Zweites Kapitel. Ankunft in Konstantinopel. Topchana. Kilidsch Ali Pascha. Die Armenküchen, Imarets. Die Bibliothek Abdul-Hamids. Die hohe Pforte und die kaiserliche Pforte. Die Sophienkirche. Der Ramasan. Babi Humajun. Das Serail.

Endlich lag Konstantinopel, das alte Byzanz der Griechen, welche sich hier zuerst ansiedelten, das Stambul der einst gefürchteten Osmannen, vor den Augen des durch den langen, reizlosen Weg ermüdeten Reisenden. Zu meinem Erstaunen fand ich, dass diese weltberühmte Stadt, welche mehr als eine halbe Million Einwohner hat, von der Landseite keinen großartigen Eindruck macht. Ich sah weder Landhäuser noch Dörfer, weder Wagen noch Reiter, kurz nichts von dem Getöse, Gerassel, von dem Getreibe und dem Durcheinander, was sonst große Städte charakterisiert. Nachdem man auf der Maut meinen Koffer von außen angesehen hatte, begab ich mich in ein Wirtshaus in der Vorstadt Pera, das unter der Leitung einer alten Französin steht. Für Kost und ein hübsches Zimmer musste ich täglich einige zwanzig Piaster zahlen, was gewiss sehr billig ist, um so mehr, als mir für diesen Preis auch, der Wein, und zwar kein schlechter, geliefert wurden.

Sobald ich mich von den überstandenen Strapazen in etwas erholt hatte, begann ich unter der Leitung eines griechischen Führers meine Streifzüge durch die Stadt. Von Pera, dem Sitze der europäischen Diplomatie, begab ich mich nach der Vorstadt Topchana, welche ihren Namen von der daselbst befindlichen Stückgießerei hat. Diese erhebt sich gerade unter der Vorstadt Pera mit zwei Kuppeln höchst malerisch am Ufer des Meeres. Mohamed II. verwandelte zwar gleich nach der Eroberung Konstantinopels eine hier gelegene Kirche samt einem Kloster in eine Stückgießerei, allein in ihrer gegenwärtigen Gestalt wurde dieselbe erst im Jahre 1745 unter Mahmud I. hergestellt. Die neuen Kasernen für die Artillerie sind unter Selim lll. im großen und edlen Style erbaut, der alle unter seiner Anordnung entstandenen Bauwerke charakterisiert. Die Mosche des Groß - Admirals Kilidsch Ali Pascha ist eine der schönsten in diesen Quartieren. Die Fenster derselben nehmen beinahe die ganze Wand ein, weshalb die Moschee außerordentlich gut beleuchtet ist. Im Inneren ist über diesen Fenstern die Sura Mülk, das 67ste Kapitel des Korans, weiß auf lazurblauem Grunde in persischer Fayence ausgeführt. Auf der linken Seite ist das Grabmal des Stifters, eines der größten, Seehelden der Osmannen, der zugleich ein höchst launiger Mann war. Er war ein Renegat und als solcher mit der Liturgie der Moslims nicht bekannt, um so mehr, als er fast nie einen Fuß ans Land setzte. Als er nun in der von ihm gestifteten Moschee dem ersten Gottesdienste beiwohnte und den Hymnensänger hörte, fragte er, was das bedeute?


"Es sind die Lobgesange zu Ehren Mohameds," antwortete man ihm.
"Wie viel Asper erhält der Sanger des Propheten täglich?"
"Sechs Asper."
"Und wie viel derjenige, welcher den Sultan von der Kanzel lobt?"
"Vierzig Asper."
"Ist denn der Sultan mehr als Mohamed?"
"Das nicht."
"Nun so soll sein Lobsänger auch nicht mehr bekommen als der Lobsänger Mohameds."

Die große Fontaine auf den, Marktplatze der Topchana ist eine der schönsten in der ganzen Stadt, und übertrifft selbst jene vor dem Serail an Größe und Schönheit."

