An diese Manifestation der Vertreter der hauptstädtischen Kultusgemeinde schlossen sich unter Führung der Gemeinde Bamberg die Israeliten von Oberfranken an

An diese Manifestation der Vertreter der hauptstädtischen Kultusgemeinde schlossen sich unter Führung der Gemeinde Bamberg die Israeliten von Oberfranken an mit einer Eingabe, welche folgenden Wortlaut hat:27)

„Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Durchdrungen von der allerhöchsten Gnade und Landesväterlichen Liebe Euer K. Majestät, womit Allerhöchstderselbe das Wohl aller getreuen Unterthanen bey jeder Gelegenheit zu begründen und zu befördern stets hin gewohnt sind, wagen auch Wir Uns dem erhabensten Thron Euer K. Majestät zu nähern und eine allerunterthänigste Bitte niederzulegen, deren Gewährung schon längstens der einzige und sehnlichste Wunsch aller unserer Glaubensgenossen gewesen, und um deren allergnädigste Willfahrung bereits die in der Haupt- und Residenzstadt München befindliche Judenschaft Euere K. Majestät allerdemütigst angefleht haben.


Die von unseren Glaubensgenossen in München eingereichte Vorstellung vom 8. April 1812 ist ganz die Herzenssprache aller übrigen Israeliten und insbesondere enthält dieselbe unser schon längst gesehntes Verlangen, welches Wir schon früher Ew. K. Majestät in allertiefster Erniedrigung vorzulegen gewagt haben würden, wenn Wir nicht durch die Furcht, Allerhöchstdieselbe durch eine dergleichen Bitte lästig zu fallen, bisher abgehalten worden, uns diese allerdevoteste Kühnheit zu erlauben.

Nur allein die von Ew. Kgl. Majestät durch die allgemeine Gesetze ausgesprochene bekannte und mit unserem allerunterthänigsten Dank verehrt werdende humane und landesväterliche wohlthätige Gesinnungen, sowie auch die dadurch bewährte Grundsätze zu Einführung der Gewissens Freyheit lassen uns die tröstende Beruhigung hegen, dass Allerhöchstdieselben Uns Allergnädigst zu erlauben geruhen werden, dass Wir uns mit der Bitte der Israelitischen Gemeinde zu München vereinigen und um die nemliche allerhöchste Huld und Gnade flehen dürfen, zu deren Gewährung jene Gemeinde in München die schmeichelndste Hoffnung hat.

Sämtliche in derVorstellung vom 8. April 1812 aufgestellte Gründe finden auch auf unsere im Mainkreiss befindliche Glaubensgenossen die vollkommenste Anwendung, dahero, um nicht durch Wiederholungen die allerhöchste Gedult Ew. K. Majestät zu ermüden, uns erlaubt seyn wird, sich darauf lediglich zu beziehen und uns jener Bittschrift durchgängig anzuschließen.

Wir haben uns von jeher beeifert, als treue Unterthanen alle bürgerliche Pflichten ohne Ausnahme und Einschränkung gleich allen anderen Unterthanen zu erfüllen.

Wir entrichten nicht nur alle herrschaftliche Abgaben, und tragen die übrige gemeine Lasten ohne Unterschied, sondern wir waren von der ersten Aufforderung sogleich bereit und werden immer bereitwillig sein, unsere Söhne dem Dienst und der Verteidigung des Vaterlandes zu widmen, sofort dadurch eine unerschütterliche Treue, und wärmste Anhänglichkeit gegen den erhabensten aller Fürsten und gegen unser Vaterland mit Anstrengung aller Kräften zu beweisen, damit wir uns ebenfalls der allerhöchsten Gnade zum Genuss des bürgerlichen privat und der Staatsbürgerlichen Rechten würdig und theilhaftig machen. Euer K. Majestät legen wir daher unter nochmaliger Beziehung auf jene in der von der jüdischen Gemeinde zu München übergebenen Vorstellung aufgestellten Gründen die allerunterthänigste Bitte zur allerhöchsten Willfahrung dahin vor, um Uns gleich den anderen christlichen Glaubensgenossen als active Staatsbürger aufzunehmen, und uns den Genuss der bürgerlichen Privat und der Staatsbürgerlichen Rechten unter der treuesten und heiligsten Angelobung zu Erfüllung aller Staatsbürgerlichen Pflichten ohne Ausnahme in allerhöchsten Gnaden verwilligcn zu wollen. Wir ersterben in alltiefster Erniedrigung Euer Königl. Majestät allerUnterthätiigst treu gehorsamste. — Bamberg, den 22. Jenner 1813.“

Die Antwort auf diese Petitionen war die Veröffentlichung des berühmten Edikts vom 10. Juni 1813, welches, wiewohl es eine blosse Übergangsstufe bilden und lediglich ein Erziehungsgesetz sein sollte, fast ein halbes Jahrhundert lang die magna charta für das Verhältnis der israelitischen Glaubensgenossen zum Staate und zur bürgerlichen Gesellschaft gewesen ist.28)

Es wäre freilich eine Ungerechtigkeit und Undankbarkeit, wenn man die Größe des Fortschritts unterschätzen würde, der mit dem Edikt zur Erhebung der Juden getan wurde. Aber es steht an der Grenzscheide zweier Zeiten und lässt darum unentschieden die Merkmale von einander entgegengesetzten Anschauungen und Grundsätzen in den inneren Widersprüchen seiner 34 Paragraphen erkennen. Zwei Seelen wohnen in seiner Brust, eine mittelalterliche und eine neuzeitliche Seele.29) Kein Wunder, dass es niemanden befriedigte, weder die Anhänger des Alten, denen es zu viel genommen, noch die Anhänger des Neuen, denen es zu wenig gegeben. Kein Wunder, dass es einen Kampf entfesselte, der mit besonderer Schärfe gegen § 12 (u. 13) des Edikts gerichtet war, welche die Bestimmung enthalten: „Die Zahl der Judenfamilien an den Orten, wo sie dermalen bestehen, darf in der Regel nicht vermehrt, soll vielmehr nach und nach vermindert werden, wenn sie zu groß ist“. ,,Die Ansässigmachung über die Zahl an denselben Orten, wo sich bereits Juden befinden, oder die Ansässigmachung in Orten, wo noch keine Juden sind, kann nur von der allerhöchsten Stelle und wird auch von derselben nur“ an Fabrikanten oder Handwerker oder Ackerbautreibende bewilligt werden. Damit war die mittelalterliche Beschränkung der Juden auf eine bestimmte Anzahl und auf bestimmte Orte der Zulassung auch im neuen Staate sanktioniert und der Jude wie mit einem Bannfluch mit dem Makel seiner Geburt behaftet. An Stelle des ehemaligen Schutzbriefes trat die Matrikel, welche für jede anno 1813 ortsansässige Familie bei der Kreisregierung eingetragen wurde und vom Vater auf den Sohn sich vererbte. Wollte der Sohn einen jungen Hausstand gründen, so musste er auf den Tod seines Vaters warten. Wehe dem Unglücklichen, der so unvorsichtig gewesen war, als zweitgeborener Sohn auf die Welt zu kommen; er, konnte im besten Falle eine vakant werdende oder gewordene Matrikel, für welche an den glücklichen Besitzer oft bis 1000 fl. bezahlt und an Taxen

Der Vorstand dieser durch die Anzahl ihrer Mitglieder, durch das Ansehen ihrer gelehrten Schulen, durch die Leistungsfähigkeit ihrer wohltätigen und gemeinnützigen Anstalten, durch die Macht und den Unternehmungsgeist ihres wohlhabenden Kaufmannsstandes ausgezeichneten Gemeinde fühlte sich berufen und verpflichtet, seine Stimme zu erheben und zu erklären, dass das Edikt in vielen Punkten nicht blos keine Verbesserung, sondern im Gegenteil eine Verschlechterung der Verhältnisse herbeizuführen geeignet sei und eine schädigende Wirkung ausüben werde sowohl auf die idealen als auch auf die materiellen Interessen der Gemeinde, Bedenken, welche in einer ausführlichen vom 15. November 1813 datierten Denkschrift vor den Stufen des Thrones niedergelegt wurden. Ueber die Bedeutung, welche damals die Fürther Gemeinde innerhalb der gesamten Glaubensgenossenschaft hatte, äußert sich die Denkschrift:30) „Wir besitzen in Fürth

1. eine Universität, aus einem Ober-Rabiner und Sechs Untere Rabiner bestehend.31)

Ihr Ansehen im Auslande hat sich stets durch den Rang bewährt, welchen sie unmittelbar nach den hohen Schulen in Prag und Frankfurth behauptet, so dass sehr häufig unsere Rabiner an andere Orte berufen worden sind, die Gutachten unseres Oberrabiners aus andern angesehenen Plätzen begehrt worden, und immer viele jüdische Jünglinge aus den angesehensten Städten Deutschlands hier ihre Studien pflegen.

Wenn dermalen die Zahl nicht so stark wie sonst ist, so liegt die Ursache wohl nur darin, dass den Jünglingen durch den Conscriptions-Verband die Entfernung von ihrem Geburtsort sehr erschwert wird.

