Abschnitt 3. „Ich keinen Dollar haben,“ antwortete Tom ganz ruhig; „alte Mann aber hat Otterfell von mir – groß Otterfell ...

„Ich keinen Dollar haben,“ antwortete Tom ganz ruhig; „alte Mann aber hat Otterfell von mir – groß Otterfell – werth ein Dollar und ein halb Dollar – Ihr wettet ein Dollar und ein halb Dollar dagegen – ich treffen viel – viel von denen da!“

„Topp!“ rief Jener, „hier sind meine anderthalb Dollar – und verlierst Du, so zahlt mir Onkel das Otterfell.“


„Gut,“ sagte der Indianer und zog den Hahn seiner Flinte auf, um nach dem Pulver zu sehen.

Der Alte wollte Einwendungen dagegen machen, denn er hielt es garnicht für möglich, daß der Indianer fehlen könne, und fürchtete, sein Neffe werde das Geld wirklich bezahlen müssen; doch gab ihm dieser schnell einen Wink und leicht beruhigte er sich, als er den wahren Stand der Sache ahnte. – Den Indianer anzuführen, hielt er für nicht mehr als Recht.

Tom hatte sich unterdessen überzeugt, daß das Pulver in der Pfanne trocken und in gutem Zustande sei, legte also an, zielte und – drückte ab. Bei dem so nahen Schuß (kaum dreißig Schritt von ihnen entfernt) flatterten die Truthühner erschreckt empor und zerstreuten sich; keins von allen aber fiel oder gab nur das mindeste Zeichen, daß es verwundet sei.

Tom stand wie versteinert und schaute bald seine Flinte, bald die Hühner, bald die beiden Männer an; der Jüngere aber sprang und jubelte und lachte und geberdete sich wie toll. Endlich, als er wieder zu Worte kommen konnte, rief er, immer noch mit vor Lachen halb erstickter Stimme.

„Guter Tom, guter Tom, wo ist Dein ein Dollar und ein halber Dollar für das Otterfell? oh, guter Tom!“ und wieder begann er zu tanzen und zu springen. Tom aber war sehr kleinmüthig und meinte, seine Decke fest um sich herumziehend:

„Tom zu viel Whisky – nicht gut! macht Kopf schwer und Hand zittern – Tom keinen Whisky mehr trinken!“ und damit trollte er in seinem schwebenden Gang dem Walde zu, in dem er bald darauf verschwand.

Vierzehn Tage mochten nach diesem Vorfall etwa vergangen sein, als eines Nachmittags, wo die beiden Weißen, Onkel und Neffe, gerade wieder zusammen vor der Thür des Waarenhauses saßen, Tom denselben Weg daher geschlendert kam; er trug diesmal einen ganzen Pack zusammengebundener getrockneter Felle, sowohl von Hirschen als Ottern, und sah ordentlich und ehrbar aus; doch verfinsterte sich sein Gesicht ein wenig, als er den jungen Mann erblickte – er mochte wohl an den Schuß denken. Die beiden Weißen begrüßten ihn aber herzlich; er lehnte, wie das vorige Mal, seine Flinte auswendig an’s Haus und ging nach kurzem Gespräch mit dem Alten in den Laden, um dort den neuen Handel abzuschließen.

Er schien die Truthühner, die ebenfalls wieder auf dem Platz umherliefen, gar nicht zu bemerken; kaum aber waren die Beiden durch die Ladenthür verschwunden, als der Zurückgebliebene von seinem Sitz aufsprang und in wenigen Secunden mit dem Kretzer aus dem dicht daneben stehenden Wohnhaus zurückkam.

Leise schlich er wie damals an die Flinte, zog schnell die Ladung Schrot heraus, verbarg den Kretzer und setzte sich dann wieder ruhig auf seinen Stuhl, um das Ende des Handels und das Erscheinen des Indianers zu erwarten.

Dieser ließ auch nicht lange auf sich warten, er hatte heute wenig Waaren gebraucht und fast Alles in baarem Geld bezahlt genommen; schien übrigens wenig Lust zu haben, ein Gespräch mit den Beiden anzuknüpfen, sondern ergriff seine Flinte und sagte ihnen ein kurzes Lebewohl.

