Neuere Zeit

Heeresbildung.

Den geworbenen Heeren der Spanier trat schon in den Niederlanden (seit 1562) eine Landesbewaffnung entgegen, doch mussten auch späterhin immer noch Söldner herangezogen werden. Im Dreißigjährigen Kriege (1618 —1648) bestanden die Truppen meist noch aus geworbenem Volke aller Länder, doch traten auch schon nationale Truppen auf, so das Landesaufgebot in Brandenburg, Husaren und Kroaten im kaiserlichen Heere, Gustav Adolfs schwedische Regimenter. Ludwig XIV. organisierte zuerst durch Louvois (seit 1666) ein stehendes Heer, anfangs durch freiwillige Anwerbung, und als seine Kriege größere Heere notwendig machten, durch Aushebung, wodurch die allgemeine Wehrkraft des Landes erhöht ausgenutzt werden konnte. Friedrich der Große, der gezwungen war, der habsburgischen Großmacht gegenüber ein großes Heer zu unterhalten, das, dem Lande entnommen, der Kulturarbeit zu viel Hände entzogen hätte, bildet den Stamm des Heeres aus Geworbenen, aus aller Herren Länder Berufssoldaten, die die Kaders für den Krieg bildeten. Diese Art der Heeresbildung blieb bis zur Französischen Revolution, doch wurde die Werbung immer mehr beschränkt. Seit dem 17. Jahrhundert wurde die Musterung der Heere allgemein. Das Offizierskorps wurde zuerst durch Ergänzung und Ausbildung von Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1703—1708) als ein festgeschlossener Stand den Unteroffizieren und Mannschaften gegenübergestellt; das Avancement ging streng nach dem Dienstalter, abgesehen von Beförderungen außer der Tour für besondere Dienstleistungen; zur Heranbildung des Ersatzes waren mehrere Kadettenkorps bestimmt. So legten diese beiden Hohenzollern den Grundstein zu Preußens militärischer Größe und damit auch zur Wiedergeburt des Deutschen Reiches.


Nach Ausgang des Mittelalters bis zu den französischen Revolutionskriegen

                                    Bewaffnung.

Von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an gewinnt der Gebrauch der Feuerwaffen beim Fußvolk immer größere Bedeutung. Das Verhältnis der Feuerwaffen zu den Spießen ändert sich beständig zugunsten der ersteren; zu Ende des 17. Jahrhunderts wird der Spieß (Pike, bei den Schweden verkürzt: Partisane) zuerst bei den Kaiserlichen, zu Anfang des 18. Jahrhunderts in allen Heeren abgeschafft, nachdem die Erfindung des Bajonetts, das zuerst 1640 im französischen Heere eingeführt wurde, auch dem Schützen eine Waffe im Nahkampfe gab und sie damit zum letzten Entscheidungskampf befähigte. Zuerst wurde das Bajonett in den Lauf gesteckt, die Erfindung der Tülle, 1732, gestattete auch mit aufgepflanztem Bajonett zu feuern. Das Radschloss wurde zwar schon 1527 erfunden, trotzdem blieb das Luntenschloss noch bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts im Gebrauch, wurde aber bald durch das Steinschlossgewehr (die Flinte) verdrängt. Die Einführung eiserner Ladestöcke und vornehmlich der (noch nicht allgemein zur Einführung gelangten) gezogenen Gewehre vom Ende des 17. Jahrhunderts an vervollkommnete die Handfeuerwaffen. Die Gabeln kamen mit Erleichterung des Gewichtes Mitte des 16. Jahrhunderts in Fortfall, wodurch die Beweglichkeit der Truppen im Gefecht gesteigert wurde. Im 17. Jahrhundert wurden vorübergehend Granaten als Handwaffen gebraucht, daher die Bezeichnung „Grenadiere". Auch bei der Reiterei trat von Ende des 16. Jahrhunderts an allgemein an Stelle der Lanze die Feuerwaffe: Pistolen, Arkebusen, Karabiner, endlich Bajonettflinten. Die Schutzwaffen mussten als nunmehr überflüssig durch Einführung der Handwaffen alsbald in Fortfall kommen; es verblieb nur der reduzierte Harnisch, der „Küraß" bei der schweren Kavallerie.

