Abschnitt 1

Der Königssohn Johannes


Es war mal ein Königssohn mit Namen Johannes, der wollte auf Reisen gehn, und ob sein Vater gleich dawidersprach, weil er fürchtete, es könnte ihm unterwegs ein Unglück zustoßen, so ließ er sich doch nicht zurückhalten, sondern zog fort in die weite Welt hinein. Mit Anbruch der Nacht kam er in einen großen Wald zu einem Hexenhause, darin wohnte ein altes Weib mit ihrem Manne. Die Hexe war aber so bös geartet, daß sie alle drei Tage wenigstens einen Menschen fraß. den sie vorher in ihrem Backofen gebraten hatte. Als sie nun den schönen Königssohn in ihr Haus treten sah, da lachte ihr das Herz im Leibe, daß sie wieder einen guten Braten kriegte. „Du kommst von hier nicht wieder fort“, sprach sie zu ihm, „und sollst mir tüchtig arbeiten.“


Den andern Morgen brachte sie ihn hinaus auf ein großes Feld, gab ihm einen Spaten und sagte: „Nun grabe mir das Feld; aber das wicke ich dir, bist du bis Sonnenuntergang nicht fertig damit, so geht’s dir schlecht.“ Damit ließ sie ihn allein und ging fort. Der Königssohn hatte aber nie in seinem Leben einen Spaten in der Hand gehabt, und nun sollte er in einem Tage das große Feld herumbringen. Darüber gerieth er so in Verzweiflung, daß er sich bitterlich weinend auf den Boden warf.

Nun hatte die Hexe noch ein Mädchen bei sich mit Namen Jette, das mußte dem Königssohn um Mittag was zu Essen bringen, und als sie hinkam, da lag er noch immer und weinte und hatte von seiner Arbeit noch nichts gethan. „Was weinst du denn?“ fragte ihn das Mädchen. „Ach!“ sagte er; „ich sehe wohl, daß ich die Arbeit doch nimmer fertig bringe, darum bin ich so traurig.“ „Sei nur guten Muthes“, sprach das Mädchen da; „wenn du mir getreulich beistehen willst, daß ich aus dem Hause der alten Hexe wegkomme, so will ich die Arbeit schon für dich fertig bringen. Du mußt wissen, ich bin keine gewöhnliche Magd, sondern eines Königs Tochter; aber das alte Weib hat unser Schloß verwünscht, da sind meine Brüder zu drei Riesen geworden, die werfen auf dem Schloßhofe mit Steinen, daß keiner hineinkann, und wenn sie niederwerfen, so werfen sie auf, und wenn sie aufwerfen, so werfen sie nieder. Ich selber muß bei der Hexe dienen als ihre Magd. Wenn wir aber fort wollen, so dürfen wir nicht lange mehr warten, denn von heut über drei Tage muß sie wieder Einen fressen und hat schon gesagt, sie wollte den Backofen heiß machen.“ Da versprach der Königssohn dem Mädchen, daß er ihr gerne beistehen wollte, und wenn sie glücklich wegkämen, so wollte er sie zu seiner Frau nehmen. Das Mädchen hatte aber das Wünschen ge lernt, und nun wünschte sie, daß das Land herum wäre, und wie sie das gethan hatte, so war auch die Arbeit geschehen. Der Königssohn legte sich nun hin und schlief, bis die Sonne hinunter war; dann ging er zu Hause und sagte, das Land wäre umgegraben. „Gut das!“ sagte die Hexe; „morgen will ich dir mehr zu thun geben.“

Den andern Tag brachte sie ihn in den Wald zu einer allmächtig großen Buche, gab ihm eine Axt und sagte: „Nun fälle mir den Baum, und wenn du das gethan hast, so haue ihn in kleine Splittern, daß ich Brennholz kriege; aber das wicke ich dir, bist du bis Sonnenuntergang nicht fertig damit, so geht’s dir schlecht.“ Damit ging sie weg und ließ ihn allein. Der Königssohn hatte aber in seinem Leben noch keine Axt in Händen gehabt, und nun sollte er in einem Tage den allmächtig großen Baum in Splitter hauen. Darüber wurde er ganz mißmuthig, warf sich auf die Erde und fing bitterlich zu weinen an.

