Einführung

Die vorstehenden Sätze sind aus meinem ,,Deutschenhass, Judenhass und die Ursache des Krieges“, abgedruckt im Januarheft 1917 der Zeitschrift ,,Nord und Süd“. Inzwischen sind für den Buchdruck Verhältnisse eingetreten, wodurch es dem Verlag unmöglich wird, das Werk ,,Der Judenhass und die Juden“ noch länger im Satz stehen zu lassen; und so muss ich einwilligen, dass es herausgehe mitten in diesem noch immer dauernden barbarischen Kampfe (und die Nichtkämpfer leben ja auch bald nicht mehr in der Zivilisation!), mitten unter diesem Wüten des Krieges, wo es den Anschein hat, als wollten auch noch die andern apokalyptischen Reiter über die Menschheit kommen .....

Was heute nicht nützt, dem mag für morgen eine Wirkung beschieden sein: passen wird es für morgen wie für gestern. Ich weiß nur noch ein Postskriptum nochmaliger Warnung hinzuzufügen, dass man weder der Verzweiflung sich überlasse noch allzu holden Erwartungen für die Zukunft. Wir wollen nicht verzagen, obgleich es noch nicht besser geworden ist, eher schlimmer. Zu unsren Feinden hinzu kam Amerika, ,,um die Einstimmigkeit des menschlichen Gewissens gegen die Deutschen vollzumachen“, und der Hass gegen uns ist nur heißer und wilder geworden; die Gerechtigkeit, welche diesen Krieg gegen uns führt, ist kannibalischer geworden. Der Krieg soll im Frieden fortgesetzt werden; die Deutschen in demjenigen Stück Deutschland, welches die Gerechtigkeit nicht fressen wird, will man zu ,,Sklaven der Menschheit“ machen und die Welt zuschließen vor der sceleratissima gens. Von Bonar Law fielen am 8. Februar 1917 in London die Worte: „Es gibt zwei verschiedene Dinge, nämlich die Natur der Menschen und die Natur der Deutschen“. ,,Kein Reich in der Geschichte ist von seinen Zeitgenossen so gehasst und verachtet worden“ — doch: das jüdische Reich noch; die Sprache gegen die Deutschen erinnert immer wieder an die gegen die Juden. Aber die Hassabsichten unsrer Feinde, die uns ein für allemal genug geben wollen, lassen sich nicht verwirklichen. Nur eine einzige Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung: wenn es mit den Deutschen gemacht werden könnte, wie die Römer es mit den Juden gemacht haben; wenn die Deutschen aus Deutschland entwurzelt und unter die Völker zerstreut würden. Dazu sind ihrer zu viele. Deswegen auch kann nicht gelingen, uns niederzukriegen. Gelänge es — die Welt hätte keine Ruhe; unsre Ohnmacht würde zur Macht, und deutsche Vaterlandsliebe, deutsche Vaterlandsleidenschaft vollbrächte Wunder.


Doch auch vor dem leeren Hoffen muss gewarnt werden. Es ist besser, über die menschlichen Angelegenheiten zu denken als zu verzweifeln oder von Träumen und Schäumen den Mund groß zu machen. Die aber Unmöglichkeiten leichter begreifen als Wirklichkeit und träumen wollen — nun, die müssen wir schlafen lassen. Darüber, dass wir Menschen schlafen können und eine andre Wirklichkeit träumen können, darüber dürfen wir nicht als Wachende den Stand unsrer wahren Wirklichkeit aus der Acht lassen und müssen unterscheiden das, was sich ändern kann, von dem, was sich nicht ändern kann. In den Haupt-Verhältnissen der Menschen, soweit sie auf der Beschaffenheit der menschlichen Natur beruhen, die in den übrigen Menschen keine andre ist als in den Deutschen — in den Hauptverhältnissen des Lebens, worin die Menschen sich nur zu sich selbst verhalten und ihrem Egoismus keine Grenze kennen als nur an der Macht des fremden Egoismus, darin ändert sich nichts. Glaube niemand an solche Änderung, auch wenn es nach dem Kriege eine Zeitlang aussehen sollte, als wäre es so geändert, und nach dieser großen