Die Artillerie vereinfachte ihre aus den verschiedensten Kalibern und Arten bestehenden Geschütze, so dass seit Anfang des 18. Jahrhunderts bei dem Heere eine ziemlich einheitliche Konstruktion des glatten Systems bestand. Gezogene Geschütze waren schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts erfunden worden, doch führten die Versuche zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Die Bombe, als Spreng- und Brandgeschoss, tauchte neben dem Vollgeschoss schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts auf; in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde die Beutelkartätsche erfunden, Gustav Adolf führte die Büchsenkartätsche ein. Die Artillerie wurde ihrer Bestimmung nach in Feld-, Festungs-, Belagerungs- und Schiffsartillerie eingeteilt. Erstere bestand aus leichten und schweren Kanonen und Haubitzen für den Bogenschuss; 1758 kam die reitende Artillerie auf, die nur leichte Kaliber führte.

                                    Taktik.

Noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterschied sich die Infanterietaktik im Grundzug nicht von der schon oben (S. 15) geschilderten. Die Arkebusier schossen in geöffneter Ordnung vor den Vierecken und sollten bei feindlichem Angriff hinter das erste Glied treten. Später wurde das Feuer derart geregelt, dass das erste Glied der Schützen nach abgegebenem Schuss durch die Zwischenräume der Rotte zurückging, um hinter der Front zu laden, während das vordere Glied feuerte (Gliederfeuer). Einen wesentlichen taktischen Fortschritt erzielte Gustav Adolf im Dreißigjährigen Kriege, indem er durch geeignete Formationen Infanterieregimenter zu acht Kompagnien — und Erleichterung der Bewaffnung der Infanterie eine erhöhte Manövrierfähigkeit gab.

Nach Abschaffung der Pike verringerte sich die Aufstellung der Infanterie in tiefen Massen; die gesteigerte Leistungsfähigkeit der Feuerwaffen veranlasste eine fortgesetzte Reduzierung der Gliederanzahl, die unter Moritz von Oranien 10, unter Gustav Adolf 6, in Frankreich (1703) 4, in Preußen endlich 1743 nur mehr 3 Glieder betrug. Das Infanteriegefecht war reines Feuergefecht geworden; die Linie wurde die ausschließliche Gefechtsformation, taktische Einheit war das Bataillon, die Kompagnie war nur Verwaltungskörper. Der wichtigste Fortschritt, den das Reglement Friedrich Wilhelm I. aufweist, ist die Anerkennung, dass die Feuerwirkung nicht nur von der Zahl der tätigen Gewehre, sondern auch von den Kugeln, die in einem bestimmten Zeitraum abgefeuert werden, abhänge. Dies hatte die Umwandlung des langsamen Feuers in ein Schnellfeuer zur Folge, durch das der Feind sofort beim Eintritt in die Wirkungssphäre des Gewehrfeuers niedergekämpft werden sollte. Um dies zu erreichen, bedurfte es einer außerordentlichen Mannszucht und Dressur; die hauptsächlichsten Exerzierübungen bestanden daher in der „Chargierung" (der Ladegriffe). Das Feuer wurde nach dem preußischen Reglement von 1743 als Pelotonfeuer (zugweises Feuer), von einem Flügel an beginnend, abgegeben, wobei man 5 Schuss pro Mann in der Minute erzielte; Salvenfeuer war Ausnahme. Der von Friedrich II. empfohlene Bajonettangriff kam selten vor, da das erst auf 150 Schritte Entfernung eröffnete Feuer meist schon die Entscheidung brachte.

Die Kavallerie hatte durch ihre Ausrüstung mit Feuerwaffen und Führung des Feuergefechtes ihren eigentlichsten Charakter verloren; erst im 18. Jahrhundert wird sie ihrem Element zurückgegeben. Auch bei ihr wird im 18. Jahrhundert die zweigliedrige Linie die Gefechtsformation; der Erfolg wird in der Attacke, in der Kraft des Choks und dem Gebrauch der blanken Waffen gesucht. Seit dem Dreißigjährigen Kriege wird die Kavallerie in Regimenter formiert.

Eine eigentliche, dem Wesen der Waffe entsprechende Artillerietaktik bildet sich erst im 17. Jahrhundert aus. Die leichten Stücke werden den Regimentern beigegeben, was eine wesentliche Vermehrung der Artillerie bedingt; die schweren werden nicht mehr über die ganze Front verteilt, sondern an wichtigen Punkten zu einzelnen Batterien zusammengezogen. Bemerkenswert ist die Aufstellung großer Artillerielinien bei Rain (1632), wo Gustav Adolf 72 Stück schwere Geschütze vereinigte, um unter deren Feuer eine Brücke über den Lech zu bauen, und der großen Batterie von 50 Geschützen bei Nördlingen (1634) seitens der Kaiserlichen, durch deren Feuer fast die ganze schwedische Infanterie vernichtet wurde.