Topchana bildet die äußerste Spitze des Hornes, wie man den Hafen von Konstantinopel nennt. Es liegt gerade der Spitze des Serails gegenüber, und die dasigen Batterien verteidigen, mit denen des Serails sich kreuzend, den Eingang des Hafens. So oft der Sultan zu Wasser ausfahrt, begrüßen ihn diese Batterien mit 21 Schüssen; auch die Salvön zu Ehren der ankommenden Schiffe werden von hier aus abgefeuert.

Auf dem Landungsplatze von Topchana schiffte ich mich ein, und ließ mich nach dem gegenüber liegenden Landungsplatze am Gartentore wieder ausschiffen.

Ich befand mich nun auf dem Gebiete der eigentlichen Stadt, welche ein Dreieck bildet, dessen Basis auf dem festen Lande, die Spitze aber in dem Gewässer liegt, das man als den Anfang des Meeres von Marmora, oder als den Ausfluss des Bosporus in dieses Meer bezeichnen kann. Das Serail liegt an der äußersten Spitze dieses Dreiecks, und es wird von der Stadt durch eine eigene Mauer getrennt. Mit Ausnahme der Basis des Dreiecks ist die ganze Stadt von Wasser umgeben; auf der linken Seite liegt der Hafen von Konstantinopel, die rechte Seite wird von dem Meere von Marmora bespült, und die Spitze selbst liegt in dem Ausflusse des Bosporus in die Propontis oder das Marmorameer. Während also die Stadt selbst auf der einen Seite des Hafens liegt, befinden sich auf der andern Seite des Hafens die Vorstädte Südlidsche, Chaßköi, Peri-Pascha, Kassim-Pascha, Pera, Galata, Topchana usw. Die Stadt selbst ist von Mauern umgeben, die auf der Landseite dreifach sind, und das Schloss der sieben Türme liegt gerade in den Winkel, welchen der rechte Schenkel des Dreiecks mit der Basis desselben bildet.

In der Nahe des Gartentores, wo ich ans Land gestiegen war, besichtigte ich zuerst die Armenküche und die Bibliothek an Abdulhamid's Grabmale. Imaret, Armenküche, nennt man jene Küchen, welche neben den Moscheen bestehen, und aus welchen täglich eine große Anzahl Armer gespeist werden. Sie erhalten Brot, Fleisch und Zugemüse, und da beinahe an jeder Moschee eine solche Armenküche existiert, so wird es begreiflich, wie auf diese Weise gegen 30.000 Menschen in Konstantinopel täglich ihren Unterhalt finden. Man zählt mehr als hundert solche Imarets, von denen die vorzüglichsten an der Aja Sofia und den übrigen kaiserlichen Moscheen sind. In der Armenküche Abdulhamid's werden täglich 1.200 Brote zu 5 - 6 Pf. an Familien verteilt, welche einen Schein von Seite der Armenverwaltung vorweisen; auch bekommt sonst jeder Bettler ein solches Brot, mitunter, auch Fleisch und Reis, so weit die vorhandenen Vorräte zureichen.

Von dieser Armenküche begab ich mich in die Bibliothek Abdulhamid's. Diese Bibliothek ist unter den 20 bis 30 Bibliotheken, welche Konstantinopel besitzt, die jüngste. Da sie ganz nahe am Hafen, gegenüber von Pera liegt, und die Kustoden besonders gefällig sind, so wird dieselbe besonders von den in Pera wohnenden Europäern sehr stark besucht. Wahrend in den Bibliotheken der Moscheen, zu deren Besuche man eines Fermans bedarf, nicht gelesen werden darf, kann man hier sich ungestört diesem Genuss überlassen. Man sitzt nach türkischer Art auf Matten, während die Bücher auf den Banken liegen. Der Büchersaal ist zugleich auch das Lesezimmer; die Bücher liegen waagerecht in drahtvergitterten Schränken aufgeschichtet. Die Büchertitel sind nicht auf dem Rücken der Bücher, wie bei uns, sondern entweder auf dem Schnitte, oder auf der schmalen Seite des Futterals angegeben. Man trifft hier, so wie in andern Bibliotheken Konstantinopels, die wenigen bereits gedruckten Werke, außerdem aber viele herrlich geschriebene, kostbar eingebundene und in eigenen eleganten Futteralen bewahrte Manuskripte.

