Silgk, Bill-Tal

Um weiter durch den Wald nach Silgk *) zu gelangen, kehrten wir über die Brücke nach Reinbek zurück, verfolgten die Landstraße bis an das Wirtshaus, ließen dieses links liegen, und setzten unsern Weg, bergan, fort, bis wir bei einigen kleinen Wohnungen vorbei waren, Dort kamen mir auf einen Fußsteig oder Landweg, der uns rechts dem Gehölze zuführte, und dann zuerst in ein enges waldiges Tälchen. Nachdem wir dieses verlassen hatten, ging der Fußsteig in die höher liegenden Fluren, Und nun hatten wir eine reizende Aussicht über die Gegend längs dem oberen Bill-Tale, in dessen Tiefe Silgk liegt. Indem wir dem zwischen den Einzäunungen hinlaufenden Wege folgten, erreichten wir die Landstraße, die nach der Aumühle führt, und welche wir, rechts gehend, einschlugen. An der linken Seite des Weges hatten wir nun eine Gegend, die, wild und ohne anziehende Gegenstande, — außer etwa dem Schäfer und seiner Herde — das Auge unbefriedigt lässt. Als wir aber die Anhöhe erreichten, zu welcher der Weg führt, eröffnete sich unserem Auge rechts eine Aussicht, deren Eindruck wir nur mit schwachen Farben wieder zu geben vermögen. Hart an einem steilen, beholzten Ufer floss der Bill-Fluss durch ein liebliches Tälchen dahin; vor uns in der Tiefe lag eine Gegend ausgebreitet, in der Wald mit Wiesen und Kornfeldern auf das anmutigste abwechselten, und deren reizende Ansicht noch durch Silgk im Vordergrunde, und dem, sich in blauer Ferne verlierenden Schlosse zu Reinbeck im Hintergrunde erhöhet ward.

*) Silgk ist ein adeliges Kanzlei-Gut, im Amte Reinbeck, zu welchem das Dorf Schöningsstedt als Pertinenz gehört. Es hat eine beträchtliche Schäferei, und in den letzten Jahren eine Ziegelei und Brennerei erhalten.


So hat die Natur hier mit ihren lebendigsten Farben eine Landschaft gebildet, auf welcher unsere Augen mit Ergötzen verweilten. Eine kleine Strecke weiter führt die Heerstraße ins Bill-Tal hinab. Als wir dort angelangt waren, zeigte sich rings um uns her hohes, abgedachtes, beholztes Land, das den Anfang des Waldes verkündigte.

Wie die Ansichten in der Nähe hier reizend sind, so sind die in der Ferne großartig. Die Bill-Brücke, ringsumher der üppigste Waldwuchs, der Strom, der bald schnell dahin fließt, bald über Kiesel blinkend sachte dahin gleitet, die pittoreske Lage des kleinen Wald-Dorfes Bille-Kamp zur Rechten, der Farben-Spiegel des Flusses, in den tausend Arten von Kräutern, Sträuchern und Blumen ihren Wiederschein werfen, dies Alles gibt dem Orte ungemeine Anmut, die noch durch seine einsame Lage erhöht wird.

Im höchsten Grade befriedigt, und mit Heiterkeit erfüllt, gingen wir über die Brücke, und betraten nun eigentlich erst die Waldung, die dichter wird, je mehr man sich der Aumühle nähert. Der Fahrweg sowohl als der Fußsteig wendet sich etwas links bergan, und ein Hain von herrlichen Buchen, die ihre glatten und prächtigen Stamme hoch empor strecken, überrascht das Auge durch seinen eigentümlichen Reiz, und so lange der Pfad des Wanderers sich unter denselben hinzieht, bietet jeder Schritt ihm alle Schönheiten einer Waldgegend dar. Nach einer Strecke Weges erblickt man dann einige Bauerhäuser und bald darauf die sogenannte Aumühle. Wenn man diese Wohnungen links liegen lässt, und den Landweg gerade aus geht, so findet man gleich zur rechten Hand eine kleine Wirtschaft, die mit ländlicher Kost und mancherlei Erfrischungen wohl versehen ist.

Nachdem man das Dorf und die Mühle, welche beide für eine Landschaft wenig Anziehendes besitzen, im Rücken hat, führt ein Fußsteig links in einen anmutigen Wald, und läuft hernach sich etwas rechts hinwendend, abwechselnd bald durch dichtes Gebüsch, im Schatten schöner Eichen, bald an dem Rande eines kleinen Baches, und durch wogende Kornfelder, immer gerade aus, bis er den Wanderer nach Friederichs-Ruh bringt. Wir hatten denselben verfolgt, und nun die Grenze des Sachsen-Waldes und seiner romantischen Szenen erreicht. Diese recht zu genießen war eigentlich der Hauptbeweggrund unserer Reise gewesen; daher beschlossen wir hier länger zu verweilen; und diesen Szenen, so wie den Denkmalern der Vorzeit, welche der Wald aufzuweisen hat, etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen, als eine eilfertige, nur auf Belustigung berechnete Reise durch den Wald verstatten würde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Der Holsteinische Tourist