2. Einen Spital, bei welchem ein Arzt, ein Chirurg und mehrere Diener angestellt und besoldet sind und wo nicht nur alle einheimischen Kranken, sondern auch die zu Fürth erkrankten Fremdlinge Unterhalt und Pflege finden.

3. Ueber diesem Spital haben wir noch zwei Verpflegungshäuser für arme Kranke, a) vom männlichen, b) weiblichen Geschlecht, eingerichtet. Mit welchem Eifer diese Institute, unter thätiger Unterstützung und Beihülfe der vorzüglichsten Familien betrieben werden, wie viel Unglückliche schon ihnen ihre Rettung verdanken — darüber provociren wir auf Bericht des Königlichen Stadt-Gerichts-Arztes.

4. Ein jüdisches Armen-Institut zur Versorgung armer Juden der Gemeinde, und im zureichenden Fall auch Fremder.

5. Ein Waisenhaus, worinn mehr als 20 arme Waisenkinder mit Speisen, Kleider, Lehre und dergleichen versorgt werden.

6. Ein Institut, woraus im Winter alle armen jüdischen Hausväter ein gewisses Quantum Brennholz erhalten. Alle diese Anstalten verdanken ihre Existenz und Erhaltung blos freiwilligen wohlthätigen Beiträgen des In- und Auslandes.“

Wenn nun aber, wie der § 30 des Edikts will., der Wirkungskreis des Rabbineramtes von nun an auf die blos kirchlichen Verhältnisse beschränkt bleiben und die Ausübung aller Akte auch der freiwilligen Gerichtspflege verboten werden soll, so bedeudet das bei der eigentümlichen Verzweigung der mosaischen und talmudischen Gesetzgebung auch in die Sphäre des Weltlichen nicht blos einen Eingriff in die Gewissensfreiheit, sondern auch eine Bedrohung von materiellen Interessen besonders der ärmeren Volksklasse. Denn

„Ein Jude gewinnt durch seine Aufnahme nicht etwa blos das Recht des Aufenthalts, sondern er ist der Genossenschaft, und diese ihm, für sich und seine Nachkömmlinge so verkettet, dass er nicht als blosses Individuum, sondern als Glied der Gattung betrachtet wird, für welches die Gattung wie für einen Lebensteil zu sorgen hat, — und welcher es so lange angehört, als nicht der Mann der moralischen Achtung und des Landesherrlichen Schutzes sich unwürdig gemacht hat. Diese Idee liegt unserem Vormundschafts-, der Behandlung aller und jeder Verlassenschaftswesen, wobei die Unterstützung der Waisen, nicht nur der Witwen, so wichtig ist, unserer Armenversorgung, und mehreren wohlthätigen Anstalten zum Grunde, sie entspringt wesentlich aus unseren Religions-Grundsätzen und die Verwaltung solcher Gegenstände ist, weil die Principien derselben im Detail der Handhabung häufig unser Glaubens Bündnis berühren, und die genaueste Kenntnis der indivituelen Verhältnisse voraussetzen, welche niemand anders in solche Maße besitzen kann, wesentlich in den Händen unserer Vorsteher. Was zunächst aus dem Sittengesetz entspringt, kann ohne diesen Einfluss nicht heilsam bestehen, und jede humane Regierung, welche den Kindern des Mosaischen Gesetzes Toleranz gewährt, wird dem jüdischen Sittengesetz seine Kraft in den heiligsten Verhältnissen nicht entziehen.“

Aber nicht blos in Angelegenheiten, welche mit der Religion zusammenhängen, sondern auch und vor allem in Beziehung auf rein bürgerliche Verhältnisse gibt es in den Bestimmungen des Edikts insbesondere eine Gefahr, von welcher die Zukunft der Gemeinde aufs äußerste bedroht erscheint.

„Der 12. § des Edikts bestimmt: „Die Zahl der Judenfamilien an den Orten, wo sie dermahlen bestehen, darf in der Regel nicht vermehrt, soll vielmehr nach und nach vermindert werden, wenn sie zu gross ist.“ Schmerzlich ist uns diese Regel, theils um deswillen, weil wir bisher im Zuwachs oder Abnehmen unserer Genossenschaft ein untrügliches Anzeichen von Steigen und Fallen unseres Wohlstandes, sowie jenes der ganzen Stadt beobachtet haben, mithin wir in dem Gebot Eurer Kgl. Majestät den Stillstand unseres Wohlstandes, und da in keinem Organismus ein anhaltender Stillstand möglich ist, sogar den Untergang unseres Glückes zu erblicken glauben; andereriseits können wir die Betrübnis nicht verhehlen, aus dieser Allerhöchsten Bestimmung bei der gemeinen Volksklasse die Missdeiitung einer absoluten Schädlichkeit schöpfen, Druck und Verachtung folgen zu sehen.“

Eine Erschütterung der Existenz der israelitischen Gemeindeangehörigen muss aber unfehlbar den Wohlstand der ganzen Stadt erschüttern und ihre ganze Zukunft in Frage stellen.