Von hier ging ich durch die Diwansstraße bis zu dem an der Ecke des kaiserlichen Serails gelegenen Lusthause Alai Köschk, von wo aus der Sultan, ohne gesehen zu werden, den öffentlichen Auf- und Einzügen zuzusehen pflegt; dann wendete ich mich in die Straße rechts um den Palast des Großveziers, die hohe Pforte, die eigentliche Hof- und Staatskanzlei zu sehen, welche der Mittelpunkt sämtlicher Reichsgeschäfte ist. Im Gegensatze zu dieser hohen Pforte heißt das erste Tor des Serails die kaiserliche Pforte. Hinter der Pforte des Großveziers ist die einzige noch Wasser in sich fassende Zisterne. Sie hat einen Umfang von 224 Schritten; 336 Marmorsäulen tragen das Ziegelgewölbe.

Wir bogen nun um die Ecke herum, welche hier die Mauern des Serails bilden, und sahen plötzlich das Meisterwerk neugriechischer, oder vielmehr byzantinischer Baukunst, die berühmte Sophienkirche, Aja Sofia, vor uns. Lange stand ich in Bewunderung versunken vor diesem herrlichen Bauwerke, dessen Höhe und Kühnheit jeden Unbefangenen überraschen muss. Um das Innere dieser Moschee besehen zu dürfen, muss man einen Firman haben, dessen Ausfertigung 1.000 Piaster, ungefähr 100 Gulden kostet. Da mein Führer sich schon vorläufig damit versehen hatte, so konnten wir ohne Hindernis, diesen Prachttempel betreten.

Auf demselben Platze hatte schon Konstantin einen Sophientempel erbaut, den sein Sohn Konstantins erweiterte. Diesen zerstörte unter Arkadius eine Feuersbrunst. Ein gleiches Schicksal hatte der von Theodosius errichtete Tempel in den religiösen Wirren des fünften Jahrhunderts. Nun fasste Justinian den Entschluss, einen Tempel zu erbauen, welcher an Pracht und Größe ein würdiges Seitenstück zu dem Tempel Salomos wäre, und führte dieses Vorhaben in dem Zeitraume von sechzehn Jahren glücklich aus.

Die Baumeister, denen die Ausführung dieses großartigen Werkes anvertraut wurde, waren Anthemius von Tralles und Isidorus von Milet. Unter ihrer Leitung standen 100 Unterbaumeister, deren jedem 100 Maurer beigegeben waren, so dass zu gleicher Zeit 5.000 Maurer rechts und eben so viele links arbeiteten. Man kann sich die Kosten eines solchen Riesenbaues denken! — Wände und Gewölbe wurden zwar nur von Backsteinen aufgeführt, aber die Pracht und Mannigfaltigkeit des Marmors, Granits und Porphyrs überstieg alle Grenzen. Besonders schön und groß waren die acht Porphyrsäulen, die einst Aurelian aus dem Tempel von Balbeck nach Rom geführt hatte, so wie acht grüne Marmorsäulen aus dem Dianatempel zu Ephesus. Der Kaiser opferte seine gewöhnliche Mittagsruhe der Förderung des Baues, und ließ sich dadurch nicht abschrecken, dass schon 452 Zentner Goldes ausgegeben waren, bevor noch die Mauern zwei Ellen über dem Grunde heraus waren. Die Ziegel zu dem Gewölbe der Kuppel, deren ungemeine Kühnheit und Leichtigkeit jedermann in Erstaunen setzte, wurden auf der Insel Rhodus aus ganz besonders leichtem Ton verfertigt; sie waren so leicht, dass 12 derselben einem gewöhnlichen Bauziegel an Gewichte gleich kamen. Der Altartisch wurde aus geschmolzenem Gold und Silber, worunter man zerstoßene Perlen und Edelsteine mischte, verfertigt, und die Vertiefung desselben noch insbesondere mit kostbaren Steinen ausgelegt. Über dem Altartische erhob sich das Tabernakel in Form eines Turmes, mit einer goldenen Kuppel im Gewichte von 18 Zentner. Diese war mit goldenen Lilien umgeben, zwischen denen sich das goldene Kreuz im Gewichte von 76 Pfunden erhob: auch dieses war mit kostbaren Steinen verziert. Die sieben Sitze der Priester, samt dem Throne des Patriarchen, welche den Altar von hinten in einem Halbzirkel umgaben, waren von vergoldetem Silber. Die Kanzel war von einem goldenen Himmelsdache bedeckt, an welchem ein goldenes, 100 Pfund schweres, mit Karfunkel und Zahlperlen bedecktes Kreuz herabhing. Alle heiligen Gefäße waren aus lauterem Golde, und der mit Perlen und Edelsteinen durchwirkten Kelchtücher waren nicht weniger als 42.000. Dazu 24 Evangelienbücher, deren jedes mit seinen Goldbeschlägen zwei Zentner wog; 6.000 traubenförmige Leuchter für den Hochaltar, zwei goldene, mit Bildhauerarbeit verzierte Trageleuchter, jeder 111 Pf. schwer, und sieben goldene Kreuze, jedes im Gewichte eines Zentners. Die Türen waren von Elfenbein, Bernstein oder Zedernholz; das Haupttor von vergoldetem Silber; an drei Türen waren von innen Bretter aus der Arche Noahs angebracht. Der Boden war mit vielfarbigem Marmor gepflastert. Im Vorhofe stand ein Wasserbecken von Jaspis; innerhalb der Kirche hatten die Priester einen eigenen Waschort, wo 12 Muscheln das Regenwasser auffingen, und 12 Löwen, 12 Parder, 12 Damhirsche dasselbe wieder von sich gaben.

