Der Ringbergstein, der Alabasterbruch bei Kittelsthal, der Heiligenstein, der Scharffenberg, der Gömichenstein

Ruhlas nächste Umgebungen locken uns durch ihre Anmut zuerst ins Freie. In einem fünfstündigen*) bequemen Nachmittags-Spaziergang durchstreifen wir die gen Norden gelegenen interessanteren Punkte derselben. Es sind: der Ringbergstein, ein freiliegender Felsblock auf dem östlichen Abhange des Ringberges; der Alabasterbruch bei dem Dorfe Kittelsthal, ein geognostisch merkwürdiger Steinbruch; der Heiligenstein, ein altes Kloster, jetzt ein Vergnügungsort; der Scharffenberg, der bewaldete Felskegel bei dem Dorfe Thal, welcher mit seiner Turmruine schon im ersten Reisetage unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat; der Gömichenstein, ein dem Ringbergsteine ähnlicher Felsblock auf der westlichen Lehne des Breitenberges. Wir verlassen das Städtchen an seinem untern Ausgang.

*) Die Entfernungen sind, unter Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten, durchweg so berechnet, dass Damen die Partien mitmachen können.


Unmittelbar am Schlagbaum, der die Stelle des Tors vertritt, wendet unser Weg sich links über den Erbstrom, zieht sich aber alsbald nach rechts den Ringberg hinauf und spaltet sich dort nach wenigen Schritten in zwei Parkwege, der eine bergan, der andere den untern Abhang entlang führend. Wir schlagen den ersteren, den linken von beiden ein, steigen ziemlich steil durch den dunklen Buchenwald aufwärts und kommen nach ungefähr halbstündiger langsamer Wanderung auf eine freigelegene, umfangreiche Felsenplatte, wo ein kleiner Pavillon steht. Sie bildet den Gipfel
            des Ringbergsteins,
der durch seine imposante Form schon von der Stadt aus unsere Aufmerksamkeit lebhaft in Anspruch genommen hatte, wenngleich die bedeutende Höhe, in der er lagert, seine kolossalen Dimensionen weniger erkennen ließ. Einem von Menschenhand in rohester Form bearbeiteten Opferaltare nicht unähnlich, springt der mächtige Glimmerschieferblock ungefähr in der Mitte des Ringberges schroff und keck aus der steilen Baumwand in das Tal hinaus. Von seiner Hauptmasse, auf welcher der Pavillon ruhet, scheinen sich mehrere Klippen abgesplittert zu haben, die tiefer unten in seltsamer Form umhergestreut sind. Der Pavillon wurde zur fünfundzwanzigjährigen Regierungsfeier des nun verewigten Großherzogs August Friedrich von Sachsen-Weimar errichtet, und der „Jubeltempel“ benannt. Den Wanderern dient er jetzt zu einem anmutigen Ruheplätzchen.

Die Aussicht von hier ist sehr lieblich. Tief unter uns zur Rechten, Ruhla, in die grünen Bergwände fest eingeklemmt, doch bald in der Biegung des Tales sich verlierend. Gegenüber, am Breitenberge unter der dunklen Hülle von Buchenkronen gelagert, der Koloss des Gömichensteins. Links: das üppige Tal mit der Öffnung seines reich bewaldeten Rahmens, und über dieses hinaus ein buntes Gemisch von Berggipfeln bis zu den Hörseelbergen, welche mit ihren grotesken Felsenwänden den weiteren Blick begrenzen. Gerade vor uns in der Tiefe, der frische Wiesenplan, durchrauscht von den Krümmungen des hinabstürzenden Baches.

Sattsam ergötzt von dem schönen Bilde, kehren wir zur Wegeteilung am Fuße des Ringberges zurück, und schlagen dort den zweiten Parkweg ein, der — wie erwähnt — am untern Abhang des Berges sanft ansteigend sich fortzieht. Tiefe Waldesnacht umfängt uns auch hier; nur majestätischer ragen die Stämme der Buchen empor. Nach einer kleinen halben Stunde öffnet sich vor uns ein weit ausgedehntes, mehr gelichtetes Wald-Plateau, von Gras und Moos üppig überwachsen. Buchen von großartigstem Wuchse erheben sich hier zu breiten, lang hingedehnten Säulenhallen; ihre mächtigen Kronen halten ein schirmendes Dach über uns hin; sparsam hereinblitzende Sonnenstrahlen verbreiten ein magisches Licht. Der überraschend schöne Platz, der nördliche Abhang des Ringberges, erinnert lebhaft an die heiligen Hallen bei Tharand.

Unsere Straße geht über denselben fort. Nach ungefähr 10 Minuten spaltet sie sich. Beide ihrer Ausläufer führen nach dem Alabasterbruche, unserm nächsten Ziele. Wir gehen den Fußsteig zur Rechten. Sanft hinuntersteigend bringt er uns durch wiederum dichter werdendes Gebüsch an den nahen Saum des Waldes.

Welch ein hinreißend schönes Landschaftsbild breitet sich hier zu unsern Füßen aus! Links, an den Wald gelehnt, die saatengrünen Höhen zwischen Moßbach und Kittelsthal; darüber hinweg die waldigen Berge vor Eisenach. Geradeaus die Hörseelberge an der Grenze des Horizonts; unter uns in kurzer Entfernung die weißgrauen gewaltigen Klüfte des Alabasterbruchs, malerisch in den schroffen Bergabhang eingebuchtet, umgeben von Halden und Hütten. Dem Steinbruch zur Rechten, und Kittelsthal verdeckend: der steile, buchenumkleidete Kegel des hohen Spitzberges, am Gipfel von schroff hervorspringenden Felsblöcken umragt. An ihm vorüber, ganz nach rechts zu, ein langes tiefes Tal inmitten mächtiger, reichbewaldeter Anhöhen, mit weiter Aussicht nach den stufenförmig ansteigenden Vorbergen des Inselsberges. Der Scharffenberg mit stolzer Turmruine, die Wartberge bestreut mit Felsenstücken, die steile Porphyrmasse des Meisensteins, hochthronend auf dunklem Bergabhange, bilden seine linke Wand; der Gipfel des Übelberges bei Tabarz, mit kleinem Pavillon geschmückt, seinen fernsten Hintergrund; seine rechte Seite die lange, steile Berglehne des Schoßberges, die auch für uns den weiteren Blick beschränkt. — Eine herrliche Rundschau, vollendet durch die Saatenfelder, die, von Hecken durchzogen, in traulicher Enge den Grund dicht unter uns füllen, und durch die blumigen Wiesen, von denen der Herden freundliches Geläute uns entgegentönt.

Ein Feldweg führt uns den Hügel hinab zu dem kaum einige tausend Schritte entfernten
             Alabasterbruche.
Einwohnern des kleinen Eisenachschen Dorfes Kittelsthal gehörend, und von diesen auf eigene Rechnung bebaut, zerfällt derselbe in 5 bis 6 mächtige Steinbrüche, in denen der Alabaster (eigentlich nur ein feinerer Gips) in weißgrauer egaler Masse, graublau geädert, oder (in seinem geringsten Teile) ganz weiß bricht. Die schroffen weißgrauen Wände, welche aus den einzelnen Felsengruben emporstarren, steigen bis zu 50 Fuß in die Höhe, und gehen nach dem Gipfel des Berges zu in graugelben Kalkstein über. Ihr Anblick ist erhaben, und namentlich bei Mondbeleuchtung soll er zauberisch sein. Der gebrochene Stein wird teils gebrannt und zu Gips vermahlen, teils im rohen Materiale künstlich verarbeitet. Man drechselt daraus Gefäße, auch wird er zu Platten geschnitten und poliert. Im Residenzschlosse zu Weimar sind damit die Wände eines Prunkzimmers ausgetäfelt. Die Brennöfen und die Mühlen, von Pferden getrieben, liegen um den Steinbruch herum. — Außerdem werden hier bemerkenswerte Fasergipse gefunden, mit zierlichen Kristallbildungen und an Durchsichtigkeit dem Marienglase nahekommend. Auch rote Fasergipse, konglomeriert mit Schwerspath, wurden von uns bemerkt.

Wir verlassen den Steinbruch auf einem Wege, der nach dem Spitzberge zuführt. Nach einigen hundert Schritten legt sich eine Fahrstraße quer vor uns hin; auf dieser gehen wir rechts ab bis zu einer kleinen Wiese (linker Hand), die wir in schräger Richtung durchschneiden. An ihrem Ausgange (alles nur ganz kurze Strecken) sinden wir einen Hohlweg, der, von einem Bache durchströmt, durch das Tal führt, welches sich zwischen dem Spitzberge (links) und dem Ringberge (rechts) nach der Eisenach-Ruhlaer Chaussee hin öffnet, und weil es ehedem den Mönchen im Kloster Heiligenstein gehörte, das Mönchsfeld genannt wird. Am Rande des Hohlweges gehen wir dasselbe entlang, und sehen bald die Ruine Scharffenstein nahe vor uns über eine waldige Bucht ragen. Auf dem Felde ziehen die schönen Glimmerschiefer von buntester Färbung unsere Aufmerksamkeit auf sich. Nach einigen tausend Schritten führt ein Fußsteig vom Hohlwege rechtsab in ein kleines Gehölz. Er geht in das Dorf Weissenborn, einen unbedeutenden Eisenachischen Ort, und hier — die Dorfstraße links hinunter — auf die Chaussee.

Aufs Neue haben wir eine Stelle erreicht, über welche die verschwenderische Natur alle ihre Seligkeit ausgegossen hat. Ein weiter Talkessel mit üppig belaubten Bergwänden, gebildet von zwei sich durchkreuzenden Tälern, liegt vor uns ausgebreitet. In seiner Mitte ragt der waldige Kegel des Scharffenberges, auf seinem Gipfel der Ruinenturm, empor. Rechts, nahe bei uns, zwischen Ringberg und Schoßberg, öffnet sich die Pforte zur traulichen Enge des Erbstromthales: ein herrlicher Einblick in die majestätischen Waldabhänge! Vor uns schweift das Auge in den schönen Buchengrund zwischen dem Schoßberge und dem Scharffenberge, den wir schon vom Saume des Ringbergwaldes erblickt, und hier in neuem Reiz begrüßen. Zur Linken dehnt das nun geöffnete Erbstromthal zu breiterer Fläche sich aus. Das Seebachthal, begrenzt von den Felswänden der Ebertsberge und dem Scharffenberge, vereint sich ihm. Der Erbstrom durchrauscht die saftigen Wiesen im tiefen Grunde. Aus jedem Nebentale fließt ein Bach ihm zu. Und rund umgestreut blicken die Dächer von Weißenborn, Thal und Heiligenstein aus ihren Baumkränzen freundlich hervor. Wir schauen in eins der reizendsten Bilder des ganzen Gebirges, und die süße Poesie der Natur, die über dem zauberischen Gefilde ausgebreitet liegt, gießt ihre Wonnen auch in unser Herz!

Inmitten des Einganges zum Erbstromthale liegt
             der Heiligenstein.
— In früheren Zeiten ein Kloster, wovon die mit dem Hauptgebäude durch Seitenflügel noch jetzt verbundene altertümliche Kirche Zeugnis gibt, ist er gegenwärtig ein viel besuchter Vergnügungsort der Ruhlaer und der Eisenacher. Und er ist hierzu, wie geschaffen. Der mächtige Abhang des Ringberges, nur durch die Chaussee von dem Gasthause getrennt, bietet in seiner Buchenumwalduug der zauberischen Plätzchen gar viele, die, in Lauben durch einander geschlungen, zu behaglicher Ruhe winken. — Den steilen Schoßberg hinauf — vom Hause zur linken Seite nur durch den Wirtschaftshof und den Erbstrom geschieden — geht mancher schattige Waldweg, der zu den reizendsten Aussichten hinführt. Das Dörfchen Thal und der nahe Scharffenberg laden zu weitern Ausflügen ein.

Wenn wir in Weissenborn auf die Chaussee hinausgetreten, wenden wir uns rechts, und gelangen in zwei Minuten hierher. Militärmusik, von Eisenach herübergekommen, schallt uns lustig entgegen. Ein ländliches Fest hatte zahlreiche Vergnügte versammelt, die unter Lauben hingelagert sich harmloser Freude überlassen. Die malerischen Trachten der Landbewohner mischen sich bunt unter die städtischen Toiletten. Herr Knabe, der freundliche Wirt, tummelt sich geschäftig in dem Gewühl umher. Wir stürzen uns mit in die Lust und werden zu notwendiger Stärkung gleichfalls von ihm bedacht.

Auf dem Heiligenstein hätten wir unsern Ausflug beschließen, und von hier nach Ruhla zurückkehren können, das wir auf der Chaussee in 3/4 Stunden erreicht haben würden. Doch lockt uns noch der Scharffenberg, jenseits des Dörfchens Thal, und da er in einer Viertelstunde zu erreichen ist, beschließen wir, weiter zu wandern.

Wir gehen vom Gasthause um den Dorfkirchhof rechts herum, zwischen mehreren Gehöften durch und über eine kleine Wiese bis zum Fuße des Schoßberges, der, vom Erbstrom umspült, Thal und Heiligenstein trennt. Das Flüßchen spaltet sich an einer Brücke, über welche hier unser Weg führt, in zwei Arme, die, von Erlengebüschen überwölbt, hart an den senkrechten Felsenwänden des Berges parallel neben einander fortlaufen. Ein reizender Fußsteig liegt zwischen beiden; es ist der nächste Weg nach Thal. *) Zu unserer Rechten finden wir bald eine zweite Brücke, nach deren Überschreiten wir durch einen felsigen Hohlweg etwas bergan gehen, und dickt zu unsern Füßen das Dörfchen selber erblicken. Links unter uns schmücken mehrere Mühlen den buschigen Wiesengrund. Ein Wasserfall, hart am Wege über eine Felswand stürzend — ein Wellenbad —, hatte schon unterhalb des Hohlweges unser Interesse erregt.

*) Thal, ein Gothaisches Pfarrdorf, Hauptort eines Amtsbezirks, zu welchem auch der Gothaische Teil von Ruhla gehört, Sitz einer Försterei, im engen Grunde der Thale, — gehörte früher der Familie der Grafen von Ütterodt, bis es vor einigen Jahren in Folge einer langwierigen Erbstreitigkeit, in welcher man sich über die Lehnssuccession nachgeborner Kinder nicht einigen konnte, an die Herzoglich Gothaische Kammer verkauft wurde. Es hat in einigen 60 Häusern gegen 300 Einwohner, welche sich von Waldarbeit nähren.

Rechts von uns das Schloss, den alten Herrensitz der gräflichen Familie von Ütterodt, jetzt das Amthaus, zur Linken eine ansehnliche Papiermühle, betreten wir die Dorfstraße, über welche hinweg (gerade vor uns) das Gasthaus liegt. An der uns zugekehrten Ecke desselben bemerken wir eine etwas versteckte, steile Treppe, den Abhang des unmittelbar hinter dem Hause liegenden Scharffenberges hinauf. Sie führt uns in den Garten des Gasthofes, welcher den Fuß des Berges umzieht. Hier verweilen wir kurze Zeit in einer Veranda, aus der sich noch ein köstlicher Blick über Thal hinab in den Bergkessel bietet, und steigen dann auf dem Parkwege, der uns von der Treppe bis hierher gebracht,
             den Scharffenberg
weiter hinauf. In schneckenförmigen Windungen zieht er sich bequem um den steilen Bergkegel herum; dichtes Gebüsch der verschiedenartigsten Laubhölzer, im üppigsten Grün strotzend, umhüllt ihn von beiden Seiten; es gibt, vom Tale aus gesehen, dem schön geformten Berge eben den reizenden Anblick, der ihn vor allen rings umher besonders auszeichnet. Unter den Büschen duftet und glüht eine reiche Waldflora uns entgegen; mit Interesse bemerken wir namentlich den hier wild wachsenden Türkenbund. Zu unserer Seite öffnet sich bisweilen ein schöner Blick ins Freie.

Nach einviertelstündigem Emporsteigen stehen wir vor einer steilen Felsenwand, die aus dem dichten Gebüsch uns plötzlich entgegenspringt. Auf ihrem Kamme ruhen die von unten nicht sichtbaren Mauern der Ruine Scharffenstein, durch welche ein noch wohl erhaltenes Tor in den Burghof führt. In ihrem Innern erblicken wir dicht neben dem Tore das noch vollständige Wappen der Familie Ütterodt, der Arbeit nach zu urteilen, erst nach Zerstörung der Burg angebracht. Diese selbst muss sich mit ihren Gebäuden eine ziemlich ausgedehnte, steile Anhöhe hinan erstreckt haben, da ihr zweiter, noch vorhandener Überrest, der hohe runde Turm, welchen wir schon so oft aus der Ferne erblickt haben, in bedeutender Höhe über dem Burgtore liegt. Derselbe krönt die höchste Spitze des Berges, und ragt, an seinem zertrümmerten, offenen Kranze von kleinem Gebüsch umrangt, weit über die Bäume hinaus. Zu einer Seite schließt sich ihm noch niedriges Mauerwerk an; eine Türöffnung, 5 Fuß von der Erde entfernt und leicht zu ersteigen, führt in seinen innern Raum, der in eine ziemlich bedeutende Tiefe verließartig hinabgeht. Hier ist alles wüst und öde; nur ein Ausbau von Quadersteinen, der etwa 30 Fuß vom Boden nach Innen zu um ein Fenster sich wölbt, mutmaßlich ein Rauchmantel, deutet darauf, dass der Turm bewohnbar gewesen.

Die Aussicht, welche man des bewaldeten Gipfels halber nur von der Türöffnung aus und bloß nach Norden hin genießt, ist gleichwohl reich belohnend. Der Wiesengrund des Erbstroms, die Ebertsberge, das Tal des Seebaches, Farnroda, und der Kranz der Hörseelberge zeigt sich dem Blicke. Überaus reich und entzückend müsste sie sein, wenn der Turm zu ersteigen und von ihm herab eine Umschau zu gewinnen wäre. Er beherrscht sämtliche ringsum liegende Gründe, den des Erbstroms, der Thale, des Seebachs, das Mönchsfeld und die Öffnung bis nach Wutha, und ist weithin sichtbar.

Erbaut im 11ten Jahrhundert, diente die Burg anfänglich wohl zu räuberischen Zwecken, die von ihrer Lage sehr begünstigt werden mochten. Nach mehrfachem Besitzwechsel gelangte sie endlich an Herzog Wilhelm von Thüringen, und wurde im Sächsischen Bruderkriege, dem Kriege zwischen diesem und seinem Bruder, Kurfürst Friedrich II von Sachsen, im Jahre 1447 zerstört.

Hinabsteigend entdecken wir unfern des Tores und einer Vertiefung, die offenbar der Burggraben gewesen, einen rechts in das Gehölz steil abwärts führenden Fußweg, und schlagen ihn als den näheren ein. Er bringt uns über schroffe, malerisch gruppierte Felsklippen wieder in das Dörfchen Thal, dessen Lage an dieser Stelle äußerst romantisch ist. In die eng zusammentretenden Wände des Schoßberges und des Scharffenberges eingeklemmt, drängen sich seine Häuser gleichsam in die Felsen hinein, und die Buchen droben strecken ein schirmendes Dach darüber hin. An einer der schönsten Stellen blickt von steiler Felsenwand ein geschmackvoller Pavillon auf das Dörfchen nieder, ein wahrhaft liebenswürdiges Plätzchen, zum Ruhen und Umschauen erdacht von einem der Natur warm hingegebenen Gemüte.

Die Dorfstraße rechts abwärts, an einer mächtigen Linde — dem Tanzplatz der Dorfbewohner — und am Schlosse vorüber, kommen wir nach kurzer Frist auf den Weg, der uns hierher gebracht, und auf diesem wieder nach Heiligenstein.

Herr Knabe hat sich die früheren Gäste gemerkt, und empfängt uns als alte Freunde. Was er uns vorsetzt, vereinigt vorteilhaft Güte mit Wohlfeilheit; namentlich das Bier ist zu loben. Zu unserer freudigen Überraschung lernen wir in ihm zugleich einen tüchtigen Mineralogen kennen. Er zeigt uns, jetzt weniger beschäftigt, seine kleine, aber gewählte Steinsammlung, und bedauert lebhaft, dass wir ihn aus Mangel an Zeit nicht auf seinen mineralogischen Exkursionen begleiten können: die Glimmerschiefer, welche das Tal der Ruhl auf allen seinen Bergen in schönster Färbung durchlagern, die Petrefacte im Dolomit der Ebertsberge bei Seebach, die Flussspathgänge und die gefärbten Dioritschiefer am Ringberge gewährten ihm jederzeit die reichste Ausbeute.

