Der Krieg Englands gegen Afghanistan. XII.

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 8. 1879
Themenbereiche
Enthaltene Themen: England, Afghanistan, Krieg, Aufstand, Kabul, Herat,
Bekanntlich wurde der jüngste Aufstand in Kabul, welchem am 3. September 1879 das dortige englische Gesandtschaftspersonal mit dem Major Cavagnari an der Spitze zum Opfer fiel, durch drei aus Herat angekommene revoltierende Regimenter, denen sich dann auch Truppen in Kabul selbst und ein Teil der Einwohnerschaft anschlossen, hervorgerufen. In England bezeichnet man den Statthalter von Herat, Eyub Khan, einen Stiefbruder des regierenden Emir Jakub Khan, als den eigentlichen Anstifter dieser Unruhen. Er sei, sagt man, ein ehrgeiziger und gewissenloser Mensch, habe seit Schir Alis Tode fortwährend gegen Jakub Khan intrigiert, um an seiner Stelle sich der Regierung zu bemächtigen, und vor einiger Zeit einen Brief voll bitterer Vorwürfe wegen des Friedensschlusses mit den Engländern an ihn gerichtet. Er soll dann auch die Bevölkerung und die Truppen gegen den Emir aufgewiegelt haben, und tatsächlich brach gleichzeitig mit dem Aufstande in Kabul eine Revolte in Herat aus, die nach den neuesten Nachrichten auch gegenwärtig noch fortdauern soll.

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Unser Bild auf Seite 185 veranschaulicht die Stadt Herat mit der dortigen Zitadelle. Die Stadt selbst, im Nordwesten Afghanistans, in der Nähe der persischen Grenze, in einem fruchtbaren Tal um Herirud gelegen, ist als starke Festung und wichtiger Handels- und Waffenplatz früher lange Zeit der Zankapfel zwischen Persien und Afghanistan gewesen. Zuletzt besetzten die Perser Herat 1856, bis 1862 Dost Mohammed sie vertrieb; von 1871 bis 1874 verwaltete es nebst der gleichnamigen Landschaft der jetzige Emir Jakub Khan, während später Eyub Khan zum Statthalter ernannt wurde. Früher hieß Herat die „Stadt mit 100.000 Gärten“ und wurde als prächtig gerühmt, heute ist die einstige Königsstadt ein Labyrinth von engen, schmutzigen und finsteren Gassen mit vier großen Bazaren und gegen 50.000 Einwohnern.
Der Handel der Stadt ist sehr bedeutend; ihre Damaszenerklingen und seidenen und wollenen Teppiche sind weltberühmt.
Ein starker und mit gewaltigen Türmen besetzter Wall, durch den fünf Tore führen und welchem von außen noch ein tiefer Graben als Deckung dient, umgibt die ganze Stadt. Als Festung in der Festung erhebt sich dann noch im nördlichen Teile Herats, auf steilem Felsen, die auf unserem Bilde dargestellte Zitadelle oder Burg, einst Kella-i-Aktyar-Eldyn genannt, welche trotz langjähriger Vernachlässigung mit ihren mächtigen Wällen und Türmen aus Ziegelsteinen, die viele Meilen weit sichtbar sind, ein starkes und nicht leicht einnehmbares Bollwerk bildet. — Unser Bild auf S. 184
führt uns zwei Soldaten aus Herat vor, und zwar Kavalleristen, welche der Leibgarde Eyub Khan's angehören. Es sind kräftige, wohlgebaute und recht martialische Gestalten, mit intelligentem Gesichtsausdruck und bewährte, tapfere Krieger, wie sich die Bewohner von Herat überhaupt durch unruhigen, kriegerischen Geist unter ihren Landsleuten hervortun. Als Kopfbedeckung tragen diese Reiter eine weite Mütze aus schwarzem Lammfell, welche den ganzen Kopf bedeckt und von der die langen Haare ihnen fast bis in die Augen fallen. Diese Tracht findet sich auch bei den Turkomanen und vielen anderen Stämmen im Norden Afghanistans. Im Übrigen sind diese Kavalleristen bekleidet mit einem weiten, blusenartigen Tuchrock, den ein Gürtel in der Taille zusammenhält, halbweiten Beinkleidern und hohen russischen Stiefeln mit Sporen; an einem Bandelier tragen sie den Schleppsäbel. Der Eine hält einen Kantschuh in der Hand und hat einen seinem Herrn gehörenden Feldstecher umgehangen.

Der Krieg Englands gegen Afghanistan. XI - Ansicht der Zitadelle von Herat

Der Krieg Englands gegen Afghanistan. XI - Ansicht der Zitadelle von Herat

Der Krieg Englands gegen Afghanistan. XI - Soldaten von Herat

Der Krieg Englands gegen Afghanistan. XI - Soldaten von Herat