Zwanzig Jahre nach Vollendung dieses herrlichen Baues wurde dieses Meisterwerk durch ein furchtbares Erdbeben größtenteils zerstört. Die östliche Hälfte der Kuppel stürzte ein und zerschmetterte den heiligen Tisch und die Kanzel samt den goldenen und silbernen Säulen. Der Dom wurde zwar aus denselben leichten Ziegeln wieder aufgebaut, aber um 15 Ellen niedriger als früher, und der Altar, wie auch die Kanzel kamen denen vor dem Erdbeben keineswegs gleich. Bei der Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner wurde vieles von den Kirchengefäßen und Gewändern durch die rohen Kriegsknechte verwüstet. Endlich mit dem Falle des letzten Paläologen, der noch am Morgen jenes unheilvollen Tages, an dem er kämpfend für die ganze Christenheit auf den erstürmten Mauern der Stadt den Tod des Helden und des Märtyrers starb, in diesem Tempel seine letzte Andacht verrichtet hatte, teilte dieses wundervolle Bauwerk das Schicksal des vor der Übermacht der rohen Osmannen in Trümmer dahinstürmenden Kaiserthrones. Als die Osmannen siegestrunken in die Stadt stürmten, hatten sich mit der Klerisei eine Anzahl Menschen, worunter die meisten Weiber und Jungfrauen, in die Sophienkirche geflüchtet. Da fielen die Tore des Tempels unter den Streichen der wütenden Sieger, und herein ritt auf seinem Schlachtrosse Mohamed II. Er bahnte sich mitten durch das dichtgedrängte Volk mühsam einen Weg zu dem Altare, und rief dort mit lauter Stimme das Glaubensbekenntnis des Korans aus: Es ist kein Gott als Gott — und Mohamed ist sein Prophet!

Nach dieser Entweihung des Tempels folgte eine Gräuelscene, vor deren Schilderung die Feder scheu zurückbebt. Noch an demselben Tage wurde der Tempel des Herrn in eine Moschee verwandelt, und darin sofort islamitischer Gottesdienst abgehalten.

In Folge dieser neuen Bestimmung sind natürlich manche Veränderungen im Inneren des Tempels vorgegangen, worunter die auffallendste ist, dass die Nische des Hochaltars, welche bei den Christen gegen Osten stand, jetzt gegen Südosten, wegen der Lage von Mekka, gerichtet ist, so dass die betende Versammlung nicht gegen die Hauptfronte des Tempels, sondern querüber zu stehen kommt. Murad III. ließ von der Insel Marmara zwei ungeheure Marmorkrüge herbeischassen, deren jeder gegen 1.000 Metzen Getreide fasste. Diese wurden dann im untern Teile der Kirche aufgestellt und mit Wasser angefüllt, um den Andächtigen zur Kühlung und Erfrischung zu dienen; auch widmete er 50.000 Stück Dukaten zur Vergoldung des auf der Kuppel aufgepflanzten, 50 Ellen im Durchmesser habenden, riesigen Halbmondes, welcher in der Beleuchtung der Sonne 100 Meilen weit ins Meer funkelt, und bis auf den Gipfel des bithynischen Olymps dem Auge sichtbar ist.

In ihrer vollen Pracht erscheint die Moschee in den sieben heiligen Nächten des Islams bei voller Beleuchtung von vielen tausend Lampen, besonders in der 27sten Nacht des Ramasans, in welcher der Tradition gemäß der Koran vom Himmel auf die Erde gesendet ward. Der Ramasan ist die türkische Fastenzeit; in dieser Epoche, so wie zur Zeit des Kurban-Bairams bietet Konstantinopel einen ganz eigentümlichen Anblick dar. Neun und zwanzig Tage hindurch ist der rechtgläubige Osmanne verpflichtet, sich von Sonnenaufgang bis zur Nachtzeit der Speise und des Trankes zu enthalten. Nicht einmal rauchen oder irgend einen Wohlgeruch um sich darf er verbreiten. So beschwerlich auch die genaue Beobachtung dieser strengen Vorschrift sein mag, so wagt es doch niemand sich davon auszuschließen; am allerwenigsten aber darf sich jemand öffentlich die Übertretung des Gesetzes zu Schulden kommen lassen: er würde unfehlbar als ein Abtrünniger mit dem Tode bestraft werden. Selbst Reisende, Kranke oder Frauen, die guter Hoffnung sind, zu deren Gunsten das Gesetz selbst eine Ausnahme gestattet, machen nur selten von dieser Nachsicht Gebrauch.

Bei Tage also befleißt sich jeder der größten Enthaltsamkeit; sobald aber der gewöhnliche Kanonenschuss den Sonnenuntergang verkündet, entschädigt sich jedermann für das lange Fasten durch eine tüchtige Mahlzeit. Indes zeigt der Türke dabei nicht die geringste Ungeduld, und erwartet die Erlösung von seiner Marter mit dem größten Anstande. Eine Stunde vor Sonnenuntergang begibt er sich in ein Kaffeehaus oder in den Schatten eines Baumes; gleichgültig betrachtet er den Franken, der neben ihm isst, trinkt und raucht. Wenn der Kanonenschuss der Erlösung tönt, erhebt er sich ruhig von seinem Sitze und geht langsam nach Hause, während seine Züge nicht die geringste Freude über den bevorstehenden Genuss verraten.

In der, während des Tages so stillen, einsamen Stadt-wird nun auf einmal alles lebendig: die Bevölkerung strömt auf die Straßen, die von einer lebhaften Beleuchtung erglänzen. Die Tausende von Lampen, deren magisches Licht von den Moscheen strahlet, die Beleuchtung der Kaffeehäuser, Kaufmannsläden u. s. w. versetzen Konstantinopel in ein Meer von Glanz, das sich in den Fluten des Bosporus, des goldenen Hornes und der Propontis spiegelt. Die Schönheit des Schauspiels, das man bei dieser Gelegenheit von den Höhen der Vorstadt Pera genießt, lässt sich durchaus nicht beschreiben. Während die Franken lustig in den erleuchteten Straßen herumschwärmen, liegen die frommen Muselmänner betend in den Moscheen. Manche verteilen ihr Überflüssiges unter die Armen; und nur die Minderzahl überlässt sich der Schwelgerei. Bei den ersten Strahlen der Morgenröte erheben sie sich dann von ihrem Lager, um ihren gewöhnlichen Geschäften nachzugehen.

In der bereits erwähnten 27sten Nacht des Ramasans begibt sich der Sultan mit seinem ganzen Gefolge nach der prachtvoll erleuchteten Moschee Aja Sofia, wo er dem nächtlichen Gottesdienste beiwohnt, und dann unter Vortragung einer Menge vielfarbiger Lampen in das Serail zurückkehrt.

