Altertum

Prähistorische Zeit und Naturvölker

Schon bei den Völkern der Urzeit und den Naturvölkern finden wir primitive Schutz- und Trutzwaffen, wie Äxte, Bogen und Speer, Schilde und Panzer; Befestigungen bestehen in Verpfählungen, Verzäunungen und Erdringwällen zum Schutz der Wohnstätten; von einer Kampfform, die die Bezeichnung „Taktik" verdienen würde, kann noch kaum gesprochen werden.


                              Ägypter

Über die Kriegführung der Ägypter, des ältesten Kulturvolkes, geben uns zahlreiche Reliefs in Tempeln und Ausgrabungen von Grabstätten Aufschluss. Mit der Zeit der ägyptischen Großmacht (von 1580 v. Chr. an) war das Kriegswesen geordnet; das schwere Fußvolk führte Speer, Stabkeule, Streitaxt und einen kurzen Krummsäbel; die leichte Infanterie wie auch die Wagenkämpfer, die die Kavallerie ersetzt zu haben scheinen, vorzugsweise den Bogen. Die Reliefdarstellungen können im allgemeinen nur den Einzelkampf zeigen, doch finden sich auch einzelne geschlossene Abteilungen, die sich zu überflügeln suchen; auch sehen wir Leiterersteigungen befestigter Städte unter dem Schutze von Sturmdächern. Alle kriegerischen Darstellungen zeigen den Gebrauch von Feldzeichen, welchen die Bedeutung unserer „Fahne" zukam.

                              Assyrier

Die Denkmale und Inschriften in den Ruinen von Ninive geben einen vollständigen Einblick in die äußere Erscheinung des assyrischen Kriegswesens. Das Fußvolk ist in Scharen geteilt, die unter sich in Uniformierung und Bewaffnung verschieden sind: Schwerbewaffnete in kürzeren oder längeren Waffenröcken, die mit Platten besetzt sind, Schuppenhosen, Schild, Lanze und kurzes Schwert; durch Schildträger gedeckte Bogenschützen, Lanzenreiter und Bogenschützen zu Pferde und Streitwagen. Der Festungskrieg stand schon auf einer verhältnismäßig hohen Stufe: die Mauern wurden durch unterirdische Gänge untergraben und nach Ausfüllung des Grabens mit Sturmböcken berannt, die in Wandeltürmen untergebracht und gegen oben eingedeckt waren; auch finden wir schon Maschinen zum Schleudern großer Steine.

                              Meder und Perser

Mederkönig Cyaxares (um 610 v. Chr.) soll der erste gewesen sein, der die Heeresmassen, die sonst durcheinander stritten, in einer bestimmten Schlachtordnung aufstellte, indem er Fußvolk, Reiter und Wagenkämpfer schied. Die Streitwagen wurden an den Naben mit Sicheln versehen; im lydischen Krieg (um 545 v. Chr.) verwendete Cyrus mit Erfolg auf Kamelen berittene Bogenschützen und fahrbare Wurfmaschinen, die als die ersten „Feldgeschütze" anzusehen wären. Das Heer war ferner mit reichlichem Brückenmaterial und im Brückenbau besonders ausgebildeten Mannschaften versehen, so dass wir hier dem ersten „Brückentrain" begegnen. Auch mit Belagerungswerkzeugen waren die persischen Heere reichlich ausgerüstet; zu den schon oben genannten Wandeltürmen kamen noch Sturmleitern, Wurfscheiben von Stahl und mit Erdöl gefüllte Gefäße, die gegen die Tore und Palisaden geworfen und dann mit Feuerpfeilen in Brand geschossen wurden.

In der Schlacht suchte man das Zentrum, in dem die Schwerbewaffneten aufgestellt waren, zu durchbrechen und den Gegner durch Überflügeln zu umklammern.

                              Phönizier

Phönizier sind der Sage nach die Erfinder des Segels, jedenfalls aber des Seekriegs. Die Kriegsschiffe, die sie zur persischen Flotte (um 500 v. Chr.) stellen, sind Kielfahrzeuge mit dreigeschossigem Unterdeck, in denen die Ruderknechte übereinander saßen, und deren gleichfalls mehrgeschossiges Oberdeck die Kriegsmannschaft beherbergte.

