Der Lotse auf dem Lugaus.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 4. 1871
Autor: O. M., Erscheinungsjahr: 1871

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Lotse, Lotsen, Seeleute, Lotsenwesen, Menschenleben, Eigentum, Gefahr, Schaden, Schiffe, Unkenntnis, Fahrlässigkeit,
Kein Gewerbe ist nützlicher, aber auch gefährlicher und verantwortlicher, anstrengender und rastloser, als dasjenige der Lotsen, jener tüchtigen, erfahrenen Seeleute, welche des Fahrwassers in der Nähe eines Hafens oder Landungsplatzes genau kundig und dazu bestimmt sind, die an- und auslaufenden Schiffe sicher aufzubringen. Meist werden nur die erprobtesten, intelligentesten und kühnsten Seeleute als Lotsen zugelassen, nachdem sie einer strengen Prüfung unterworfen sind, denn da von ihren Leistungen solch ungeheure Werte an Menschenleben und Eigentum abhängen, ist in allen zivilisierten Ländern das Lotsenwesen von Staats wegen organisiert und genau beaufsichtigt. Der Lotse muss zu jeder Zeit, sei die See auch noch so stürmisch und die Gefahr noch so drohend, an Bord der Schiffe gehen, welche seine Hilfe in Anspruch nehmen, und ist für allen Schaden verantwortlich, welcher durch seine Unkenntnis oder Fahrlässigkeit entstehen würde. Man nimmt daher zu Lotsen auch nur Leute, die nicht ganz mittellos sind.

*************************************************
Sobald der Lotse das Schiff betreten hat, so steht dasselbe nur unter seinem alleinigen Befehl und seiner Anordnung muss die ganze Bemannung unbedingt Folge leisten. Seine Belohnung, das sogenannte Lotsengeld, berechnet sich für gewöhnlich nach der Tonnenlast und dem Tiefgang der Schiffe, erhöht sich aber bei Sturm und Gefahr entsprechend und nach einem bestimmten Tarif, der nicht unbillig bemessen ist. Die Strecke, auf welcher solche ortskundigen Seeleute die Schiffe beim Aus- und Einlaufen führen, „lotsen“ müssen, ist ebenfalls gesetzlich bestimmt und heißt das Lotsenwasser. Die Fahrzeuge, deren sich die Lotsen bedienen, um zu den Schiffen zu kommen, sind außerordentlich leichte und festgebaute, gut schwimmende Ruderboote, die eine ziemliche Last tragen können und doch flott bleiben, wenn sie auch bis an den Bord voll Wasser sind; die erhöhte Schwimmkraft der Lotsenbote wird bald vermittelst Korkfütterung, bald mittelst Luftkammern hergestellt, welche aus aneinander gereihten Zellen von Blech nach Art der Zellen eines Honigwaben oder aus ähnlichen zweckentsprechenden Vorrichtungen bestehen.

Unser Bild ans S. 441 gibt uns einen deutlichen Begriff von dem kühnen, kernhaften Menschenschläge, in dessen Händen wenigstens an den deutschen und britischen Küsten der wichtige Beruf der Lotsen liegt, und zeigt uns einen jener intelligenten Männer voll Unerschrockenheit, Umsicht und felsenstarkem Körper, voll Ausdauer, Muth, Scharfblick, Sicherheit und Vertrauen erweckender Ruhe, wie er — seinen kleinen Sohn, der sich schon bei Zeiten auf denselben Beruf vorbereitet und den Körper gegen jede Unbill der Witterung stählt, neben sich — auf einer Klippe steht und den ganzen Horizont der See vor sich absucht, um beim ersten Zeichen eines herannahenden Schiffes sein Boot sogleich flott zu machen und zum Dienste parat zu sein. Der Marin in dem Wachstaffetrock, den Südwester von geteertem Segeltuch auf dem Kopf und das Fernrohr in der Hand, mit dem klugen, helläugigen, barfüßigen Knaben neben sich, ist ein ungemein ausdrucksvolles und anschauliches Bild aus dem Seemannsleben unserer deutschen Küstenbewohner.
O. M.

Der Lotse auf dem Lugaus

Der Lotse auf dem Lugaus