Sowohl in diesen heiligen Nächten, als am Feste des Bairams, ist die ganze zahlreiche Priesterschaft der Moschee, die Imame, Scheiche, Gatibe, Muesins, Koranleser und Hymnensänger, die Türhüter, Auskehrer und Kirchendiener in voller Tätigkeit, weshalb es Jedermann zu raten ist, den Besuch Konstantinopels auf diese Zeit zu verlegen.

Von dieser berühmten Moschee hatte ich nur wenige Schritte zu dem Haupttore des Serails, Babi Humajun, kaiserliche Pforte. Ich war nicht wenig neugierig, diesen geheimnisvollen Palast, dieses irdische Paradies, aber auch häufig Schauplatz blutiger Katastrophen zu sehen, in dessen Innerem man sich zauberische Garten denkt, welche die Einbildungskraft mit allen Freudendes Lebens zu schmücken gewohnt ist.

Unter der Regierung Selim III. durften die Franken ohne Anstand das Innere dieses kaiserlichen Palastes betreten; allein seit dem Tode jenes Sultans ist der Eintritt in denselben wieder strenge verboten, und lange Zeit hindurch konnte man nur im Gefolge eines Gesandten dahin gelangen, wenn derselbe seine feierliche Antritts-Audienz hatte, und mit dem Ehrenkaftan bekleidet wurde. Heut zu Tage ist es wieder etwas leichter die Erlaubnis hierzu zu erhalten, und ich war so glücklich, durch meine Verbindungen in Pera in dieser Beziehung alle mögliche Erleichterung zu genießen.

Das jetzige Serail war nicht immer der Wohnsitz der Beherrscher des türkischen Reichs. Schon Mohamed der II., der Eroberer Konstantinopels, hatte mehr gegen die Mitte der Stadt zu einen Palast erbauen lassen, welcher jetzt den Namen: alles Serail führt. Später begann er den Bau eines bequemeren und angenehmeren Palastes an der Stelle des Palastes der Paläologen, welcher aber erst von Soliman II. vollendet wurde. Dieser liegt nun, wie gesagt, an der Spitze des Dreieckes, welches die Stadt bildet, und seine Mauern werden von den Gewässern des Hafens und der Propontis bespült. Man kann sich denken, welch' eine reizende Aussicht sich den Blicken des Beherrschers der Osmannen und seiner Angehörigen von diesem günstigen Standpunkte aus darbietet! Gegen Westen überblickt man die ungeheure Stadt mit ihren zahllosen Moscheen; gegen Norden erstreckt sich der mit Schiffen aller Nationen belebte Hafen, das goldene Horn genannt. Auf dem jenseitigen Ufer des Hafens liegen, gleich eben so vielen Edelsteinen, die Vorstädte Pera, Galata, Topchana u. s. w. Gegen Nordosten brechen sich die Fluten des Bosporus an den benachbarten Küsten Europas und Asiens, welche mit den reizendsten Lusthäusern und Palästen des Sultans und der Großen des Reichs geschmückt sind. Gerade vom Serail gegenüber im Osten liegt auf dem asiatischen Ufer Skutari mit seinen Zypressenhügeln, Pallasten und Zaubergarten, dazwischen der Bosporus, der sich hier in die Propontis oder das Meer von Marmora ergießt, in welchem die Prinzen-Inseln als eben so viele Smaragde in der bläulichen Einfassung des Meeres liegen, das die Mauern des Serails und der Stadt auf der Südseite umspült.

Das alte Serail diente lange Zeit den verwitweten Sultanninen, wie auch den in Ungnade Gefallenen oder Erkrankten zum Wohnorte; seit einigen Jahren aber bewohnt es der Seraskier oder Generalissimus der türkischen Heeresmacht. Seit der letzten Empörung der Janitscharen fiel auch das neue Serail in Ungnade, indem der verstorbene Sultan gewöhnlich in seinem neuen Palast zu Dolma-Bagdsche auf der europäischen Seite deck Bosporus wohnte; das Harem aber wurde nach dem auf der asiatischen Seite des Bosporus gelegenen Palast zu Beygler-Bey verlegt. In dem Serail selbst, wo alle bisherigen Sultane ihr Leben zubrachten, befanden sich in den letzten Jahren der Regierung des verstorbenen Sultans bloß die Aufseher und einige außer Aktivität gesetzte Eunuchen.

