet Ihr wohl nie mit ihr machen! Ihr könnt doch schießen?«

»Einigermaßen,« sagte Mordaunt, die Flinte – ein schönes spanisches Rohr, mit Gold ausgelegt, von kleinem Kaliber und ungewöhnlicher Länge – mit Bewunderung betrachtend.

»Schrot,« sagte der Kapitän, »hält keine Flinte besser zusammen, und mit der Kugel könnt Ihr einen Seehund im Meere auf zweihundert Yards von der starren Küste aus schießen. Aber ich wiederhole es, die Dienste, die sie mir geleistet, wird sie Euch schwerlich je leisten.«

»Ich werde sie wohl auch nicht so geschickt brauchen können,« meinte Mordaunt.

»Hm, vielleicht nicht,« sagte Cleveland; »aber darüber wollen wir nicht reden. – Was sagt Ihr dazu, daß ich mit ihr den Mann vom Steuerrade schoß, gerade als wir einen Spanier enterten? Ha! das war der Mühe wert; eine starke Brigantine war's, el Sante Francisco – und nach Portobello mit Gold und Negern unterwegs; das kleine Stückchen Blei brachte zwanzigtausend Pistolen ein.«

»Ich habe solch Wildbret bislang noch nicht erlegt,« sagte Mordaunt.

»Nun, alles zu seiner Zeit, man kann nicht die Anker lichten, so lange Ebbe ist. Aber Ihr seid ein rüstiger, schmucker, reger Bursche! Möcht's Euch was schaden, 'mal eine Fahrt nach solchem Zeug zu machen?«

Dabei griff er nach seinem vollen Geldbeutel.

»Mein Vater meint, ich solle mir die Welt ansehen,« sagte Mordaunt, dem solche Einladung von einem Manne, den er für einen echten Seemann hielt, nicht wenig schmeichelte.

»Die Absicht zeugt von klugem Sinne,« erwiderte der Kapitän, »und ehe ich die Anker lichte, will ich nicht unterlassen, ihm meinen Besuch zu machen. Ich habe noch einen Kameraden in diesen Gewässern und brenne drauf, ihn zu sehen. Der Sturm hat uns auseinander getrieben; sein Schiff wird mich wohl aufsuchen; es müßte denn ebenfalls zu David Jones eingegangen sein. – Aber es war in besserem Stande als wir, und hatte keine so schwere Fracht – dürfte also den Sturm ausgehalten haben. Ihr sollt eine Hängematte an Bord haben, und auf einer einzigen Fahrt will ich Euch zum tüchtigen Seefahrer machen,«

»Ich hätte nichts dawider,« antwortete Mordaunt, der gern mehr von der Welt gesehen hätte, als was er bisher davon kannte – »die Entscheidung aber gehört meinem Vater.«

»Vater? Bah!« rief Kapitän Cleveland; »aber Ihr habt recht,« fügte er hinzu, sich schnell zusammennehmend; »ich bin eben schon so lange zur See, daß ich mir gar nicht vorstellen kann, daß außer Kapitän und Steuermann noch jemand das Recht habe, zu denken. Aber Ihr habt recht. Ich will auf der Stelle zu dem alten Herrn gehen und mit ihm reden. Er wohnt wohl in dem schönen, neumodischen Hause, etwa eine Viertelmeile von hier, wie?«

»In der alten Ruine, die kaum noch Haus genannt zu werden verdient, wohnt er allerdings,« sagte Mordaunt, »nimmt aber keine Besuche an.«

»Dann müßt Ihr selbst die Sache ausmachen, denn ich kann unter dieser Breite nicht länger bleiben. Euer Vater ist, wie ich merke, keine obrigkeitliche Person, und so muß ich mich wohl zu dem Magnus – wie heißt er? – bemühen, der zwar nicht Sheriff ist, ihn aber vertritt, oder so was – nicht? Dieses Strandgesindel hat mir ein Paar Dinge geraubt, die ich wiederhaben muß – das andere mögen sie ins Teufels Namen behalten! Wollt Ihr mir, nur als Ausweis, einen Brief an diesen Magnus mitgeben?«

»Das wird nicht nötig sein,« sagte Mordaunt; »Euer Schiffbruch wird Euch Ausweis genug sein, und Appell an Hilfe ist dort nie umsonst. – Aber ein paar Worte kann ich Euch schon mitgeben.«

»Hier ist Schreibzeug,« sagte der Seemann, verschiedenes Gerät aus seiner Kiste nehmend – »ich will inzwischen, da einmal zu löschen angefangen worden, die Luken vernageln und die Ladung sichern,«

Während Mordaunt seinem alten Freunde Magnus Troil die Umstände kurz auseiauandersetzte, unter denen Kapitän Cleveland an die Küste der Insel geworfen worden, griff dieser – nachdem er soviel Kleidungsstücke und Wäsche, nebst einigen andern unentbehrlichen Dingen aus der Kiste genommen, als ein Ranzen fassen konnte – zu Hammer und Nägel, vernagelte die Kiste auf kunstgerechte Weise und schnürte sie noch mit einem festen Stricke, den er nach Seemannsart drehte und knotete. »Ich lasse das alles unter Eurer Aufsicht,« sagte er, »alles bis auf das hier,« indem er auf Hirschfänger und Pistole Zeigte, »was vielleicht die Gefahr, mich von meinen Portugalesern trennen zu sollen, vorbeugen könnte.«

»Kapitän Cleveland,« erwiderte Mordaunt, »Waffen werdet Ihr schwerlich hierzulande brauchen, denn mit einem Beutel voll Geld könnte jedes Kind von Sumbourgh-Head nach Unst auf dem Festlande hinübergehen, ohne daß ihm jemand was zuleide täte.«

»Eine dreiste Rede, Jüngling,« hohnlachte der Kapitän – »in Betracht der Vorgänge draußen!«

»O,« sagte Mordaunt, nicht ohne Verlegenheit, »was mit der Flut an das Land kommt, hält man hier für rechtmäßiges Eigentum.« »Nun,« erwiderte der Kapitän lachend – »keine so üble Meinung, zu der man sich gegebenfalls auch bekennen könnte. Sollten Eure braven Insulaner aber denken, Festland möchte sie ebenso, wie die See, mit billigem Eigentum zu versorgen haben, so werde ich Hirschfänger und Pistole zu brauchen wissen. . . Meine Kiste also hebt Ihr bei Euch auf, bis Ihr von mir hört?«

»Wollt Ihr zu Wasser fort oder zu Lande?« fragte Mordaunt.

»Zu Wasser?« rief Cleveland, »in solcher Nußschale? Nein, nein! zu Lande – immer zu Lande – sobald ich Schiff und Strich und Mannschaft nicht kenne.«

Hierauf schieden sie: Cleveland bekam einen Führer nach Burgh-Westra, und seine Kiste ließ Mordaunt nach Jarlshof bringen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Pirat. Band 1