Friedrich der Große ließ die Bataillonsgeschütze, die auf dem rechten Flügel standen, 500 Schritt vom Feind abprotzen und dann beim Vorgehen vor der Infanterie vorziehen, um den Angriff durch Kartätschen vorzubereiten. Die Batteriestücke pflegte man vor der Schlacht in großen Parks hinter der Front aufzustellen, um sie nach Bedarf ins Gefecht zu ziehen.

Der Zustand, in dem sich die deutsche Artillerie bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts befand, erinnert noch stark an die „Zunftzeit". Die meisten Führer hatten von unten auf gedient und waren technische Praktiker ohne nennenswerte theoretische Kenntnisse. Erst Friedrich der Große schaffte Wandel, wodurch sich die Artillerie nach Organisation und Disziplin den anderen Waffen näherte. Ganz besonders wertvoll war die Errichtung von militärischen Artillerieschulen.

                                    Technische Truppen.

Die technischen Truppen bestanden aus Ingenieuren und Handwerkern aller Art; erst Friedrich Wilhelm I. von Preußen errichtete ein militärisches Ingenieurkorps und (schon 1715) ein Pontonierkorps, das der Artillerie angegliedert war. Friedrich II. errichtete 1742 ein Pionierregiment; Friedrich Wilhelm II. erließ 1790 ein Reglement für das Königlich Preußische Ingenieurkorps. Auch in den anderen Staaten Europas wurden von Mitte des 18. Jahrhunderts an besondere technische Truppen errichtet und militärisch organisiert.

Zu Ende des 18. Jahrhunderts sehen wir die Lineartaktik in ihrer höchsten Entwicklung. Ihr Charakteristikum ist die Fechtweise der langen Infanterielinie in eng geschlossener Bataillonslinie ohne Schützen vor der Front und ohne geschlossene Kolonnen (weshalb Örtlichkeit, Wälder usw. tunlichst vermieden werden), in zwei Treffen und ohne Ausscheidung irgendwelcher Reserven. Die langen Linien vermochten nur geradeaus oder zurückzugehen und konnten daher nur in einer Richtung wirken. Gelang es die zusammenhängende Schlachtordnung an irgendeinem Punkte durch Durchbruch zu stören, so war in der Regel die Schlacht verloren, denn die langen Bataillonslinien verstanden schlecht, die Front zu ändern und eine gewisse Selbständigkeit zu entfalten. Um den Parallelangriff zu vermeiden und sich mit den Hauptkräften gegen einen Punkt der feindlichen Schlachtlinie zu werfen, fand Friedrich der Große in der sogenannten schiefen Schlachtordnung, d. h. in dem Angriff auf eine Flanke des Gegners, ein Mittel. Diese Schlachtentaktik erforderte ein außerordentlich schwieriges und künstliches Evolutionieren, um die eigenen langen Infanterielinien in die zur Aufstellung des Gegners schräge Front zu dirigieren. Die Kavallerie wird auf den Flügeln der Infanterie verwendet; die großen Reitermassen stellt Friedrich der Große in drei Treffen auf, wovon das erste fast so stark war als die beiden anderen zusammen und meist schon den entscheidenden Stoß führte; besonderer Nachdruck war auf das „Überflügeln" des Gegners, also auf den Flankenangriff, gelegt. Die Artillerie wird so verwendet, dass die schweren Positionsgeschütze auf die Schlachtlinien verteilt werden und die leichten Regimentsstücke die Infanterie begleiten. 1758 verwendet Friedrich der Große erstmals die Artillerie in Masse auf den Angriffsflügel und stellte dadurch den Einklang zwischen rein artilleristischer und allgemeiner Taktik (Taktik der verbundenen Waffen) her. Als erste Aufgabe bezeichnet er die Niederkämpfung der gegnerischen Artillerie, stellt also damit einen Grundsatz auf, der unseren heutigen Anschauungen entspricht.

                                    Festungskrieg.