Das Serail wird von der Stadt durch eine Mauer getrennt, welche mit Türmen flankiert ist. Das alte Byzanz lag gerade innerhalb dieser Mauern; denn erst unter Theodosius und Heraklius erreichte es seine jetzige Ausdehnung.

Das Serail hat acht Tore; drei gegen die Stadt und fünf auf der Seeseite. Die letzteren sind berüchtigt wegen der vielen Schlachtopfer, welche durch dieselben den Weg in die kalten Finthen wandern mussten. Doch auch von der Landseite gewahrt das Haupttor einen traurigen Anblick durch die zu beiden Seiten befindlichen Nischen, in welchen die Köpfe der hingerichteten Verbrecher zur Schau ausgestellt werden.

Wir traten durch das Haupttor Babi Humajun in den ersten Hof des Serails, der ein unregelmäßiges Viereck bildet. Links steht die ehemalige Basilika der h. Irene, ein Bauwerk Konstantin des Großen, wo sich jetzt das Arsenal des Serails befindet, in welchem man altertümliche Waffen von hohem Werts, besonders für die, solche Reliquien verehrenden Osmannen, aufbewahrt. Diese Waffensammlung wird jedoch niemanden gezeigt; selbst bei Gelegenheit der feierlichen Aufzüge der Gesandten blieb dasselbe von jeher den Franken verschlossen. Rechts vom Eingange sind die Küchengebäude, die nichts Merkwürdiges darbieten.

Neben dem Arsenal befindet sich das Münzgebäude, das auch zu keiner weiteren Bemerkung Anlass gibt, als dass die Türken, so wie in andern Dingen, auch in der Kunst Geld zu prägen, noch weit zurück sind. Rechts ist das Krankenhaus, eine Kaserne für eine Gardeabteilung und Wohnungen der Finanzbeamten. Auch der Inspektor der öffentlichen Gebäude und der Sekretär des Obersten der schwarzen Eunuchen hatten ihre Wohnungen in diesem Hofe. Im Vordergrunde desselben ist eine von den Griechen für heilig gehaltene Quelle, Ajasma, wie sie es nennen, und im Hintergrunde sieht man noch den großen Mörser, der nach der Sage zur Hinrichtung der Mufti gebraucht worden sein soll.

Von dem ersten Hof in den zweiten gelangt man durch das Mitteltor, Orta kapu, das sonst den Franken nur dann geöffnet wurde, wenn der Sultan dem Gesandten einer fremden Macht Audienz erteilte. Auch hier wird man von Schauder ergriffen; denn links vom Eingange, gegenüber von der Wohnung des Kapidschi-Baschi, befand sich jene des Henkers, und mancher Große hauchte an diesem Platze sein Leben aus.

Sobald man in den zweiten Hof tritt, sieht man drei gepflasterte, mit Baumen besetzte Bahnen vor sich, von denen die links zum Divansaale des Großveziers, die mittlere nach dem Tor der Glückseligkeit, die rechts zu den kaiserlichen Küchen und Kellergebäuden führt. Die Mauern des Divansaales sind mit dem schönsten Marmor bekleidet und mit Gold verziert. Wenn der Großvezier seinen Divan hier versammelte, saß er selbst gewöhnlich der Eingangstür gerade gegenüber; an seiner Seite befanden sich der Kapudan-Pascha, der Schatzmeister, der Zeremonienmeister und die zwei Generalauditoren; der Reis-Effendi, oder Minister des Auswärtigen, befand sich in einem anstoßenden Gemache, die Befehle des Großveziers erwartend. Der Sultan wohnte zuweilen, den Anwesenden unsichtbar, den Beratungen des Divans bei, indem ein vergittertes Fenster in dem Gemache auf eine Art angebracht war, dass dem Sultan nichts von dem entging, was verhandelt wurde, während niemand seine Anwesenheit gewahr werden konnte.