„Holla, Tom!“ rief ihm aber der junge Mann nach, „willst Du denn heute Dein Glück nicht wieder mit einem Schuß versuchen?“

„Tom hat nicht so viele Dollars!“ entgegnete kopfschüttelnd der Wilde, indem er stehen blieb und nach Jenem zurücksah; „die weißen Männer versprechen Feuerwasser,“ fuhr er ernsthaft fort, „da schießt Indianer Alles, was vorkommt – Großes und kleines, Männchen und Weibchen; – Indianer liebt Feuerwasser. Vor fünf Schneen waren Ottern viel da – sehr viel – große Ottern und fett – jetzt rothe Mann kann fünf Fallen stellen und fängt eine. – Ottern gehen, wo weiße Gesicht kommt – Indianer auch. – Indianer ist arm!“

„Bah, bah!“ rief der Jüngere lachend – „Du hast wohl selbst heute Morgen wieder einen tüchtigen Schluck Whisky genommen und fürchtest zu fehlen.“

„Nein,“ sagte Tom, die Hand auf die Brust legend, „nicht angerührt – nicht mit Fuß!“

„Du schwankst aber doch so,“ fuhr Jener, um ihn zu reizen, lachend fort.

„Ich schwanken?“ sagte Tom entrüstet – „gut, ich will schießen, will weißem Gesicht zeigen, ich nicht schwanken.“

„Gut, hier ist mein Dollar,“ sagte der Weiße, das Geld auf einen umgehauenen Baumstamm legend.

„Und hier ist meiner,“ sagte Dom, „nicht viel Geld ein Dollar – mir gleichgültig.“

„Oho, wenn Du so mit Geld prahlst, hier sind fünf Dollars, anstatt des einen; setzest Du dagegen?“

„Daß ich kein Truthahn treffe?“ frug vorsichtig der Indianer.

„Gewiß,“ war die Antwort; „triffst Du einen oder mehrere, so habe ich verloren.“

„Gut!“ entgegnete Tom und langte, ohne weiter ein Wort zu verlieren, noch vier andere Dollars, die er eben für seine Felle erhalten hatte, aus der Kugeltasche und legte sie zu den anderen, nahm dann eine Hand voll Mais aus einem dicht dabei stehenden Futtertrog und warf ihn den Truthühnern hin, trat etwa zwanzig Schritt zurück, zog den Hahn auf, zielte, und beim Schuß – flatterten vier zum Tode getroffene am Boden, und lagen nach wenigen Secunden still und leblos da.

Mit weit geöffnetem Munde starrten die beiden Weißen auf das Verderben hin, das Tom’s Flinte nicht allein an ihren Truthühnern, sondern auch in ihrer Börse angerichtet hatte. – Der Alte erholte sich aber zuerst wieder und fing an, in allem Ernst gegen den Erfolg des Schusses zu protestiren.

„Wenn irgend eine Rothhaut,“ wie er sich in vollen Zorn hineinarbeitend, rief – „über seine Truthühner oder sein sonstiges Eigenthum wetten wollte, so konnte sie das in Gottes Namen thun; wer ihm aber sein Geflügel auf dem eigenen Hofe und gewissermaßen unter der eigenen Nase fortschoß, der mußte auch für die Folgen stehen und den Schaden, den er angerichtet hatte, mit baarem Gelde ersetzen.“

Er schien dabei nicht übel Lust zu haben, dem Indianer den eben gewonnenen Satz wirklich streitig machen zu wollen; der aber, der indessen und ohne weiter auf den Zorn des kleinen Mannes zu achten, seine Flinte nur ruhig wieder geladen hatte, schritt langsam auf den alten Baumstamm zu, und erst als der Kleine in der That Miene machte, ihm den Weg zu vertreten, wandte er den Kopf nach ihm um. Aber in dem einen Blick, der ernst auf den Weißen fiel, lag, ganz dem bisher gezeigten Charakter des Wilden entgegen, ein solcher Lavastrom voll Zorn, Haß und Rache, daß der Händler erschreckt einen Schritt zurücktrat und den Osagen ruhig gewähren ließ.

Im nächsten Moment leuchtete wieder das alte gemüthliche Lächeln aus den Augen des Wilden – ohne weiter eine Miene zu verziehen, ging er zum Baumstamm, schob leise zählend die zehn Dollars, einen nach dem andern, in seine Kugeltasche und warf dann seine Flinte wieder über die Schulter. Als er sich aber zum Fortgehen rüstete, wandte er sich noch einmal zu den Männern und sagte freundlich:

„Setze den Fall, Ihr wolltet schießen noch einmal – heut in acht Tagen ich wieder hier – aber,“ fuhr er vertraulich fort, als er sich dem jungen Mann etwas mehr näherte, „wenn ich komme zu weiß Gesicht, ich immer zwei Schuß Schrot in der Flinte – setze den Fall, weißer Mann zieht einen heraus – gut – noch genug drin vor andern Schuß. – Good bye!“


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Osage