Das Material des Memelhandels und dessen Provenienz.

Das russische Material kommt überwiegend als Rundholz, dann als Sleepers, Schwellen und beschlagene Balken nach Deutschland. Die richtige Kiefer des Handels ist die sogenannte „Borkkiefer“ (Kiefer mit Borke). Die Borke wird gewöhnlich mitgemessen, ihre Stärke im Messbuche jedoch angegeben und bei sehr starker Borke vom gemessenen Durchmesser etwas nachgelassen. Bei sämtlichen Laubhölzern wird hingegen die Borke von der Abmaß abgeschlagen. Die russische Kiefer wird als vorzügliches Material geschildert; sie hat nur den Nachteil, daß sie etwas schwarzästig ist.

Fichte und die wenige Tanne, welche aus Russland kommen, sind oft ein wenig stockig. Von den Laubhölzern wird überwiegend Eiche und Erle importiert, auch Esche, Birke, Aspe kommt in großen Massen, Linde und Ulme hingegen nur sehr wenig. Erle wird als Möbelholz, zu Leisten, Bilderrahmen und Kistchenbrettern (Schälbretter) verwendet und danach verschnitten. Die Verwendung der übrigen Holzarten ist bekannt. Schwaches Fichtenholz, unter 10 cm, das für die Zellulosefabriken in Betracht kommt, wird in großen Mengen gehandelt.


Von den in Ostpreußen erwachsenden Hölzern wird hauptsächlich die Kiefer aus den Johannisburger Forsten infolge ihrer Qualität außerordentlich geschätzt. Sie hat keine schwarzen, durchfallenden, sondern nur kleine und gesunde Äste, eignet sich daher vorzüglich zu Tischlerware und für spezielle Zwecke. (Siehe Seite 93.) Dieses Kiefernholz ist um etwa 50% teurer als das russische Holz, hat jedoch infolge seiner Qualität keinerlei Konkurrenz zu fürchten. Es wird meist schon in der Johannisburger Gegend geschnitten und werden die Erzeugnisse auf dem Wasserwege oder auch per Bahn bis nach Berlin, Leipzig, Hamburg etc. versendet. Bis Memel kommt dieses ausgezeichnete Holz nicht, weil es keine Wasserverbindung gibt. Wo eine solche besteht, soll es übrigens vorkommen, daß dieses beste Kiefernholz Deutschlands über Russland nach Deutschland verflößt wird, obwohl die Manipulation an den russischen Schleusen, wenn sie rasch abgewickelt werden soll, immer einige Opfer verlangt.

Das nach Memel gelangende Rohholz stammt mit Ausnahme von etwa 10—15 Flößen, welche im Frühjahr auf dem Juraflusse aus dem Inland selbst kommen, durchaus aus Russland.

In Russland sind besonders Litauen, Polen und Wolhynien, die Gouvernements Kowno, Minsk und Wilna die hervorragendsten Provenienzen. Die Wälder liegen aber schon ziemlich weit ab von den Flüssen (12 — 15 km), die Wege sind schlecht und nur im Winter benutzbar. Das Holz nimmt auch in der Stärke ab und besseres Holz muss schon weit zugeführt werden. Die Bezüge greifen jetzt schon bis auf die Wasserscheide zwischen der Memel und Weichsel und selbst aus dem südlichen Wolhynien kommt noch einiges Holz nach Memel, obwohl es in der Hauptsache nach dem Schwarzen Meere geht. Hier gelangen die zahlreichen russischen Kanalverbindungen zur Wirkung. So kommt Material aus dem Pripjetgebiete durch den Oginskikanal (siehe Karte) und den Schara in den Niemen. Leider sind die Flüsse und Kanäle in schlechtem Zustande und dadurch wird die Flößerei oft sehr aufgehalten.

Die Rundholzflöße dürfen auf dem Memelstrome nur gebunden, nicht genagelt werden. Wenn letzteres stattgefunden hätte, so unterliegt dies nach Tilsiter Usancen einer Strafe von 1 M. pro gefundenem Nagel und überdies wird die außerhalb der Nägel liegende Holzlänge bei der Abmaß nicht berücksichtigt. Das Eichenholz wird einfach zwischen die Fichten und Kiefern eingebunden. Aus den russischen Grenzdistrikten findet natürlich auch ein geringer Import von Bundholz, Sleepers und Schwellen mit Fuhrwerk statt.

Außerdem ist an der Grenze, aber noch auf deutschem Terrain, ein Sägewerk entstanden, welches auch geschnittene Ware mittelst Fuhrwerk und Kleinbahn nach Memel liefert.

Bezüglich der Schifffahrt am Niemen wird geklagt, daß sie eigentlich nur bis Kowno, und zwar auch da nur im Sommer, möglich sei. Es verkehren dann etwa 15 Dampfer, die aber wegen der schlechten Wasserverhältnisse oft drei Tage fahren. Über Kowno hinauf ist der Strom ganz verwildert und selbst die Traften (Flöße) bleiben hängen.

Der neue Zoll hat sich bisher ebensowenig wie die neue Waldordnung Russlands im Memeler Handel fühlbar gemacht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holzhandel Norddeutschlands