Zeit die schönere Zeit kommt, wo die Menschen wieder Freuden haben können. Rasse, Nationalität, Verfassung, Wirtschaft, gesellschaftliche Gliederung, um das alles bleibt Kampf und Verwirrung, mit dem Kampfe verbunden bleiben Hasserscheinungen und Vorurteile, welche die Menschheit niemals überwinden wird, und dieser Krieg wird nicht der letzte Krieg sein; nimmer kann den Kriegen durch ein Völkergericht der Gerechtigkeit Einhalt geboten werden, so hübsch auch gleich diejenigen, welche diesen Gerichtshof einführen wollen, mit Gerechtigkeit gegen uns anzufangen gedenken, mit Gerechtigkeit, Bestrafung und Belehrung. Es wird nach diesem Kriege nicht so bald wieder Krieg sein, auch ohne Völkergericht: aber Krieg wird wieder sein, trotz Völkergericht. Eher kann man sich einigen, nur die Greise gegeneinander kämpfen zu lassen — lächerlich? aber wie weise gegen unsre rasende Unvernunft! — , ehe es zum Ewigen Frieden unter den Völkern kommt. Will man nicht auch gleich den Frieden in den Gemeinschaften der Menschen, in den Häusern der Menschen und in den Seelen der Menschen einführen? will man nicht gleich mit die Krankheiten, die Leidenschaften, die Verbrechen und alles das abschaffen, was wir das Zerstörende in der Natur nennen, und Sonne, Mond und Sterne siebenmal leuchtender machen und alle Sonntag die Sphärenmusik hörbar?! Wer an Völkerfrieden denkt, dadurch auch den kleinen Völkern ihr Recht solle gesichert werden, der begeht viele Denksünden. Er misskennt die Natur der Menschen und das Wesen dieser Welt der Dinge, dieser Bewegungswelt (die für unsre Menschengesellschaft die Spannung zwischen Ordnung und Unordnung, Freiheit und Unfreiheit bedeutet — der Menschheit die Kriege nehmen, das heißt nichts geringeres als einen Teil der Weltbewegung zur Ruhe bringen!), und er weiß nicht von dem für das Recht de facto entscheidenden Verhältnis zur Macht — nach Hobbes hat sogar Gott sein Allrecht nur infolge seiner Allmacht — , und er verwechselt die Stellung der Staaten zueinander mit der Stellung der Individuen innerhalb eines Staates. Die Individuen eines Staates werden im interindividuellen Rechtszustande erhalten: die Staaten gegeneinander stehen wie Individuen im Naturzustande. Der Staat ist das Recht, weil im Staate das Recht Macht ist: Staaten gegeneinander sind, wie sie heißen, Mächte und nicht Rechte; und zwischen den Staaten ist die Macht Recht*). Jeder Staat, bemerkt Adam Müller, trägt zwei Staaten in sich: einen Friedensstaat und einen Kriegsstaat. Internationale Völkergerichte, die den streitenden Völkern Recht sprechen und ihnen zuwägen sollen? — Sobald es mit den Völkergerichten versucht ist, wird keiner mehr an sie glauben. Auch fehlt es den Völkern in den meisten Fällen schon an dem ersten Erfordernis zum Richter: an Unabhängigkeit, Unbeteiligtheit, Unbefangenheit. Mit Völkern, die politische Richter abgeben sollen, ist es denn doch anders als mit Zivil- und Kriminalrichtern. Die stehen zu solchen, über welche sie urteilen sollen, eben nur in diesem Verhältnis des Urteilensollens, einem vorübergehend äußerlichen Verhältnis der Zufälligkeit, sie gehen dazu als nicht zum ihrigen und davon zum ihrigen hin, während Völker an Völkern immerwährend Lebensinteressen haben, denn die Völker leben miteinander; und bei wichtigen Streitigkeiten zwischen zwei Völkern sind die meisten oder sind alle Völker Partei und also mit ihrem Gefühl, mit ihrer Einsicht, mit ihrem Willen außerstande, ,,Recht zu stärken und Unrecht zu kränken“. Politik wird Verderb der Gerechtigkeit schon in den Gerichtssälen eines Landes: wie erst mag es bestellt sein, wenn über die Länder