                              Griechen und Macedonier

Zur Zeit der höchsten Entwicklung des griechischen Kriegswesens bestand das Heer aus den schwerbewaffneten „Hopliten" mit kurzem Speer, Schild und kurzem Schwert und den „Peltasten", die mit dem Wurfspeer, später mit langem Degen und neben dem Wurfspeer mit einer Stoßlanze ausgerüstet waren, so dass sie im Fern- und Nahkampf verwendet werden konnten. Für den Fernkampf dienten Bogenschützen und Schleuderer. Im Festungskrieg waren ebenso Verstärkungsmittel der bedrohten Städte, wie Annäherungs- und Zerstörungsmittel (Belagerungsmaschinen, Katapulten) im Gebrauch, wobei alle Fortschritte der damaligen Technik benutzt wurden.

Bei den Griechen stoßen wir zum ersten Male auf eine systematisch durchgebildete Elementar- und Schlachtentaktik, so dass wir von einem Reglement im modernen Sinne sprechen könnten; die erste klassische militärtheoretische Schrift ist Xenophons Kyropädie (ca. 400 v. Chr.).

Der taktische Körper des schwergerüsteten Fußkriegers, die meist achtgliedrige „Phalanx", bildete den Kern des Heeres. Die Linie ist Grundstellung und zugleich Gefechtsstellung; Marschordnung ist die Kolonne, und zwar die Reihen- oder Sektionskolonne; die Bewegungen (Abschwenkungen, Aufmärsche u. dgl.) erfolgten auf Kommando wie bei uns. Die numerisch geringe Reiterei führte den Kampf in losen Scharen, meist als Fernkampf mit dem Wurfspeer; die Stoßkraft, der „Chok" der geschlossenen „Attacke" war noch unbekannt.

Epaminondas (371 v. Chr.) teilte das Heer in einen Offensiv- und einen Defensivflügel, die berühmte schiefe Schlachtordnung, von dem der erstere, stärkere die Entscheidung herbeizuführen hatte und durch Reiterei und Leichtbewaffnete in seiner äußeren Flanke geschützt wurde. Wir sehen hier also schon das moderne Prinzip der „Flügelschlacht", die Absicht, an einem Flügel unbedingt stärker als der Gegner zu sein, um ihn dort zu durchbrechen und aufzurollen.

Die Macedonierkönige Philipp und Alexander der Große (383 — 323 v. Chr.) sind die Schöpfer der ersten disziplinierten Kavallerie der Weltgeschichte; die schwere Reiterei mit Stoßlanzen wird zu fest geformten taktischen Körpern zusammengeschweißt und in geschlossenen Gliedern zur „Attacke", also zur Erzielung des Chok nach heutigem Begriffe, verwendet. Dazu kamen noch leichte Reiterei und berittene Bogenschützen, die Alexander auch zu energischer Verfolgung gebrauchte, in der die Griechen jede Initiative vermissen ließen. Nach dem Beispiel der Inder stellten die Diadochen Elefanten ein, die von Bogenschützen und Speerwerfern besetzte Türme auf den Rücken trugen. Die Elefanten sollten die Schlachtordnung durchbrechen und den Gegner zerstampfen. Das Niederkämpfen der Kolosse erforderte in der Tat ein ansehnliches Maß von Kräften und hohen Mut tief gegliederter Phalangen.

Philipp hatte zuerst vollständige, mit allen Hilfsmitteln der damaligen Technik ausgerüstete „Belagerungstrains" formiert, die seinem Sohne Alexander die rasche Bezwingung der stark befestigten persischen Städte ermöglichte. Außer den schon erwähnten Wandeltürmen, Katapulten usw., die dazu bestimmt waren, Breschen zu legen, war der „Hochbau" ein Mittel, um zum befestigten Platze einen Zugang zu schaffen. Es waren dies Erddämme und Türme, die auf Walzen gesetzt an die Mauern heranbewegt wurden. Eine organisierte „Intendantur" sorgte für den Nachschub von Heeresbedürfnissen.

Auch das Seewesen gelangte bei den Griechen zu hoher Blüte; bei Salamis (449 v. Chr.) kämpften 378 Schifte. Die Seetaktik bestand im wesentlichen aus zwei Manövern: dem „Rammen", indem man dem Feind die Flanke abzugewinnen sucht und ihm den metallenen Schiffsschnabel in die Seite rennt, oder indem man durch rasches Vorbeifahren unmittelbar an den feindlichen Schiften, diesen die Ruder abzustreifen und sie so bewegungsunfähig zu machen versucht, während man die eigenen rechtzeitig einzieht. Durchbruch und Überflügelung wurden gegenseitig angestrebt; schließlich kam es zum Einzelkampf von Schiff zu Schiff, wobei Wurfgeschosse, Feuerbrände oder der Kampf von Verdeck zu Verdeck (Entertaktik) in Tätigkeit traten.