An den öffentlichen Audienztagen begab man sich von dem Divansaale nach dem Thronsaale im dritten Hofe. In diesen führte das dritte Tor, das Tor der Glückseligkeit. Das Gebäude, in welchem sich der Thronsaal befindet, ist nicht groß, von viereckiger Gestalt und mit marmornen Säulenhallen umgeben. Der Saal, in welchem der Großherr die fremden Gesandten empfing, ist gewölbt, mit Marmor bekleidet, und empfängt seine Beleuchtung durch Fenster von gefärbtem Glase, welche ein geheimnisvolles Licht in demselben verbreiten, ganz geeignet, die großartigen Eindrücke zu verstärken. Ein Springbrunnen erhöht durch sein Geplätscher das Feenartige dieser prachtvollen Räume, die der Majestät, welche hier erscheinen soll, ganz würdig sind. Unter einem von vier mit Diamanten besäten Säulen getragenen Baldachine steht der Thron; auf dem Gipfel der Säulen ruhen goldene Kugeln, und von diesen herab wallt das Zeichen der Gewalt, die einst so gefürchteten Rossschweife. Ganz nahe am Throne ist ein Kamin, dessen Pfeiler und Gesimse ganz mit Zierraten von Gold bedeckt sind. Kurz dieser Saal ist in Bezug auf das daran verschwendete Gold und die, leider nicht immer nach den Regeln des guten Geschmackes, in Überfluss angebrachten Edelsteine, einer der prachtvollsten, die man sehen kann.

Weiter als bis zu diesem Thronsaale kam in der Regel kein Europäer, wenn er sich im Gefolge eines Gesandten befand, welcher hier in dem Thronsaale sein Beglaubigungsschreiben übergab.

Aus dem Thronsaale kommt man in den Palast des Sultans und seiner Frauen, Khasseki, oder Sklavinnen, Odalisken. Dies war das Winterharem, dessen Inneres sich vor niemanden als dem Sultan und den Wächtern des Harems, den Eunuchen, entschleierte.

Im Gegensatz zu diesem Winterpalast wurde vor einigen Jahren an der Spitze des Serails ein Sommerpalast erbaut. Man kann sich nichts Schöneres, nichts Reizenderes denken, als die Lage dieses Palastes, welcher im Gegensatz zu dem vorigen das Frühlings- und Herbst-Harem in sich schließt. Der Eingang ist von der Meerseite durch ein ganz vergoldetes Tor.

Wir wollen nun unseren Rückweg, aber mehr auf der östlichen Seite nehmen, wo wir zuerst an dem Gebäude der schwarzen Eunuchen vorüberkommen, welche das Harem bewachen; dann sehen wir die Bäder Selim II. mit ihren 82 mit Marmor bekleideten Sälen; ein Oratorium, wohin sich der Sultan beinahe täglich begab; die kaiserliche Schatzkammer, welche den Schatz und sonstige Kostbarkeiten des Sultans in sich schließt; die Bibliothek, welche eine Menge kostbarer Werke, besonders Manuskripte enthält. Weiter kommen wir zu dem Wachgebäude der weißen Eunuchen, zu den Wohnungen der Ikoglanen oder Pagen des Sultans, zu den Stallungen, und endlich zu den Wohngebäuden der Baltadschi. Hier treten wir wieder in den ersten Hof zurück, jedoch durch eine links von dem Haupteingang befindliche Tür.

Auf der westlichen Seite des Serails gegen den Hafen befinden sich ebenfalls andere Stallungen, Remisen für die kaiserlichen Schiffe, Wohnungen der Bäcker, Köche, Zuckerbäcker, Kameltreiber und anderer Dienstleute.

Von Symetrie oder Zweckmäßigkeit finden sich an diesen Aggregaten von Gebäuden wenig Spuren; alles liegt da ohne Regel durch einander, was sich wohl fürs Auge nicht übel macht, aber an großartigem Eindrucke verliert.

Jetzt denke man sich zu allem diesen einen, oder vielmehr eine Menge der schönsten Garten, deren schattige Gange und Anlagen man von weiten sieht, so kann man sich ungefähr eine Idee von dem machen, was man unter dem Serail des Großherrn versteht. Freilich hat dieser Palast viel von seinem Zauber verloren, seitdem der Sultan den weit sichereren Palast von Dolma-Bagdsche zu seinem Lieblingsaufenthalt erkoren hat.