schiedsrichterliche Erkenntnisse abgegeben werden von Richtern, die unmöglich ohne politische Rücksichten auf ihr Vaterland denken können und gar nicht mit mehr Tugend der Gerechtigkeit ausgestattet sein dürfen, als es ,,die Interessen der äußeren Politik“ zulassen. Man wird den Völkergerichten nicht trauen und dem Frieden nicht trauen — die Redensart ,,dem Frieden nicht trauen“ hat ihren Ursprung von einem schon einmal dagewesenen Ewigen Frieden, dem Gesetzlichen Ewigen Landfrieden von 1495, dem man nicht trauen konnte, trotzdem seine Ewigkeit zwanzig, dreißig mal war aufrepariert worden. Man wird dem Ewigen Frieden nicht trauen und beim Krieg an ihn nicht denken. Man hat auch bei diesem Kriege an den Haager Friedenspalast nicht gedacht. Der weiße Haager Friedenspalast ist noch zu sehen. Ich sehe ihn rings umflossen von dem Blutstrom der Millionen Gemordeter ..... Das von den Völkergerichten und vom Ewigen Frieden gehört bei diesem Kriege mit zu den gangbaren Reden, welche die Völker in den Krieg treiben: ,,Ihr müsst unglücklich sein — für die spätere Beglückung der Menschen!“ Krieg kann man machen mit diesen Reden, keinen Frieden. — Selbstverständlich nicht, dass nun jeder politische Redner, welcher von dem Requisit der bezeichneten Phrase Gebrauch macht, ein klar bewusster, kniffig gleisnerischer vir duplex animo sein muss: es gibt auch in der Politik halb der Wahrheit Bewusste, die in lebenslängliche Leidenschaft geraten sind für Phantastik, an die sie im Grunde selber nicht glauben; der gewöhnliche Fall aber liegt in politischen ganz wie in anderen Dingen: gleichwie das Genie seiner selbst vergisst über dem Leben in der Idee, so verkennt der ungeniale Mensch seine eigene eigentliche Natur und den wirklichen Charakter der Allgemeinheit über dem ideal klingenden Wortschall und hält Narreteien für Gedanken — ,,Was für kuriose Kinder es doch gibt“, sagte der Bauer in der Stadt, als er einen Affen zum Fenster herausschauen sah. Es sind auch selbst unter den praktischen Politikern Dilettanten, gänzlich unpolitische, wirkliche enthusiastische Träumer solcher Träume, — gute Menschen, mit denen der Mond immer mitgeht: um so eher verbreitet sich das Träumen über viele. In den Unglückszeiten der Menschheit sind die Träume ansteckend; das ist ein Erfahrungssatz für jeden, der die Vorzeit kennt. Immer, wenn der Satan los ist, wird auch die Hoffnung losgelassen, die schwärmerische Hoffnung auf das Paradies, auf das tausendjährige Reich, auf Wiedergeburt einer herrlicheren Welt. Bei der Seltenheit des wirklichen Denkens; bei der gewöhnlichen Tatsächlichkeit; dass der Verstand einigermaßen zuverlässig nur einseitig tätig ist, nämlich mit Gedanken in Hinsicht auf den unmittelbar treffenden eigenen Nutzen oder Schaden, was aber darüber hinaus geurteilt wird, das pflegt von Übel zu sein und Sache der Suggestion; bei der besonderen Miserabilität des Verstandesdenkens da, wo Herzenswünsche mitsprechen, ist dies psychologisch begreiflich: gerade, wenn die Allgemeinheit im Elend liegt, unter den Entbehrungen, Drangsalen und allerherbsten Nöten blüht in den Träumen des Aberglaubens der Weizen. Nun muss es doch kommen, nun m u ß es besser werden, nun wird es so gut wie noch nie! Der Ewige Frieden ist ein abergläubischer Traum, darum kein Traum für Denker, und ganz gewiss nicht wird ein Denker solchen Traum unter die Gestalten des Tages ziehen: er ist ohne Verhältnis zur Wirklichkeit, bringt keinen praktischen Nutzen und entfernt die Bemühung von dem Notwendigen.

*) Vgl. S. 128 ff. Das Zeichen (Z.) in den Anmerkungen des Werkes bedeutet: Zusatz während des Krieges.