Um Mittag hatte er noch keinen Hieb getan, und als Jettchen mit dem Essen kam, da lag er noch immer und weinte in einem fort. „Weine doch nicht mehr,“ sagte sie zu ihm; „ich will die Arbeit wohl für dich thun, wenn du halten willst, was du mir gestern versprochen hast.“ „Ja!“ sagte der Königssohn; „das will ich dir gewiß und wahrhaftig halten.“ Da wünschte sie, daß der Baum gefällt und in Splitter ge hauen wäre, und wie sie es gewünscht hatte, so war es auch gleich geschehen. Der Königssohn legte sich nun hin und schlief, bis die Sonne hinunter war, dann ging er zu Hause und sagte, mit dem Baum wäre er fertig. „Gut das!“ sagte die alte Hexe; „morgen will ich dir mehr zu thun geben.“

Den dritten Tag brachte sie ihn zu einem großen Teiche, gab ihm den Rand von einem Siebe und sagte: „Nun schöpfe mir den Teich aus; aber das wicke ich dir, bist du bis Sonnenuntergang nicht fertig damit, so geht’s dir schlecht.“ Damit ging sie weg und ließ ihn allein. Der Königssohn aber fing bitterlich zu weinen an, denn mit einem Siebrande Wasser schöpfen, das war ja eine unmögliche Arbeit.

Um Mittag kam Jettchen und brachte das Mittagessen, und als sie ihn so weinend auf der Erde liegen sah, sprach sie ihm Muth ein und sagte: „Weine nicht mehr, Johann! Wenn Du Dein Versprechen halten willst, so will ich die Arbeit für dich ausrichten.“ „Ja!“ sagte er; „das will ich gewiß und wahrhaftig halten.“ Da wünschte sie, daß der Teich leer wäre, und wie sie das gethan hatte, so war auch gleich alles Wasser heraus bis auf den letzten Tropfen.

„Diese Nacht,“ sprach sie darauf, „will ich dich wecken; dann wollen wir zusammen fortlaufen, denn es ist die höchste Zeit; morgen früh, das weiß ich, will die Alte den Backofen heizen und wird dich sicher braten und auffressen, wenn wir nicht machen, daß wir von hier wegkommen. Darum halte dich bereit.“ Das versprach er auch. Als nun die Sonne untergegangen war, ging er zu Hause und sagte, mit dem Teiche wäre er fertig. „Schön!“ sagte die Hexe, „so sollst du morgen Feiertag haben“ und that ganz freundlich und lachte, weil sie sich schon im voraus auf den guten Braten freute. Mit dem, so gingen sie zu Bette.

In der acht aber stand Jettchen auf, spuckte dreimal vor ihr Bett, weckte den Königssohn, und dann liefen sie fort, so schnell sie nur konnten. „Ich darf mich aber nicht umsehen“, sprach das Mädchen, „sonst hat mich die Hexe wieder in ihrer Gewalt; darum mußt Du zuweilen zusehen, ob wir nicht verfolgt werden.“

Unterdes war aber die Alte auch schon aufgestanden, denn sie konnte die Zeit nicht erwarten, daß der Backofen geheizt würde, und weil Jettchen ihr dabei helfen sollte, so rief sie: „Jettchen!“ „Ja!“ rief die Spucke. Aber Jettchen kam nicht. „Jettchen!“ rief sie wieder. „Ja!“ antwortete die Spucke; aber das Mädchen kam nicht. Da rief sie zum dritten Male: „Jettchen!“ „Ja!“ rief die Spucke. Aber Jettchen kam noch immer nicht, und als sie endlich vor des Mädchens Bett ging, so war das Nest leer und als sie nun den Königssohn auch nicht in seinem Bette fand, da sah sie wohl, daß die Vögel ausgeflogen waren. Da lief sie schnell hin und weckte ihren Mann, der mußte mit drei großen Hunden hinter den beiden her und sollte sie wieder einfangen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Königssohn Johannes