Vorteile der Judenwanderung.

Ich denke mir, daß die Regierungen diesem Entwurfe freiwillig oder unter dem Drucke ihrer Antisemiten einige Aufmerksamkeit schenken werden, und vielleicht wird man sogar da und dort von Anfang an dem Plane mit Sympathie entgegenkommen und es der Society of Jews auch zeigen.
Denn durch die Judenwanderungen, die ich meine, können keine wirtschaftlichen Krisen entstehen. Solche Krisen, die im Gefolge von Judenhetzen überall kommen müßten, würden durch die Ausführung dieses Entwurfes vielmehr verhindert werden. Eine große Periode der Wohlfahrt würde in den jetzt antisemitischen Ländern beginnen. Es wird ja, wie ich schon oft sagte, eine innere Wanderung der christlichen Staatsbürger in die langsam und planvoll evakuierten Positionen der Juden stattfinden. Wenn man uns nicht nur gewähren läßt, sondern geradezu hilft, so wird die Bewegung überall befruchtend wirken. Es ist auch eine bornierte Vorstellung, von der man sich freimachen muß, daß durch den Abzug vieler Juden eine Verarmung der Länder eintreten müßte. Anders stellt sich ein Abzug infolge von Hetzen dar, wobei allerdings, wie in der Verwirrung eines Krieges, Güter zerstört werden. Und anders ist der friedliche, freiwillige Abzug von Kolonisten, wobei alles unter Schonung erworbener Rechte, in vollster Gesetzlichkeit, frei und offen, am hellen Tage, unter den Augen der Behörden, unter der Kontrolle der öffentlichen Meinung vollzogen werden kann. Die Auswanderung von christlichen Proletariern nach anderen Weltteilen käme durch die Judenbewegung zum Stillstande.
Die Staaten hätten ferner den Vorteil, daß ihr Exporthandel gewaltig wüchse, denn da die ausgewanderten Juden drüben noch lange auf die europäischen Erzeugnisse angewiesen wären, müßten sie sie notwendig beziehen. Durch die Ortsgruppen würde ein gerechter Ausgleich geschaffen, die gewohnten Bedürfnisse müßten sich noch lange an den gewohnten Orten decken.

Einer der größten Vorteile wäre wohl die soziale Erleichterung. Die soziale Unzufriedenheit könnte auf eine Zeit hinaus beschwichtigt werden, die vielleicht zwanzig Jahre, vielleicht länger dauern würde, jedenfalls aber die ganze Zeit der Judenwanderung hindurch anhielte.
Die Gestaltung der sozialen Frage hängt nur von der Entwicklung der technischen Mittel ab. Der Dampf hat die Menschen um die Maschinen herum in den Fabriken versammelt, wo sie aneinandergedrückt sind und durcheinander unglücklich werden. Die Produktion ist eine ungeheure, wahllose, planlose, führt jeden Augenblick zu schweren Krisen, durch die mit den Unternehmern auch die Arbeiter zugrunde gehen. Der Dampf hat die Menschen aneinandergepreßt, die Anwendung der Elektrizität wird sie vermutlich wieder auseinanderstreuen und vielleicht in glücklichere Arbeitszustände bringen. Jedenfalls werden die technischen Erfinder, die wahren Wohltäter der Menschheit, auch nach Beginn der Judenwanderung weiterarbeiten und hoffentlich so wunderbare Dinge finden wie bisher, nein, immer wunderbarere. Schon scheint das Wort „unmöglich“ aus der Sprache der Technik verschwunden zu sein. Käme ein Mann des vorigen Jahrhunderts wieder, er fände unser ganzes Leben voll unbegreiflicher Zaubereien. Wo wir Modernen mit unseren Hilfsmitteln erscheinen, verwandeln wir die Wüste in einen Garten. Zur Errichtung von Städten genügen uns jetzt so viele Jahre, als man in früheren Epochen der Geschichte Jahrhunderte brauchte — dafür zahllose Beispiele in Amerika. Die Entfernungen sind als Hindernis überwunden. Die Schatzkammer des modernen Geistes enthält schon unermeßliche Reichtümer; jeder Tag vermehrt sie, hunderttausend Köpfe sinnen, suchen auf allen Punkten der Erde, und was einer entdeckt hat, gehört im nächsten Augenblick der ganzen Welt. Wir selbst möchten im Judenlande alle neuen Versuche benützen, vorbilden, und wie wir im Siebenstundentage ein Experiment zum Wohl der ganzen Menschheit machen, so wollen wir in allem Menschenfreundlichen vorangehen und als neues Land ein Versuchsland und Musterland vorstellen.


Nach dem Abzug der Juden werden die von ihnen geschaffenen Unternehmungen verbleiben, wo sie waren. Und nicht einmal der jüdische Unternehmungsgeist wird dort fehlen, wo man ihn gerne sieht. Das mobile jüdische Kapital wird auch fernerhin seine Anlagen dort suchen, wo seinen Besitzern die Verhältnisse wohlbekannt sind. Und während jetzt das jüdische Geldkapital wegen der Verfolgung außer Landes die entlegensten Unternehmungen aufsucht, wird es bei dieser friedlichen Lösung zurückkehren und zum weiteren Aufschwung der bisherigen Wohnorte der Juden beitragen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Judenstaat