Und was im Besonderen die Juden anbelangt und ihre besonderen Träume: auch das wäre Traum, dass in dem Mörser dieses Krieges mit seinen Erfahrungen von Deutschenhass — wenigstens für die Deutschen nun der Judenhass zerstampft werde. Davon bleibt genug ganz; was auch übrigens politisch komme. Doch für den Kampf der Juden gegen den Judenhass wird ihnen dies hilfsam sein: hinzuweisen auf den Deutschenhass. Es ist dieselbe Sprache wie die des Judenhasses, nicht weniger wert und nicht mehr wert. So bleibt denn in Zukunft den Juden die Mühe erspart, gegen die Vorwürfe, die man ihnen macht, Widerlegungen zusammenzustellen: sie brauchen nur die Anklagen gegen die Deutschen zusammenzustellen. Die Widerlegungen werden von allen Deutschen besorgt, auch von den Judenhassern. Aber der Kampf geht weiter. Die Juden brauchen deswegen, wenn sie denken und danach handeln wollen, nicht zu verzweifeln und nicht Zionisten zu werden und nicht so zu hoffen, — wie auch Zionisten nicht hoffen sollten!

Ja, die Hoffnungen schwimmen immer oben auf, weil sie spezifisch leichter sind, doch geben sie dem trüben Wirklichkeitselement nichts ab. Du rettest dich einzig und allein durch Denken: Gedanken, die können fliegen und nehmen dich mit ins Hohe, wo du über der Wirklichkeit bist und sie überschaust. Wir müssen denken, trotz dem Kriege; auch über den Krieg. Darum schrieb ich von der Ursache des Krieges — nicht von den näher liegenden politischen Ursachen und äußerlichen Geschichtstatsachen, welche zu Anlässen des Krieges wurden (darüber mögen andere schreiben), auch nicht über besondere Schlechtigkeit der Engländer, worin ich so wenig die Kriegsursache zu erblicken vermag wie in besonderer Schlechtigkeit von uns Deut. sehen: sondern über die letzte Ursache und den Keim, über die wirklich einzige letzte, allen Menschen in die Seele eingesenkte Urursache, wie sie, zu fruchtbarem Nachdenken und Verhalten, in Krieg und Frieden allen Menschen nahegehen sollte, und damit suchte ich Beziehung zum Publikum. Trotz Schillers Ausspruch, dass es nur auf eine einzige Beziehung zum Publikum keine Reue gäbe: auf den Krieg gegen das Publikum ............

Auch das folgende Werk sucht — für das, was in ihm das Hauptsächliche ist, denkende Leser; das Publikum dürfte darin manches finden, was von ihm nicht gesucht wird, — ganz abgesehen noch vom Kampf gegen das Publikum, der auch mich noch niemals gereut hat. Ich betrachte die Juden vom geschichtsphilosophischen, den Judenhass oder die Antisemitenfrage vom nationalen Standpunkte, als Deutscher zunächst vom deutschnationalen Standpunkte, und hege die Hoffnung, dass, in das vereinigte Licht der besonderen Definition von der jüdischen Rasse und des allgemeinen Begriffs von der Menschennatur gestellt, alles verständlich werde. — In einem stärksten Gegensatz findet sich dieses Buch zur Literatur, welche von Juden herrührt. Es ist zum Staunen, wie Juden so viel schreiben über Judentum und Juden, ohne den Hauptjuden und das Hauptjudentum hinzu zurechnen: Jesus Christus nämlich und das Christentum. Christentum nicht in dem engeren Sinne von christlicher Religion (meine Einbildungskraft reicht nicht aus, in christlicher Religion mehr Gleichbild des wahrhaften Christentums, d. i. des wahrhaften Judentums zu entdecken als in jüdischer Religion, und ich rate den Juden wahrlich nicht, sich taufen zu lassen!), sondern nach seiner tatsächlichen Bedeutung in ihrem ganzen Umfange, wovon das Ende des Werkes zu reden hat und hoffentlich einigen ein Ohr macht, einigen Nichtjuden und einigen Juden. Möchten Juden zum Erschrecken gebracht werden und zur Empörung ob der Unrichtigkeit, Enge und Ahnungslosigkeit, womit unsre jüdischen Schreiber