Steinbek

Wir hatten nun schon beinahe eine Meile von Hamburg aus zurückgelegt, und da der Gasthof des Herrn Ritscher daselbst, wie bekannt, eine bequeme und gute Gelegenheit zur Erfrischung darbietet, so versäumten wir diese nicht. Steinbek ist ein Kirchdorf im Dänischen, und gegen zwanzig andere Dörfer und Meierhöfe gehören mit demselben zu einem Kirchspiele. Es liegt im Amte Reinbeck, und besteht aus dreißig bis vierzig Wohnungen aller Art. Der Ort hat verschiedene Male durch verheerende Feuersbrünste gelitten; da aber die Bauerhäuser und Scheunen wieder an den nämlichen Stellen aufgebaut sind, merkt man dies wenig, und ihre malerische Stellung und Gruppierung hat wenig dadurch verloren.

Steinbek hat auch seine Sagen und Spuck-Geschichten, die unter dem Volke sich noch immer fortpflanzen, und wer ein Liebhaber solcher Volksmährchen ist, wird hier bei etwaiger Nachforschung Stoff genug zu einer Wunder-Geschichte finden.


Der hier am Montage nach Michaelis Statt findende Jahrmarkt wird bei schönem Wetter sehr zahlreich von den Einwohnern Hamburgs besucht, wozu das Wirtschaftslokal des Müllers, und die freundliche Aufwartung daselbst, nicht wenig beitragen.

Noch besonders nahm die Kirche*) mit ihrem hohen Turme, so wie auch der Kirchhof unsere Aufmerksamkeit in Anspruch. Erstere ragt auf eine sehr malerische und imposante Weise über das ganze Land empor, und ist meilenweit auf dem Hannoverschen Elb-Ufer zu sehen.

*) Siehe die Ansicht Nr. I. von Steinbek.

Da nun gerade das Wetter sehr heiter war, unterließen wir auch nicht den Kirchturm zu besteigen, von wo aus wir uns der herrlichsten Aussicht über die schönsten Marschländer Hamburgs, nämlich: Billwärder an der Elbe und Billwärder an der Bille, erfreuten. Auf einmal sahen wir die ganze Unter-Bille mit allen ihren malerischen Krümmungen, und allen ihren Brücken, — dem Kirchensteg bei Oldenburg — der Roten-Brücke bei Schlehms — der Blauen-Brücke bei dem letzten Heller — und der Grünen-Brücke bei der Bullen-Schleuse; — und eine Landschaft lag vor uns ausgebreitet, die in aller Hinsicht abwechselnd und lieblich ist, und deren Reiz noch erhöhet wird durch eine Menge schöner Landhäuser, die, in dem verschiedenartigsten Geschmacke erbauet, in der Gegend rings umher liegen.

Als wir Turm und Kirchhof verlassen hatten, schlugen wir den Weg links ein, über die Brücke des Becks, von welchem Steinbek seinen Namen bekommen hat. Dieser Bek oder Au entspringt bei Stellan unweit Glinde, treibt unterwegs mehrere Mühlen, und fällt unterhalb Steinbeck in die Bille. Auf der Landstraße, die jetzt bergan geht, wurden wir bald zwei Wege gewahr, beide nach Reinbeck führend. Wir zogen den Weg rechter Hand vor, der uns bald an das hohe Land brachte, auf dem das Dorf

Boberg

liegt*). Der ganze zur rechten Hand liegende Weg dahin gewährt dieselbe Aussicht, wie man deren vom Steinbeker-Kirchhofe aus genießt, nur mit dem Unterschiede, dass alle hundert Schritte noch eine bezaudernde Veränderung in der Perspektive und den entfernten Gegenständen sich zeigt. Ist man nahe vor Boberg gekommen, ungefähr dahin, wo einige Weiden-Bäume zur linken Seite des Weges stehen, so bemerkt man einen Fußsteig, der sich etwas links über das Feld hinwendet, dann gerade aus geht, das Dorf Boberg nahe zur Rechten, und das Dorf Havighorst weiter entfernt zur Linken liegen lässt. Diesem Fußsteige folgten wir, weil man auf demselben bequemer gehen kann, als auf der Landstraße, und er gerade und früher nach Reinbeck führt. Nachdem wir einige Felder durchwandert waren, kamen wir wieder an den Fahrweg, den wir nun links hinunter verfolgten, den Fußweg verlassend. Denn dieser geht eigentlich quer über diesen Fahrweg, und bringt den Wanderer nach Bergedorf. Da wir nun aber erst nach Reinbeck wollten, so blieben wir also nicht in der Richtung des Fußsteiges, sondern gingen den Fahrweg.

*) Boberg gehört zum Kirchspiele Steinbeck. Das Dorf besteht aus fast zwanzig großen und kleinen Wohnungen, zu denen noch der Meierhof zu Oldenburg an der Bille gehört. Es hat auch eine eigne Schule. Der Name ist wahrscheinlich halb Dänisch und halb Deutsch. Bo — Boe — bedeutet nämlich im Dänischen — Wohnung — Haus — als — Boe i en Kjobstat, — in einer Stadt wohnen, — und so ist wohl Boberg ein bewohnter Berg, wie es denn auch wirklich ein solcher ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist