Der Kaufmannsstand, Handel, Börse

Auf unserem Wege von Steinbeck über Boberg nach Hinschendorf und Reinbeck, hatten wir Gelegenheit, den Charakter der Landschaften, die uns umgaben, zu beobachten. Die Gegend besteht aus einer Kette von buschigen Anhöhen und fruchtbaren Feldern, und bietet von allen Seiten, eine liebliche, sanfte Abwechselung von Berg und Tal, Wald und Heide, Marsch und Sandhügeln dar, in deren Mannigfaltigkeit und Vermischung die malerische Schönheit eines Landes ja immer besteht.

Da die Straße, auf der wir jetzt fortgingen, vor Hinschendorf etwas sandig und beschwerlich zu gehen war, so suchten wir den Weg durch Gespräche zu verkürzen, und stritten unter andern über die Vorzüge der verschiedenen Stände unter den Menschen. Die meisten Stimmen waren natürlich für den Kaufmannsstand. Einer von uns bemerkte, dass, wenn ein Kaufmann zu Ehre und Ansehen gelangen wolle, vor allen Dingen unermüdeter Fleiß, richtige Urteilskraft und große Erfahrung eine unerlässliche Bedingung seien; und dass er vom Handel weitumfassende, großartige und deutliche Begriffe haben, und ihn in allen seinen Teilen kennen müsse. Durch den Handel, fuhr er fort, wird es am deutlichsten werden, dass es ein törichtes und zweckloses Mittel ist, irgend eine Herrschaft durch Waffen auszubreiten, indem wahre, dauerhafte Macht einzig und allein aus der immerwährenden Ausübung des Fleißes und der Künste entstehet. Ist es nicht sehr leicht zu beweisen, dass wenn eine Nation den Welthandel nach mehreren Seiten hin betreibt, der Staat auf jeder Seite gewinnen muss? Leicht vorübergehend ist der Gewinn des Eroberers; bei weitem dauerhafter, weit weniger dem Wechsel unterworfen der des Kaufmannes. Und wie groß ist denn endlich das Verdienst, ein Volk durch das Schwert zu stürzen? Tun nicht dasselbe Müßiggang und Luxus? Und abgesehen von diesem, betrachten wir nur das einzelne Mitglied dieses Standes. Gewinnen nicht die meisten desselben sehr vielen Dingen eine weit interessantere Seite ab, und gewährt nicht der Kaufmann, namentlich der gereiste, im gewöhnlichen Leben weit angenehmeren Umgang, als die Mitglieder anderer Stände? Ist nicht sein Beispiel in der Hinsicht nachahmungswert für Alle? Und die Mittel, durch die er reich geworden ist? Sind es nicht gerade dieselben, durch die alle Nationen der Erde auch reich werden können? So bin ich belehrt worden, und das sind die Gründe, weshalb ich stolz auf meinen Stand bin. Denn es ist eine grundfalsche Ansicht, wenn einige Leute behaupten, dass der Handelsstand sie erniedrige; gerade dieser Eigensinn ist es, welcher verschiedene Teile von Europa mit Hochmut und Bettelei angefüllt hat. In einem Handelsstaate wird dies nie der Fall sein. Und noch ist ein Vorteil für das Individuum. Denn hat dieses etwa keine Neigung zu den Wissenschaften oder Künsten, so braucht es darum nicht in den Handwerksstand zu treten, sondern es bleibt immer der Handel, der es bei Fleiß und Ausdauer zu Reichtum in seiner Familie und Ansehen im Staate führen kann. Und so muss ich denn freimütig gestehen, dass kein Ort in oder außer der Stadt ist, den ich lieber besuche, als die Börse und die Börsen-Halle. Es macht mir als Kaufmann ein heimliches Vergnügen, und befriedigt gewissermaßen meine Eitelkeit, wenn eine so reiche Versammlung von Einheimischen und Fremden, sich über die Angelegenheiten des Welthandels mit einander beratschlagen, und ich meine Vaterstadt gewissermaßen zur Handelstadt der ganzen Welt erhoben sehe. Die volle Börse betrachte ich als eine große Wahlversammlung, wo alle bedeutende Nationen ihre Stellvertreter haben, und den Kaufmannsstand als einen großen Staat. Die Kommissionäre in der Handlungswelt sind das, was die Abgesandten in der politischen sind; sie treiben und besorgen die Geschäfte wie diese, schließen Traktate oder Kontrakte, und unterhalten einen lebhaften Briefwechsel mit diesen reichen Gesellschaften von Menschen, welche durch das Meer weit von einander getrennt sind, oder an den verschiedenen äußersten Enden eines Festlandes wohnen, gerade wie diese mit ihrem Staate. Mir hat es öfters ein Vergnügen gewährt, wie Streitigkeiten zwischen einem Einwohner von Teneriffa und einem Oberalten von Hamburg an der Börse beigelegt wurden, oder wenn ich sah, wie ein Untertan des Kaisers von Marokko mit einem Schweden dort in einen Kontrakt trat. Und meine Freude steigt, wenn ich hier die verschiedensten Sprachen reden höre. Da gehe ich durch dichtgedrängte Haufen Fremder, und bald bin ich Engländer, bald Däne, bald Schwede, bald Franzose, je nachdem man mich anredet. Da glaube ich wohl öfter bei solchen Gelegenheiten jenem alten Weltweisen gleich zu sein, welcher auf die Frage, was für ein Landsmann er sei, antwortete: „er wäre ein Bürger der Welt.“


Und bedenken wir nun auch den ferneren Nutzen, welcher für einen Staat aus dem kaufmännischen Verkehr entspringt. Wenn wir den ursprünglichen Zustand unseres Vaterlandes, ehe es noch die Wohltaten und die Vorteile des Handels genoss, betrachten, welch eine unbehagliche Landstrecke erblicken wir. — Keine andere Früchte waren zu finden als Heidelbeeren, wilde Erdbeeren, Eicheln, Hagebutten, Schlehe, Holzäpfel und dergleichen Aber wie jetzt? Der Handel und der Verkehr mit fremden Völkern haben allmählich unsere Pflanzenwelt bereichert, und die ganze Oberfläche unseres bebauten Vaterlandes in einen üppigen Garten verwandelt. Unsere Schiffe kommen jetzt an, beladen mit den Ernten aller Gegenden der Welt. Unsere Tafeln sind mit Gewürzen und Früchten, mit Wein und Öl reichlich versehen; unsere Gemächer mit Ostindischen und Chinesischen Kunstsachen geschmückt. Tee und Kaffee, unser gewöhnliches Morgengetränk, kommen von den entferntesten Enden der Welt zu uns. Droguerieen aus Arabien und Amerika stellen die verlorne Gesundheit wieder her. Durch den Handel sind die Weinberge Frankreichs gleichsam unsere Fluren, indem sie uns ihre Erzeugnisse liefern, und die weit entfernten Gewürzinseln können wir als unsere Treibhäuser ansehen.

Die Natur hatte uns zwar mit dem zum Fortbestehen durchaus Notwendigen versehen; aber der Handel über alle Teile der Erde verschafft eine große Menge nützlicher Dinge, und liefert Alles, was uns das Leben bequem, angenehm und genussreich machen kann. Denn, indem wir die Produkte des Nordens und des Südens genießen und benutzen, fühlen wir weder die übermäßige Kalte noch die Hitze der Gegenden, welche dieselben erzeugen; unsere Augen werden durch das frische Grün unserer Felder erquickt, während wir die köstlichen Früchte der Wendekreise mit Ruhe und Wohlbehagen genießen.

Aus diesen Gründen gehören die Kaufleute zu den nützlichsten Mitgliedern der bürgerlichen Gesellschaft. Sie lehren die Menschen, durch ihr Beispiel, sich durch gegenseitige Dienstleistungen mit einander zu beiderseitigem Vorteile verbinden; sie teilen die schönen mannigfaltigen Gaben der Natur über die ganze Welt aus, sie schaffen Arbeit für die Armen, Jahr aus Jahr ein; sie vermehren den Reichtum der Wohlhabenden, und erhöhen die Pracht der Großen, Durch den Unternehmungsgeist des Geschäftsmannes, wird das Zink Nord-Deutschlands in englisches Gold verwandelt, und durch ihn erreichen seine überflüssige Wolle, die schlesische Leinwand, und die Erzeugnisse Nürnbergs, Elberfelds und Salzwedels die entfernten Ufer der Vereinigten Staaten und Süd-Amerikas.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist