Der Mensch als Beherrscher der Tiere - Der Stör

Dargestellt in Bildern und Erzählungen für die reifere Jugend
Autor: Herausgeber: Der Mensch und die Elemente, Erscheinungsjahr: 1856

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Stör, Fisch, Fischfang, Fischer, Kaviar, Rogen
Der größte Fisch, welcher in Flüssen gefangen wird, ist der Stör, er gehört eigentlich dem Meere an, steigt aber wie der Lachs in die großen Ströme des Laichens wegen, wo er allenthalben als höchst willkommener Gast betrachtet wird. Die Störe haben im Allgemeinen die Gestalt der Haifische, ihr Leib ist mit Reihen einzelner hornartiger Schilder besetzt, die Schnauze ragt weit über den kleinen Mund, dessen Nahrung Würmer und Fische sind, hinaus, und die Schwimmblase ist sehr groß. An den Ufern der Wolga, des Jaik, Dniesters, der Donau, Oder, Elbe, des Rheins, der Seine, des Po usw., ja selbst der Nebenflüsse sind schon Störe gefangen worden, die ein Gewicht von 200-2.800 Pfund hatten, kleine Störe gibt es gar nicht in den Flüssen und sie werden auch nicht an den Mündungen derselben oder im Meere gefangen, sie müssen demnach in der Tiefe desselben sich aufhalten, bis sie zur Fortpflanzung ihres Geschlechtes tauglich sind. Der Stör ist aber nicht nur der größte unter den Flussfischen, sondern auch weitaus der nützlichste, sein Fleisch, frisch gegessen, ist von ausgezeichnet feinem Geschmacke und wird allenthalben sehr hoch geachtet. Eine Sterletsuppe, die von dem Fleisch der kleinsten Art der Störe bereitet wird, ist selbst in Russland, der Heimat dieses Fisches, und auf den Tafeln der Reichen zu finden. Der verschwenderische Fürst Potemkin bewirtete einst bei einem Feste die Kaiserin Katarina mit einer solchen Suppe, die in silbernen Geschirren aufgetragen wurde und über 10.000 Rubel kostete. Bei den alten Römern, die sich vortrefflich auf wohlschmeckende Speisen verstanden, wurde der Stör bekränzt unter Trompeten- und Pauckenschall wie im Triumphe an die Tafel gebracht. Auch in Frankreich und England war es im vorigen Jahrhundert noch der Brauch, dass alle gefangenen Störe an die Hofküche abgeliefert werden mussten. So groß der Nutzen ist, den man daher aus dem Fleische dieses Fisches zieht, wird derselbe doch noch weit durch den Gewinn übertroffen, welchen der Kaviar, d. h. der eingesalzene Rogen des Störs abwirft. Als magenstärkendes Nahrungsmittel und als Delikatesse, um die Esslust zu erregen, ist der Kaviar allenthalben sehr beliebt und deshalb weit und breit verführt. Petersburg allein verschifft jährlich über 400.000 Pfund. Da die Eier eines Störweibchens fast den dritten Teil des ganzen Gewichts ausmachen, und man bei einem, das 2.000 Pfund wog, 800 Pfund Rogen fand, so leuchtet ein, dass bei dem großen Fang dieser Fische auch eine unglaubliche Menge Kaviar bereitet werden kann. Dieser wird in der Weise zurecht gemacht, dass man ihn mit einem Sieb von Unreinigkeiten säubert, einfsalzt und die Salzlake wieder ablaufen lässt. Am meisten wird er in Russland verspeist, denn während der sechs volle Wochen dauernden Fastenzeit darf dort kein Fleisch gegessen werden, deshalb nähren sich die Wohlhabenderen dann vorzüglich von Kaviar und Fischen. Der Stör liefert außer feinem Fleisch und feinem Rogen noch einen sehr einträglichen Artikel, nämlich die Hausenblase, so genannt, weil eine Art dieser Fische Hausen heißt. Die Hausenblase gibt den dauerhaftesten Kitt für Holzwerk, Porzellan und Glas, wird zum luftdichten Verschließen von Gefäßen, zum Glanzgeben für mehrere Stoffe in Fabriken, zum Abklären des Weines, Kaffees und zu vielen andern Dingen verwendet. - Diesem nützlichen Fische dankt also der Mensch sehr vieles und besonders ist es Russland, dem dieser Fischfang Millionen Rubel jährlich einträgt und tausende seiner Bewohner nährt und beschäftigt. Die Art nun, wieder Stör gefangen wird, ist sehr verschieden. In der Donau wird er harpuniert, wenn er auf dem Wasser schwimmt; gestochen, wenn er auf dem Grunde geht, oder mit Netzen umgeben und ans Ufer getrieben und dann gefesselt zum Verkaufe gebracht. In dem Jaik und der Wolga, wo er herdenweise kommt, sind größere Anstalten nötig, dort wird im Fluss ein Wall gebaut, der nach zwei Seiten ein offenes Dreieck bildet, die größere Öffnung ist dem Meere zugekehrt, aus dem der Fisch heraufschwimmt, die kleinere ist mit einer Falltür versehen, die herabgelassen wird oder von selbst herabfällt; sobald der Fisch diese Stelle passiert, ist er gefangen. Im Winter lagern sich die Störe an den tiefsten Stellen des Flusses, und ist derselbe erst mit Eis bedeckt, so legen sich die Kosaken auf die durchsichtige Eisdecke und sehen, was in der Tiefe vorgeht. Ist Alles gehörig erspäht und weiß man, wo sich die meisten Störe befinden, so wird ein Tag des Fischfanges festgesetzt, ein Oberhaupt zur Aufrechthaltung der nötigen Ordnung erwählt, und die Gerätschaften, als tüchtige Angelhacken vom besten Stahle, feste Stangen, Äxte, Beile usw. bereitgehalten. Endlich ist der bestimmte Tag da; alle Kosaken können mit ihren Schlitten nach den Sammelplätzen, ehe noch die kalte Wintersonne sich über die eisige Fläche erhebt. Einer reiht sich dem Andern in der Ordnung an, wie er eintraf. Der Anführer mustert die Mannschaft mit ihren Geräten und Waffen, die Sonne erhebt sich am Horizonte und zwei Kanonen vor der Stadt geben das Zeichen zum Aufbruch. Im vollen Galopp geht es hinaus nach dem Fluss und Jeder sucht den Punkt zu gewinnen, der ihm der beste dünkt: Aber Keiner rührt Hand an, bis Alles an Ort und Stelle ist, und der Anführer mit einem Flintenschuss das Zeichen zum Anfang gegeben hat. Den ersten Tag findet der kleine Fang statt, nach ihm folgt eine Pause von 5-6 Tagen. Es geschieht der armen Kosaken halber, die vielleicht Futter, Brot und dergl. vom Ertrage dieses Fischfanges, einkaufen müssen, und an der ferneren Beute nicht Teil haben könnten, wenn der Fang ohne Unterbrechung fortginge Der große Fischzug dauert dann neun Tage fort, und an jedem Tage werden die Grenzen bezeichnet, wie weit man fischen darf. Ein dritter kleiner Fang ist noch hintenher auf einen Tag bestimmt, um zu fangen, was man in der eigenen Wirtschaft bedarf. Die frühere Beute ist für den Verkauf berechnet. Jeder Kosake macht auf seiner Stelle eine mäßige Öffnung ins Eis und lässt eine Stange mit dem Hacken hinabgleiten, dass sie kaum eine Hand breit über den Grund des Wassers liegt. Hat der Fisch angebissen, so zieht er ihn so hoch herauf, dass er ihm einen andern Hacken mit kurzer Stange in den Leib werfen kann und bringt ihn so aufs Eis herauf. Acht bis zehn tüchtige Störe können auf diese Art am Tage seine Beute sein, von welcher man einen namhaften Gewinn macht. - In Astrachan nimmt man statt der Hacken und Stangen kurze Netze von zwei Ellen Länge und Breite. Wenn der Winter kommt, wird verboten, dort zu fischen, wo man den Aufenthalt großer Störe vermutet, und jeder Barkführer muss sich möglichst hüten, Geräusch zu machen. Geschossen darf gar nicht werden, Schildwachen stehen hier und da, diesem Gebote Achtung zu schaffen. Gewöhnlich ist hier zu Anfang Novembers die Fischzeit. - Ist Alles in Bereitschaft, so gibt das Oberhaupt den vornehmsten Bewohnern zuerst einen Schmaus und mit dem tiefsten Schweigen marschiert früh Alles ab. Dreihundert Boote sind bereit abzustoßen; die Netze dürfen nun heruntergelassen werden. Ein Gewehrfeuer kracht durch die Lüfte, Geschrei von Tausenden begleitet es; die aufgescheuchten Störe suchen zu entkommen und geraten in die Netze, worin sie heraufgezogen und getötet werden. Nach drei Stunden tritt eine Pause ein, und man sucht eine andere Stelle auf, um das blutige Spiel von Neuem zu beginnen. - Da der Stör in seinem Schwanze eine große Gewalt hat, so muss man sich ihm, falls er auf dem Trockenen noch lebendig ist, mit großer Vorsicht nähern. Mit dem Beile spaltet man ihm nun das Haupt, dann öffnet man ihn vom Kopf bis zur Afterflosse und nimmt den Rogen, die Schwimmblase, das Rückenmark heraus. Die Eingeweide werden eingesalzen und auf der Stelle verkauft, das Fett sorgfältig gesammelt. Diese gehen an die Bereitung des Kaviars, Jene an die der Hausenblase, noch Andere beschäftigen sich mit dem Transport des Fleisches in die Eiskeller, mit dem Einfalzen und Marinieren desselben; kurz alle Hände sind beschäftigt und der Arbeit gibt es so viele, dass eine doppelte Anzahl von Menschen gegen den gewöhnlichen Stand der Bevölkerung nötig ist.

Acipenser, Stör

Acipenser, Stör