Abschnitt 2

Der Königssohn Johannes


Als sich nun der Königssohn einmal umsah, so war der Kerl mit den Hunden schon dicht hinter ihnen. Da wünschte das Mädchen den Königssohn zu einem Dornstrauche und sich selbst zu einer schönen Blume, die mitten darin stand. Wie da der Kerl herankam und wollte den Dornstrauch fassen, so stachen ihn die Dornen in die Hände; da lief er schnell wieder nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Ich habe die Beiden nicht fangen können; es stand da ein Dornstrauch und eine Blume darin; aber als ich den Dornstrauch anfaßte, da stachen mich die Dornen und da bin ich weggelaufen.“ „O, wie dumm!“ sagte die Hexe und schalt ihren Mann tüchtig aus; „hättest du nur die Blume mitgebracht, so wäre der Dornstrauch von selbst gekommen. Mach nur, daß du gleich wieder fortkommst und schaff mir die Blume.“ Da mußte der Kerl mit den drei Hunden wieder los und hinter den beiden her.


Die waren aber mittlerweile weitergelaufen. Als sich nun der Königssohn einmal umsah, so war der Kerl mit seinen großen Hunden schon wieder dicht hinter ihnen. Da wünschte sich das Mädchen zu einem großen Teiche und den Königssohn zu einem Enterich, der schwamm darauf. Indem, so kam der Kerl herzugelaufen, und weil der Enterich immer mitten auf dem Teiche schwamm, so dachte er ihn herbei zulocken und rief: „Niep, Niep! Niep, Niep!“ Aber der Enterich schnatterte immer mitten auf dem Teiche herum, daß ihn der Kerl nicht greifen konnte. Da lief er wieder nach Hause zu seiner Frau und sagte: „Ich habe die beiden nicht fangen können; da war wohl ein Teich, und ein Enterich schwamm darauf, aber der Enterich hielt sich immer mitten auf dem Teiche.“ „O, wie dumm!“ schalt die Hexe; „hättest du nur den Enterich fangen können, so wäre der Teich von selbst gekommen. Lauf nur schnell wieder fort und schaff mir den Enterich.“ Da mußte der Kerl mit den drei Hunden wieder los und hinter den beiden herlaufen.

Die hatten aber mittlerweile ihre natürliche Gestalt wieder angenommen und waren schnell weitergelaufen. Als sich aber der Königssohn einmal umsah, so war der Kerl mit den drei großen Hunden schon wieder dicht hinter ihnen. Da sagte Jettchen: „Ich will mich jetzt zu einem Gemüsegarten wünschen und du sollst ein alter Mann mit langem Barte sein, der in dem Garten herumgeht.“ Und wie sie es gewünscht hatte, so war es auch gleich geschehen. Indem, so kam der Mann der alten Hexe herzugelaufen, fand aber nur einen schönen Gemüsegarten, und einen alten Mann mit langem Barte darin, den fragte er, ob er nicht da eben zwei hätte vorbeilaufen sehen! „Gelbe Wurzeln“, sagte der alte Mann. „Ich meine“, schrie ihm der andere zu, „ob Ihr nicht gesehen habt, wo die zwei Leute hingelaufen sind, die hier eben vorbeigekommen sein müssen!“ „Gelbe Wurzeln“, sagte der alte Mann. Da fragte der andere zum dritten Male und schrie noch lauter als vorher, aber der alte Mann sagte wieder „Gelbe Wurzeln“. „Hier ist nichts zu machen“, dachte der Mann der Hexe, „ich will nur wieder zu Hause gehen.“ Damit trollte er sich heim zu seinem alten Weibe.

Als Jettchen sah, daß der Kerl fort war, wünschte sie sich und Johann wieder in ihre natürliche Gestalt; dann liefen sie weiter und kamen glücklich über die Grenze, wo das Gebiet der Hexe aufhörte, so daß sie ihnen nichts mehr anhaben konnte.

Nicht lange darnach kamen sie an Johann sein Schloß. Da sprach der Königssohn zu dem Mädchen: „Es möchte meinen Eltern nicht recht sein, wenn ich dich so ohne weiteres mitbrächte; darum will ich erst mal allein zu ihnen gehen; es soll aber nicht lange dauern, so hole ich dich auch herein.“ Da setzte sich Jettchen auf einen breiten Stein, der vor dem Schlosse lag und wartete, daß der Königssohn wiederkäme und sie abholte. Als der aber hinein zu seinen Eltern kam, vergaß er das Mädchen und ließ es draußen auf dem Steine sitzen und dachte nicht mehr daran.

Über eine Zeit trug es sich zu, daß der Königssohn sein Fenster offen ließ, da flog eine weiße Taube herein, die rief:

„Johann hat Jettchen vergessen

Auf einem breiten Stein.“

Und als er die Worte hörte, da fiel ihm auf einmal alles wieder ein, was er vergessen hatte, wie das Mädchen so gut gegen ihn gewesen war und daß er sie so treulos hatte sitzen lassen. Er hatte auch nicht eher Ruhe, bis er auszog, das Mädchen aufzusuchen.

Lange Zeit mußte er wandern, da kam er endlich an Jettchen ihr Schloß, das von der Hexe war verwünscht worden. Es war gerade Mittag, und um die Zeit hatten die drei Riesen eine Stunde Frist, wo sie nicht zu werfen brauchten, so daß der Königssohn ungehindert in das Schloß gehen konnte. In dem Schlosse war aber alles ganz still und leer; nur ein alter Mann saß darin, der hatte die Hand an die Wange gelegt und schlief, und vor dem Fenster, da stand eine einzige wunderschöne Blume; und als der Königssohn hereintrat, da schlug der alte Mann die Augen auf und sagte: „Vergiß das Beste nicht!“ „Das Beste, was hier zu finden ist, wird wohl die schöne Blume sein,“ dachte der Königssohn, nahm sie und wollte wieder aus dem Schlosse gehen. Da waren aber die drei Riesen schon wieder dabei und warfen Steine; aber der Königssohn wußte wohl, wenn sie niederwarfen, so warfen sie auf, und wenn sie aufwarfen, so warfen sie nieder. Darum so nahm er die Zeit wahr, wo sie niederwarfen, sprang schnell hinzu und berührte sie. Damit hatte er es aber getroffen; die Riesen waren erlöst und wurden drei Königssöhne und die schöne Blume wurde zu Jettchen, ihrer Schwester, die sich in die Blume verwünscht hatte. Da sprach Johann zu ihr: „Nun will ich dich auch nie und nimmer wieder vergessen, so lange ich lebe“, und das hat er treulich gehalten bis an sein Ende.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Königssohn Johannes