Die phalangitische Schlachtordnung, die Bewegung langer geschlossener Linien im Gefecht, hatte große taktische Nachteile. An der einen Stelle entstehen Stauungen, an der anderen zerreißt die Linearformation. Im ersten Falle können die Hopliten die Waffen nicht ordentlich gebrauchen, im letzteren wird dem Gegner der Durchbruch erleichtert. Wenn die phalangitische Taktik sich Jahrhunderte durch erhielt, so lag dies daran, dass die Nachteile auf beiden Seiten gleich waren und sich gegenseitig aufwogen.

                              Römer

Zur Blütezeit der Republik waren alle Bürger zum Waffendienst verpflichtet. Sklaven und Unfreie waren ausgeschlossen. Eiserne Manneszucht und unbedingte Hingabe an den Staat wirkten zusammen, um die kriegerische Tüchtigkeit aufs höchste zu steigern. Wenn auch stehende Heere nicht bestanden, so wurde doch durch die immerwährenden Kriege ein großer Teil der Bürger unter den Waffen gehalten und verbürgte kriegerische Übung, die es ermöglichte, auf die schwerfällige Phalanx zu verzichten und kleinere Einheiten in den Kampf zu führen und zu leiten.

Aus diesen Umständen resultierte der höchst bedeutungsvolle taktische Fortschritt der Manipular-Legion (ca. nach 300 v. Chr.). Die Legion, die unserem Infanterieregiment entsprach, wurde in 30 Manipeln eingeteilt, die in Normalstellung 20 Mann breit und 6 Mann tief waren. Die Manipeln waren gedrillt, unter sich fest zusammenzuhalten. Sie wurden schachbrettartig mit Zwischenräumen und Abständen so aufgestellt, dass die zweite und dritte Linie sich je auf die Zwischenräume der vorderen deckte. Die vierte und fünfte Linie, deren Manipeln nur 10 Mann breit und 6 Mann tief waren, bildeten eine Art Reserve zum eventuellen Ausfüllen im Gefecht vorn entstandener größerer Lücken. Im Kampf selbst wurden durch Eindoublieren der hinteren Abteilungen die Lücken geschlossen. Das Wesen der Phalanx als eines in der Attacke geschlossenen, wuchtigen Riesenkörpers wurde also dadurch nicht verändert, wohl aber war eine größere Beweglichkeit im Gelände erreicht.

Anstelle der langen Hasta (Stoßlanze) trat im 2. und 3. Jahrhundert v. Chr. teilweise das Pilum (Wurfspieß), das salvenartig geschleudert wurde; in die hierdurch erschütterten Linien des Gegners brachen die ersten beiden Glieder mit dem kurzen Schwert ein, die hinteren mit dem Pilum bzw. der Hasta. Die Reiterei versah den Sicherheitsdienst, im Kampfe kam ihr keine wesentliche Bedeutung zu.

Marius (ca. 100 v. Chr.) und Cäsar ersetzten die schwachen Manipeln durch die 600 Mann starke Kohorte, die unserem Bataillon entsprach. Die Kohorten konnten in mehreren Treffen, in Haken usw. aufgestellt und auch während der Schlacht beliebig dirigiert werden, wodurch die Legion an Manövrierfähigkeit außerordentlich gewann. Die Kohortentaktik bedeutet den Höhepunkt der antiken Kriegskunst.

Die Reiterei wurde auf den Flügeln aufgestellt, ihr kam die Aufgabe zu, eine Überflügelung durch den Feind abzuwehren, diesen in der Flanke anzugreifen und die Verfolgung aufzunehmen. Große Reitermassen wurden in Regimentskolonnen formiert; die Kampfart war die geschlossene Attacke.

Der Festungskrieg, Befestigung, Angriff und Verteidigung befestigter Plätze unterschied sich nicht von denjenigen der Griechen und Macedonier; ebenso blieb auch die Seetaktik die schon oben beschriebene. Mit dem Niedergange des kaiserlichen Roms ist auch der Rückgang der Kriegstüchtigkeit verbunden. Mit der Disziplin geht die eigentümliche römische Fechtweise, die kunstvolle Anwendung des Pilenwurfs mit dem Schwertkampf, verloren, die Kohortentaktik verschwindet, und die römischen Heere erliegen in der Völkerwanderung den Germanen, deren Kraft in der natürlichen Wildheit begründet ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Krieg in Bildern