Durch die Entwicklung der Artillerie, die sich seit Mitte des 15. Jahrhunderts zur stets wachsender Geltung brachte, wurde die Kraft des Angriffs gewaltig gesteigert. Man suchte ihr zu begegnen durch Verstärkung der Umfassung selbst (Erdwälle, die mit Mauerwerk bekleidet waren, reichliche Anlagen von Hohlräumen in dem unteren Teile der Werke, zur Aufnahme der Verteidigungsartillerie etagierten Kasematten), sachgemäße Grundrissgestaltung und gute Verteilung der Flankierungsanlagen. Auf die einzelnen Befestigungsarten (Schulen) einzugehen, verbietet der Raum. Ein gewaltsamer Angriff auf die Festungen war nicht mehr möglich, er musste dem förmlichen Angriff weichen.

An die Stelle der alten Deckungsmittel trat der Gebrauch des Bodens zu Schutzbauten, und in dieser Hinsicht war besonders die deutsche Erfindung der Schanzkörbe von großer Bedeutung. Schon Mitte des 16. Jahrhunderts war der förmliche Angriff ziemlich hoch entwickelt; man unterschied hierbei Artillerie-, Sappen (colla zappa = Spaten) und Minenangriff. Der berühmte Kriegsingenieur Vauban (1633 bis 1707) brachte den förmlichen Angriff in ein festes System, dessen Methodik noch bis 1870/71 (Belagerung von Straßburg) grundlegend war. Nachdem die zu belagernde Festung eingeschlossen worden war, wurde in einer Entfernung von 5 — 600 m die ersten Parallele zur Zurückweisung von Ausfällen und Anlage von Rikoschettbatterien ausgehoben. Von ihr aus näherte man sich der Festung durch Vortreiben von Laufgräben (Trancheen), die meist zuerst bei Nacht flüchtig hergestellt und dann ausgebaut wurden. Die dritte Parallele wurde am Fuß des Glacis der Festung angelegt; in ihr wurden die Mörser mit Wurfbatterien aufgestellt. Die letzte Position bildete das Couronnement (Krönung des Glacis) mit den Batterien zur Zerstörung der Grabenflankierungsanlagen des Feindes. Vaubans Angriff bezweckte umfassendes Artilleriefeuer gegen die Angriffs- und Nebenfronten, um gedeckt mit geringen Verlusten zum Einbruch zu kommen; man glaubte nach seinem Schema den Tag bestimmen zu können, an dem die Festung fallen müsse. Die Verteidigung suchte durch Artilleriefeuer, durch Ausfälle und Minen die Belagerungsarbeiten zu stören.

                                    Seekrieg.

Mit der Entwicklung des Geschützwesens wurde es ermöglicht, feindliche Schiffe aus der Ferne zum Sinken zu bringen oder kampfunfähig zu machen. Die Engländer übertrugen zuerst 1588 die Entscheidung der Artilleriewirkung, der gegenüber die spanische Armada, die noch auf den Enterkampf eingerichtet war, unterlag. In kurzen Linien hintereinander führten sie ihre Schiffe an den Feind und ließen hier ihre Breitseiten abgeben, ohne sich in die Gefahr des Kampfes Mann gegen Mann einzulassen, in dem die stark besetzten, burgenähnlichen spanischen Schiffe ihnen überlegen gewesen wären. Es war ein Wendepunkt in der Geschichte des Seekriegs. Mit Anfang des 17. Jahrhunderts gingen die Seestaaten daran, stehende Kriegsflotten zu errichten; wenn bis dahin Größe und Kanonenzahl der Schiffe sehr verschieden waren, so entwickelte sich nunmehr der Typ des „Linienschiffes", denn es kam nicht mehr darauf an, einzelne starke Schiffe zu bauen, sondern jedes Schilf, das in der Schlacht kämpfen sollte, musste imstande sein, seinen Platz in der Kampfordnung, der Linie, zu behaupten. Schwache Schiffe, die sich früher im Gewirre der Massenschlacht einen Gegner suchen und mithelfen konnten, wurden zu einer Gefährdung des Ganzen, und die armierten Kauffahrer mussten deshalb ausscheiden. Die Kampfform war, wie schon erwähnt, die Linie; die Taktik gipfelte darin, dem Feind eine Breitseite zu bieten, um die Feuerkraft zur vollen Geltung zu bringen. Mit stehenden Kriegsflotten entstanden aus Schiffer und Soldat der Seeoffizier.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Krieg in Bildern