Der Thüringer Wald ist in geologischer und geognostischer Beziehung überhaupt eins der bemerkenswerthsten Gebirge Deutschlands. In zwei, fast gleich lange Hälften zerfallend, *) Hauptgebirgsstock desselben im nordwestlichen Teile, bis zum Tale der Möhrenbach hin, vorwiegend ans Porphyr von allen Arten und Gemengen. Interessante Gebilde in demselben sind die anmutig gezeichneten Mandelsteinporphyre, mehr noch die Kugelporphyre, welche sich in verschiedenen Gegenden des Waldes, — in größter Schönheit aber um den Schneekopf herum — vorfinden: runde Kugeln von verschiedener Größe, im Innern, großenteils auf Unterlagen von Achat, mit Quarz-, Amethyst- oder Citrinkristallen ausgefüllt, oder in ihren hohlen Wänden mit Eisenrahm überzogen. Im südöstlichen Teile herrscht der Tonschiefer vor. Zwischen beiden Hauptgebirgsarten treten mannigfache andere, teils kristallinische, teils stratifizierte Gesteine zu Tage, oder sind im Innern der Berge mit ihnen vermengt. Aus letzteren spielt der Zechstein und das Rothtodtliegende, vorzüglich an den Ausläufern der Berge, eine bedeutende Rolle. Unter den ersteren befinden sich vorzugsweise: Diorit, Syenit, Grauwacke, Gneis, Quarz, Melaphyr und Hornblendgestein. Hin und wieder, obschon seltener und vornehmlich im nordwestlichen Teile des Waldes, drängen sich auch Granite hervor, wie im Drusenthale, auf dem Gerbersteine, im Ilmthale und auf dem geognostisch überhaupt merkwürdigsten Berge des Waldes, dem Ehrenberge bei Ilmenau, auf welchem sämtliche Steinarten des Gebirges neben einander liegend zur Erscheinung kommen. — Um den Hauptgebirgsstock ziehen sich die Vorberge, die zumeist aus Todtliegendem, Zechstein, buntem Sandstein oder Muschelkalk bestehen, und durch welche sich reiche Straten von Dolomit, älterem Flözkalk, Gips und Mergelschiefer drängen. An späthigen Gesteinen finden sich Schwerspath, Kalkspath, Flussspath überall und bisweilen schön kristallisiert; Braunspath und Bitterspath jedoch nur in der Gegend von Altenstein. Edlere Gesteine hat das Gebirge weniger; in der Gegend von Ruhla nur einzelne Achatspuren, in der Nähe von Schwarzburg und des Drusenthals Marmorbrüche, und bei Kittelsthal den uns schon bekannten Alabasterbruch.

*) Hier eine geologische Abhandlung zu schreiben, und genau die Lagerung der einzelnen Steinarten aufzuführen, konnte nicht in der besteht der Absicht liegen; einige Umrisse des Charakters der Gebirgsarten dürften aber immerhin von Interesse sein.

Reichtum an Erzen war in früherer Zeit mehr als jetzt vorhanden. Ehemals soll man selbst auf Gold gegraben haben; und die Gegend von Ilmenau lieferte manche Ausbeute an Silber. Die Gruben daselbst sind neuerdings durch Wasser zerstört, und nicht wieder geöffnet worden. Dagegen ist der Gewinn an Eisen noch heute zu Tage nicht unbedeutend. Die Gruben im Stahlberge in der Nähe von Schmalkalden ergeben allein jährlich 10.000, das Bergwerk Mommel gegen 7000— 8000 Tonnen, und auch die Gruben in Friedrichsroda, Kamsdorf, am Langenberge bei Amt Göhren, und auf der Koppe bei Meußelbach liefern reiche Ausbeute, welche insgesamt auf zahlreichen Hämmern in allen Teilen des Waldes verarbeitet, oder auch weiter verfahren wird. Ein anderes Erz, das hier in reichem Maße und in vorzüglicher Schönheit vorkommt, ist der Braunstein (Mangan), der sich in jeden Arten und von oft wundervoller Kristallisation findet. Seine Hauptregion ist die Gegend um Ilmenau und Elgersburg. Eigentümliche Spezies desselben, die Braunite und Hausmannite, auf dem Öhrenstocker Berge bei Ilmenau, und überhaupt Mangankristalle aller Gattungen, sind früher in den ausgezeichnetsten Exemplaren an die berühmtesten Kabinette verkauft und teuer bezahlt worden; auch befinden sich dergleichen von hohem Werte in der reichhaltigen Sammlung eines dortigen gewiegten Mineralogen, des Bürgermeisters Scheffler zu Ilmenau. Kupfer wurde früher öfter gegraben, jetzt vornämlich nur im Katzmannsthale bei Möhrenbach und in der Gegend von Altenstein. Hier kommen auch Gangarten von Kobalt-, Bleiglanz-, Arsenik- und Wismutherz vor. Steinkohlen haben ihre Hauptlager gleichfalls um Ilmenau, im Manebacher Grunde. Die Pflanzenabdrücke in denselben, deren auch Goethe mit Vorliebe erwähnt, sind von hervorstechender Schönheit, und bilden mitunter prachtvolle Kabinettsstücke. Petrefakten finden sich überall, vornehmlich im Muschelkalk, Zechsteine und Dolomit. Die Tierfährten, welche zu Heßberg bei Hildburghausen im Sandsteine entdeckt worden sind, haben sich wissenschaftliche Berühmtheit erworben.