„Wenn die Erfahrung von allen Städten, in welchen Juden Schutz fanden, beweist, dass die Handlung und Speculationen einen größeren Schwung erlangte und wenn hieraus allenthalben größerer Geld-Umlauf, vermehrte Bevölkerung, Nahrungs-Stoff und Stütze für Kunst, Wissenschaft und Erfindungen entsprungen ist, wenn selbst auf den angesensten Handelsplätzen, wie zu Amsterdam und Hamburg, der Einfluss der jüdischen Banquiers auf die Geschäfte so stark ist, dass der Curs leidet, und man uns z. B. schreibt, dass wegen jüdischen Feiertagen die Börsen-Geschäften gering waren, so ist die gleichförmige Erscheinung in Fürth gewiss eine kräftige Empfehlung für eine Genossenschaft, welche mit dem allerehrerbietigsten Gesuch um Schützung der Grundlagen ihrer Erhaltung den wohlwollenden Absichten Euerer Kgl. Majestät für das allgemeine Wohl Allerhöchst dero Unterthanen zu entsprechen strebt. Man wird es nicht nur als eine glückliche Erscheinung für den Staat betrachten müssen, dass eine unbedeutende unbekannte Hofmark zu einem weltbekannten und mit ganz Europa nicht nur, sondern selbst mit fremden Welttheilen in Verbindung stehenden Handelsplatz geworden ist, sondern man wird selbst das unmöglich scheinende als verwirklicht anstaunen, dass das Aufstreben von Fleiß und Speculation zu einem solchen Grad gelingen konnte, dass die Nähe einer weltberühmten Handels- und Fabrikenstadt, die junge Pflanzung nicht erstickte, dass vielmehr hier stete Vergrößerung mit der dortigen Abnahme contrastirte, dass die Seelenzahl zu Fürth zur Hälfte der Volkszahl in dem sechsmal größeren Nürnberg gestiegen, dass die Preise der Häuser in der kleinen Stadt Fürth weit über jene in der Stadt Nürnberg sich erhoben haben, und nehme man diese vorzüglich aus unserer Genossenschaft hervorgegangene Handels-Industrie, hinweg, was wird aus allen diesen Manufacturisten, Fabrikarbeitern werden, die durch unsere Speculation den Absatz für den Fleiß ihrer Hände suchen müssen, was wird das Schicksal aller jener Gewerbsleute werden, welche von der Consumtion von 600 Juden-Familien leben, und wie kann ein mitten in einer Sandsteppe liegender Ort subsistieren, welcher ohne den Kunstfleiß und den Handel fast keine Ressourçe mehr hat?“32)

In Rücksicht auf die geschilderten Verhältnisse und unter Beziehung auf das oben Seite 14 erwähnte Reskript vom 8. Oktober 1810, nach welchem „über die Verhältnisse der Fürther Judengemeinde überhaupt erst alsdann eine Entscheidung erfolgen könne, wenn die allerhöchsten Bestimmungen über die Verhältnisse der jüdischen Unterthanen des Königreichs vorher gegangen sein werden“, bittet die Gemeinde um Erhaltung ihrer ehemaligen Verfassung.

Mit anderen Worten: die Fürther wünschen auch nach Veröffentlichung des Edikts, eines Verfassungsgesetzes, eine unerhörte Ausnahmestellung im Königreich. Und das Unerhörte geschah. Graf v. Montgelas verfügte auf allerhöchsten Befehl am 12. Januar 1814: „Einstweilen ist mit der Vollziehung des Edikts gegen die supplicirende Judengemeinde in Ansehung aller der bisherigen Gemeinde Verfassung entgegenstehenden Bestimmungen Instand zu halten“. Erst nach jahrelangen Verhandlungen wurde durch Entschließung vom 5. August 1820 verfügt, dass die Bestimmungen des Edikts vom Jahre 1813 auch auf die Kultusgemeinde der Stadt Fürth, jedoch unter Rücksichtnahme auf den derzeitigen Status der Gemeinde, ihre volle Anwendung finden sollen.33)


27) Aus den Rabbinatsakten von Bamberg.


