Mittelalter

Allgemeine Charakteristik

Mit dem Zusammenbruch der antiken Kultur begannen auch auf dem Gebiete des Kriegswesens wieder rohe Urzustände, aus denen sich bei den germanisch-romanischen Völkern durch das Feudalsystem die Lehensbewaffnung entwickelte, die dann zum Söldnerwesen herabsank. Das Rittertum stellte die Individualität des Einzelkämpfers, die Einzeltat über den Kampf geschlossener, disziplinierter Truppenkörper. Die Organisation ist immer nur eine zufällige. Die einheitliche Führung fehlt, so dass die Schlachten schließlich nur aus Episoden bestehen. Auch die berittenen Führer, die Könige und Herzöge, stürzen sich selbst ins Handgemenge; denn es gilt nicht um Feldherrentum, sondern um Ritterruhm. Einzelne Ausnahmen ändern nichts an der Regel. Schließlich wird, namentlich hei den Condottieri Italiens, der Krieg zur spielerischen Kunst und Spekulation: die Feldhauptleute verkaufen sich mit ihrer Truppe an die bestzahlende Partei, und da ihr Betriebskapital die angeworbene Truppe ist, schonen sie diese nach Möglichkeit. Erst mit der Schusswaffe setzt die Reform ein, welche sich nunmehr konsequent bis zu den neuesten Zeiten weiterentwickelte.


Die Trutzwaffen des Mittelalters bleiben bis zur Einführung der Feuerwaffen im Grunde dieselben wie im Altertum, wenn sich auch die Form ändert und vervielfacht; neu tritt nur die Armbrust hinzu. Eine wesentliche Verstärkung erhalten die Schutzwaffen der Reiterei, die sich bei den Rittern bis zur vollständigen Panzerung von Ross und Reiter steigerte. Erst mit der Verwendung des Pulvers für die Waffentechnik tritt ein neues Element in die Bewaffnung.

                        Germanen zur Zeit der Völkerwanderung

Die taktische Einheit der Germanen war die im Durchschnitt zweihundert Mann starke „Hundertschaft", die zugleich Familien-, Geschlechts- und Gaugenossenschaft war; die Form des Angriffs war der Keil, der „Schweinskopf". Die Angelsachsen griffen noch zu Ende des 11. Jahrhunderts bei Hastings im Keile an. Der germanische Schweinskopf hatte die gleichen Vorzüge wie die griechische Phalanx, mechanische Geschlossenheit und Stoßkraft; die Gaugenossenschaft erhöhte den moralischen Zusammenhalt und ersetzte so die römische Disziplin. Die Schwerfälligkeit des eng massierten Heeres schloss ein Manövrieren nahezu aus; zwischen dem Siege, der durch den ersten gelungenen Stoß entschieden sein musste, und der Vernichtung im Falle des Misslingens gab es meist keine Mittelstufe. Einen teilweisen Ersatz für die Mängel der starren Gliederung fanden die Germanen in den vorzüglichen Leistungen des leichten Fußvolks, das unter geschicktester Ausnutzung des Geländes in zerstreuter Ordnung kämpfte, und in ihrer vorzüglichen Reiterei. Für den Kampf außerhalb der geschlossenen Schlachtreihe war jedem Reiter ein besonderer Fußfechter beigegeben; diese hatten die Reiter durch ihre Wurfwaffen zu unterstützen und dann in das Handgemenge einzugreifen, indem sie ihre Waffen namentlich gegen die Pferde des Feindes richteten. Artillerie (Wurfmaschinen) besaßen die Germanen nicht. An der überlegenen Taktik der Römer und später der Byzantiner (unter Belisar und Narses) musste die primitive Gefechtsweise der Germanen scheitern. In der Defensive bildeten die Germanen die „Schildburg", als Marschlager diente die „Wagenburg", die aus den Fahrzeugen des Trosses hergestellt wurde. Nur bei längerem Aufenthalte wurden Palisadierungen und Verschanzungen angelegt.

                        Byzantiner und Orientalen

Die Überlegenheit der byzantinischen Heere bestand in der Masse der Bogenschützen zu Pferde, denen die Germanen keine Fernwaffen, entgegenzustellen hatten. Auch der Kern der neupersischen und sarazenischen Heere war die vorzügliche Reiterei, die mit Bogen, Speer, Wurfspieß und Säbel ausgerüstet nur durch das Stahlhemd und den kleinen Schild geschützt war. Die regellosen Angriffe, die in verschiedenen Treffen folgten und auf Flanken und Rücken des Gegners gerichtet waren, und die rücksichtslose Verfolgung sind das Charakteristische der orientalischen Reitertaktik.