Vielfältig von allen Diesem belehrt, verlassen wir den freundlichen Wirt, um über den Gömichenstein nunmehr nach Ruhla (1 Stunde) zurückzukehren. Wir durchgehen die Hofgebäude des Gasthauses nach dem Schoßberge zu, überschreiten den Erbstrom und betreten am Fuße des Berges einen Parkweg, der rechts emporführt, und bald zu beträchtlicher Höhe aufsteigt. Teils durch Waldabschnitte, teils an der freien Berglehne sich hinziehend, bietet er die prächtigsten Blicke in das grüne Tal, und an den majestätischen Abhang des gegenüberliegenden Ringberges hinauf, dessen steile, vom Gipfel bis zur Talsohle mit Buchen geschmückte Wand von hier aus am gewaltigsten erscheint.

Über lebendige Quellen und Bäche, die in Wasserfällen herabrauschen, schreiten wir fort. Eine Fahrstraße von Ruhla herauf kreuzt unsern Weg; wir gehen über sie hin und höher hinauf. Bald erreichen wir an der Lehne des Breitenberges einen kleinen Wald. Hier lagert einsam, dicht an unserm Wege,
             der Gömichenstein;
an seinem Fuße ein trauliches Plätzchen, wo Waldesruhe mit aller ihrer Seligkeit sich über uns breitet. Kühn strebt der gewaltige Glimmerschieferkoloss zu den Buchenwipfeln empor; ringsum steile Wände machen ihn unersteiglich.

Felsenblöcke, wie der Gömichenstein und der Ringbergstein, die aus den Berglehnen in abgesonderten Massen hervorspringen, und in einer gewissen Regelmäßigkeit sich gegenüberstehen, lagern in verschiedenen Tälern des Thüringer Waldes. Vornehmlich bieten im Ilmthale zwischen Ilmenau und Stützerbach die beiden Herrmannssteine, der Schwalbenstein und der Emmastein die gleiche Erscheinung. Gelehrte Altertumsforscher, unter ihnen der berühmte Gebirgskundige und Geschichtsschreiber der Keltischen Altertümer, Keferstein in Halle, sind mit der Untersuchung beschäftigt, ob diese Steine durch Natur oder Menschenhand in solche Formen gebracht worden, und stellen, weil insgesamt die Täler von ihnen weithin beherrscht werden, die Vermutung auf, dass es alte Druidenaltäre gewesen, von da herab beim Scheine nächtlicher Flammen die Priester der versammelten Menge der Fürsten und Krieger unten im Tale Orakel verkündet haben. Wir nehmen uns vor, seinerzeit gleichfalls darüber nachzudenken, weil die Erscheinung allerdings auffallend genug ist.

Sobald wir aus dem Walde getreten, liegt Ruhla unter uns, überragt von dem gewaltigen Gipfel des Bermer. Unser Weg aber führt uns noch eine Weile oberhalb des Städtchens herum, und gestattet uns auf seinen stets erneuten Biegungen die mannigfachsten Blicke auf den freundlichen Ort. Erst bei der Gothaischen Kirche steigen wir auf einem steilen Fußpfade hinab, und bald nimmt unser trauliches Stübchen uns gastlich wieder auf.