Der Krieg der Holländer gegen das Sultanat Atschin auf Sumatra.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1875
Autor: O. M., Erscheinungsjahr: 1875

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: niederländische Kolonialmacht, Holländer, Indien, Klima, Krieg, Cholera, Sultan, Haubitzen, Bronzegeschütz, Feldschlange,
Wir haben bereits im Jahrgang 1873 des „Buchs für Alle“ S. 471 der Veranlassung und des Beginns dieses Kriegs gedacht, welchen die niederländische Kolonial-Regierung in Indien gegen den Sultan von Atschin unternommen hat. Die Atjchinesen, von malayischer Rasse und Lebensweise, bekennen sich zum Islam, und sind ein verhältnismäßig kleiner aber aufgeweckter, rühriger, und scharfsinniger dunkelhäutiger Menschenschlag, welche in vielen Stücken ihren Nachbarstämmen im Sunda-Archipel voraus sind, aber bei denselben in keiner sonderlichen Achtung stehen, denn sie gelten für sittenlos, wollüstig, verschlossen, hochmütig und grausam, für rachsüchtig und mordgierig, leidenschaftliche Spieler, Opiumraucher, Freunde von Hahnenkämpfen, verwegene gute Seeleute, von denen man behaupten will, das; sie mit ihren schnellrudernden Praos oder Langbooten heimlich Seeraub treiben.

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Wie dem aber auch sein mag, in dem herrschenden Kriege gegen die Holländer haben sie sehr zähen Widerstand geleistet und eine gewisse militärische Gewandtheit bewiesen, welche man ihnen nicht zugetraut hatte. Wenn halbwilde Völkerschaften im Kampfe mit europäisch geübten und disziplinierten gutgeführten Truppen diesen auf die Dauer den Sieg streitig machen, so darf man ihre Bedeutung nicht unterschätzen. Zwar hatten die Atschinesen auch noch ihr mörderisches Klima und die Cholera zu Bundesgenossen, sind die Seuche fraß mehr niederländische Soldaten, als das Schwert, allein die beiden ersten Feldzüge der Holländer waren keine Siegeszüge, und als der Kraton oder das alte Fort von Atschin mit dem Palast des Sultans endlich in die Hände der Holländer fiel, so wichen die Atschinesen nur dem überlegene, Geschützfeuer ihrer Gegner und erst in einem Augenblicke, wo aller Aufwand persönlicher Tapferkeit im Kampfe Mann gegen Mann doch vergeblich gewesen wäre. Faktisch ist der Krieg gegen die Atschinesen noch immer nicht beendigt, dagegen hat man vor Kurzem die verschiedenen Trophäen, welche bei der Eroberung des Kraton oder der Königsburg in die Hände der Holländer fielen, nach Holland gebracht, um wenigstens dem Volke Gelegenheit zu geben, sich beim Anblick dieser Siegeszeichen für den Krieg in der fernen Kolonie zu interessieren und zu begeistern. Die augenfälligsten dieser Trophäen sind die auf unserem Holzschnitt S. 420 abgebildeten Kanonen vom Kraton, welche kürzlich mit dem Schiffe „Nederland“ in Rotterdam gelandet und auf dem West-Kai der öffentlichen Besichtigung ausgestellt worden sind.

Es sind lauter ältere Bronzegeschütze von großem Kaliber, worunter mehrere wegen ihres Alters und ihrer schönen Arbeit ganz besonders interessante. Die große Haubitze in der Mitte z. B. trügt das britische Wappen, die Inschrift Jakobus Rex und die Jahreszahl 1617 und soll von König Jakob I. von England dem damaligen Sultan von Atschin zum Geschenk gemacht worden sein. Die dünnen Wände des Geschützes im Verhältnis; zu dem großen Kaliber lassen jedoch vermuten, dass dieses Haubitzrohr mehr zu Zierrat als zur ernstem Gebrauch bestimmt gewesen sei. Die große lange Feldschlange im Hintergründe, welche quer über den anderen Rohren liegt, ist 16 Fuß lang, schießt Kugeln von 6 Zoll Durchmesser und zeigt an ihrem Laufe nicht nur eine Menge feinziselierter Ornamente von halb erhabener Arbeit, sondern auch eingelegte Zierraten von massivem Silber und sogenannten Tauschirungen, d. h. von eingehämmertem Silberdraht. Diese Feldschlange ist von portugiesischer Arbeit und stammt aus der Zeit der Renaissance, wie ihre Ornamente zeigen. Mehrere von diesen Geschützen werden ohne Zweifel eine ehrenvolle Stelle in einem holländischen Arsenal oder einem Nationalmuseum finden, andere sollen zu Kriegsdenkmünzen für die Soldaten und Matrosen verwendet werden, welche die Feldzüge nach Atschin mitgemacht haben und überleben werden.

Kanonen aus Atschin auf Sumatra, erobert durch die Holländer

Kanonen aus Atschin auf Sumatra, erobert durch die Holländer