Zweite Fortsetzung

Sollen die unermesslichen Opfer, die in diesem großen Kriege gebracht werden, Europa einen dauernden Frieden sichern, so wird man sich vor allem hüten müssen, im Osten Europas — : in den polnischen und den angrenzenden Gouvernements Westrusslands, einen neuen politischen Wetterwinkel entstehen zu lassen. Das heißt, dass man im Osten ein wirklich sicheres Bollwerk gegen jegliche russische Expansionsgelüste aufbauen muss, ein Bollwerk, das der Sicherung des Friedens dienen soll. Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn man die Gebiete, welche von verschiedenen Nationen bewohnt sind (und am wenigsten von den Großrussen selbst) unter eine oberste Reichsherrschaft brächte, die ihrerseits eine freie, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung aller dort wohnenden Völker zulassen und fördern würde. Es dürfen mithin keiner einzigen Nation besondere Rechte eingeräumt werden; es wird deshalb auch nicht zweckmäßig sein, wenn man nur ein national-einheitliches Gebiet dem russischen Reiche entreißt. Denn es muss eben verhütet werden, dass auf dem Gebiet des neuen deutschen Bollwerkes gegen Russland irgend eine Nation die Oberherrschaft — und sei es nur kulturell — bekommen und sich eventuell mit dem russischen Nachbar verbünden könnte. So wird es nötig sein, auch die an das ,,Königreich Polen" angrenzenden Gebiete mit vorwiegend jüdischer Bevölkerung dem Länderkomplex, der zwischen Deutschland und Russland liegt und von Deutschland abhängig gemacht werden soll, anzugliedern.

Militärisch, politisch und zollpolitisch sollten die neuen Gebiete unter einer obersten Reichsgewalt stehen. Es müssten dabei aus der allgemeinen Reichsgesetzgebung einzelne Teile ausgesondert und der Kompetenz der nationalen Gesetzgebung der verschiedenen Nationen überlassen werden — und zwar diejenigen Teile, die in kulturellen und wirtschaftlichen Bedürfnissen dieser Völker begründet liegen. (Dies dürfte allerdings die Interessen der allgemeinen Reichsgesetzgebung nicht beeinträchtigen.) Nur dadurch wird der nationale Kampf vermieden, das gewünschte Bollwerk stark ausgestaltet und der russischen Diplomatie keine Betätigung ermöglicht werden.


Die Juden des Ostens sind mit dem Deutschtum auf mannigfaltigste Weise verbunden. Eine tiefgehende Ähnlichkeit der Sprache besitzt hierbei eine nicht zu unterschätzende Bedeutung; die wirtschaftlichen Beziehungen sind ungemein rege und umfangreich; die jüdische Wissenschaft wird in Deutschland am meisten gepflegt. Es gibt im Osten wohl kein anderes Volk, das so viel Ursache hätte, mit dem Deutschtum so stark zu sympathisieren, wie das jüdische. Diese Sympathien haben einen dauernden, festen Charakter; so werden die Juden die zuverlässigsten Pioniere des Deutschtums im Osten.*)

*) Wie man mir mitteilt, war das letzte Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache bis vor wenigen Jahren in einer jüdisch-galizischen Stadt Brody (mit ungefähr 90% jüdischer Bevölkerung), da die jüdische Gemeinde eine hohe Summe für dieses Gymnasium zur Verfügung gestellt hat unter der ausschließlichen Bedingung, dass die Unterrichtssprache die deutsche bleiben muss.

Soll aber die kulturelle und politische Aufgabe des jüdischen Volkes im Osten ermöglicht und gefördert werden, so ist es nötig, die östliche Judenheit stark und ungehindert sich entwickeln zu lassen. Es wird deshalb im Interesse des Deutschtums sein, die östliche Judenheit als Gesamtheit, als eine jüdische Gemeinschaft zu erhalten. Vor allem wird es sich darum handeln, das jüdische Volk im Osten in seinen nationalen Forderungen auf dem Gebiete der Kultur und Wirtschaft zu seinen Rechten kommen zu lassen.

Es wird ferner dadurch, dass man nicht einem numerisch stärkeren Volk nationale Selbständigkeit gewährt, sondern verschiedenen, im Osten dicht nebeneinander zusammenwohnenden Nationen das gleiche Recht der nationalen Selbstbestimmung auf der Grundlage einer nationalpolitischen Autonomie unter der obersten Reichsherrschaft einräumt, jeder einzelnen Nation vollständig unmöglich gemacht, irgendwelche besondere politisch-territoriale Bestrebungen zu verfolgen, die dem Deutschen Reich schädlich werden können. Die Gebote der Gerechtigkeit werden dadurch erfüllt und durch die Staatskunst wird unter den verschiedenen Nationen des Ostens ein Zusammenleben ermöglicht, das den Interessen des Deutschen Reiches entsprechen wird.