28) Dölliger, S. 1. Was die Quellen des Edikts anbelangt, vergl. man das. S. 14 ff., 200 ff., 250 und 254, ferner Henle: Uebcr die Verfassung, S. 30 ff. und Stimme der Wahrheit, II, S. 2. Im Vergleiche zu den schon früher publizierten Edikten von Baden und Preussen, mit welchen es wenige Berührungspunkte hat, ist das bayerische Edikt außerordentlich rückständig. (Vergl. Aktenstücke, die Verbesserung des bürgerlichen Zustands der Israeliten betr., von Buchholz, 1815.) Frhr. v. Lerchenfeld bezeichnet in seiner Geschichte Bayerns unter Maximilian Joseph. S. 60, die an die Spitze des Edikts gestellte Zusicherung völliger Gewissensfreiheit als eine Satyre.


29) Vergl. Haenle: Geschichte der Juden in Ansbach, 8. 195, und Eckstein: Beiträge zur Geschichte der Juden in Bayern I (Die bayerischen Parlamentarier jüdischen Glaubens), S. 6). 30 Gulden entrichtet wurden, sich kaufen oder als Handwerker mit unsäglichen Scherereien und großem Kostenaufwand sich um das Privilegium einer Ausnahme bei der allerhöchsten Stelle bewerben. Man hat diese Bestimmung mit Recht eine pharaonische Maßregel genannt. Es wurden zwar nicht die neugeborenen Knaben in die Isar geworfen, aber die erwachsenen Männer und Jungfrauen mussten erst graue Zöpfe sich wachsen lassen, ehe sie daran denken konnten hinter der Bahre eines verstorbenen Matrikelinhabers ihren Trauhimmel sich aufrichten zu lassen. Der § 12 des Edikts war darum eine Axt der Vernichtung, die man legte an die Wurzel der jüdischen Gemeinden. Kein Wunder also, dass die Gemeinden gegen das Edikt im ganzen und gegen das sogenannte Matrikelgesetz insbesondere einen 50jährigen Kampf führten, der noch heute etwas Imponierendes hat, und in diesem Kampfe die Führung übernahm und behauptete mit unermüdlicher Energie der Vorstand der israelitischen Kultusgemeinde Fürth.


30) Gemeindeakten Rep. Tit. II Nr. 2. Juristischer Berater der Gemeinde war damals Dr. v. Holzschur in Nürnberg, Vorsteher der Gemeinde waren: Seligm. Mos. Nathan und Bar. Berolzheimer.


31) Der preußische Minister Hardenberg äußerte in seiner 1797 entworfenen Denkschrift über die fränkischen Fürstentümer: „Die Juden, welche vorzüglich in Fürth sehr zahlreich sind, haben .... in Fürth einen Landrabbiner, auch eine Art von jüdischer Universität. Bey der itzt vorseyenden Prüfung ihrer Privilegien wird es nöthig sein, dahin zu sehen, dass auch ihre kirchliche Verfassung eigentlich und dem Wohle des Ganzen gemäß eingerichtet werde“. (Hohenzollerische Forschungen, Bd. I, S. 74; vergl. auch S. 40 — 41, wo Hardenberg die Notwendigkeit einer Verbesserung des bürgerlichen Zustands der Juden betont.)


32) Dass dieses Raisonnement keineswegs so übertrieben ist, wie es den Anschein hat, erfährt man von Dohm, der in seinem 1783 erschienenen II. Band seines Werkes über die bürgerliche Verbesserung der Juden, S. 113, hervorhebt, Fürth sei durch die Tätigkeit seiner jüdischen Bevölkerung einer der volkreichsten und nahrhaftesten Plätze der Gegend und übertreffe manche der Reichsstädte, die ehemals wegen ihrer Industrie und ihres Reichtums berühmt gewesen. Ebenso äußerte Prof. Lips aus Erlangen in seinem 1819 erschienenen Werke (Ueber die künftige Stellung der Juden in den deutschen Bundesstaaten, S. 9): „Der Verfall des einst so blühenden Nürnberg datirt sich gerade von dem Augenblicke an, wo es die Juden vertrieb, wie der Flor der benachbarten Städte Fürth, Schwabach etc. im Gegenteil dadurch begründet wurde, dass sie diese Verfolgten aufnahmen. Wo Juden sich befinden, herrscht Tätigkeit, Regsamkeit, Leben, und wo keines ist, schaffen sie Leben.“


33) Vergl. Hugo Barbeck: Geschichte der Juden in Fürth und Nürnberg. S. 88 — 89, und Fronmüller: Chronik der Stadt Fürth, S. 203.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Kampf der Juden um ihre Emanzipation in Bayern