                        Tatarische Stämme.

Hunnen, Bulgaren und Avaren waren Reitervölker, die ausschließlich zu Pferde fochten. Die Hauptwaffe war der Bogen und der krumme Säbel, die Hunnen führten außerdem noch Schlingen (Lasso), die sie dem Gegner überwarfen, um ihn zu Tode zu schleifen.

        Kampfweise der Abendländer bis zur Einführung der Feuerwaffen.

Den Kern des mittelalterlichen Kriegertums bildete ein im wesentlichen erblicher Kriegerstand; der Adel wurde mit dem Heere identisch. Es war die Blütezeit der Reiterheere, des Ritterwesens. Ein präzises Bild der Kampfweise dieser Zeit zu geben, ist nicht möglich, weil die mittelalterlichen Quellen gerade in dieser Richtung sehr unklar sind. Immerhin können wir beurteilen, dass von einer eigentlichen Taktik, von festen Regeln für Gliederung und Verwendung der Streitkräfte kaum die Rede sein kann. Wir erkennen aus der Beschreibung einzelner Schlachten zwar die Gliederung in Treffen und einen allgemeinen Plan, z. B. Benevent, Tagliacozzo, aber das ist eine Ausnahme. Das Charakteristische der Rittertaktik ist schon oben erwähnt worden; die Attacke, wenn man das Anreiten so nennen darf, war nur dazu bestimmt, sich zu nähern, nicht durch den Chok zu wirken. Man ritt deshalb in langsamer Gangart an, und dann entwickelte sich der Einzelkampf als eine Anzahl gleichzeitiger Turniere. Die Kampflust, der Ehrgeiz auf der einen, die Disziplinlosigkeit der Ritter auf der anderen Seite führten dazu, dass einzelne Heerhaufen oft früher aus dem Lager abrückten und vereinzelt auf den Feind stießen. Man kam also staffelweise ins Gefecht, und häufig geschah es, dass der Erstfechtende auch der Einzigfechtende blieb, da die Schlacht schon durch den ersten partiellen Zusammenstoß als entschieden angesehen wurde.

Die Ritterschlacht kennt nur die Offensive, denn die Defensive ist zu Pferde unmöglich. Die Schlachten sind sehr rasch entschieden, denn ein „Ringen", wie beim Kampf der Infanterie, ist ausgeschlossen. Dem an Anzahl geringen Fußvolk, den „Knechten", kam in der Ritterschlacht keine Bedeutung zu.

Eine andre Entwicklung des Heerwesens sehen wir bei den großen italienischen Kommunen, in deren Dienst sich Miettruppen aus aller Herren Ländern drängten. Ihre Streitkräfte bestanden im wesentlichen aus Fußvolk, denn sie waren zunächst zur Verteidigung der wohlbefestigten Städte bestimmt. Deshalb trägt das Ringen der Reichsgewalt unter den Hohenstaufen mit dem guelfischen Städten vielfach den Charakter eines Kampfes zwischen Reiterei und Fußvolk. Doch besteht die Kriegführung in der Hauptsache aus Verwüstungszügen, Belagerungen und Überfällen, und die Entscheidung fällt weniger durch Waffenerfolge, als durch Parteiwechsel von Fürsten und Städten, die bald auf die eine, bald auf die andere Seite treten.

Die erste Schlacht, in der wieder das Fußvolk zu Ansehen kam, ist die Schlacht bei Courtray (1302), in der das französische Heer an der Phalanx des von den flämischen Städten- und Bauernschaften gestellten Fußvolkes unterlag, wobei die Flamen allerdings durch das sumpfige Gelände begünstigt waren. In der Schlacht bei Crecy (1346) gab die Geschicklichkeit und Überlegenheit der englischen Armbrustschützen den Ausschlag gegen die Franzosen; die Attacken der französischen Ritter zerschellten an der Fernwirkung der Schützen. Auch bei Azincourt (1415) entschieden die Bogenschützen gegen die Ritter; nachdem sie die Attacken abgewiesen hatten, warfen sie sich mit Axt und Schwert in die erschütterten und stürzenden Haufen.

Die von dem schweizerischen Fußvolk bei Morgarten (1315) und Sempach (1386) über die österreichischen Ritter erfochtenen Siege waren hauptsächlich durch die Gunst des Geländes bedingt. Seit diesen Schlachten wurden die Schweizer als Söldner geschätzt und gesucht.