über den jüdischen Gedanken und über Juden schreiben. Und zwar sind da ,,die freien“ so ziemlich wie ,,die religiösen“; als wären ihnen die Füße noch immer gebunden, und sie sind es auch. Man kennt die selbstmörderische Starrheit der religiösen Juden, 'die von der Größe Christi und Spinozas nichts gewahren, dafür unzähliges Kleines und Kleinstes mit dem Übereifer und der Leckerhaftigkeit armseliger Geister mikroskopieren und sich ihr Judentum redigiert haben: statt der organischen Einheit mit Spannkraft des Lebens für Glück und Unglück, einen schwachmatischen Körper ohne das rechte Herz und ohne den rechten Kopf. In Bezug nun auf dieses Herz und diesen Kopf sehen ,,die freien“ jüdischen Schreiber über Judentum und Juden so ziemlich ,,den religiösen“ gleich. Wenn sie auch nicht, wie die orthodoxen Juden, Furcht und grausendes Gefühl kennen und keine Verwünschungsformeln gegen sie sprechen, so stehen sie ihnen doch gegenüber ohne Regung und Bewegung, — gerade als handelte es sich um eine ganz neue Pracht in unsren Tagen erst hervortretender, noch lebender, noch unberühmter und wirkungsloser geistiger Heroen. Was ist das nur? Bleibt denn allein den Juden gänzlich unsichtbar und unhörbar, was nachgerade alle Menschen irgendwie sehen und hören? Es gibt Krankheiten der Wortblindheit und Worttaubheit, ohne dass übrigens Gesicht und Gehör gelitten haben — : sind die Juden krank an der Christusblindheit und Christustaubheit, dass für sie allein Christus ein sprachloser Mann bleibt? Ist gerade bei den Juden der Nachahmung etwas passiert? Bilden die Juden eine Ausnahme vor dem Naturgesetz, vor dem allmächtigen, allwaltenden Menschheitsgesetz: unterstehen sie nicht der Nachahmung, wodurch sonst in jedem Falle nach Verlauf von mehr oder weniger langer Zeit die Massen gezwungen sind, freilich nur auf ihre eigne Weise, und sei es auf schlechteste Weise, die Gedanken nach den Großen zu stimmen? Oder macht das einen Unterschied für die Juden, wenn diese Großen aus ihrer eignen Rasse sind? Was wollen die Juden zu solchem Sachverhalt sagen? Gewisse Nichtjuden könnten sagen: Also nicht allein, dass sie Juden sind, — sie sind nicht einmal Juden! und würden damit den tiefsten Punkt des Unglücks der Juden treffen: ihren Widerspruch in sich selbst. — Das sind mir Schreiber über die Juden, die fertig bekommen, über die Juden zu schreiben und Jesus Christus und Benedikt Spinoza entweder ganz auszulassen, als wären sie nie dagewesen, oder von ihnen, von Jesus Christus und von Benedikt Spinoza, zu reden als von den Schreckenskindern des Judentums! Nichts beweisen sie mit solchem Reden oder Auslassen als erbärmliche Unfähigkeit, den höchsten Geistern ihrer eigenen Rasse zu folgen oder, was dasselbe bedeutet: dass sie allzu seicht sind, den sinnschweren Kern des jüdischen Gedankens innerlich zu wiederholen und nachzuerleben. Ja, nicht einmal seine unvergleichlichen schöpferischen Wirkungen erkennen sie für seine Wirkungen; und statt ihren Anspruch zu erheben, grundernstlich sich zu besinnen und, mit vollen Kräften tätig, ihrem Werke in der Welt neu sich zu verbinden, fortwirkende Ursache ihrer Wirkungen zu sein, — statt dessen stellen sie sich abseits und treten von sich selbst weg. Was ist das? Das ist, wie gesagt, ihr Widerspruch in sich selbst, das ist in ihnen der Dämon der Hartnäckigkeit und Verstocktheit — gegen den Geist und die Kraft in ihnen und gegen ihre geschichtliche Bestimmung. So sind sie, wie sie waren, und wie schon Moses sie genannt hat: k'scheh oreph, — dem darüber Nachdenkenden zeigt sich, welches Weges das schwerste Unglück ihnen kommt. Das tiefe Unglück wie das tiefe Glück liegt immer in den Glücklichen und Unglücklichen selber.

Was ist so bedeutend in der Geschichte und Kultur, was gleichermaßen befruchtend für die Menschheit, grenzenlos wirksam mit seinem Leben und mit dem Widerschein seines Lebens heute noch und ganz gewiss auch noch morgen, als das Judentum? — wenn nur die Welt Judentum nennen will, was in ihr Judentum ist! Dass die Welt dies fortan tue, verlangt das Werk in seinem letzten Teil, nachdem von allem minderen zu Sagenden geredet worden. Hier rede ich von der Juden nicht zuzudeckender Blöße: von ihrem Widerspruch in sich selbst, von ihrer Halsstarrigkeit gegen den Geist bei ihrer Berufung für den Geist, von ihrer Geistlosigkeit zu ihrem Geist und ihrem Sich-selber-Fehlen, von ihrer Verkennung der Taten des Judentums und von der tiefen Verkehrtheit ihres Verlangens nach Taten von ihm. Stockblind zeigen sich auch edle Juden gegen die lebendige Weltbedeutung des Judentums, die doch auch von ihnen selber gelebt und also auf Umwegen anerkannt wird. Aber sie schicken pomphafte Klagen in die Luft, die Juden seien allezeit nur Woller des Unmöglichen, und ihre größten Worte seien zu klein, da sie niemals Taten würden: die Tat aber sei das jüdische Volk in Palästina oder sonst wo. Nein, — es gibt kein jüdisches Volk. Nein, — es gibt eine jüdische Rasse, kein jüdisches Volk. Nein, — es ist mit dem Judentum und seinen Taten und seinen zukünftigen Taten eine über jegliches Maß und über alles Preisen viel größere Sache, als ein jüdisches Volk in einem jüdischen Staat sein könnte; es ist nicht mehr darum, es ist gänzlich anderes darum. Das hat damals bereits, als noch ein jüdischer Staat vorhanden war, der jüdischste aller Juden, Jesus Christus, gewaltig gesagt — was war diesem jüdischsten aller Juden sein jüdischer Staat?! — und nun sind die Juden zweitausend Jahre älter, hatten Zeit und Leid im Überfluss und haben immer noch keinen Begriff vom Judentum; und was wollen sie nun, was wollen sie? Sie, auf alle Weise mit ihren Ohren immer noch stündliche Mörder Christi, wollen nun wieder, — ich vermute, ohne dass Christus ihnen darin lebe, wollen sie wieder einen jüdischen Staat! Sie hoffen das, was sie fürchten sollten. Die Juden in einem jüdischen Staate: wenn sie nicht das Außen wären zum Inwendigen des jüdischen Geistes; wenn nicht dieser Staat das Ungeheure und das Wunder wäre der Folge des auf elementare Weise Leben und Macht gewordenen jüdischen Geistes, dessen Innerlichkeit in diesem Staate seinen Körper sich schaffen würde wie der Gedanke das Wort — wenn nicht dieses, was könnte der neue jüdische Staat sein?! Aber das war der alte jüdische Staat dadurch, dass er nicht sowohl ein Staat gewesen als vielmehr das Hervorbringende des nun Hervorgebrachten und in der Welt Vorhandenen — : seine Wiederherstellung hat keinen Sinn; nicht noch einmal Gebärer des Geistes wäre der neue jüdische Staat, sondern das ihm Absterbende, und der Juden Lied würde nicht verbessert sein. Wenn wirklich ihrer genug viel hingehen und tauschen, statt hier unter Antisemitismus, dort unter Zionismus zu leiden, und sollte, etwa durch diesen Krieg, das Kaleidoskop so geschüttelt werden, dass dabei tatsächlich ein neuer jüdischer Staat in Palästina herauskommt: so werden denn fortan in der Welt Juden und Juden sein, die Juden in Palästina aber weniger Juden als die außerhalb Palästinas, — weil sie ihrem Kampf in der Welt sich entziehen und, da die Tiefe ihrer Bestimmung ihnen nicht zum Herzen gelangen konnte, sich selber bestimmen wollen. Das Schicksal kommt nicht, das man ruft. Und nein, — viel Schlimmes eher als ,,ein jüdisches Volk“ werden die neuen Schutzjuden in Palästina sein!

Potsdam, September 1917. Constantin Brunner.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Judenhass und die Juden