    Von der Einführung der Feuerwaffen bis zum Schluss des Mittelalters.

Der Gebrauch von Feuerwaffen findet sich zuerst mit Bestimmtheit in der Chronik von Metz für das Jahr 1324 erwähnt; dann im Jahre 1326 für Florenz, wo der Feuerwaffen bis metallenen Kanonen und schmiedeeisernen Kugeln gesprochen wird. Von Mitte zum des 14. Jahrhunderts an werden die Nachrichten über Verbreitung der neuen Kriegsmittel häufiger; bald wurden in allen Ländern Geschütze gegossen. Zu gleicher Zeit kommt auch die Bezeichnung „Artillerie" auf, die für sich eine besondere Zunft bildete, welche die Kunst der Bedienung der Artillerie und die Feuerwerkerei sehr lange in einer großen Abgeschlossenheit von den übrigen Zweigen des Heeresdienstes hielt, was noch bis in das 19. Jahrhundert nachwirkte. Die ersten Handwaffen scheinen Handmörser gewesen zu sein; dann führte man längere, geschäftete Rohre, die zum Schuss auf einer Gabel aufgelegt wurden. Die leichteren Handfeuerwaffen benannte man Arkebuse oder Hakenbüchse nach dem vorn zur Sicherung der Auflage auf der Gabel angebrachten Haken die schweren nannte man Muskete oder Doppelhaken. Zunächst fand die Verwendung der Geschütze vornehmlich im Belagerungskriege statt; auch wo sie in der Feldschlacht auftraten, vermochten sie noch keinen Einfluss auf die Taktik auszuüben. Erst in den Kämpfen der Engländer und Franzosen bei Orleans (1429) lässt sich eine zielbewusste Verwendung der Artillerie erkennen: die Franzosen eröffnen die Schlacht mit Artilleriefeuer und stürzen sich dann schnell auf den Punkt, wo die Kugeln Unordnung herbeigeführt haben.

Ein eigenes Gepräge der Kriegführung zeigen die Hussitenkriege (1419 - 1436) durch Verwendung von Wagenburgen, die Ziska auch während des Kampfes zu bewegen wusste. Trotzdem musste aber diese eigenartige Kampfweise im Wesen defensiv bleiben.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts wird der Einfluss der Feuerwaffen bemerkbarer; mit den Niederlagen Karls des Kühnen von Burgund bei Granson, Murten und Nancy (1476—1477) ist das Absterben der Ritterheere besiegelt; die Ritter, die schon teilweise genötigt waren, zu Fuß zu fechten, zerschellten an dem „Igel" (s. unten) der Schweizer, „der ersten Form der modernen Infanterie"; die Schweizer hatten damit bewiesen, wie ein wohlgeordnetes Fußvolk, das sich mit vollem Gewichte bewusst für einen einheitlichen Zweck einsetzt, dem turnierhaften Kampfe, in dem sich jeder zur persönlichen Geltung zu bringen suchte, überlegen sein muss.

        Überblick über das Kriegswesen am Schluss des Mittelalters.

Die Verbreitung der Handfeuerwaffen hat dem Fußvolk wieder die der Infanterie naturgemäß zukommende erste Stellung verschafft. Die herumziehenden, abenteuernden Heerhaufen verschwinden, und der Soldatenstand wird ein Gewerbe; der Werbevertrag wird — zunächst für das Fußvolk — zur Grundlage des Kriegsdienstes. Karl VII. von Frankreich (1422—1461) hatte zuerst eine stehende Truppe als das wichtigste Organ der Monarchie erkannt; Maximilian I. (1493—1519) schuf die Landsknechte, das erste organisierte Fußvolk.

Die Aufstellung der Truppen erfolgte durch Werbung; der Landesherr beauftragte einen Feldobersten damit, ihm eine Anzahl Knechte unter die Waffen zu bringen, und schloss einen förmlichen Vertrag mit ihm ab. Die Ernennung der Offiziere geschah durch den Obersten. Die kleinste organisatorische Einheit war das von einem Hauptmann befehligte „Fähnlein", das bis zu 500 Mann stark war; 10 —15 Fähnlein machten ein „Regiment" aus. Die Landsknechte waren die Verkörperung des alten germanischen Wandertriebes, der sie in die Dienste aller Herren und Länder führte, so dass in den Kriegen der damaligen Zeit fast überall Schweizer und Deutsche gegen die eigenen Landsleute kämpften. Der ritterliche und aufopfernde Geist, der die Organisation zu Anfang beseelt hatte, sank schon um die Hälfte des 16. Jahrhunderts auf das Niveau gewöhnlicher Söldnerscharen; gegen Ende des Jahrhunderts verschwand auch die Bezeichnung Landsknechte.

Mit der wachsenden Bedeutung des Fußvolkes begann die Kriegführung wieder, wie im Altertum, eine Kunst zu werden; die primitive Stoßtaktik genügte nicht mehr, die Heere wurden gezwungen, das Gelände auszunutzen und zu manövrieren.

Das Fußvolk kämpfte in geschlossenen Haufen, die Spieße und lange Degen führten; daneben kämpften die Büchsenschützen in geöffneter Fechtweise. Die Landsknechte stellten sich im Marsche und beim Vorgehen nach Schweizerart in Geviertordnung, fast quadratisch auf, in der Mitte die Fahnen. Um den „Gewalthaufen" wurden die Hakenschützen in kleinere Haufen verteilt, die letzteren eröffneten den Kampf, zogen sich während des Speerangriffs in die Mitte des Haufens zurück und sprangen wieder vor, wenn ihre Mitwirkung von Vorteil war. Der Zusammenstoß der Haufen zum Speer- und Schwertkampf endigte meist mit der vollständigen Niederlage eines Teils. Gegen Reiterangriffe wurde der „Igel" (das spätere Karree) gebildet, d. h. Speere gefällt, nach allen Seiten Front gemacht.

Bei der Reiterei verschwindet allmählich die schwere Rüstung nach einigen vergeblichen Versuchen, sie durch Verstärkung des Metalls gegen die Geschosse der Feuerwaffen undurchdringlich zu machen; sie wird nur mehr Turnier- und Zeremonie-Gewand. Der Gefechtsmodus des Fußvolkes, der im wesentlichen ihr gegenüber auf Defensive eingerichtet war, erforderte zudem rasche Beweglichkeit, um die Überraschung zu ermöglichen. Mit bewundernswertem Scharfblick bezeichnet Machiavelli (1469—1523) die wahren Aufgaben der Reiterei: „Man bedarf die Reiterei zur Unterstützung des Fußvolkes, keineswegs darf man sie aber als Hauptwaffe des Gegners betrachten. Sie hat ihre hohe Bedeutung bei Erkundungsritten der Avantgarde, auf Streifzügen zur Fouragierung und Verwüstung des feindlichen Gebietes, zur steten Beunruhigung des Gegners und zum Abfangen seiner Zufuhren. In Feldschlachten aber, wie sie über das Schicksal der Völker entscheiden, ist die Reiterei mehr geeignet, einen schwer erschütterten Feind anzugreifen oder den Fliehenden zu verfolgen, als für irgendeine andere Aufgabe."

Die Artillerie gewinnt nunmehr auch in der Feldschlacht an Bedeutung. Gewöhnlich sind die Geschütze vor den Haupttreffen verteilt, zuweilen werden sie in Batterien (2—8 Stück) vereinigt und kämpfen in ausgewählten Stellungen. Die Beweglichkeit ist meist noch gering, doch wird von der Schlacht bei Cerisolles (1544 zwischen Franz I. und Karl V.) berichtet, dass drei doppelt bespannte Geschütze, wahrscheinlich mit aufgesessener Bedienungsmannschaft, die Kavallerie der Avantgarde begleitet haben. Die Schlachtordnung der Heere beschränkte sich auf Bildung großer Haufen Fußvolkes, die Reiterei steht auf den Flügeln oder im Zentrum, zuweilen auch mit dem Fußvolk abwechselnd in Geschwadern. Im allgemeinen kämpften die Haufen der verschiedenen Truppengattungen für sich; ein planmäßiges Zusammenarbeiten fehlt, von einer Taktik der verbundenen Waffen ist noch nicht die Rede.

Gesonderte technische Truppen waren im Mittelalter nicht bekannt. Im späten Mittelalter folgten den Heeren Tausende von Schanzbauern zur Herrichtung der Wege und Lager. Die Erbauung der Belagerungsmaschinen sowie auch der Kriegsbrücken fiel den Zimmerleuten zu; im 14. Jahrhundert treffen wir auch „Brückentrains", die Brückenmaterial und Werkzeug mit sich führen. Schon im 15. Jahrhundert ging man zur Herstellung von Pontons über, nachdem man zuerst an deren Stelle Fässer verwendet hatte. Frundsberg (1473 — 1528) formierte zuerst ein eigenes Regiment technischer Truppen, das zur Artillerie gehörte.

                        Festungskrieg.

Die Kriegsbauten der ersten Jahrhunderte nach der Völkerwanderung bestehen fast nur in Reparaturen römischer Befestigungen; hierauf folgte die Zeit des Burgenbaues. Unter Heinrich I. (919 — 936) erwies sich zuerst die Befestigung der Wohnstätten gegen die räuberischen Ungaren als notwendig; und mit dem Aufblühen der Städte unter den fränkischen Kaisern (1024 — 1125) wuchsen diese alle zu großen widerstandsfähigen Waffenplätzen heran. Die neuen Befestigungsformen sind Gräben, Ringmauern, Türme und Vorhöfe, sowie überwölbte Treppen und Gänge zur gesicherten Kommunikation. Wie die Kunst der Befestigung, ist auch die der Belagerung von den Überlieferungen der Römer abhängig; man arbeitet mit den Mitteln der antiken Kriegskunst, ohne jedoch deren technische Fertigkeit zu besitzen. Die Verteidigung bediente sich derselben Wurfmaschinen wie der Angriff, besonders aber der Ausfälle, die in erster Linie der Zerstörung der Belagerungsmittel galten.


Mit dem Auftreten der Geschütze wuchs der Vorteil für den Angreifer insofern, als mit den Geschützen leichter Bresche gelegt werden konnte als mit den Belagerungsmaschinen. Mit dem Schuss konkurrierte von Anfang des 15. Jahrhunderts an die Mine, welche durch Untergrabung und Sprengung bzw. Erschütterung der Fundamente die Mauern zum Einsturz bringen sollte. Der Belagerte suchte durch Konterminen den unterirdische Arbeiten des Angreifers zu begegnen.

Aus der Notwendigkeit, den Graben auch während des Sturmes noch mit Feuer bestreichen zu können, was von der Mauerkrone nicht möglich war, ergab sich die Anlage von „Streichwehren", der den artilleristischen Nahkampf bis zum letzten Momente ermöglichenden Flankierungswerke (Bastionen, Kaponnieren), die schon Mitte des 15. Jahrhunderts auftraten; die bautechnische Konsequenz war die Anlage von Hohlräumen (Kasematten). Dies gab dem Verteidiger in der letzten Phase des Angriffes, dem Sturme, so lange ein Übergewicht, bis es der Angreifer verstand, durch Anlage von Konterbatterien die Flankierungsanlagen direkt zu bekämpfen.

                        Seewesen.

Die Entwicklung der Marine des Mittelalters lässt zwei Richtungen erkennen: die Mittelmeergruppe, zu der Byzantiner, Araber und die romanischen Völker der Apenninen- und teilweise auch der Pyrenäenhalbinsel, und die Ozeangruppe, der die germanisch- und romanisch-keltischen Völker angehören. Im allgemeinen kann man die Mittelmeergruppe als die Gruppe der Ruderschiffe, der Galeeren, bezeichnen, die ozeanische Gruppe als die der Segler. Einen Umschwung zu ausschließlichen Gunsten der letzteren setzt mit dem Zeitalter der Entdeckungen ein, als im Leben der Kulturvölker der weite Ozean an Stelle des begrenzten Mittelmeerbeckens tritt.

Der Seekrieg mit Ruderschiffsflotten musste sich im allgemeinen darauf beschränken, den Landkrieg anzusetzen oder die feindliche Küste zu verwüsten, denn die Flotten konnten sich noch nicht dauernd auf der See halten. Der Galeerentaktik lag Aufstellung in breiter Front, meist Halbmondform, zugrunde, in der man dem Gegner entgegenfuhr, um die Gefechtskraft, die vorne am Bug lag — Sporn, später Geschütze — , zur Wirkung zu bringen (daneben bestand noch die Entertaktik). Erst nachdem die Bewegung der Schiffe durch Segel zur Regel geworden war, konnte man die von den Riemen befreiten Breitseiten mit Geschützen ausstatten (erstmals 1500) und damit zu einer umfassenden Anwendung der Artillerie gelangen. Der Krieg der Hansa gegen Dänemark (1361—1370) wurde für die Anwendung der Feuerwaffen auf den Flotten der nordischen Meere epochemachend.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Krieg in Bildern